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Normale Version: Nützliche Idioten
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Im Thread "Umfrage: Sinnlosigkeit des Lebens" wird folgende Behauptung aufgestellt:
(30-07-2010, 12:50)Rao schrieb: [ -> ]A. Schweitzer, H. Gmeiner, Mutter Theresa: alles Leute, bei denen die Sorge um andere schon fast manische Züge, fast bis hin zur Selbstaufgabe, aufwies. Warum solche Leute so "hochgelobt" werden (meistens erst posthum)? Weil sie nützliche Idioten sind, die man braucht, um a) am grundlegenden System nichts (oder wenigstens nicht so schnell) ändern zu müssen und b) um mit diesem "Vorbild" weitere nützliche Idioten heranzuzüchten.

Darauf erfolgte die Antwort:
(30-07-2010, 18:53)Gundi schrieb: [ -> ]Hallo Rao,

da du hier so große Namen wie Albert Schweitzer und Mutter Theresa einfach mal so als Idioten abtust, würde ich gerne mal von dir wissen was du denn tust um das "grundlegende System" zu ändern? Du findest das Engagement dieser Menschen eher förderlich um bestehende Verhältnisse aufrecht zuerhalten bzw. "um mit diesem "Vorbild" weitere nützliche Idioten heranzuzüchten."

Also meine Frage: Was tust du um die Welt besser zu machen? Anscheinend hast du ja voll den Durchblick...
Ich stelle diese Thematik zur weiteren Diskussion hier!

Visionaire

Auf den ersten (und bequemen) Blick mögen Leute, die sich für andere einsetzen und nicht vorrangig für sich selbst, tatsächlich als Idioten erscheinen, auf den 2. Blick erkennt man, dass sich vorrangig für sich selbst einzusetzen keine Herausforderung ist - weder menschlich, noch intellektuell. Sich für sich selbst einzusetzen ist schon deshalb bequem, weil man immer verfügbar ist und sich selbst verfügbar machen kann, wenn es den eigenen Gemütlichkeiten gefällt.

Der-Einsiedler

(30-07-2010, 19:34)Lars schrieb: [ -> ]Auf den ersten (und bequemen) Blick mögen Leute, die sich für andere einsetzen und nicht vorrangig für sich selbst, tatsächlich als Idioten erscheinen, auf den 2. Blick erkennt man, dass sich vorrangig für sich selbst einzusetzen keine Herausforderung ist - weder menschlich, noch intellektuell. Sich für sich selbst einzusetzen ist schon deshalb bequem, weil man immer verfügbar ist und sich selbst verfügbar machen kann, wenn es den eigenen Gemütlichkeiten gefällt.

Ich habe in meinem Umkreis immer wieder erfahren, dass das Helfen durchaus auch einem selbst etwas "bringt". Ich glaube nicht, dass Mutter Teresa, Albert Schweitzer etc. so selbstlos waren, wie manche ihrer Anhänger das gerne sähen. Sie hatten durchaus auch etwas von ihrer "Nächstenliebe", und sei es das gute Gefühl, etwas Gutes getan zu haben Icon_wink

DE

Gundi

(30-07-2010, 19:39)Der-Einsiedler schrieb: [ -> ]Ich habe in meinem Umkreis immer wieder erfahren, dass das Helfen durchaus auch einem selbst etwas "bringt". Ich glaube nicht, dass Mutter Teresa, Albert Schweitzer etc. so selbstlos waren, wie manche ihrer Anhänger das gerne sähen. Sie hatten durchaus auch etwas von ihrer "Nächstenliebe", und sei es das gute Gefühl, etwas Gutes getan zu haben Icon_wink

