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Unendlichkeit und Dualismus
#1
Als Abspaltung vom Thread "Gott als das Unendliche?", damit man noch durchblickt.

Hierfür also nun mal angenommen, Gott sei unendlich (egal, ob man das wirklich meint oder den Gedanken einfach mal durchspielen will), dann stellt sich die Frage nach den Konsequenzen für den doch recht weit verbreiteten Dualismus.

Falls Gott unendlich ist, weder zeitlich noch räumlich noch in seinen Eigenschaften, Möglichkeiten oder sonst wie begrenzt, stelle ich mal ganz dreist die These in den Raum, dass dies zur Konsequenz hätte, dass es nichts außer Gott geben könnte. Denn da, wo etwas wäre, das nicht Gott ist, ist eben nicht Gott - also wäre Gott durch dieses Andere begrenzt.

Mal am Beispiel von Geist und Materie: Wäre beispielsweise Gott rein geistlich, aber es gäbe dennoch die Materie, dann wäre die Materie etwas, was nicht Gott ist. Man könnte noch sagen, Gott sei in der Materie enthalten, indem die Materie vom Geistigen durchdrungen wäre, trotzdem bliebe es dabei, dass Materie zu sein eine Eigenschaft wäre, die Gott nicht zukommt. Damit würde es etwas geben, ohne dass Gott es sein kann - eine Einschränkung Gottes, die ihn nicht mehr unendlich und unbegrenzt sein ließe.

Lässt sich nun sowohl in die Richtung weiterdenken, dass Gott nicht unendlich ist, als auch dahin, dass Gott unendlich und zugleich alles ist, was existiert... wahrscheinlich auch noch in andere Richtungen, die ich gerade nicht sehe, und dafür ist dieser Thread da ;)
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#2
Hallo Melmoth,
vorweg zwei Fragen, welche ich eng im Zusammenhang mit dem Thema sehe.

1. Besteht ein Widerspruch (Trennung) zwischen Geist und Materie?
2. Eignet sich überhaupt "Dualismus" dafür, in Richtung "Gott und
Unendlichkeit" weiterzudenken?

Wir sprechen von Geist und Materie, was ist mit der Seele? Ist das wiederum "etwas ganz anderes"? Gibt es diese Trennung lediglich in unserer Vorstellung?


Lea
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#3
Was wä#re denn, wenn es eine objektive Trennung zwischen Geist und Materie garnicht gibt? Wenn Materie ohne Geist genausowenig existieren kann, wie Geist ohne Materie?
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#4
Zitat:Melmoth: Bloß weil es für den Menschen blöd wäre, wenn er sich nicht drauf verlassen könnte, dass Gott konstant ist, muss Gott auch konstant sein - naja,
LOL - ich denke, das war von Aristoteles auf eine der Grund-Notwendigkeiten jeder Beschreibung bezogen gemeint, anders formuliert "a = a" (was man beschreibt, definierte und dann als "Gegenstand" meint, muss dasselbe bleiben, solange 2 Leute darueber reden etc und man etwas betreffs Ursache - Wirkung usw. herausfinden will)

Das besagt, wenn ich jemandem erklaeren wollte, dass "Birnen" mir gut schmecken, und unvermerkt verrutscht in der Vorstellung des anderen das Ding auf Glueh-"Birnen", dann mag der andere sich stark wundern, dass ich Glas und Draehte lecker finden kann und der haelt mich fuer ne Art Fakir oder Magier. Auch darf ich nicht willkuerlich wechseln und einiges von den Eigenschaften der Gluehbirnen zu den Eigenschaften der Birnen einordnen, ausser, dass die Umrisse sich aehneln, weshalb also beides so heissen "darf". Andernfalls bin ich philosophisch besehn untauglich, etwas dazu zu disputieren.

Dasselbe passiert aber uns hier dauernd beim Reden ueber G0TT.
Ein Aristoteles kann historisch - und will auch - nichts Hoeheres und Ausserirdisches als ein G*tt gemeint haben, innerirdisch. Das, was zu seiner Zeit in gross und klein die tausende von Kulten anbeteten verehrten und einander gewaehrten. Das "Denk-Material" darueber ordnete er. Dafuer formulierte er die "4 G=ttes-Beweise". Die helfen was bei interConfessionellen Disputen. Daher kamen sie ab der Scholastik in die christliche Lehre zur Grundausbilgung fuer Theologen.

Es beinhaltet, dass es verschiedene G=tter durchaus geben mag, aber auch diese sind abzugrenzen von Verehrungen einer Statue, eines tollen Pferdes oder eines herrlichen Gebaeudes. Letztere Beispiele sind fuer Aristoteles keine G=tter, weil....

Menschen-Gemeinschaften angeschaffen bilden wir Wir-Personen aus, und ein Wir benoetigt eben einige Leute, um als personale Identitaet zu entstehen und zu existieren.
Der 1 "letzte Mohikaner" ist nicht mehr "Wir Mohikaner" imstande, zu vertreten, dem Einzelnen fehlt dies "schwebende feed-back" einer Vereinigung. Er mag noch denken: "man als Mohikaner ist Indianer", oder: "man als Mohikaner tut sowas nicht", aber das ist erinnert. Er allein ist nicht mehr philosophisch korrekt ein Wir.
2 Leute reichen dazu eigentlich auch noch nicht.
Erst bei 3 Leute tritt die Dynamik eines "Dreiecks-Verhaeltnisses" mit wechseln koennenden Buendnissen "2 vs 1" ein, was die Beteiligten zwingt, sich Maximen des Wir als Schiedrichter ihrer legitimen Aktionen zuhilfe zu nehmen.

