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Normale Version: Lukas 22, 31-32
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In Lukas 22, 31-32 sagt Jesus zu Petrus:
„Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt.“

Wie soll man das verstehen? Es klingt, als wenn Gott Jesus und den Teufel ein Spiel spielen lässt, bei dem die Menschen als Spielfiguren dienen, und als wenn beide Spieler ihn (also Gott) zwischendurch um eine Veränderung der Spielregeln bitten können. Wobei natürlich Gott entscheiden kann, ob der der Bitte stattgibt. Außerdem lässt diese Stelle darauf deuten, dass der Teufel sich an diese von Gott bestimmte Spielregeln hält, denn sonst würde er ja nicht um eine Veränderung bitten.

Muss man sich das so vorstellen: Das ganze Dasein der Menschheit als Spiel zwischen „gut“ (Jesus) und „böse“ (Satan), während Gott interessierter Zuschauer und Spielleiter ist? Was sagt es über Gott aus, wenn die Menschen für ihn nicht mehr als Schachfiguren sind?

Jesus selbst, der ja, als er das sagt, gerade "Mitmensch" (also außer einem Spieler auch selbst eine seiner Figuren) ist, kann sich ja vielleicht noch mit den Menschen identifizieren. Aber was ist dann mit Gott?

Andererseits passt das ja auch zu dem Spiel zwischen Gott und dem Teufel im Buch Hiob.
Guck mal bei Goethes "Faust" rein, Prolog im Himmel - ein perfektes Beispiel für die Wette zwischen Gott und dem Teufel (Mephisto).
"Faust" ist aber nur Literatur, ohne religiösen Anspruch zu erheben, wie es die Evangelien und das Buch "Hiob" tun.
(31-07-2012, 20:11)Lelinda schrieb: [ -> ]"Faust" ist aber nur Literatur, ohne religiösen Anspruch zu erheben, wie es die Evangelien und das Buch "Hiob" tun.

Die sind aber auch "nur Literatur". Und in einigen Kreisen wird gerade der zweite Teil verehrt wie ein Evangelium und die Komplexität des Werkes mindestens so häufig wie das Buch Hiob kommentiert ...
Voran geht eine Verheißung an die Jünger, dass sie im Gottesreich zu Richtern der Stämme Israels berufen werden wie dies vor der Zeit der Könige der Fall war. 'Richter' ist hier als eine Art Oberverwalter zu verstehen im übertragenen Sinne also Kirchenvorsteher, Bischof.
Das vollständige Zitat lautet:
Simon, Simon, siehe der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. Petrus nimmt darauf hin den Mund sehr voll, er werde mit Jesus ins Gefängnis und in den Tod gehen. Wir wissen, dass es anders gekommen ist.
(31-07-2012, 19:41)Lelinda schrieb: [ -> ]Wie soll man das verstehen? Es klingt, als wenn Gott Jesus und den Teufel ein Spiel spielen lässt, bei dem die Menschen als Spielfiguren dienen, und als wenn beide Spieler ihn (also Gott) zwischendurch um eine Veränderung der Spielregeln bitten können.
Also Gleichnisse beschreiben im Allgemeinen nur eine bestimmte Situation. Diese besteht hier in einer vertraulichen Anspielung Jesu auf die ersichtliche Furcht (wahrscheinlich aller Jünger) vor Verfolgung, Gefängnis und Tod. Simon (genannt Petrus) übergeht die Anspielung etwas vollmundig.
Die Ausdrucksweise entspricht der Redeweise in "himmlischen Gleichnissen", die uns fremd ist. Wir denken in abstrakten psychischen Zuständen z. B. "Furcht", "Schwäche","Mobbing", (schlechtem) "Leumund" oder "Rehabilitation". Die alten Israeliten machen daraus aber indirekte Geschichten, so als führe ein Satan oder Gott Regie. Laut neutestamentlichem Zeugnis muss Jesu Predigt sehr häufig die Form von Gleichnissen gehabt haben.
Im vorliegenden Fall tritt Jesus als Fürsprecher vor dem "Vater" (also Gott) auf, um die spätere Rehabilitation des Simon vorzubereiten. Vielleicht spricht Jesus auch für die Zuhörer: Simon wird in dieser Notlage nicht standfest sein, bleibt aber trotzdem ein wertvolles Glied meiner Nachfolger vielleicht sogar an leitender Stelle. (So etwas nennt man heute "einen Nachfolger aufbauen")

