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König Salomons Frauen
#10
Dass ein Anführer eines judäischen Bergdorfs eine ´ägyptische Prinzessin´ zur Frau hatte, ist nur eine Phantasie der Autoren der Könige-Bücher. ´Salomo´, so wie er im Tanach geschildert wird, ist eine mythische Figur. Jerusalem war laut den Archäologen Finkelstein/Silberman im 10. Jh. BCE nur ein Dorf mit 1000 Einwohnern. Alle Angaben zu ´Salomo´ sind entweder frei erfunden oder, falls der Mythos über ihn einen wahren Kern hat, gewaltig übertrieben. So behauptet das Könige-Buch, er habe Hunderte von Ehefrauen und Konkubinen gehabt. Das wäre ja die komplette Bevölkerung von Jerusalem gewesen. Und wie sollte ein Dorf-Häuptling diesen Harem finanzieren? Auch die Maßangaben des Cherubenthrons sollte man mit Vorsicht genießen, die sich ohnehin sich auf einen Tempel beziehen, der meiner Meinung nach erst im 8. Jh. BCE gebaut wurde, als Jerusalem schon größer und reicher war.

(11-10-2016, 04:30)Jutta schrieb: Wir dürfen nicht vergessen, dass damals die Polygamie im Orient Gang und Gäbe war, wie größtenteils heute auch noch. Und es wundert nicht, das Frauen aus anderen Kulturen auch ihre Religion mitbrachten. Im Tempel von Salomo wurde neben Gott auch lange Zeit die Göttin Ashera/Astharte/Asteroth verehrt, als "Frau Gott" sozusagen, wie die Archäologen heute belegen konnten.

(...)

Zitat:(...) Die Texte und die Artefakte haben in der alttestamentlichen Wissenschaft eine Debatte entzündet, ob der Jahwismus ursprünglich monotheistisch war oder nicht (siehe z.B. Dietrich, Loretz 1992; Becking / Dijkstra / Korpel / Vriezen 2001). Obwohl es noch einige Unsicherheiten in der Detailinterpretation gibt, wird inzwischen allgemein akzeptiert, dass der Jahwismus lange Zeit nicht monotheistisch war (→ Monotheismus). Sowohl in der Familienreligion als auch im höfischen Bereich (vgl. Jer 44) wurde – mindestens bis zur Exilszeit – Jahwe als der Gatte Ascheras angesehen und verehrt.

Dass Jahwe mit der kanaanitischen Fruchtbarkeitsgöttin assoziiert war, ist in der Tat durch diverse Funde belegt ("Jahwe und seine Aschera"). Vermutlich hatte Aschera eine dem Jahwe untergeordnete Stellung, konnte aber aufgrund ihrer Beliebtheit zur Volksnähe des Hauptgottes beigetragen. Die Jahwe-Aschera-Relation ist ein Indiz für die Verdrängung Els als Hauptgott durch Jahwe, da in der traditionellen Mythologie El und Aschera ein Paar bilden. In der Königszeit war es in Jerusalem legitim, sich im Jahwe-Tempel der Aschera durch eine Gelübde zu weihen.

Mit Sicherheit war der Jahwismus nicht von Beginn an monotheistisch, sondern polytheistisch mit zunehmendem Monolatrie-Faktor. Ursprünglich wohl ein Stammesgott von Wüstennomaden, war er bis zur Zeit des Babylonischen Exils im Denken der Israeliten nur ein Gott unter vielen, der nach und nach diverse Charakteristika anderer Götter (vor allem El und Baal) an sich gezogen hatte, was, siehe oben, auch zur ´Partnerschaft´ mit Aschera führte, die ihm im Zuge seiner Übernahme der Rolle Els an die Seite gestellt wurde.

Zur Monotheisierung des Jahwismus kam es erst im 6. Jh. BCE während des Exils in Babylon durch Deuterojesaja. Hier sind ein paar Details zur Entwicklung::

Die Herausbildung des jüdischen Monotheismus steht im engsten Zusammenhang mit der politischen Situation Israels zwischen dem 8. und dem 6. Jahrhundert BCE. Im 8. Jahrhundert, zweihundert Jahre vor der Exilierung seiner Oberschicht nach Babylon, stand Israel unter massivem politischen Druck seitens der mächtigen Assyrer, deren grausame Kriegsführung alles übergipfelte, was im ohnehin grausamen Alten Orient bis dahin bekannt und üblich war. Die assyrischen Großkönige sahen sich als irdische Stellvertreter ihres Staatsgottes Assur, in dessen Auftrag sie Kriege führten, Gesetze erließen und Verträge mit unterworfenen Vasallenstaaten schlossen. Ihre imperiale Ideologie - die Expansion des assyrischen Reichs im Auftrag des Gottes Assur - war ein Erbe der akkadischen Ideologie des Sargon von Akkad (23. Jh. BCE), der sich als ´Herrscher über die vier Weltgegenden´ bezeichnen konnte, also den Anspruch erhob, (fast) die gesamte bekannte Welt zu beherrschen. Das assyrische Reich war ab dem 12. Jh. BCE noch wesentlich umfangreicher als das schon längst vergangene akkadische, der Machtanspruch und -hunger der assyrischen Könige noch größer.

