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Das Bild von Jahwe
#1
Es gehoert ja geradezu zu den Allgemeinplaetzen der Ideen ueber das Judentum, dass dieses sowohl als Erfinder des Monotheismus als auch als Erfinder eines Gottes gilt, von dem man sich kein Bild machen soll. Soweit ich das sehe, werden diese Punkte auch von eher minimalistisch ausgerichteten Alttestamentlern so akzeptiert, wobei hoechstens der Zeitrahmen etwas gerafft und in die babylonische, persische, hellenistische oder gar erst roemische Zeit verschoben wird, je nach Modell des Theologen oder Religionswissenschaftlers.

Speziell geht es mir hier um die Bilderlosigkeit. Diese wird in unserem heutigen AT auch im deuteronomistischen Geschichtswerk groesstenteils als sehr alte Wirklichkeit dargestellt. Im Einzelnen widerspricht der Text hier natuerlich. Auch wenn die Bundeslade angeblich nur Gesetzestafeln und Geraetschaften enthielt, wird an anderen Stellen ein anderer Kultalltag gezeigt, wenn Jakob eine Steinstele als Repraesentation Gottes aufstellt, im Heiligtum zu Dan eine Holzstatue, die mit Silber ueberzogen ist, aufgestellt wird oder in Israel Jahwe durch Figuren von goldenen Kaelbern repraesentiert wird. Da stellt sich natuerlich die Frage, ob es einen Kult ohne Kultfigur in den Zeiten vor dem Babylonischen Exil ueberhaupt gegeben hat.

Das Babylonische Exil gilt allgemein als Schluesselereignis fuer die Entwicklung des Judentums, wie wir es aus den Schriften der Bibel kennen. Als Triebfeder wird allgemein das Trauma der Erfahrung der Vertreibung angesehen. Nur erscheint mir das als nicht ganz ueberzeugend, warum gerade dieses Ereignis allein fuer eine Kehrtwende zum Monotheismus verantwortlich und da kein zusaetzlicher Ausloeser vorhanden sein soll. Die babylonische Religion selbst war eindeutig polytheistisch. Einfluesse von Persien sind im AT zwar zahlreich zu erkennen, aber fuer einen Kontakt mit der monotheistischen Form des Zoroastrismus schon in der Zeit des Exils habe ich bis jetzt noch keine Hinweise gesehen; es kann natuerlich sein, dass diese Einfluesse erst spaeter eingeflochten wurden.

Allerdings fiel mir in diesem Zusammenhang auf, dass Nebukadnezar II. einige Entwicklungen in die Wege geleitet hatte, die hier durchaus einen praegenden Einfluss auch auf die Vorstellungen des Judentums gehabt haben koennten. So erklaerte er Babylon zu seiner "Lieblingsstadt", die mit zahlreichen Bauvorhaben, wie dem Ischtar-Tor oder dem "Turm zu Babel" verschoenert wurde. Wichtiger aber war eine neue Reichstheologie, die das Primat des Tempels Esaĝila ueber alle anderen Tempel im Lande herstellte. Die ganze Wirtschaft des Landes wurde auf Babylon zentriert, und dem Tempel Esaĝila selbst flossen Mittel von allen anderen Heiligtuemern der Randprovinzen zu, genau so wie viele Kultfiguren erorberter Voelker dorthin wanderten. Wahrscheinlich stand dort auch das Beutegut aus Jerusalem.

Esaĝila selbst war ein traditioneller Tempel mit einer Kultstatue des Hauptgottes Marduk. Die Vorstellung war, dass die Goetter tatsaechlich in diesen Statuen wohnten. Dadurch, dass man die Statuen eroberter Goetter manchmal vor Marduk stellte, erwiesen diese anderen Goetter Marduk ihre Verehrung (auch Jahwes Lade wird der Prozedur wohl unterworfen worden sein). Soweit, so gewoehnlich. Allerdings gehoerte zum Marduk-Tempel-Komplex auch Etemenanki (Haus der Fundamente von Himmel und Erde), der "Turm zu Babel", der angeblich den Himmel erreichen sollte. Dieser hatte eine Besonderheit. Hier die Beschreibung aus den Historien des Herodot (I.):

Zitat:(181) ... Und in der Mitte dieses Heiligtums war ein Turm gebaut, durch und durch von Stein, eine Stadie lang und breit, und auf diesem Turm stand ein anderer Turm und auf diesem wieder ein anderer, und so acht Türme, immer einer auf dem anderen. Auswärts aber, um alle Türme herum, ging eine Wendeltreppe hinauf, und wenn man die Treppe halb hinauf ist, da sind Ruhebänke angebracht, wo sich die hinsetzen und ausruhen, die hinaufsteigen. Und in dem letzten Turm ist ein grosser Tempel und in dem Tempel steht ein grosses, schön bereitetes Bett (Anm.: oder Couch) und daneben ein goldener Tisch. Aber kein Bild ist darin aufgerichtet, auch übernachtet kein Mensch allda, ausgenommen etwa ein inländisches Weib, das sich der Gott selber von allen auserkoren, wie die Chaldäer erzählen, die da sind die Priester desselben Gottes. (182) Diese Leute erzählen auch, ich glaube es aber nicht, der Gott komme zuweilen in den Tempel und schlafe auf dem Bette, gerade wie die Ägypter erzählen von Theben, denn auch allda schläft ein Weib in dem Tempel des thebäischen Zeus.

Gut, ich will nicht ausschliessen, dass es eventuell irgendwelche Prozessionen gab, bei denen die Kultstatue des Marduk von Esaĝila nach Etemenanki gebracht wurde (auch wenn ich jetzt nichts darueber gelesen habe); aber die Vorstellung selbst ist beeindruckend. Dort steht also dieser riesige, die Stadt ueberragende Tempel (fuer Bilder, siehe *http://www.kadingirra.com/etemenanki.html), und anstelle einer Goetterstatue steht dort nur eine leere Couch, auf der der Herr ueber Himmel und Erde manchmal zu Besuch kommt. Das kommt der Vorstellung eines inkorporalen Gottes schon ziemlich nahe. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass die Babylonier selbst diese Vorstellung hatten, sondern dass einem Besucher des Turmtempels diese Vorstellung kommen konnte.

Hat eigentlich irgendjemand schon mal den Vorschlag gemacht, dass die Vorstellung der Bilderlosigkeit des Jahwe eventuell auch erst in Babylon entwickelt wurde?
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Das Bild von Jahwe - von Ulan - 16-02-2017, 23:24
RE: Das Bild von Jahwe - von Bion - 18-02-2017, 13:25
RE: Das Bild von Jahwe - von Ulan - 18-02-2017, 15:42
RE: Das Bild von Jahwe - von Bion - 20-02-2017, 21:20
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RE: Das Bild von Jahwe - von Bion - 21-02-2017, 13:00
RE: Das Bild von Jahwe - von Ulan - 21-02-2017, 14:23
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RE: Das Bild von Jahwe - von Ulan - 27-08-2017, 14:11
RE: Das Bild von Jahwe - von Adamea - 27-08-2017, 16:44
RE: Das Bild von Jahwe - von Ulan - 27-08-2017, 20:16

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