Hallo Presbyter :)
Zitat:Wird denn die Scharia dadurch besser,
dass wir selbst einmal jener Intoleranz verfallen waren?
Nein, darauf wollte ich auch nicht heraus. Im Uebrigen ist Dein Geschichtsbeispiel mit dem 4.Lateranum ziemlich spaet angesetzt. Es kann ja stimmen, dass die Kirche als eigenstaendige koerperschaft neben dem "allerchristlichsten Kaiser" sich erst damal hingesetzt hat, den Status der Juden theologisch neu zu definieren, aber da sassen wir laengst tief in der Patsche, denn die Entwaffnung der Judenschaft geschah staatlich mit dem Ausbruch der Kreuzzuege, und wir sollten uns aus dem andern Volk entmischen, auf die Ghettos begrenzen, auf keinen Fall Land besitzen oder gar bearbeiten - und schon der 1.Kreuzzug entgleiste im Bereich der aufgeregten Rotten - nicht des vom Papst gerufenen offiziellen Ritterheeres, das moechte ich betonen - und damals hat nur Regensburg es geschafft, seine Juden zu retten. Die ganze Strecke Landes ab dem Niederrhein an Rhein und Main und Donau hatte ermordete Juden-Gemeinden zu beklagen - das war schon ein gewaltiger Schock.
Vorher vermittelten am ehesten juedische Gelehrte auch den Zugang zu islamischen Wissenschafts-Ergebnissen, Beispiel: den "Kanon der Medizin" Avicenna (=Ibn Sina -1037^), Hochschullehrer von Isfahan, Persien, ins Latein uebersetzt zu bekommen, brachte die hiesig-europaeische Heilkunde ganz betraechtlich weiter. Arabische Sprachen stehn ja dem Hebraeischen naeher, und solche Uebersetzungen waren sicherer als Versuche anderer Art.
An den Hochschulen Spaniens hat es christliche und juedische Studenten ebenso wie islamische gegeben.
Einige Kontakte waren schon aus der Zeit Karl d.Gr. (-814^) beibehalten worden, der zwar entschieden militaerisch Spanien bis zum Ebro den Muslimen wieder annahm, aber ein Kulturaustausch, Handel, Technologie-Transfer etc.war beiderseits nicht durch Feldzuege zu irritieren und nicht durch den Glauben "undenkbar".
Und genau hiernach, als durch die Horden die bluehendsten Gemeinden seit der Karolingerzeit angefallen uns als "Unglaeubige" beschimpft umgebracht wurden, zu verordnen, dass Juden keine Waffen fuehren duerfen, war mehr als gemein.
Beim Verteidigen der durch unbeauftragte Volksrotten ueberfallenen Gemeinden waere es zumindest recht und billig gewesen, uns eine Selbstverteidigung zu ermoeglichen, bis ein beauftragtes Reichsheer eintraefe und mit mehr Autoritaet solche ungeordneten Haufen zu stoppen.
Bis zu den Kreuzzuegen waren juedische Mit-Untertanen doch auch bei Heer und Stadtwachen willkommen und die Ausruestung des offizellen Ritterheeres im 1.Kreuzzug (1096-99) war auch teils freiwillig von hoffnungsvollen Juden grosszuegig mit finanziert worden, denn damals haben die neu-islamischen Seldschuken ja alle Wallfahrtsstaetten zu vernichten begonnen, es war auch unser Hl.Land und auch uns wurde es unmoeglich die Pilgerfahrt nach Jerusalem zu machen.
Das neue Gesetz, keine Waffen zu tragen, betraf uebrigens auch die Geistlichen und die Frauen. Geistliche sind aber nur ein paar Leute pro Ort, und Frauen gab es nicht alleinstehend, also da war es machbar, sie durch maennliche Ordnungskraefte oder Maenner im eigenen Hause zu beschuetzen. Es gab auch keine solchen Pogrome gegen diese als Gesamt.
Juden aber sassen nun "auf dem Praesentierteller gehaeuft" in den Ghettos, darauf begrenzt, allein von Geld zu leben, ohne sich auch nur ne eigne Kuh halten zu duerfen, wirkten wie Schmarotzer, die nichts selber "arbeiten", und da hoerten seitdem die Ueberfaelle nicht auf.