Das denke ich auch. Ist nicht im Grunde alles was wir machen darauf aus, dass es uns etwas bringt?
Dieses gute Gefühl wird wohl sehr entscheidend dabei sein.
Nur kommt es eben auch darauf an etwas zu tun, anstatt nur dies zu fordern.
Aktiv zu werden.
(30-07-2010, 19:39)Der-Einsiedler schrieb: [ -> ]Ich habe in meinem Umkreis immer wieder erfahren, dass das Helfen durchaus auch einem selbst etwas "bringt". Ich glaube nicht, dass Mutter Teresa, Albert Schweitzer etc. so selbstlos waren, wie manche ihrer Anhänger das gerne sähen. Sie hatten durchaus auch etwas von ihrer "Nächstenliebe", und sei es das gute Gefühl, etwas Gutes getan zu haben Icon_wink

seh ich auch so

und gebe zusätzlich zu bedenken, daß dieses "helfen um des helfens willen" eben auch gut gemeint als gegensatz zu gut gemacht sein kann, wie z.b. das beispiel von mutter teresa belegt - die eben keinerlei nachhaltige hilfe zu leisten imstande war, sondern bloß "weiße salbe" verteilt hat

alwin

Lars schrieb:Auf den ersten (und bequemen) Blick mögen Leute, die sich für andere einsetzen und nicht vorrangig für sich selbst, tatsächlich als Idioten erscheinen, auf den 2. Blick erkennt man, dass sich vorrangig für sich selbst einzusetzen keine Herausforderung ist
Worauf begründest Du Deine Aussagen?

Gruß

Gundi

(30-07-2010, 19:49)petronius schrieb: [ -> ]
(30-07-2010, 19:39)Der-Einsiedler schrieb: [ -> ]Ich habe in meinem Umkreis immer wieder erfahren, dass das Helfen durchaus auch einem selbst etwas "bringt". Ich glaube nicht, dass Mutter Teresa, Albert Schweitzer etc. so selbstlos waren, wie manche ihrer Anhänger das gerne sähen. Sie hatten durchaus auch etwas von ihrer "Nächstenliebe", und sei es das gute Gefühl, etwas Gutes getan zu haben Icon_wink

seh ich auch so

und gebe zusätzlich zu bedenken, daß dieses "helfen um des helfens willen" eben auch gut gemeint als gegensatz zu gut gemacht sein kann, wie z.b. das beispiel von mutter teresa belegt - die eben keinerlei nachhaltige hilfe zu leisten imstande war, sondern bloß "weiße salbe" verteilt hat

Reicht das verteilen von "weißer Salbe" nicht aus?
Ich meine wenn jemand Menschen hilft ohne deren langfristige Situation zu verändern, schmählert dass doch nicht im Geringsten seine Leistungen den Menschen gegenüber denen er half.
Wenn auch heute noch alles beim alten ist, gab es doch viele Menschen denen Mutter Theresa geholfen hat.
Das ist doch auch ein ganz wichtiger Punkt: Menschen in der aktuellen Situation zu helfen. Wenn sich die Hilfe darauf "beschränkt" ist das in meinen Augen kein Makel.

Theodora

Wie Gundi schrieb, Menschen in aktueller Not zu helfen, direkt und unmittelbar, das war und ist die Größe dieser Menschen (gewesen) -, gestern wie heute.
Mutter Teresa ist und bleibt ein leuchtendes Beispiel dafür, wie sich Menschen zur Verfügung stellen und dabei das Mehr im Leben sichtbar werden lassen. Vielleicht sind sie in den Augen vieler Menschen "Narren", doch diese Narretei ist nichts weniger und anderes, als eine Manifestation der Liebe, getane Liebe, lebendige Liebe. Nächstenliebe, da der Nächste vor einem steht oder liegt, an die Tür klopft, am Straßenrand oder wo auch immer wartet. Was haben diese Menschen davon? Warum haben? Es geht doch um Sein, um Leben.

Der-Einsiedler

(31-07-2010, 08:47)Ebru schrieb: [ -> ]Mutter Teresa ist und bleibt ein leuchtendes Beispiel dafür, wie sich Menschen zur Verfügung stellen und dabei das Mehr im Leben sichtbar werden lassen.


dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/556435/

de.wikipedia.org/wiki/Mutter_Teresa#Kritik_an_der_Arbeit_Mutter_Teresas

Teresa war sicherlich jemand, der Gutes wollte und auch Einiges bewirkt hat. Aber "Gutes wollen" und "Wirklich Sinnvolles (!) tun" sind zwei verschiedene Dinge, zumindest nicht immer deckungsgleich.

