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War Judas ein Verräter ?
#16
(09-06-2016, 10:32)Ulan schrieb:
(09-06-2016, 09:08)Linus schrieb: Das stimmt. Jesus sah im Garten Getsemaneh in einer Vision was ihm alles geschehen wird und hat daher auch Blut geschwitzt - so sehr hat es ihn geängstigt. Dass Jesus den Tod oder diese Qualen wollte, kann man aber dennoch nicht mit diesen Worten sagen, bat er doch seinen Vater, diesen Kelch an ihm vorbeigehen zu lassen, aber SEIN, des Vaters Wille solle geschehen.

Das ist typische Bibelexegese, wo alle vier kanonischen Evangelien gemischt werden, um eine einheitliche Aussage zu machen. Die Sache mit dem "Sein Wille geschehe" ist Matthaeus' Version, der Gott dem Vater trotz aller Befuerchtungen gehorcht. Der Jesus des Johannes-Evangeliums ist ueber solche Ideen erhaben; er ist Gott. Das mit dem Blut-Schwitzen ist aus dem Lukas-Evangelium und soll betonen, dass Jesus wirklich Mensch war:

43 Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.
44 Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.

Die Verse sind wohl nachtraegliche Einfuegungen, da sie in so einigen fruehen Lukas-Versionen komplett fehlen (z.B. Codex Vaticanus, Codex Alexandrinus) oder am Rand vermerkt war, dass sich die Schreiber nicht einig waren, ob die Zeilen da korrekt seien (Codex Sinaiticus bezeugt das Hin und Her).

Als Irenaeus den vierfachen Evangelien-Kanon erstmals begruendet, hat er, neben seiner Begruendung mit den vier Ecken der Welt, auch eine praktische, naemlich dass die Verwendung nur eines Evangeliums das Rezept zur Haeresie ist. Er beschreibt das Matthaeus-Evangelium als das der Ebioniten, Lukas als das von Marcion, Markus als das der Doketisten und schliesslich das Johannes-Evangelium als das der Valentianer (Adv. Haer. 3.11.7-9). Nur die Vierzahl schuetzt fuer ihn vor Haeresien.

Um solchen Haeresien vorzubeugen, wurde da schon mal am Text herumgebastelt. So auch hier.

Unglaublich, was Du da alles weisst - interessant.
Aber welche Häresien meinst Du?

Wie ist denn Deine Meinung zum Inhalt?
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#17
(10-06-2016, 19:56)Linus schrieb:
(09-06-2016, 10:32)Ulan schrieb:
(09-06-2016, 09:08)Linus schrieb: Das stimmt. Jesus sah im Garten Getsemaneh in einer Vision was ihm alles geschehen wird und hat daher auch Blut geschwitzt

Interessanter Hinweis
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#18
(10-06-2016, 19:56)Linus schrieb: Unglaublich, was Du da alles weisst - interessant.
Aber welche Häresien meinst Du?

Ich habe alle vier Haeresien in meinem Beitrag verlinkt.

(10-06-2016, 19:56)Linus schrieb: Wie ist denn Deine Meinung zum Inhalt?

Wie gesagt, das ist mit Sicherheit eine spaete Einfuegung in den Text, die lediglich beweisen soll, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte, der ganz normal schwitzt. Also nicht wie bei den Doketisten, gemaess derer das ein Koerper aus himmlischer Materie war.
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#19
(10-06-2016, 21:05)Ulan schrieb: Wie gesagt, das ist mit Sicherheit eine spaete Einfuegung in den Text, die lediglich beweisen soll, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte

Du gehst also davon aus, daß Jesus keinen menschlichen Körper hatte
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#20
Mir kommt jetzt die Einsicht, daß ich mich da in einen Bereich begebe, der mich nichts angeht und der mir eigentlich egal ist.
Weil's mich nichts angeht.
Die Beschaffenheit des Körpers von Jesus - das ist doch ein sinnloses streiten um des Kaisers Bart
Hier können wir 17 Jahre diskutieren und keine brauchbare Antwort finden
Da begeben wir uns aufs fragwürdige Niveau der Theologen um 200
Narreteien !
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#21
(10-06-2016, 21:36)Sinai schrieb:
(10-06-2016, 21:05)Ulan schrieb: Wie gesagt, das ist mit Sicherheit eine spaete Einfuegung in den Text, die lediglich beweisen soll, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte

Du gehst also davon aus, daß Jesus keinen menschlichen Körper hatte

Genau wie in dem anderen Thread verwechselst Du hier das was ich glaube mit dem was manche Menschen damals glaubten. Ich weise nur darauf hin, dass es damals viele Christen gab, die nicht glaubten, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte. Fuer die wurden diese Verse in den Text eingefuegt, damit sie nicht auf Gedanken kamen, die die katholische Kirche fuer haeretisch hielt.
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#22
(10-06-2016, 21:49)Ulan schrieb: Ich weise nur darauf hin, dass es damals viele Christen gab, die nicht glaubten, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte.

zB der Apostel Thomas.  Aber dann legte er die Hand in Jesu Wunde und damit war das geklärt.

