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Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache
#22
(03-03-2018, 18:55)Bion schrieb: ...
Ich bin wirklich dankbar, dass Du hier in die Diskussion mit eingestiegen bist, weil ich glaube, dass Du von Quellentheorien mehr versteht.

Ich habe mittlerweile mal versucht, mir einen oberflächlichen Überblick über die aktuelle Diskussion zu verschaffen, so aus den letzten 20 Jahren. Ich bin nicht ganz sicher, aber mein Eindruck ist, dass offenbar die Mehrheit der Neutestamentler der Ansicht ist, dass ein Tempelwort, das Markus 14:58 entspricht oder ähnelt, tatsächlich vom historischen Jesus stammt. Innerhalb dieser Gruppe bestehen gleichwohl Meinungsverschiedenheiten, wie der Spruch genau lautete und wie und warum er überliefert wurde. Daneben existieren noch alle möglichen Auffassungen, von wem der Spruch stammen könnte bzw. eingefügt wurde.



(03-03-2018, 18:55)Bion schrieb: Jedenfalls bietet sich die Überlegung durchaus an, dass das biblisch mehrfach bezeugte Tempelwort Jesu mit Logion 71 in Beziehung stehen könnte. Am stärksten wohl dort, wo es als direktes Herrenwort (Joh 2,19) vorliegt.
Das steht für mich ebenfalls außer Frage. Dass die Logien in einer Abhängigkeit zueinander stehen, kann wohl schwerlich geleugnet werden. Auf das johanneischer Herrenwort bezieht sich auch Jostein Ådna in „Jesu Stellung zum Tempel“, der es gegen die "falschen Zeugen" in Markus ausspielt. Ich finde seine Argumentation aber nicht korrekt, weil sie meines Erachtens die tatsächliche Quellenlage verwischt. Fakt ist doch, dass wir DAS „Tempelwort“ nur im Munde von falschen Zeugen haben (Mk, Mt, Apg). Wo wir ein – zweifellos damit verwandtes – Tempelwort im Munde von Jesus haben, ist es aber nicht DAS Tempelwort (Johannes) bzw. nicht sicher, ob es sich überhaupt um ein Tempelwort handelt (Thomas). Dies bedeutet doch, dass der Beweis (Quelle) für die Behauptung (historisches Tempellogion) gar nicht existiert, sondern erst unter Zuhilfenahme von Quellentheorien konstruiert werden muss.


(03-03-2018, 18:55)Bion schrieb: Ich setze mal voraus, dass die Tradition, aus der das ThomEv erwuchs, zeitlich vor dem Entstehen der kanonischen Evangelientexte zu verorten ist. Wäre das nicht so, erübrigten sich weitere Überlegungen zum Logion 71. Einen kurzen Überblick das Thomasevangelium betreffend habe ich HIER (klick!) gegeben.
...
Dieser Gedanke lässt sich insbesondere dann nachvollziehen, wenn von der den Satz beschließenden Ergänzung [außer mir], die mit Blick auf die entsprechenden kanonischen Textstellen recht willkürlich vorgenommen wurde, abgesehen wird.

Ich sehe es auch so, dass für die Annahme eines historischen Tempellogions eine Priorität des Thomasevangeliums äußerst günstig wäre. Einerseits wäre hierdurch belegt, dass ein Tempelwort tatsächlich unabhängig von den kanonischen Evangelien und ihren Kontexten überliefert wurde und andererseits hätte man es als Herrenwort im Munde von Jesus. Dagegen wären die Folgeprobleme (die Frage, ob im Thomasevangelium überhaupt der Tempel gemeint ist, und die übrigen Unterschiede zu Markus 14:58) erst einmal von weniger großer Relevanz. Dass die Bedeutung „Tempel“ eine der in Betracht kommenden Möglichkeiten für die Wortwahl „Haus“ ist, steht auch für mich außer Frage.

Ich verstehe nicht hundertprozentig, warum Du so auf dem Satzschluss „außer mir“ insistierst. Soweit ich mittlerweile weiß, ist das koptische Manuskript, welches Logion 71 enthält, an dieser Stelle beschädigt und der Satzschluss „außer mir“ ist nur eine ungesicherte Rekonstruktion. Irre ich mich da? (siehe letzte Zeile unterm Link)
*http://www.gnosis.org/naghamm/GTh-pages/th_scan/14.jpg

Mir scheint, dass an dieser Stelle dann aber das weniger große, aber immer noch erhebliche Problem auftaucht, nämlich wie ich vom gesicherten Textbestand von Logion 71 wieder zum Markusspruch zurückkomme. Letztendlich, um mal sinnbildlich zu sprechen, borgt sich die herrschende Meinung doch beim Thomasevangelium nur die Struktur, um sie mit dem Inhalt von Markus wieder aufzufüllen, wodurch das Problem der falschen Zeugen aufgehoben ist, was auf den ersten Blick wie ein aalglatter Zirkelschluss aussieht.
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RE: Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache - von Kunigunde Kreuzerin - 05-03-2018, 00:13

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