(31-07-2012, 19:41)Lelinda schrieb: [ -> ]Muss man sich das so vorstellen: Das ganze Dasein der Menschheit als Spiel zwischen „gut“ (Jesus) und „böse“ (Satan), während Gott interessierter Zuschauer und Spielleiter ist? Was sagt es über Gott aus, wenn die Menschen für ihn nicht mehr als Schachfiguren sind?
Ja, wenn man der antiken Ausdrucksweise der Israeliten folgt. Da wird eine Art Kopftheater aufgeführt (Dein Hinweis auf Hiob ist zutreffend). Transportiert wird im vorliegenden Fall aber "Versagen und Rehabilitation" - Im modernen Sinn also: Nein!

Über Gott sagt dieses Spiel (das Kopftheater) rein gar nichts. Bestenfalls ist im modernen Sinn von "Überzeugungsarbeit" durch Jesus die Rede.
Du meinst also, Jesus spielt darauf an, dass Petrus nicht glaubensstark genug sein wird und bittet schon mal im voraus Gott deswegen um Nachsicht? Er hält es demnach für nötig, sich für Petrus vor Gott einzusetzen?
Ich denke, das trifft zu. (Ich halte mir aber die Hintertüre offen, dass Jesus indirekt auch die übrigen Gemeindeglieder im Visir hatte. Sie mögen sich mit ihrer Verurteilung zurück halten und später Nachsicht üben).
Interessante Idee, denn tatsächlich macht Petrus ja später keine gute Figur (immerhin verleugnet er Jesus nicht vor einem bewaffneten Soldaten, sondern vor einer harmlosen Magd). Es wäre jedenfalls ein netter Trick, um ihn später nicht so schlecht dastehen zu lassen.

Wenn aber die meisten Gleichnisse auf konkrete Situationen oder Gefühle (wie eben Angst oder Neid) anspielen sollen und nicht so allgemein gemeint sind, wie wir heute denken - dann sind diese Gleichnisse ja noch viel schwerer zu verstehen, als sie sowieso schon sind.

Könnte das der Grund sein, dass "Gott" sich in Jesu Gleichnissen so uneinheitlich verhält - mal wie ein liebender Vater, mal wie ein (aus heutiger Sicht tyrannischer) Grundherr und manchmal sogar wie ein Bauer, der in dem Getreide (also dem "Menschen") nur ein nutzbringendes Objekt sieht? Diese Uneinheitlichkeit hat mich schon öfter gewundert, aber ich habe das (auch) auf den Umstand geschoben, dass man ja gar nicht weiß, welche (und ob überhaupt einige) der Gleichnisse wirklich von Jesus selbst sind und nicht von späteren Autoren.
(01-08-2012, 21:46)Lelinda schrieb: [ -> ]..., dass man ja gar nicht weiß, welche (und ob überhaupt einige) der Gleichnisse wirklich von Jesus selbst sind und nicht von späteren Autoren.

22, 31f. ist lukanisches Sondergut. Mk und Mt kennen dieses Herrenwort nicht. Es ist daher zu fragen erlaubt, ob Lukas die Erzählung in dichterischer Freiheit sinnerweiternd ergänzt hat oder aus einer, den anderen Evangelisten verschossenen Tradition schöpft. Erst mit den Versen 33f. nimmt er Mk 14, 29-31 auf und verbindet diese Quelle mit seinem Sonderwissen.

Die Aussage hingegen ist klar: Jesus warnt und ermahnt Petrus (vgl. *Mk 14, 29-31 u. Mt 26, 31-35), er kündigt Petrus' Versagen an und ermahnt ihn, seinen Brüdern im Glauben beizustehen und Vorbild zu sein, wenn er den Glauben - in Erüllung des Jesusgebets (V. 32) - wiedererlangt hat.

Satan ist bei Lukas Anstifter der Passion. Auch die, die Jesus am nächsten stehen, versucht er zu verführen, Judas (Lk 22,3) mit Erfolg.

