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Himmel und Hölle
#1
Als sich Origenes mit seiner Allversöhnungslehre anschickte, die Hölle abzuschaffen, verursachte das ein gewaltiges Beben in der in der Christenheit, das lange andauerte. Die Schriften, mit denen O. seine Idee untermauerte, sind leider nicht erhalten. Sie konnten aber recht gut rekonstruiert werden; aus verschiedenen anderen seiner Schriften, vor allem aus dem "Peri Archon". Und aus den wütenden Gegenschriften jener, die von glühenden Verehrern, quasi über die Nacht, zu unversöhnlichen Gegnern des O. mutierten, als ihnen seine Allversöhnungslehre als "letztes Ziel des göttlichen Heilsplanes" bekannt wurde. Vor allen anderen Kritikern sei der wortmächtigste, der hl. Hieronymus genannt. Dass die Hölle beim "allmächtigen, gütigen, liebenden Gott" keinen Platz haben oder zumindest nicht unendlich sein durfte, war dem großen Geist Origenes klar.

Doch die Kirche ließ sich "ihre Hölle" nicht nehmen. Zum "Beweis" der Hölle und zur Widerlegung des Origenes wurde von den großen Theologen der Spätantike und des Mittelalters unendlicher Schwachsinn erdacht und verbreitet, was in der Verabschiedung des Dogmas "von der Unendlichkeit der Höllenstrafen" durch Innozenz III., 1215 in Rom, gipfelte. Übrigens derselbe Papst, der die Verfolgung der Albigenser und den an ihnen verübten Massenmord zu verantworten hat.

In der modernen Theologie hat eine Hölle mittelalterlichen Zuschnitts keinen Platz. Und doch ist sie da, die Hölle aus der finstersten Zeit, in vielen Kirchen reichlich illustriert, mit ihren ewigen Strafen und unendlichen Qualen, für den gläubigen kath. Christen eine verbindliche Glaubenswahrheit, die nicht bezweifelt werden darf.

Epicharm
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#2
Interessant!

Hast du einen Literaturtipp für mich?

Apropos Hölle: Ich habe in einem Religionshandbuch gelesen, dass Zarathushtras Lehre keine Hölle kenne. Die Verstorbenen gehen jedoch durch eine Art Fegefeuer, durch geschmolzenes Metall, das die Gerechten als warme Flüssigkeit, die Sünder aber als heißes Metall empfinden. Danach kommen alle, geläuterte Sünder und Gerechte zu Ahura Mazda.
Leider konnte mir diese Aussage noch kein Sartoschti bestätigen.

Viele Grüße
Lhiannon
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#3
An Lhiannon

Die Allversöhnungslehre des Origenes habe ich über einen Vortrag v. A. Holl kennen gelernt. Elemente der entsprechenden Thesen des O. tauchen in seinen Büchern immer wieder auf. Die katholisch abprobierte Literatur ignoriert sie weitgehenst. Ob O. die Apokatastasis, die Wiederherstellung aller Dinge, die schließlich mit der Bekehrung aller Dämonen und des Teufels selbst den Abschluss findet, wirklich gelehrt hat, ist unter kath. Theologen umstritten. Jedenfalls war sie neben seiner Lehre von der Präexistenz der Seelen das gewichtigste Argument, seine Lehren und seine Anhänger zu verdammen (553 auf dem 2. Konzil von Konstantinopel), soweit man das den Berichten zum Konzil entnehmen kann (es liegen zwei von einander abweichende Berichte in lateinischer Sprache vor, die Originaldokumente sind leider verloren gegangen). Nach dem Konzil begann man, die Schriften des O. systematisch zu vernichten. Es stehen aber recht ordentliche Übersetzungen von Rufin von Aquileja und vom hl. Hieronymus zur Verfügung. Auch der Briefwechsel der beiden großen Kirchenmänner zur unterschiedlichen Auffassung der Werke des O. ist unterhaltsam. Die Wortwahl dieser Auseinandersetzung ist oft recht unheilig.

