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Siduri - Bion - 10-07-2017

Siduri ist eine weise Frau, eine Weisheitsgöttin, die im ↗Gilgamesch-Epos (Tafel X) am Rande der Welt eine Bier-Schenke betreibt (sie wird daher fallweise auch als Göttin der Bierbraukunst bezeichnet). Einige Fachgelehrte (zB R. Schrott) deuten sie als Erscheinungsform der ↗Inanna/Ischtar, für andere wieder lässt sich die Figur nicht einordnen.

Als Gilgamesch bei Siduri ankommt, schließt sie sich, von seinem wilden Aussehen erschreckt, ein.

Zunächst droht er, mit Gewalt in ihr Haus einzudringen, lässt aber davon ab und kommt mit ihr ins Gespräch. Siduri teilt Gilgamesch mit, dass er das Leben, das er sucht, nicht finden werde.

Die Lebensweisheiten,  die sie ihm darüber hinaus eröffnet1, finden sich teilweise auch in biblischen Texten wieder.

Bei ↗Jesus Sirach (14,12):

Bedenke wohl, dass der Tod nicht säumt und dass der Beschluss der Unterwelt dir nicht kundgetan ist.
(Gute-Nachricht-Bibel)

Text: Meissner-Millard-Tafel2:

Als die Götter die Menschheit erschufen, wiesen sie der Menschheit den Tod zu, nahmen das Leben in ihre eigene Hand.

und im Buch ↗Kohelet (9, 7-9):

Geh hin, iss dein Brot mit Freude und trink deinen Wein mit frohem Herzen! Denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun. Deine Kleider seien weiß zu jeder Zeit, und das Salböl fehle nicht auf deinem Haupt.  Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, alle Tage deines nichtigen Lebens, das er dir unter der Sonne gegeben hat, all deine nichtigen Tage hindurch! Denn das ist dein Anteil am Leben und an deinem Mühen, womit du dich abmühst unter der Sonne.
(Elberfelder)

Text: Meissner-Millard-Tafel2:

Du, Gilgamesch, voll sei dein Bauch, Tag und Nacht sei andauernd froh, du!
Täglich mache ein Freudenfest, Tag und Nacht tanze und spiele!
Gereinigt seien deine Kleider, dein Haupt sei gewaschen (und) du mit Wasser gebadet!
Sieh auf das Kind, das deine Hand gefasst hält, die Gattin freue sich auf [deinem] Schoss!
So ist das Tun [der Menschen].


1) Der Text findet sich in der sogen. Meissner-Millard-Tafel, einer Keilschrifttafel, die die im Antiken-Handel erworben wurde und um 1800 vC datiert wird. Von den 180 Versen des altbabylonischen Textes ist etwa die Hälfte erhalten. Heute befindet sich ein Fragment der Tafel, die in Sippar gefunden worden sein soll, in der Vorderasiatischen Abteilung des Staatlichen Museums Berlin. Ein weiteres Fragment derselben Tafel wird im British Museum London aufbewahrt. Benannt ist die Tafel nach zwei Fachgelehrten (Bruno Meissner und Alan Ralph Millard), die die Ergebnisse ihrer Arbeiten (B. Meissner 1902 und A. R. Millard 1965) publiziert hatten.


Geschildert wird der Besuch Gilgameschs bei Siduri und seine Fahrt über das Wasser des Todes zu ↗Utnapischtim. Der Text weicht von jenem, wie er in der Ninive-Fassung (Tafel X) vorliegt, erheblich ab.

2) O. Kaiser. TUAT, Bd III, 4. Lfg, S. 665f.


Literatur:
Roaul Schrott. Gilgamesch, 2001 München, C. Hanser Verlag.
Otto Kaiser Hrsg. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, 19 Bde, 1994-2001 Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.



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