Im Vatikan-Staat, auch als er gross war, da gab es nie ein anti-juedisches Pogrom, da weiss ich auch, dass es der kath.Lehre nach auch keines haette geben duerfen, doch hinderte das keine Landesfuersten, nach Ueberfaellen auf die Ghettos bei den jeweiligen Uebeltaetern aufgefundene "Beute" einfach zu behalten. Trotzdem wurde die Steuer erst dann gemindert, wenn die komplette Gemeinde des Judenregalien-Inhabers wegen Alter und Krankheit am Verhungern war. Man wurde ihnen abgezaehlt zugeteilt als mobile "Geld-Boerse".
Ein Ueberfall galt nur als straffbar, weil das ja den Ghetto-Besitzer beraubte.
Auch der Nach-Ost-Handel als Erwerbs-Moeglichkeit wurde Juden weggenommen und nun von den anderen Europaeern direkter erledigt (Venedig, Genua...), auch nachdem es keine Kreuzzuege mehr gab. Man kam drauf, das Kirchengesetz des Zinsnehme-Verbotes gelte nicht fuer juristische Personen, also Institute, und gruendete nun auch bei Christen selbst Banken. Aber diese konnten von vielen anderen Berufen auch ueberleben, Juden nur noch mittels Bargeld. Drumherum kannte da aber ganz Europa bis ins 19.Jhd ueberhaupt keine Geldwirtschaft als solche.
Wir "durften" die Russland-Durchquerung nach China behalten, weil es da die traditionellen Pest-und Pocken-Zonen zu durchqueren galt. Oder mal ein Nashorn aus Afrika lebendig nach Augsburg zum Kaiser hin schaffen... - Leibaerzte, das durften wir immer mal liefern, es war nur nicht erlaubt, eine Lateinschule zu besuchen und wo wir das studierten, erforderte riesige Distanzen, wohin man die Kinder zum Lernen schicken konnte, z.B.Bologna gewaehrte es.
Warum trauten sie aber grad in Krankheiten einem juedischen Arzt?
Man hatte immer die Drohung im Nacken, dass das oertliche Ghetto vertrieben wuerde, wenn irgendwer mit uns unzufrieden war, aich bei der Sache mit dem Nashorn. Und sie wussten, wir lernen aus Gruenden unserer Religion, selbst ohne Hoffnung, etwas dafuer zu kriegen.
Nun kann ich eben nicht danebenhalten, unter unseren islamischen Herrschaften sei es generell und ueberall stets besser gewesen, das wollte ich keineswegs hiermit sagen. Aber ich moechte klarstellen, dass Religion nicht die Welt um uns so ausdruecklich praegte, dort nicht und hier nicht. Trotzdem unterschied sich im Ganzen das Leben mit dem Islam als offizieller Regierungs-Konfession von dem hier unter dem Christentum, weil der Qur'an mehr fuer die Rechtsprechung da war, und das Gestalten der meisten Dinge im Leben den eroberten Voelkern ganz ueberlassen bliieb, wenn sie eine Gesellschaftsordnung, einen Fuersten oder Koenig hatten, das konnte alles so geordnet bleiben, nur etwaige Kulte mussten zuoberst nur ALLAH anbeten, auf Arabisch, versteht sich. Man hat es mitunter nichtmal uebersetzt.
Zitat:Und jetzt, da dies überwunden ist,
ist es da falsch auf die anscheinend genuine Intoleranz des Islams aufmerksam zu machen,
besonders wenn er sich in einer "göttlichen Offenbarung" wie dem Koran versteckt?
a) es ist "ueberwunden" seit ...? Schau dir doch mal an, wie ich noch letzten Juli im Forum KATHOLISCHES (bei parsimony.net) anlaesslich des Libanon-Feldzugs als Mitjude, der garantiert hier sass und niemandem was antat, behandelt wurde, sogar zum "Antichrist" hat mich jemand ernannt: auf das Faktum meines Religions-Bekenntnisses hin, das wurde mir auch noch "erlaeutert".
Ich war es, der da gemahnt hat, nicht dem Hl.Vater in den Ruecken zu fallen mit derartig "katholisch" genannten Aeusserungen.
b) "anscheinend genuine" Intoleranz, das ist nie derartig eindeutig so in der gesamten islamischen Region zugleich praktiziert gewesen.
