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biblisches Verständnis von Gerechtigkeit
#31
BS"D

Lea schrieb:Wie schade, dass trotz des jüdisch-christlichen Erbes der Nächstenliebe und Fürsorge, dermaßen viel Elend und Armut in den entsprechenden Gesellschaften existiert. Macht doch (mich) nachdenklich.
Ich weiss ja jetzt nicht wie das im Christentum gesehen wird, aber im Judentum wird nicht davon ausgegangen, dass man wenn man nach der Tora, den Gebote lebt, automatisch zum perfekten Mensch wird. Hier geht es viel mehr darum, dass jeder für sich an seinen Probleme arbeiten muss und sich hier verbessern muss. Das kann dann recht unterschiedlich ausfallen und muss sich nach aussen nicht unbedingt in gerechtem Verhalten äussern.

Davon abgesehen ist es in frommen jüdischen Gesellschaften schon so, dass es zwar auch hier Elend und Armut gibt, aber zahlreiche gut funktionierende Massnahmen um dieses aufzufangen. Und ich denke in christlichen Gemeinden ist das auch nicht anders oder?

Lea schrieb:Die Gebote (Zehnwort) sind doch den Menschen flehendlich und mit Hingabe an das Herz gelegt worden - an das warme, mitfühlende - wie mühsam hingegen die Umsetzung in Staat und Gesellschaft usw. erscheint.
Hier muss ich als Jude darauf hinweisen, dass das Zehnwort nicht an die Menschheit ging, denn wenn hat Er aus Mitzrajim herausgeführt? Daneben gibt es sehr wohl Gebote welche an die ganze Menschheit gingen (-> bnei noach), die übgringen in der Tora dienen dann mehr als Vorbild und Ideal für die Menschheit, manche sind aber auch alleine den Juden vorbehalten - was aber aus uns auch keine besseren Menschen macht Icon_wink

Lea schrieb:Sind wir in einer billigen Talkshow?
Das wäre doch einmal ein interessantes Thema, was ich gleich einmal aufmachen werden. Wie stehen die einzelnen Religionen etc. eigentlich dazu, wie man mit einander reden sollte?

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#32
Jakow schrieb:Hier muss ich als Jude darauf hinweisen, dass das Zehnwort nicht an die Menschheit ging, denn wenn hat Er aus Mitzrajim herausgeführt? Daneben gibt es sehr wohl Gebote welche an die ganze Menschheit gingen (-> bnei noach), die übgringen in der Tora dienen dann mehr als Vorbild und Ideal für die Menschheit, manche sind aber auch alleine den Juden vorbehalten - was aber aus uns auch keine besseren Menschen macht Icon_wink
WARUM musst Du darauf ausgrenzend hinweisen? Was spricht für Juden dagegen, dass Menschen aus den Völkern Juden und ihre Lebenspraxis teils oder auch mehr für sich als vorbildlich begreifen und nach Gerechtigkeit in ihrer Lebenspraxis streben, auch durch die Leitworte des biblischen Dekalogs. Sie mögen nicht persönlich aus Ägypten gezogen sein, sich auch nicht wirklich national, kulturell oder genetisch als Juden bezeichnen können. Aber ist deswegen das Hören auf G-ttes-Wort und umsetzen im eigenen Leben schon verwerflich?

Insbesondere auch schon dewegen zu bezweifeln, weil die 7 Noachidischen Gebote im Kern gleichlaufend sind, letztlich inhaltlich aufs Gleiche herauskommen, nur eben ein paar "Durchführungsbestimmungen" weniger ...
Und die sind doch nun auch nach strengster Jüdischer Lesart ALLEN Menschen offen ... (ja, trinitäre Gottesvorstellungen bleiben problematisch dazu ... für einige)
http://de.wikipedia.org/wiki/Noachidische_Gebote