„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!“
Johannes 20:19-28 (Einheitsübersetzung)
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#23
(10-06-2016, 22:18)Sinai schrieb:
(10-06-2016, 21:49)Ulan schrieb: Ich weise nur darauf hin, dass es damals viele Christen gab, die nicht glaubten, dass Jesus einen menschlichen Koerper hatte.

zB der Apostel Thomas.  Aber dann legte er die Hand in Jesu Wunde und damit war das geklärt.

Das steht aber nur im Johannes-Evangelium, and das hatten nur einige Gemeinden damals benutzt. Ausserdem ist nicht ganz klar, wer das eigentlich zusammengestoppelt hat. Die Frage der Beschaffenheit des Koerpers Christi hat die Christen jedenfalls fuer fast das ganze erste Jahrtausend beschaeftigt. Hier ein Zitat von Wikipedia:
  • Kerdon vertritt die Auffassung, dass Christus nur als Trugbild (in phantasmate) in der Welt gewesen, nicht geboren sei und nur vermeintlich gelitten (quasi passum) habe.
  • Satornil lehrte, dass Christus ungeboren, unkörperlich und gestaltlos gewesen und nur scheinbar (putative) Mensch gewesen sei.
  • Markion meint, dass Christus als Mensch erschien, obwohl er kein Mensch war, und dass er weder Geburt noch Leiden wirklich auf sich genommen habe, sondern nur zum Schein.
  • Von Basilides (um 133) berichtet Irenäus von Lyon die Vorstellung, dass Simon von Cyrene die Gestalt Jesu angenommen und an dessen Stelle am Kreuz gestorben sei, während dieser selbst sich unsichtbar gemacht und als „unkörperliche Kraft“ (virtus incorporalis) zum Vater aufgestiegen sei.
  • Valentinus schrieb: „Jesus aß und trank in einer besonderen Weise, ohne die Speisen wieder auszuscheiden. So groß war die Kraft seiner Fähigkeit, die Ausscheidung zurückzuhalten, dass die Speisen in ihm nicht verdarben, denn er selbst war unverderbbar und ohne Verfall.“
  • In der Petrusevangelium, einem Nag-Hammadi-Text, sieht Petrus über dem scheinbaren Körper Jesu am Kreuz eine fröhlich lachende Gestalt, den „lebendigen Christus“.
  • In einer anderen Form des Doketismus bediente sich nach Cerinthus der göttliche Christus eines gewöhnlichen Menschen (Jesus) als Medium, auf den er bei der Taufe im Jordan herabstieg („Du bist mein geliebter Sohn, ich habe dich heute gezeugt.“ Lk 3,22 EU), und den er vor dem Kreuzestod wieder verließ („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“).
  • Die römische Kirche verurteilte mit Tertullian den Doketismus, da sie gerade das Leiden und Sterben am Kreuz als zentralen Bestandteil ihres Erlösungsglaubens betrachtete.
Der vorletzte Punkt beschreibt im Prinzip das Markus-Evangelium (das Irenaeus das Evangelium der Doketiker nennt). Das Lukas-Evangelium wurde von Markion verwendet (Punkt 3). Jesus im Islam muss auch aus doketischer Ecke kommen. Oder anders ausgedrueckt: die Idee, dass Christus kein Mensch war, war sehr weit verbreitet.
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#24
(10-06-2016, 22:46)Ulan schrieb: Hier ein Zitat von Wikipedia:
* Kerdon vertritt die Auffassung, dass Christus nur als Trugbild (in phantasmate) in der Welt gewesen, nicht geboren sei und nur vermeintlich gelitten (quasi passum) habe.
* Satornil lehrte, dass Christus ungeboren, unkörperlich und gestaltlos gewesen und nur scheinbar (putative) Mensch gewesen sei.
* Markion meint, dass Christus als Mensch erschien, obwohl er kein Mensch war, und dass er weder Geburt noch Leiden wirklich auf sich genommen habe, sondern nur zum Schein.
* Von Basilides (um 133) berichtet Irenäus von Lyon die Vorstellung, dass Simon von Cyrene die Gestalt Jesu angenommen und an dessen Stelle am Kreuz gestorben sei, während dieser selbst sich unsichtbar gemacht und als „unkörperliche Kraft“ (virtus incorporalis) zum Vater aufgestiegen sei.
* Valentinus schrieb: „Jesus aß und trank in einer besonderen Weise, ohne die Speisen wieder auszuscheiden. So groß war die Kraft seiner Fähigkeit, die Ausscheidung zurückzuhalten, dass die Speisen in ihm nicht verdarben, denn er selbst war unverderbbar und ohne Verfall.“
* In der Petrusevangelium, einem Nag-Hammadi-Text, sieht Petrus über dem scheinbaren Körper Jesu am Kreuz eine fröhlich lachende Gestalt, den „lebendigen Christus“.
* In einer anderen Form des Doketismus bediente sich nach Cerinthus der göttliche Christus eines gewöhnlichen Menschen (Jesus) als Medium, auf den er bei der Taufe im Jordan herabstieg („Du bist mein geliebter Sohn, ich habe dich heute gezeugt.“ Lk 3,22 EU), und den er vor dem Kreuzestod wieder verließ („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“).