Sogar als es in Marokko sektiererisch hoch her ging und nach Spanien ueberschwappte und auch da ein fanatischer Purismus fuer eine Weile an die Macht kam, konnten Juden nach Aegypten oder anderswohin fliehen, und dort wieder in Ruhe gelassen leben. Beispiel aus dieser Situation war Maimonides (Mosche ben Maimun -1204^), er war bei der Flucht Medizinstudent und wurde in Aegypten Leibarzt bei Hofe.
Auch andere Berufe, z.B.Marktrichter zu sein, waren moeglich. An der ganzen Seidenstrasse bis hinein nach China wohnten juedische und auch islamische Gemeinden. Ebenso in allen grossen staedten, auch in eigenen Homelands auf dem Lande, auch in den Verwaltungen des Osmanenreiches war Platz und Arbeit fuer sie da, nachdem Spanien sie sogar nach Annahme des Christentums noch "porentief" rausreinigte.
Wenn aber die Intoleranz "genuin-islamisch" waere, haette das besagt, dass da ueberall keine Muslime haetten sein koennen, die ihren Glauben ernst nehmen.
Im Gegenteil, im Zeitalter der Scholastik und des abendlaendischen Interesses fuer einen Dialog der Konfessionen, da haben sehr viele juedische Gelehrte die immense Uebersetzungs-Arbeit, griechische, von Arabern und Persern noch gehabte Wissenschafts-Texte incl. der dazu nuetzlichen Beweis-Philosophie (von den Byzantinern erbeutete) aus dem Griechischen, sowie vom Arabischen ins Latein sowie vom Lateinischen ins Arabische, nach beiden Seiten hin, besorgt, St.Thomas v.Aquin (-1274^) als zeitl.Anhaltspunkt.
Es gab dadurch kurze Zeit hindurch einen wissenschaftlichen Gleichstand in allen drei Konfessionen.
Wenn der gegenwaertige agitatorische "Fundamentalismus" den Islam immer charakrerisiert haette, besessen wir nichtmal die Null als Ziffer zum Rechnen, keine Glasfenster, keine Badewanne, keine vernuenftige Arznei-Kunde, keinen Kompass, keine Astronomie, keine Sprachlehre (Grammatik stammt aus Qur'an-Forschungen fuer die nicht-arabisch-sprachigen ersten Muslime bis Irak und Persien hin), und in unserer Dichtkunst waere es sehr viel aermer geblieben ohne die hoefischen Uebungen aus dem Orient. Landkarten-Geografie, die Architektur der runden Kuppeln - die zauberhaftesten Mosaiken und Intarsien - all das kam aus dem Kulturaustausch, der trotz aller "Tuerken, Sarazenen und Mauren"-Kriege still und ruhig permanent weiter verlief.
Es gab dann auch re-Transfer ins Islamische Gebiet zurueck, wenn wir dann mal etwas Besseres wussten, die Fachleute verstaendigten sich dann trotzdem. Ein ganz einfacher Grund fuer vieles ist es ja, dass schon weit zivilisierte Staaten auch komplett vom Islam erobert wurden, doch hauptsaechlich die Verkehrswege und Staedte.
Man erschlug doch nicht deren gesamte Bildungs-Elite, wenn sie sich so "irgendwie" arrangierte, nicht zu demonstrativ andersglaeubig zu sein. So ist schon in der Generation der "Gefaehrten" Mohammeds zu bemerken, wie schnell die Dispute der Rechtsgelehrten auf hohem Nibeau mit dem Islam umgingen, ich bring mal noch Beispiele dazu.
Die "Mission" im Vorfeld oblag haeufig Kaufleuten, und staedtische Kaufleute waren auch in Europa eine multi-kulti-Welt fuer sich, wie schon das allererste Babylon war so eine Stadt eingeteilt in "Quartiere" der verschiedensten Nationen, spaeter auch bei der Hanse, wie Koeln, wie Nowgorod oder London. So auch z.B.Damaskus. Das bedeutete, in dem eignen Quartier versorgten sich auch die Bewohner religioes selber. Die kleine Rechtsprechung war deren eigene Sache. Erst wenn ein Mord oder so eine Groessenordnung kapitaler Delikte anlag, war man der gastgebenden Obrigkeit verpflichtet, und dann eben auch mal einer Sharia-Rechtsprechung untertan.