Gruss

DE
Rao schrieb:A. Schweitzer, H. Gmeiner, Mutter Theresa: alles Leute, bei denen die Sorge um andere schon fast manische Züge, fast bis hin zur Selbstaufgabe, aufwies. Warum solche Leute so "hochgelobt" werden (meistens erst posthum)? Weil sie nützliche Idioten sind, die man braucht, um a) am grundlegenden System nichts (oder wenigstens nicht so schnell) ändern zu müssen und b) um mit diesem "Vorbild" weitere nützliche Idioten heranzuzüchten.

Mutter Theresa, eigentl. Agnes Gonxha Bojaxhiu, trat 1928 beim Orden der Loretto-Schwestern (in Rathfarnham, Irland) ein. Sie begeisterte sich für die Indien-Mission und war bis 1946 Lehrerin und Schulleiterin in Kalkutta.

1948 trat sie aus dem Orden der Loretto-Schwestern aus und gründete den Orden der Missionsaries of Charity. Sie widmete sich dem Dienst an Kranken, Sterbenden und sozial Deklassierten. 1979 erhielt sie für ihr soziales Engagement den Friedensnobelpreis.

Ob sie nun was "bewirkt" hat oder nicht, vielleicht gar "nützlich-idiotisch" tätig war, es gab im Zeitraum ihrer Lebensspanne nicht wenige, die weit weniger nützlich, dafür umso mehr idiotisch wirksam waren.

Albert Schweitzer, Dr. phil., Dr. theol., Dr. med., war sicher nützlich, vor allem während seiner Tätigkeit als Arzt in Afrika, und ebenso sicher kein Idiot.

Auch als Philosoph hat er Brauchbares abgeliefert.

Für mich sind seine kulturphilosophischen Arbeiten bedeutend, die - mit Rückblenden auf die Stoa - an Kant und Schopenhauer anknüpfend, den Rationalismus der Aufklärung ebenso berücksichtigend wie den Humanismus der deutschen Klassik, auch angeregt durch Nietzsche und die französische Lebensphilosophie, eine Metaphysik des Lebenwollens und der Einheit von Mensch und der (belebten) Natur im Wesen entwickelt haben und, als absolutes Grundprinzip des Sittlichen, die Ehrfurcht vor dem Leben behaupten.

Herrmann Gmeiner, Vater der SOS-Kinderdörfer, setzte seine Idee, elternlosen Kindern Heim und Familie zu geben, gegen anfänglichen Widerstand von Staat und Kirche durch. Weder Staat noch Kirche empfanden den Sozialutopisten Gmeiner nützlich, als er es anging, seine Idee zu verwirklichen. Umso mehr war er es für vom Schicksal benachteiligte Kinder, die in einem geregelten Umfeld aufwachsen durften.

Die Bezeichnung "Idiot", mit welchem Attribut auch immer versehen, haben sich Menschen vom Schlag Gmeiners, ob nun mehr oder weniger nützlich, nicht verdient.
Auch wenn Mutter Teresa postum als Heilige verehrt wird, sollte man sich nüchtern der Kritik an ihr stellen. Siehe Einsiedlers Wiki-Link.
(30-07-2010, 22:13)Gundi schrieb: [ -> ]Reicht das verteilen von "weißer Salbe" nicht aus?

nein, natürlich nicht

wenn ich todkranke von der straße aufklaube, sie ein wenig aufpäpple und dann wieder zum sterben auf die straße zurücklege, dann reicht das weder aus (außer zur befriedigung der iegenen eitelkeit, "geholfen" zu haben), noch ändert es längerfristig auch nur das geringste

auf kapitalistisch: rausgeschmissenes (spenden)geld

Zitat:Wenn auch heute noch alles beim alten ist, gab es doch viele Menschen denen Mutter Theresa geholfen hat

dann kannst du mir doch sicher dutzende beispiele nennen

hast du dich eigentlich mal mit der praxis der arbeit nach mutter teresa beschäftigt?

lies mal z.b. ://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2005/03/05/a0250

