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Normale Version: naturalismus
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nachdem wir nun "idee" und "realismus" fein säuberlich in einzelne threads aufgedröselt haben, fehlt noch einer zum "naturalismus"

was versteht der (in der regel gläubige) kritiker darunter genau und warum findet er ihn schlecht oder verwendet zumindest diesen begriff in vorwurfsvollem ton?
Vielleicht zuvor einige Begriffsklärungen aus Anton Hügli / Poul Lübcke (rororo Philosophie-Lexikon):
Philosophie-Lexikon schrieb:Naturalismus (von lat. naturalis, natürlich).

1. Ontologischer N., häufig auch Materialismus genannt. Die Auffassung, dass alles Seiende auf eine kausal bestimmte Natur zurückgeführt werden kann, d. h. auf Kräfte und Entitäten, mit denen sich die Naturwissenschaften beschäftigen. Im Verlauf der naturwissenschaftlichen Entwicklung hat diese Auffassung verschiedene Formen angenommen. Der N. leugnet sowohl die Existenz eines transzendenten Gottes (vgl. Supranaturalismus) als auch die eines freien Willens, der den Menschen von der übrigen Natur abhebt (Demokrit, Hobbes, Holbach, Feuerbach, Armstrong, Smart). Ende des 19. Jh. erlebte dieser N. eine Blütezeit. … Einige Philosophen (z.B. Husserl) verwenden den Begriff N. in einem weiteren Sinn und sprechen auch von einer psychischen Natur, die nicht auf ausgedehnte Natur zurückgeführt werden kann.

2. Erkenntnistheoretischer N.: Die Auffassung, dass alles Seiende mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Methoden beschrieben und erklärt werden kann, und dass der Philosophie demnach keine besondere Erkenntnismethode eigen ist. Der erkenntnistheoretische N. ist häufig auch ein ontologischer. Er fand wichtige Vorläufer im Pragmatismus und im logischen Positivismus und spielte in den 30er und 40er Jahren in der amerik. Philosophie eine wesentliche Rolle. Evolutionstheoretische Erkenntnistheorien sind die gegenwärtig wohl wichtigste Spielart des erkenntnistheoretischen N.

3. Ethischer N.: Die Auffassung, dass sich moralische Urteile in ihrem Gegenstandsbereich nicht von theoretischen Urteilen unterscheiden. Der Begriff wird zumeist in einer der folgenden speziellen Bedeutungen verwendet:
(a) Moralische Urteile sind mit Beschreibungen identisch und können mit Hilfe wissenschaftlicher Untersuchungen nachgeprüft werden.
(b) Es ist möglich, von einer Beschreibung auf ein (moralisches) Urteil zu schließen,
© Grundlegende, wertende Begriffe wie ´gut´ können auf einfachere Begriffe zurückgeführt werden. Moore hat in diesem Zusammenhang den Naturalisten einen logischen Fehler, den sog. naturalistischen Fehlschluss, vorgeworfen.

naturalistischer Fehlschluss: Innerhalb der modernen Moralphilosophie (s. Ethik) Bezeichnung für den Fehler oder Fehlschluss, der dem ethischen Naturalismus vorgehalten wird. Der Ausdruck stammt von Moore, der sich auf das Humesche Gesetz beruft, wonach aus dem Sein kein Sollen abgeleitet werden kann. Moore behauptet, dass alle Philosophien, die versuchen, die grundlegende Wertqualität ´gut´ zu definieren, den n. F. begehen. Es ist jedoch unklar, worin Moore den Fehler sieht, ob in der Auffassung, dass ´gut´ eine definierbare Eigenschaft ist, oder vielmehr darin, dass ´gut´ als Eigenschaft verstanden wird, die sich von sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten nicht unterscheidet. Besonders letztere Auffassung hat bis heute überlebt. Für Hare besteht der n. F. in der Verwechslung von Beschreibungen und Wertungen. Ein Werturteil ist immer ein präskriptives (normatives, zuvor eingeführtes, voraus gesetztes) Urteil und enthält im Gegensatz zu Beschreibungen eine Handlungsvorschrift.
Dass Gläubige den Naturalismus ablehnen, hat mit dem ontologischen und erkenntnistheoretischen Naturalismus zu tun, der Transzendenz von vorneherein ausschließt. Mit dem ethischen Naturalismus könnten viele Gläubige ja noch leben, wäre da nicht dessen Kritik durch Humes Gesetz!

Ich persönlich würde mich zu den ontologischen Naturalisten zählen. Ich betrachte aber den Naturalismus als nur eine Denkweise, die aber ohne die normative Kraft von beschlossenen oder sonstwie gelebten sozialen Vereinbarungen nicht auskommt. Letztlich prägen Mythen, Geschichten und Legenden unser Dasein auch - und wenn es durch den "gestiefelten Kater" ist.
ich kann mich mit keinem dieser naturalismen identifizieren

wüßte aber auch nicht, wie aus meinen einlassungen zur faktisch realen existenz (oder nicht) von etwas eine solche zuordnung ableitbar wäre
Der Zusammenhang zwischen realer Existenz und Fakten mit Legenden, Mythen, Geschichten war mir allerdings auch unklar. Ich denke, hier kommt die Erweiterung des Begriffes auf die psychische Natur (des Menschen) zum Tragen. Letztere ist natürlich, soweit sie angeboren ist. Wenn man noch einen Schritt weiter geht, dann kann man wohl Prägungen durch in der Gesellschaft kursierenden Vorstellungen als wirksames Instrument der menschlichen Natur annehmen.
Wie schon an anderer Stelle betont: Dem stimme ich nicht zu, weil dieses Instrumentarium relativ leicht änderbar ist und ohne die Prägung irgendwie anders aussähe - also mehr der Kunst und Kultur zuzurechnen als der (menschlichen) Natur.