Das ist eine uralte Regelung.
Nun, zur Sharia. Hier im Forum, noch vor gar nicht langer Zeit, als ich hier schon moderierte, hatten wir eine Kurze Darstellung der Sharia besprochen, und danach ist sie 3-stufig.
Nur ein Teil - eine Stufe - ist "koranisches Recht", an dem es nichts zu wackeln gaebe, es kann aber aus ebenfalls dem Qur'an entnommenen Aussagen weiter modifiziert werden - und auch das geschah in den 1400 Jahren seitdem.
Die verschiedenen Rechtsschulen sind doch nicht alle aus dem 7.Jahrhundert, sie debattierten auch untereinander.
Aus der Sicht afghanischer Hanafiten gibt es z.B.nicht einen einzigen wirklich islamischen Staat auf der Welt, gegenwaertig - daher koenne der Fromme genausogut in Deutschland fromm sein, wo es wenigstens die Glaubensfreiheit gibt, denn nur aus einem Land, wo man ihnen die "5 Saeulen" des Islam wirklich vereitelt, da sollte der Fromme auch wegziehn. Es gibt unterschiedliche Rechtsschulen fuer Staedter und fuer eher Landbevoelkerungen, und dem Muslim ist es innerhalb der Sunniten freigestellt, nach welcher von 4 hoechsten Schulen er sein Leben ausrichten moechte, ebenso bei Schiiten 2 eigene. Das erwaehnte ich auch schon mehrfach, genau wie die Moderatoren von mir.
(*g* irgendwo hab ich es schliesslich auch her!)
Es ist einfach nicht sinnvoll, Kontraste statt Parallelen als Alternativen der rechten Bekenntnisse hinzustellen, wie Deine 3 Zitate es tun. Ich koennte gemein sein und das genau umdrehen und Dir genauso umgekehrt aus dem Qur'an ein sehr "christliches Wort" ueber Liebe, Vergebung und Bruederlichkeit waehlen und neben etwas aus dem NT oder AT stellen, das aehnliche Diskrepanzen aufzeigt. Warum wohl traten in den letzten Jahrzehnten grad so viele Katholiken (Beispiel Trierer Gegend) in Deutschland ohne Heiratsanlass in den Islam ueber? Sie traten dem uebersetzten Qur'an bei, weil der Ton lieb und vertraut sehr "biblisch" wirken kann, wenn man einen Uebersetzer dafuer passend auswaehlt.
Wie ich vom Mittelalter schilderte, was hier ablief, wenn man es als Jude erinnert, so war da ein Grossteil der Last staatlich-weltlich bedingt, denn der Vatikan selber verbot es, Juden vor die Inquisition zu bringen, die nur fuer Katholiken zustaendig war, und der Vatikan verbot es umsomehr, Juden heimlich, listig oder mit Gewalt zu taufen, um sie dann der Inquisition zu bringen, denn das ist einfach verbitternd und nicht Christus gemaess.
Es gibt keinen gerechten Anlass, von der historisch real vorhandenen 1400 jaehrigen Welt des Islam, was schliesslich der ganze subtropische Guertel des Erdballs war, dann ploetzlich zu behaupten, es habe nicht so ein aehnliches Nebeneinander gegeben. Mnchmal war auch da der saekulare Staatsanteil der humanere und forderte es von den Religionsgelehrten nach, und manchmal umgekehrt, dann mussten die Religioesen vom Staat das Erbarmen mit den Benachteiligten fordern, auch wenn das im Allgemeinen Militaerregierungen oder Aristokratie-Feudalismen waren, und im 19.Jhd. reichlich viele Kommunisten.
Ich will auch daraus keine Idylle behaupten, zumal ich das unter Obhut des Islam gefoerderte Herrschaftskonzept nicht so doll sozial finde, ich moechte hier nur darauf hin wirken, dass unser Niveau des Gespraeches auch fair ist und nicht irgendwer dem anderen kurzerhand die Faehigkeiten abspricht, ein hinhoerender Mensch zu sein.
mfG WiT :)
- also gut, auf die Richterin-Sache komm ich auch noch zu sprechen, aber unter eigenem Thread. Hiier sind wir im Thread, Fach-Worte aus dem Islam zu klaeren. Das war noch zum Thema "Scharia".