Das ist ja die Liste der Ketzer !
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#25
(10-06-2016, 22:54)Sinai schrieb: Das ist ja die Liste der Ketzer !

Es ist schon interessant, wie viele der uns namentlich ueberlieferten fruehchristlichen Prediger heute als Ketzer gelten Icon_cheesygrin .

Wie auch immer, um auf's Thema zurueckzukommen: um diese oben zitierten Vorstellungen zu bekaempfen, wurden Verse wie der mit dem Schwitzen in die Evangelien eingefuegt. Die Geschichte mit dem unglaeubigen Thomas hat wohl einen aehnlichen Zweck.
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#26
(10-06-2016, 23:11)Ulan schrieb:
(10-06-2016, 22:54)Sinai schrieb: Das ist ja die Liste der Ketzer !

Es ist schon interessant, wie viele der uns namentlich ueberlieferten fruehchristlichen Prediger heute als Ketzer gelten Icon_cheesygrin .

Ich habe einmal den sehr lustigen Film "Im Namen der Rose gesehen"
Da beginnt so ein Mönch im Verhör durch die Inquisition, die Namen von solchen verfemten Personen und Teufeln herunterzuratschen.
Alle Anwesenden beginnen vor Entsetzen zu kreischen, halten sich die Ohren zu, bekreuzigen sich in Höllenpanik, zittern, ringen die Hände, rennen hinaus und brüllen "genug! genug!"
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#27
Ein sehr schoener Film. Das Buch ist uebrigens noch besser. Sehr empfehlenswert!
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#28
(10-06-2016, 22:46)Ulan schrieb: Jesus im Islam muss auch aus doketischer Ecke kommen.

Sehr interessant! Kannst das ausführen?
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#29
(11-06-2016, 19:33)Sinai schrieb:
(10-06-2016, 22:46)Ulan schrieb: Jesus im Islam muss auch aus doketischer Ecke kommen.

Sehr interessant! Kannst das ausführen?

Das hatten wir glaube ich schon ein paar Mal, aber hier noch mal die Stelle aus dem Koran (von Wikipedia):

Zitat:„Und (weil sie) sagten: ‚Wir haben Christus Jesus, den Sohn der Maria und Gesandten Gottes getötet.‘ – Aber sie haben ihn (in Wirklichkeit) nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen (ein anderer) ähnlich, (so dass sie ihn mit Jesus verwechselten und töteten). Und diejenigen, die über ihn (oder darüber) uneins sind, sind im Zweifel über ihn (oder: darüber). Sie haben kein Wissen über ihn (oder: darüber), gehen vielmehr Vermutungen nach. Und sie haben ihn nicht mit Gewissheit getötet (d.h. sie können nicht mit Gewissheit sagen, daß sie ihn getötet haben). // Nein, Gott hat ihn zu sich (in den Himmel) erhoben.“
– Sure 4, Vers 157–158: Übersetzung: Rudi Paret

Also, aehnlich wie bei einigen der vorgenannten fruehchristlichen Erklaerungen, ist es nicht der eigentliche Jesus, der bei der Kreuzigung stirbt. Das laesst vermuten, dass die Geschichte via einer der vorgenannten Sekten oder deren Nachfolger in den Islam geraten ist.

Passend zum Threadthema ist in der Koranexegese auch die Variante ueberliefert, das Judas Ischariot derjenige ist, der Jesus aehnlich gemacht und dann gekreuzigt wurde.
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#30
(11-06-2016, 19:44)Ulan schrieb: Das hatten wir glaube ich schon ein paar Mal, aber hier noch mal die Stelle aus dem Koran (von Wikipedia):

Ich wollte von Dir etwas sachdienliches über den DOKETISMUS hören.
Ein extrem unübersichtliches Sammelsurium von allerlei Lehren, da sagt jeder was anderes und ich weiß nicht, was Du genau meinst.
Es gibt nicht einen Doketismus, sondern ein halbes Dutzend Doketismen

(So wie es nicht den Kommunismus, sondern ein halbes Dutzend oder mehr Kommunismen gibt)
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