Manche Forscher, vor allem der Assyriologe Simo Parpola, sehen im Gott Assur einen proto-monotheistischen Gott im Sinne des sog. inklusiven Monotheismus (= alle fremden Götter sind nur Organe eines einzigen Gottes). Auch der neubabylonische Gott Marduk hat, einigen Gelehrten zufolge, das Gepräge eines ´inklusiv monotheistischen´ Gottes. Die Idee des Monotheismus lag also, eng verknüpft mit der Weltreichsideologie des assyrischen und neubabylonischen Reiches, bereits in der Luft, als israelitische Jahwe-Monolatristen um neue Konzepte rangen.

Ein wichtiger Protagonist der monolatrischen (nicht monotheistischen!) Jahwe-allein-Bewegung in der 2. Hälfte des 8. Jh. BCE, Jesaja, übertrug den globalpolitischen Anspruch des assyrischen Gottes auf den Staatsgott des von Assyrien massiv bedrängten Juda, Jahwe. Zu diesem Zeitpunkt war Judas Religion im ganzen noch polytheistisch, es bestand aber bei einer sich berufen fühlenden Minderheit, zu der Jesaja zählte, ein starker Hang zur Monolatrie (Alleinverehrung) des Jahwe. Gänzlich von der traditionellen Vorstellung abweichend, dass ein Gott nur so stark ist wie das Reich, dem er vorsteht, schreibt Jesaja Jahwe das Vermögen zu, die assyrischen Heerscharen zu lenken:

(Jes 5,26)

Ein Panier pflanzt er (= Jahwe) auf für ein Volk aus der Ferne (= die Assyrer) und pfeift es herbei von den Enden der Erde. Und siehe, in Eilmärschen kommt es heran.

Gemeint ist damit der Angriff der Assyrer auf das israelitische Nord- und Südreich. In einer für das israelitische Denken fortan typischen Dialektik, die dem Widerspruch zwischen Judas politischer Ohnmacht und extremer Jahwe-Verehrung entsprang, wurden die assyrischen Attacken nicht mehr dem feindlichen Gott Assur zugeschrieben, sondern dem eigenen Gott Jahwe. Als Motiv galt dessen Zorn auf das eigene Volk, das sich - in den Augen der Jahwe-Monolatristen - durch die Anbetung anderer Götter als Jahwe versündigt habe und bestraft gehört. Nur mit diesem dialektischen Kniff konnte die Jahwe-Monolatrie ´glaubwürdig´ aufrechterhalten werden.

Deuterojesaja treibt das monotheistische Denken in der Phase des babylonischen Exils (Mitte des 6. Jh. BCE) dann auf die Spitze:

(Jes 45,21)

Es ist kein Gott außer mir! Einen rechtwaltenden und rettenden Gott gibt es nicht neben mir.

Ähnlich wie Jesaja zu Zeiten der assyrischen Übermacht stellt Deuterojesaja in Zeiten der babylonischen und persischen Übermacht Jahwe als Dirigenten der Weltgeschichte hin; diesmal hat Kyros (= Kores), der persische König und Eroberer Babylons, wo die exilierten Israeliten festsaßen, als Handlanger (sogar ´Gesalbter´) des Jahwe gedient, nunmehr als Befreier, nicht als Bestrafer:

(Jes 45,1)

So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, dem Kores, den ich bei seiner rechten Hand ergreife, dass ich die Heiden vor ihm unterwerfe und den Königen das Schwert abgürte, auf dass vor ihm die Türen geöffnet werden und die Tore nicht verschlossen bleiben...

Der jüdische Monotheismus entstand also aus dem Bedürfnis, die politische Ohnmacht Israels auf der Ebene religiöser Phantasie in eine nationenübergreifende Allmacht des Jahwe umzubiegen. Die traditionelle polytheistische Struktur Staatsgott - König - Volk wurde in die Struktur Allgott Jahwe - Volk Israel transformiert. Jahwe herrscht über die ganze Welt, sein erwähltes Volk aber sind die Juden.
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König Salomons Frauen - von Sinai - 17-05-2016, 17:52
RE: König Salomons Frauen - von WiTaimre - 07-10-2016, 14:02
RE: König Salomons Frauen - von Sinai - 07-10-2016, 14:49
RE: König Salomons Frauen - von Ulan - 08-10-2016, 00:03
RE: König Salomons Frauen - von WiTaimre - 07-10-2016, 22:25
RE: König Salomons Frauen - von WiTaimre - 11-10-2016, 01:57
RE: König Salomons Frauen - von Jutta - 11-10-2016, 04:30
RE: König Salomons Frauen - von Tarkesch - 11-10-2016, 16:45
RE: König Salomons Frauen - von Ulan - 11-10-2016, 19:44
RE: König Salomons Frauen - von Tarkesch - 12-10-2016, 17:20
RE: König Salomons Frauen - von Bion - 11-10-2016, 19:33
RE: König Salomons Frauen - von Ekkard - 12-10-2016, 22:38

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