Die Ergebnisse des 4. Laterankonzils, bei dem auf Betreiben v. Innozenz III. ein regelrechter Kreuzzug gegen häretische Christen beschlossen wurde, sind aus den entspr. Protokollen zum Konzil ersichtlich.

Was den Parsismus angeht, bin nicht ausreichend informiert, um bewertende Auskünfte zu geben. Für mich schließe ich aus folgendem:

Yasna 30, 4. … Darum werden zum Ende der Dinge die Verehrer der Wahrheit zum schönsten Ort, dem Paradies, die Anhänger der Lüge zum schlimmsten Ort, dem Ort der Verwesung (Hölle?), geführt werden.

Yasna 48, 4. Wer einmal gut und ein anderes Mal schlecht tut, wer seine Seele durch seine Taten und Reden den Begierden und Wünschen unterwirft, der wird nach dem ursprünglichen Gesetz am jüngsten Tag abgesondert werden (Fegefeuer?).

Yasna 51, 21. Wer Tugend übt, wird heilig! Ein solcher Mensch wird durch gute Gedanken, Worte, Taten und rechten Glauben mit der Wahrheit vereinigt. Ahura Mazda wird ihm durch den Heiligen Geist das Reich der Unsterblichkeit schenken. Nach diesem Reich ist auch mein Wunsch!

Ich nehme also an, dass es wohl auch im Parsismus adäquate Orte für Himmel, Fegefeuer und Paradies gibt.

Liebe Grüße v. Epicharm
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#4
Hallo Epicharm,

mich stört an deinen Ausführungen weniger die durchaus theologisch interesante Frage nach Erlösung oder Nicht-Erlösung, Himmel und Hölle und derren Beantwortung, als viel mehr die Schilderung der Verurteilung Origenes. Es ist nämlich in der Tat so, dass Origenes schon bevor das peri archon/de principiis verurteilt wurde, für innerkirchliche Probleme sorgte. Da wäre z.B. der Streit mit seinem Bischof Demetrius und die Anullierung und Aberkennung seiner Weihe, die in zwei alexandrinischen Regionalsynoden verfasst wurde.
Weiterhin scheint es mir nur redlich zu sein, dass man darauf hinweist, dass z.B. seine Lehre von der Reinkarnation und der Präexistenz der Seele (vgl. Con. Cel./ de prin.) wesentlich mehr Ärgernis verursachte. Und das es weniger ein Kalkül zur Rettung der Hölle, als viel mehr die Bändigung starker innerkirchlicher Kontroversen um seine Lehre zu den Verurteilungen in Konstanitnopel (543 Synode, 553 5. ökumenisches Konzil), 300 Jahre nach seinem Tod ,geführt haben.

Indessen scheinen übrigens die philosphischen Voraussetzung die Origenes in de principiis darlegt, völlig seiner eigenen Ermahnung zu widersprechen wie er sie in Homilien zu Levitikus und in seinem Brief an Gregorius darlegt, d.h. eine zu enge Verbindung zwischen paganer Philosophie und Theologie einzugehen.
Was die rechtordentlichen Übersetzungen des Rufinus angeht können wir ihn selbst sprechen lassen, wenn er darlegt wie er den Text veränderte:
"Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß ich es in diesen Büchern gehalten habe wie in den ersten: das, was den sonstigen Äußerungen des Origenes und unserem Glauben zuwider schien, habe ich nicht übersetzt, sondern als von anderen eingefügt und verfälscht übergangen. Wenn er allerdings über die Vernunftwesen etwas Neuartiges zu sagen schien, habe ich es weder in diesen Büchern noch in den früheren fortgelassen, da hierin kein entscheidender Punkt des Glaubens liegt und es der Übung im Wissen dienlich ist;" (princ. III, Praef. Ruf S. 459-461)

Mir scheint es daher fruchtbarer zu sein derartige theologische Fragen weniger personengebunden zu disktuieren. Denn die Frage nach Erlösung ist ja im christlichen Glaubenskontext von zentraler Bedetuung.

