Achja, diese Begriffe
Ich bin wohl tatsächlich ziemlich atheistisch. Wobei ich den Agnostizismus für das langfristige Ziel halte. Eigentlich wäre das meiner Meinung nach der vernünftigste Glaube, und auch der menschlichste. Agnostiker (zumindest wenn wir nicht von solchen reden, die einfach nur mit den Schultern zucken) haben meinen Respekt. Ich seh allerdings im Moment kaum Möglichkeiten für mich, bspw. den theistischen Glauben nicht nur anzuzweifeln, sondern tatsächlich abzulehnen. Und je öfter ich mit skeptischem Blick in eine Kirche schaue und einem Gottesdienst beiwohne, desto mehr werde ich darin bestärkt.
Ich schätze, ich habe ein prinzipielles Problem mit der Gottesidee. Das fängt nämlich schon bei der Schöpfung an, deren Motivation ich gerne hinterfragen würde. Mir fällt einfach kein Grund für Gott ein, "alles" zu erschaffen, der uns nicht entweder bedroht oder vollkommen degradiert, zu nicht mehr als einer Ameisenfarm, der ihr Besitzer beim Aufbauen und Sterben zusieht.
Außerdem hab ich ein Problem mit der Idee von einem behütenden Gott. Zentraler Gedanke meiner Kindheit war: Ja, vor was bewahrt er mich eigentlich? Meine Gebete werden ignoriert, überall auf der Welt geschieht unfassbares Leid. Wenn er mich davor nicht bewahrt, vor was denn dann? Das war wohl mein frühestes Zweifeln.
Was mich später bestärkt hat, war, dass die meisten Gläubigen ihre eigene Religion nicht kennen. Ich war auf einem katholischen Kindergarten, einer katholischen Grundschule, einem katholischen Gymnasium und hab dann Abi in katholischer Religion gemacht. Und an allen Ecken gab es diese Momente, wo man förmlich zusehen konnte, dass meine Lehrer und manchmal auch Mitschüler aufhören mussten, darüber nachzudenken, was wir besprochen oder gelesen hatten, weil sie sonst ihren Glauben hätten korrigieren müssen. Es gibt 245 Dogmen, die alle geglaubt werden müssen, um Teil der Kirche zu sein - es ist nicht so, dass die Kirche jemanden exkommuniziert, wenn sie herausfindet, dass er ein einzelnes Dogma ablehnt, sondern dass dieser Gläubiger per Definition nicht Teil der Kirche ist (selbst wenn er es vielleicht denkt). Ehrlicherweise müssten die Mitgliederzahlen weltweit sehr nach unten korrigiert werden. Denn wer glaubt schon, dass Maria vor, in und nach der Geburt von Jesus Jungfrau war? (Medizinisches Wunder lässt grüßen.)
Wenn ich heute in die Kirche gehe, ist mir das ganze nur noch befremdlich. Sprüche murmelnde Massen, die einen toten Körper am Kreuz anbeten und tatsächlich behaupten das Blut ihres Erlösers zu trinken und sein Fleisch zu essen. Man muss schon zugeben, dass diese Außenperspektive recht schräg ist. Stellt euch mal vor, wir würden (ohne Kenntnis des Christentums) so einen Kult im Regelwald vorfinden...
Und natürlich kann man glauben ohne Kirche. Wobei sich mir dann die Frage stellt, woher dann die Gewissheit (oder auch nur die Ahnung) kommen soll, dass es einen Gott oder etwas ähnliches gibt. Denn bei mir hat er sich noch nicht vorgestellt. Und ich vermisse auch nichts. Ich ziehe meine Faszination vom Leben ernsthaft aus meinem Atheismus. Hab noch nie verstanden, wie man daraus nur Sinnlosigkeit und Leere ableiten konnte. Legt euch mal in eine Blumenwiese, starrt in den Himmel und denkt euch: Nichts davon ist selbstverständlich! Das empfinde ich als eine ganz wunderbare und wertvolle Tatsache.