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#33
Hi allerseits :)
- ich denke, das hat Jakow nicht "ausgrenzend" gemeint, wenn er sagt, dass die Gebote, welche fuer Juden ja mehr sind als das 10-Wort, nach unserer Ueberlieferung eben einfach nur erstmal auch an Juden gerichtet waren.
Die "7-Gebote" (welches auch mehr als die 7 bekanntesten sind, uebrigens) sehn wir sozusagen als "paedagogisches Minimum" an fuer Leute, die mit Juden zusammen als Andersglaeubige leben koennten, wenn sie wollen, ohne dass man als Jude einen Schaden davontraegt fuer die eignen Lebenspflichten.
Um soviel Anpassung unserer Mitbuerger an generelle Erfordernisse sollen wir uns als Juden bemuehen - also, dass auch die eine *Hoheit verehren, bei der sie eindeutig schwoeren wuerden, dass auch sie niemanden ohne Gerichtsurteil toeten, (es sei denn, um das durch jemanden aktuell bedrohte Leben zu retten, in Notwehr, was aber auch hinterher gerechtfertigt werden soll), dass andere auch eines Richters Urteil anerkennen als beide Parteien verpflichtenden Spruch, und dass sie Ehen und Eigentum akzeptieren - auch sie sollen auf ihre Nation und ihre eigene *Hoehere Macht nicht fluchen, und auch sie sollen kein Glied eines Lebewesens essen, waehrend das noch lebt (aegyptischer Modellfall ist z.B.eine Kalbhaxe abschneiden, dem Kalb den Fuss verbinden oder es sich so selbst zu ueberlassen ...) - das wird gewoehnlich "Blutverbot" genannt, weil Noah es gesagt bekam, dass Menschen Fleisch essen duerfen, aber nicht samt dessen (speziell mit dem Blut verlierbarer) "Lebensseele".

Es gab diese Andersglaeubigen um Juden herum doch zu allen Zeiten schon ab der Gruendung des Judentums als solchem am Sinai, auch im Hl.Land. Zum Beispiel zog die Familie, in welche Moses eingeheiratet hatte, mit ins Hl.Land ein, ungefaehr noerdlich von Beerschewa.
Bei der Vorschrift, um fuer unseren G0TT das juedische Heiligtum zu erstellen, ist ein "Heidenvorhof" typisch fuer Salomos Tempel in Jerusalem. Dort konnten die, wenn sie mochten, auch zu unserm G0TT beten und IHM Geluebde erfuellen, nur separat wegen der kultischen Renheitgebote, welche die Voelker verschieden befolgten.

Nachdem in der Hellenenzeit die Hl.Buecher und Lehren alles Voelker in Aegypten gesammelt, durchdacht und zur Uebername empfohlen wurden, soweit sie dem Hellenentum genug vernuenftig erschienen und das, was als G*tt verehrt wurde, auch daraufhin akzeptabel wurde, die Mindestbedingung zu erfuellen, eine pur geistige *Hoheit anzusprechen, wurde die uebersetzte Hl.Schrift auch vielen Nicht-Juden inhaltlich bekannt.
Es gab eine relativ kurze Epoche, fuer das Judentum zu werben, sich als Nicht-Judaeer anzuschliessen. Irgendwie religioes zu sein, fand man fuer alle Menschen zivilisatorisch wichtig, aber an den meisten Kulten hingen zuviele Bedingungen, meine ich, wieso man zu denen gehoeren konnte.
St.Augustinus erwaehnt, dass die Roemer um die 400 G*tter zugleich im Reich verehrten, aber ziemlich klar doch auch, dass die *Hoheiten, die der Landwirt der Reihe nach in seinem Jahresverlauf bedient, einem Menschen, der weder Acker noch Garten hat, kaum einfallen wuerden, in diesem Kultus um etwas Sonstiges zu beten. Man muss das auch mal vom Praktischen aus sehn und gedanklich die ethische Grunderziehung trennen vom religioesen Gemeinschafts-Pflegen. Letzteres sah man an als etwas, was ersteres wuenscht, also zur Ethik gehoerte es, dass der Mensch sich religioes binde - an welche Kulte, das legte die Ethiklehre bestimmt nur sehr ungefaehr fest.