Mfg. Presbyter
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
-
Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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#5
An Lhiannon

Ich habe in einer Diplomarbeit ein Zitat gefunden, das Dich vielleicht interessiert:

"Durch seine Stellung als Offenbarer des Gotteswortes und als Führer der Gläubigen nimmt Zarathustra die Stellung eines Erlösers ein. Die Vergeltung für die guten und bösen Menschen kommt durch ein Gottesurteil mit Feuer und geschmolzenem Metall. Das rote Feuer und das geschmolzene Metall kommt auf Geheiß Ahura Mazdas, der selbst das Endgericht abhält, wobei die Guten ihren Lohn und die Bösen ihre Strafe erhalten werden."

Geo Widengren, Iranische Geisteswelt, 1961

Mit Grüßen v. Epicharm
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#6
An Presbyter

Deine Kritik ist berechtigt. Es ist nicht korrekt, Dinge verkürzt wiederzugeben.  

Natürlich weiß ich, dass Origenes auch schon vor 553 Ziel von Anfeindungen, Häresievorwürfen und von Verurteilungen durch mehr oder weniger repräsentative Persönlichkeiten und Instanzen war. Jedenfalls fand die Diskussion über die Theologie des O. mit dem Konzil seinen vorläufigen Abschluss.

Wenn man von dem ausgeht, was zur Verfügung steht, darf man annehmen, dass das 2. Konzil v. Konstantinopel zwei Fragen behandelt hat: den Monophysitismus und den Origenismus. Und es steht fest, dass das Konzil Origenes, seine Ideen und seine Anhänger verurteilt hat.

Auch zur Übersetzung des "Peri Archon" habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Zur Anmerkung, "mit den Arbeiten des Hieronymus und des Rufin liegen zwei recht ordentliche Übersetzungen vor", füge ich ergänzend bzw. korrigierend hinzu:

Rufin hat eine Arbeit präsentiert, die "anstößiges" ausließ, die er mit Verbesserungen nach eigener Meinung versah und mit Fragmenttexten aus der Philokalia versetzte. Hieronymus fertigte aus Ärger über den Lob, den Rufin bekam, eine, wie er sagte, "wortgetreue" Übersetzung an. Diese Arbeit ist verloren gegangen. Hieronymus hat aber alle ihm ketzerisch erscheinenden Stellen in einem Brief an Avitus zusammengefasst. Es liegt also der Rufinustext mit den Ergänzungen des Hieronymus aus dem Avitusbrief vor. Ob der Text das, was O. gemeint hat, "recht ordentlich" vermittelt, dazu kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Aber, einen anderen Text haben wir nicht, soviel ich weiß.

Grüße Epicharm
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#7
Vielen Dank Epicharm,
ich bin echt beeindruckt von deinem Wissen. Was studierst du oder hast du studiert?
Und woher hast du die deutsche Übersetzung der Yasna?

Nochmals vielen Dank für die Infos!

Gruß
Lhiannon
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#8
Es gibt natürlich die Hölle - durch Gottes unendliche Güte - ist aber niemand drin. Icon_smile
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#9
An Lhiannon

Die angeführten Verse habe ich

"Aus den Gathas von Zarathustra", H. Kazemzadeh – Iranschähr (1929)

entnommen.

Studiert habe ich Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde und Philosophie. Derzeit beschäftige ich mich mit den Westgoten und Merowingern.

Liebe Grüße Epicharm
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#10
Hallo Epicharm (was bedeutet dein Name?),

ich habe das Buch von Abdolreza Madjderey: "Gathas - die himmlischen Gesänge Zaratustras"

Das sind sehr schöne Texte, aber leider werden dort die Gathas sehr frei interpretiert, wie ich im Vergleich zu englischen Texten sehen konnte.

Leider gibt es bislang keine Übersetzung des Avestas in Deutsche, bei dem der Autor sich genauer an den Wortlaut hält.

Gruß
Lhiannon
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#11
An Lhiannon

Epicharm lebte gegen Ende des 6. Jhdts vChr in Syrakus und schuf die dorische Komödie, die später von der attischen überdeckt wurde. Nur wenige Splitter sind von ihr erhalten. Er war Sprachkünstler und Philosoph, ein Nestroy seiner Zeit, von Plato hochgeschätzt.