*Flüchtigkeitsfehler berichtigt!
(01-08-2012, 22:55)Bion schrieb: [ -> ]Satan ist bei Lukas Anstifter der Passion. Auch die, die Jesus am nächsten stehen, versucht er zu verführen, Judas (Lk 22,3) mit Erfolg.

Andere Gründe außer Satan oder schlechten Charaktereigenschaften (wie Geldgier) als Motiv für ein Fehlverhalten waren dem damaligen Denken wohl fremd?
Bei Lukas jedenfalls ist es Satan, der für den Judas-Verrat verantwortlich ist.

Die Frage, warum für Petrus gebetet wurde, in Judas der Satan aber ungehindert einfahren durfte, bleibt offen.
Laut dem Kontext doch, damit es einen Verräter gab und Jesus ausgeliefert werden konnte. Es hätte doch seltsam gewirkt, wenn er sich seinen Feinden selbst gestellt hätte. Also wählte Gott einen der Jünger aus.

Die Fragen, die sich bei Judas stellen, sind natürlich:

1) Warum gerade Judas? Warum keiner von den anderen? War Judas moralisch der Schlechteste? Oder der Unsympathischste, auf den es am wenigsten ankam? Immerhin soll er als einziger nicht Galiläer gewesen sein; er könnte also von vorneherein ein Außenseiter gewesen sein. Die Gemeinschaft der Jünger war ja schon zu Jesu Zeiten nicht unbedingt heil. Vielleicht mochte auch Jesus selbst Judas weniger als die anderen. Schließlich hat er ja Petrus und Johannes den anderen vorgezogen, also keinesfalls alle gleich behandelt.

2) Hatte Judas wirklich die Möglichkeit, sich selbst für den Verrat zu entscheiden? Immerhin wird (neben dem Satan) Geldgier als Motiv angegeben.

3) Wenn Judas (wie die Bibel andeutet) nicht selbst entscheiden konnte, Jesus zu verraten, sondern (von Gott oder dem Satan in Gottes Auftrag) dazu gedrängt wurde - wie fair ist es dann, wenn Judas nach dem Tod für diese ihm von außen aufgezwungene Tat belangt wird?

4) Wenn Jesus sagt, es wäre besser für Judas, wenn er nie geboren worden wäre (und das noch VOR der Tat!): soll man das als Drohung verstehen (was bedeuten würde, dass Judas es sich noch hätte überlegen können), als einfache Voraussage - oder gar als ein Eingeständnis, dass Judas´ Lage eigentlich unfair ist?

5) Wie wertet Gott Judas´ Versuch der Wiedergutmachung, als er das Geld zurückgab und um Jesu Freilassung bat?


Es scheint, als wäre ich vom Thema abgekommen, aber das ist nicht der Fall. Denn wenn Judas von vorneherein von Gott oder Jesus als Verräter vorgesehen war, ohne sich frei dafür (oder dagegen) entscheiden zu können, und Judas trotzdem dafür in die Hölle kommt - dann wirkt das Ganze wieder wie ein makabres Spiel nach den Regeln höherer Mächte und mit Judas als Spielfigur.
(01-08-2012, 23:49)Lelinda schrieb: [ -> ]Es hätte doch seltsam gewirkt, wenn er sich seinen Feinden selbst gestellt hätte. Also wählte Gott einen der Jünger aus.

Die Fragen, die sich bei Judas stellen, sind natürlich:

1) Warum gerade Judas? [...]

Alle Fragen, die Du stellst, sind berechtigt.

Ich schicke voraus, dass ich den Verräter Judas, wie er in den Evangelien beschrieben wird, nicht für historisch halte. Bei den Judas-Legenden handelt es um sehr frühen Antijudaismus, der, umso jünger der Text ist, umso offensichtlicher wird.

Die Evangelien sind in erster Linie Missionsliteratur und Apologetik. Lukas diente sich den Römern ganz besonders an, indem er ihre Schuld an Jesu Tod kleinschreibt!

Alle Erzählungen, die sich um Judas Iskariot ranken, können nicht erklären, warum Petrus gerettet (Lk 22,32) und Judas verdammt wird. Wenn es besser gewesen wäre, Judas wäre nicht geboren worden (Mt 26,24f.), hätte es der Herr, der um alles weiß, auch anders einrichten können. Auch Judas ist Opfer göttlicher Willkür, und zwar das ungeliebte Opfer, das der ewigen Verdammnis zugeführt wird.

