(16-06-2016, 05:10)Reisender schrieb: [ -> ]meines Wissensstandes nach sind die Stämme vertragsbrüchig geworden bzw. verbündeten sich mit den Mekkanern?
Lebten denn außer Juden und Christen in Medina noch "Ungläubige" ? Antes sprach in seinem Vortrag davon.
Ja. In Medina waren damals auch Araber ansässig, die sich noch nicht zum Islam bekehrt hatten.
Allerdings waren es in Medina vornehmlich Juden gewesen, die Mohammed ablehnten. Mit ihnen hatte sich Mohammed überworfen, als sie sich weigerten, ihn als Propheten anzuerkennen. Würden sie ihre Schrift richtig lesen, argumentierte Mohammed, müssten sie doch erkennen, dass seine Ansprüche berechtigt seien (2:113-121). Schließlich wurde, so argumentiert Mohammed, auch Jesus von den Juden zum Lügner erklärt (2:87).
Was die Vereinbarungen mit den Juden im Rahmen der "Gemeindeordnung" betrifft, berichtet Ibn Ishaq folgendermaßen:
Der Gesandte Allahs fertigte ein Schriftstück aus, die "Auswanderer" und die "Helfer" betreffend, in dem er mit den Juden eine Vereinbarung schloss, sie in ihrer Glaubenspraxis und ihrem Vermögen bestätigte sowie zu ihren Gunsten und zu ihren Lasten Bedingungen festlegte.
Dieser Satz Ibn Ishaqs ist irreführend.
Dazu T. Nagel:
Die Vereinbarung bezieht sich aber keineswegs auf die medinensischen Juden insgesamt, sondern nimmt lediglich in einigen Passagen die jüdischen Mitglieder der (gemischten) Sippen in den Blick, deren Muslime sich Mohammed zur Verfügung stellten, und nur auf diese Sippen sind die Bestimmungen zurechtgeschnitten.
Dass Mohammed sich nach seiner Ankunft in Medina mit den drei rein jüdischen Stämmen ins Benehmen setzte, ist mehrfach bezeugt; der Inhalt dieser Abmachungen ist nicht überliefert. (Mohammed, Leben und Legende, S. 462)
Da es in Medina auch eine Opposition gegen Mohammed gab, musste er vorsichtig sein. Im Grunde ging er nach dem Grundsatz vor, "wer nicht offen bekennt, für mich zu sein, ist (möglicherweise) gegen mich".
Gegen die drei rein jüdischen Stämme (Banu Quinuqa, Banu-Nadir und Banu Quraiza), deren zukünftiges Verhalten für Mohammed nicht auszurechnen gewesen war, hatte er sich über ihm ergebene Stämme mit Schwurbünden gesichert, die man aufkündigen konnte.
Als es Mohammed angebracht erschien, entledigte er sich der jüdischen Stämme.
Im April 624 wurden als erstes die Banu Quinuga vertrieben. Der Anlass war banal. Ein Scherz, den ein Jude auf Kosten einer Araberin machte, brachte einen Muslim so in Rage, dass er den Juden erschlug. Die Juden erschlugen ihrerseits den Mörder und erklärten, sich an die mit Mohammed getroffenen Vereinbarungen nicht mehr halten zu wollen. Daraufhin wurden sie in ihren Wohntürmen 14 Tage lang belagert. Da die beiden anderen jüdischen Stämme den Banu Quinuqa nicht beistanden, mussten sich diese ergeben. Das Leben wurde ihnen gelassen, alles Wertvolle aber mussten sie zurücklassen.
Was die Banu Nadir betrifft, die einen Schwurbund mit den Banu 'Amir b. Sa'sa'a geschlossen hatten, wird berichtet, dass Mohammed "Dank einer himmlischen Eingebung" erkannt hatte, dass Mitglieder der Banu Nadir einen Mordanschlag gegen ihn planten. Die Juden sahen das Unheil herankommen und verschanzten sich in ihren Wohntürmen. Die Palmenhaine des Stammes wurden niedergebrannt. Ihrer Lebensgrundlage beraubt, ergaben sich die Juden, übergaben ihren Besitz und zogen weg, ihr Leben durften sie behalten. Das geschah im Spätsommer 625.
Die Banu Quraiza verhielten sich in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 627 neutral. Als das Gerücht verbreitet wurde, der Stamm habe sich gewinnen lassen, die Feinde Mohammeds zu unterstützen, und ein Verwandter seiner verstorbenen ersten Frau zu wissen vorgab, dass die Banu Quraiza Kriegsvorbereitungen gegen Mohammed treffen würden, war das Schicksal des Stammes besiegelt.
Die Banu Quraiza jedenfalls weigerten sich, am Kampf gegen Mohammed teilzunehmen. Ob das, wie seitens der Muslime behauptet wurde, an der Befürchtung lag, der Kampf könnte bis in den Sabbat hinein andauern, oder ob sie grundsätzlich nicht kämpfen und neutral bleiben wollten, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen.
Jedenfalls war das Schicksal des Stammes besiegelt. Mohammed setzte die Juden in ihren Wohntürmen fest. Zugeständnisse, sie am Leben zu lassen, wurden nicht gemacht. Die (600-900) Männer mussten Gruben ausheben, danach wurden sie in Gruppen massakriert. Die Habe des Stammes wurde verteilt. Frauen und Kinder gingen in die Sklaverei.
Das, was über diese Vorkommnisse berichtet wird, ist von Legenden durchmischt. Das sollte man sich immer vor Augen halten.