Du nennst Dich wohl nach der Beschützerin von Avalon?

Das, was ich an von H. Kazemzadeh–Iranschähr übersetzten Texten habe, werde ich in die Plauderecke stellen. Ich muss die Texte aber erst aus verschiedenen Arbeiten zusammensuchen. Das wird ein paar Tage dauern.

Liebe Grüße v. Epicharm
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#12
Epicharm schrieb:Du nennst Dich wohl nach der Beschützerin von Avalon?

Ja. Aber ich kam zu dem Namen wie die Jungfrau zum Kinde. Icon_cool
Ich wollte mir, vor Jahren schon, ne E-Mail-Adresse geben und alle Nicks, die ich mir ausgesucht hatte waren schon vergeben. Da viel mir der Name Lhiannon aus der Avalon-Trilogie ein und später wurde so  aus der E-Mail-Adresse ein Internet-Nick.

Zitat:Das, was ich an von H. Kazemzadeh–Iranschähr übersetzten Texten habe, werde ich in die Plauderecke stellen. Ich muss die Texte aber erst aus verschiedenen Arbeiten zusammensuchen. Das wird ein paar Tage dauern.

Wow! Vielen Dank schon im voraus für die Arbeit.

Ich würde im übrigen die Texte nicht in die Plauderecke einstellen. Dafür passt, so finde ich, die Rubrik "fernöstliche Religionen" viel besser.

Gruß
Lhiannon
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#13
Ein User von einem anderen Forum hat einmal geschrieben(sinngemäß):

"Himmel und Hölle sind Zustände der Seele und nicht irgendwelche materielle Orte in die man kommen kann"

Ich glaube, das trifft es genau. Man braucht nicht "gutes tun" und böses vermeiden zu versuchen oder fromm zu sein um später in den Himmel zu kommen. Sondern der Himmel ist jederzeit hier auffindbar aber auch die Hölle ist hier auffindbar.

Es ist leichter durch eine äußere Hölle eine innere zu erzeugen , als umgekehrt(einen inneren Himmel durch einen äußeren).
Das ist komisch, aber das scheint so zu sein.
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#14
Mich würde nur mal interessieren welche Richtungen der Christen an die Hölle glauben und welche nicht.
Papst Benedikt XVI.sagte, dass die Hölle existiere und ewig sei für jene, die ihre Augen vor der Liebe von Jesus verschließen.
Das sollte doch wenigstens für alle Katholiken gelten.
Ebenso würde mich interessieren welche Christen an den Teufel als ein eigenständiges Wesen glauben.
Martin Luther benannte z.B. die Päpste als Statthalter des Teufels, deshalb sollten doch auch die Evangelischen an den Teufel glauben. "Denn der Teufel, der ja das Papsttum gestiftet, der redet und wirket alles durch den Papst und den römischen Stuhl. Was man aber dem Teufel glauben soll, als dem Mörder und Vater aller Lügen, soll ja ein Christ wohl wissen"
Dann noch dieses: "Ihr (die Juden, die Nachkommen Abrahams) habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge." Joh 8,44
"Da hoben sie Steine auf, um sie auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und verließ den Tempel." Joh 8,59

Ist denn das alles hinfällig, ich muss zugeben, dass mich diese Stellen und das heutige Verständnis der Christen, wie ich sie kenne, etwas verwirrt.

Gruß,
Wojciech
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#15
wojciech schrieb:Mich würde nur mal interessieren welche Richtungen der Christen an die Hölle glauben und welche nicht.
Papst Benedikt XVI.sagte, dass die Hölle existiere
Dann glaubt eben Benedictus alias Joseph Alois Ratzi... daran! Alle (röm.) Katholiken deswegen noch lange nicht. Richtungen oder Konfessionen kann man wohl gar nicht festlegen, die das dann geschlossen zu glauben haben ... und es auch praktisch so tun. Es werden immer nur einzelne Menschen sein ... Und da gibts wahrscheinlich schliemmeren Irrglauben oder krautigen Glauen ... sogar hier im Forum.
(Guck mal in den Spiegel!)

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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