Der erste der großen Theologen, der sich zum Unrecht, das Judas widerfährt, zu Wort gemeldet hatte, war Karl Barth gewesen:

"Kann man bei aller Unähnlichkeit die Ähnlichkeit übersehen, in der unter allen anderen Aposteln allein Judas hier Jesus gegenüber und zur Seite steht?" Und er fährt fort: "Es bleibt, dass auch er (...) seinen Tod an der Stelle der anderen erlitten hat. Dass Jesus faktisch nicht allein in den um der Sünde aller Apostel willen notwendigen Tod gegangen ist. Sondern [Judas] mit ihm (...)" (K. Barth, Kirchliche Dogmatik II, Zürich 1942, S. 532).
(02-08-2012, 09:04)Bion schrieb: [ -> ]Alle Erzählungen, die sich um Judas Iskariot ranken, können nicht erklären, warum Petrus gerettet (Lk 22,32) und Judas verdammt wird. Wenn es besser gewesen wäre, Judas wäre nicht geboren worden (Mt 26,24f.), hätte es der Herr, der um alles weiß, auch anders einrichten können. Auch Judas ist Opfer göttlicher Willkür, und zwar das ungeliebte Opfer, das der ewigen Verdammnis zugeführt wird.
Genauso ist es. Anscheinend hatten die Evangelisten kein moralisches Problem damit, dass jemand von Gott ausgesucht gewesen sein sollte, Jesus zu verraten UND (obwohl es doch Gottes Entscheidung war) anschließend dafür verdammt zu werden. Oder sie hatten doch ein Problem, und darum kam noch der Einschub, Judas hätte schon vor dem Verrat ständig in die Kasse gegriffen (um zu suggerieren: „um den war es sowieso nicht schade. “).
Und dabei passt das doch gar nicht zu Jesu übrigen Verhalten in den Evangelien, wo es ihm darum geht, jedem Einzelnen eine neue Chance zu geben.

(02-08-2012, 09:04)Bion schrieb: [ -> ]Die Evangelien sind in erster Linie Missionsliteratur und Apologetik. Lukas diente sich den Römern ganz besonders an, indem er ihre Schuld an Jesu Tod kleinschreibt!
Das wird ja ganz besonders an Pilatus deutlich, von dem heute bekannt ist, dass er schon zu Lebzeiten als besonders brutal gegenüber den besetzten Völkern galt, und sicher kein Problem gehabt hätte, Jesus freizulassen, wenn er es gewollt hätte. Und auch dass ein Römer unter dem Kreuz sagte, Jesus wäre wirklich Gottes Sohn gewesen, ist wohl nicht besonders glaubhaft.
Damals (zur Zeit der Evangelisten) mussten sich die Christen ja auch mit den Römern gutstellen. Da war es sicher günstiger, die Römer freizusprechen und die Schuld den Juden zuzuschieben. Umso befremdlicher, dass das wider besseren Wissens noch heute verbreitet wird. In Mel Gibsons Film ist Pilatus ja ein regelrechter Schwächling, der nicht mal seine Soldaten richtig im Griff hat.

(02-08-2012, 09:04)Bion schrieb: [ -> ]Ich schicke voraus, dass ich den Verräter Judas, wie er in den Evangelien beschrieben wird, nicht für historisch halte. Bei den Judas-Legenden handelt es um sehr frühen Antijudaismus, der, umso jünger der Text ist, umso offensichtlicher wird.
Dem kann ich mich anschließen. Es ist ja auch merkwürdig, dass der Verräter einen Namen hat, der fast so klingt wie der des Volkes, dem künftig die Schuld an Jesu Tod zugeschrieben wurde.

Übrigens: Einen schönen Sinnspruch hast du!
(02-08-2012, 09:58)Lelinda schrieb: [ -> ]Übrigens: Einen schönen Sinnspruch hast du!

Der Spruch stammt vom Wiener Religionssoziologen und Pastoraltheologen Paul M. Zulehner, der während seiner Lehrtätigkeit an der Uni Wien mit den österreichischen Kirchenoberen so manchen Konflikt auszutragen hatte.
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