Jetzt seht das mal historisch an: Juden sehn kein Problem darin, dass andere Menschen andere Religionen haben, sie - wir - verlangen nur, dass man uns keinen anderen Kultus aufzwingt. Soweit unsere Lehren auf unser Gemeinwesen wohltuend und weise wirken, wuerden wir natuerlich dafuer auch werben - fuer diese Vernunft und Weitsicht, wozu einer aber nicht sogleich auch juedisch werden muss, damit ein Argument wie z.B. "Das Mass, womit du richtest, wird man auch anwenden, um ueber dich zu richten" einzusehn ist. Oder: Es ist unrecht, auf dem Markt mit unterschiedlichen Massen zu messen.

Wenn jemand sagen sollte, dass da aber beachtlich viele praktikable Weisheiten gesammelt sind, kann der Jude sagen: Ja, die kriegten wir in unserer Lehre am Berge Sinai von IHM, den wir anbeten.
Die Hl.Schrift beweist auch, dass wir von vorhnherein eine Gelegenheit anboten, fuer jeden, der moechte, dass er auch zu unserm G0TT beten und Geluebde machen kann - aber nicht muss.
Solche Leute heissen biblisch ganz allgemein "G*ttesfuerchtige" oder "Zaddiqim" (gerecht, eintraechtig). Nicht jeder von denen ist ein Jude und nicht jeder davon ist auch ein Nachri, Noachit, oder "Beisass" (Ger ToSchaw), denn beim Nachri gehoert dazu, dass er in irgendeiner Nation Buerger ist. Der Gerechte oder der G*ttesfuerchtige ist nicht unbedingt Mitglied einer Nation und kann auch Sklave sein oder sonstwie ungebunden.
mfG WiT ;.)
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#34
Zu dem Thema fällt mir gerade ein Artikel ein, den ich vor Kurzem gelesen habe -
'Einflüsse des Judentums auf die europäische Geistesgeschichte' von Johann Maier
(em. Ordinarius für Judaistik an der Univ. Köln) - ich zitiere hier zwei Absätze:

Zitat:Ein Zentralbegriff der biblisch-jüdischen Religion ist 'Gerechtigkeit'. Nicht gemeint
als absolutes Recht (fiat justitia etsi pereat mundus), sondern Gerechtigkeit im
Sinne der 'Billigkeit' - ein Konzept von großer Tragweite für die Geschichte des
Rechts und der Politik. In der jüdischen Tradition ist dieser Begriff durch die Torah-
Anwendung nämlich ziemlich exakt bestimmt. Im Übrigen handelt es sich um einen
abstrakten Lehrbegriff, der von Fall zu Fall näher bestimmt werden muss. Er wurde
und wird daher auch von den unterschiedlichsten Richtungen für eigene Zielsetzun-
gen vereinnahmt, von Konservativen bis zu Sozialrevolutionären.
Ein bestürzendes Beispiel enthält die Geschichte unserer europäischen Rechtspraxis.
Das biblisch-jüdische Strafrecht setzt für eine Verurteilung die Aussagen mindestens
zweier unabhängiger Zeugen voraus. Kein - wie immer zustande gekommenes -
Geständnis, keine Folter, kein Gottesurteil kann und darf diese Form der Beweis-
führung ersetzen. Manche Privilegien, die im Mittelalter Juden gewährt wurden,
enthalten ausdrücklich die Befreiung von fragwürdigen Beweisverfahren, selbst
vor einem nichtjüdischen Gericht. Das heißt nichts anderes, als dass man sich auf
christlicher Seite des Sachverhalts dieser biblischen Regelung sehr wohl bewusst
war, sie daher auch für Juden als bindend ansah, aber im eigenen Bereich mit der
Anwendung von Folter und fragwürdiger Beweismittel wie Gottesurteile dennoch
auf entsetzliche Abwege geriet.
() qilin
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