Theodora

Menschen wie Mutter Teresa - greife dieses Bespiel auf, da momentan aktuell besprochen -, verbreiten Geborgenheit. Da ist ein Mensch, er oder sie ist da, anwesend, sehend. Jemand, der mich aufnimmt in und mit meiner ganzen Not. Sie gehen keinen bequemen Weg, sie begreifen das Notwendige, das vor ihren Augen ist und handeln dementsprechend. Und um ein anderes Beispiel aufzugreifen, Menschen in der Anti-Apartheidsbewegung in Südafrika, die sich trotz ihrer Privilegien (weiß, gebildet, ....) mit ihren unterdrückten Landsleuten solidarisierten und dabei ihr Leben riskierten, nicht selten ermordet wurden. Sie hätten es einfacher haben können, bequemer in ihren Häusern, in ihren sicheren Positionen und gesellschaftlichen Stellungen. Wie bedeutungslos das angesichts unwürdiger, unmenschlicher Zustände werden kann, zeigen diese Beispiele von Solidarität und Entschlossenheit.

Der-Einsiedler

Und dennoch bleiben zwei Tatsachen:

Auch diese Menschen sind nicht nur uneigennützig, sie "haben auch was davon" (das ist völlig legitim, sollte uns aber davor hüten, voll inbrünstiger Ehrfurcht auf die Knie zu gehen...).

Und zum zweiten verhindern solche Menschen manchmal Änderungen, die sozial wünschenswert wären. Das IST nun einmal so.

Um bei der weissen Salbe zu bleiben: Die Spenden nicht nur für Salben auszugeben, sondern "richtige" Krankenhäuser bauen, die von Ärzten und nicht von Laien (Klosterschwestern) geleitet werden, wäre z.B. sehr sinnvoll gewesen. Oder noch früher ansetzend: Das Geld für die Schaffung von Schulen auszugeben oder zur Unterstützung von Landwirtschaftskooperativen (Hunger ist DIE Ursache von Krankheit), daran hat Teresa nicht gedacht, weil das keinen so grossen Einfluss ihrerseits und seitens der Kirche erlaubt hätte.

Sorry, aber diese Hilfen kommen mir manchmal vor wie die Sammlungen "für die armen Negerkindchen", die ich als kleiner Messdiener in den 50er Jahren noch gemacht habe, mit einer Blechbüchse von Haustür zu Haustür gehend. Nee, was waren die Spender doch alle gutmenschlich, aber die Ursachen für die Diskrepanz zwischen Arm und Reich tastete das nicht an...

Das ist kein Plädoyer gegen Hilfen. Aber ich komme, je älter ich werde, um so stärker zu der Überzeugung, dass Hilfe HiLFEN ZUR SELBSTHILFE sein sollte und nicht (nur) unser eigenes Gewissen beruhigen.

DE
Hilfe zur Selbsthilfe ist meines Erachtens der zweite Schritt, beides sollte zusammenwirken. Es braucht Menschen die den "Leidenden" direkt im Augenblick des Leides Trost und Aufmerksamkeit spenden. Ob mit Salben oder mit freundlichen Worten. Es geht meines Erachtens darum Betroffenen das Gefühl zu geben. "Du bist nicht alleine".
Ich kenn Mutter Theresa und Ihre Arbeit nicht gut genug um mir ein Urteil zu erlauben. Aber für den Menschen dem Sie im Augenblick des Leides und Schmerzes ein gutes Wort und Ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat war Ihre Arbeit sicher nützlich. Für seine Gesamtsituation vermutlich nicht unbedingt.
Aber ein freundliches Wort, Aufmerksamkeit und ein Lächeln ist immer sinnvoll und "nützlich" nicht nur in der Welt der Armut.
Für jeden in seinem eigenen Umfeld ist es hilfreich sich ab und an auf diese Art nützlich zu machen, auch wenn man dafür von anderen zum Idioten abgestempelt wird, ganz besonders dann, wenn man eben nicht an den eigenen Nutzen denkt, bzw auf jemanden zu treffen der hilfsbereit freundlich unterstützt.
Auch wenn der Helfende damit vielleicht sein eigenes (Helfersyndrom) befriedigt ist das doch zweitrangig für den der imm richtigen Moment Trost bekommt, oder nicht?
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