Also zur Frage, "Wenn G0TT alles ist, unendlich allgegenwaertig etc, kann es nichts geben, was ER nicht ist, also die Schoepfung, ich und du etc - ist alles auch ER?" - da sagt die Philosophie: "logisch", aber die Theologie "Nicht konsequent"

- denn G0TT mit den Attributen, die uns zu hoch sind, die er theoretisch aber alle innehat, hat Sich uns - nach unserer Erfahrung und Seinen Mitteilungen (Offenbarungen) - kontaktiert als Jemand, ein DU zum Ansprechen, wozu ER Sich, sagen wir mal, eine Ansichts-Seite abgezweigt hat, die uns erfahrbar wird.

Wie ER das "intern" macht, ist fuer unsere Belange nicht erheblich,
denn a) wir wuerden es nicht kapieren,
und b) wir werden es nicht werden muessen, also kann man ohne das zu wissen, auch leben
und c) ER will Selbst, dass wir uns hier an Den erfahrbaren DU halten, mit Dem ist der Bund Israels am Sinai abgemacht.

- ich mach das manchmal deutlicher, indem ich in der Schreibweise unterscheide: unser G"TT stellte laut Schoepfungs-Bericht ein erstes Wir im Voraus her, worin dann Mensch maennlich und weiblich sozusagen automatisch die 3 Grundpersonen fuer 1 Wir bestanden (ER) und neu-geschaffen wurden (wir Menschheit) und meldete Sich, verdeutlichte Sich bis zum Bund am Sinai fuer ein ganzes Volk Leute, gab damit Kriterien fuer unser Begriffsvermoegen aus, sich Seiner Identitaet und Anwesenheit und Groessenordnung zu vergewissern. Das ist Israels Historie als G"TTES-Beweis selbst.

Dazu zweigt ER sozusagen nochmals aus Sich 1 "G=tt Israels" aus, das nicht beansprucht, uns Menschen unverstaendlicher zu sein als das starke Wir eines innerweltlichen Bundes, also da darf antropomorph von uns auf IHN geschlossen werden, wann ER Sich freue, trauere, kaempfe, verzeihe, herabkomme, hinschaue, wegschaue, liebe etc.
Da gelten zeitliches Nacheinander, oertliche Konkretheit und individuelle Besonderheiten fuer Einzelmenschen, Gemeinden, Voelker. Da will ER, dass wir Suenden bekennen, danken und bitten, als wisse ER etwas noch nicht, weil wir darin fuer die andern um uns und deren normale inne etwas bezeugen ueber IHN.

Aristoteles redet von philosophischen Bedingungen fuer ein G=tt - also etwas innerweltlich als Wir-Bund erfahrbares, kraeftiger wirksam ueber eines Menschen Verhalten, Befiinden und Urteilen als ein lockeres "man sagt / tut / laesst".

Dazu gehoert eben auch das a = a Prinzip, was - z.B.besagt, von "Borussia Dortmund" als Wir-Bund ist eine Person zu bestaetigen, die Mitglieder der Fanschaften wechseln, der Verein samt Fans verhaelt sich neben andern Vereinen, z.B.HSV oder "Kickers Offenbach" durchaus abgrenzbar unterschiedlich. Solche "Vereinsgeister" sind im Sinne des Wortes Personen. Die einen waeren empoert, fuer die andern gehalten zu werden oder gar als "egal".

Doch ist es (nach Aristoteles) unzulaessig und philosophisch inkorrekt, wenn z.B.der Ziegenbock als "Maskottchen" eines der Fussballvereine fuer dessen Vereinsgeist genommen wuerde, denn wenn dieser Bock stuerbe, oder es waere ein neuer da, dann starb ja nicht die Person Verein auch.
Also war es ein hellenisch-logisches Erfordernis, dass man beim Eid Ablegen sich sehr wohl auf diesen Vereinsgeist berufen und den ein G=tt (saechlich) nennen konnte, aber nicht diesen Bock oder ein Bronce-Bock des Vereins.
Gesetzt, die Fans von "Preussen Adler Muenster" entfuehrten das Maskottchen, den Bock, dann ist trotzdem nicht der dazugehoerige Vereinsgeist verschleppt worden, versteht Ihr? - Der Vereinsgeist wuerde hoechstens sauer und angeregt, sich unbedingt diesen Bock zurueckzuholen, weil das "ihrer" ist, und das koennte dabei jedem einzelnen der Mitglieder privat sowas von egal sein, traefen sich welche und wuerde gemeinsam die ache besprochen, wuerde der Vereinsgeist sie "ueberkommen" und "man" will diesen Bock zurueck.  

Wir muessen bedenken, dass man damals erstmal die Materie des zu Erforschenden Bestandes der erfahrbaren Welt sammeln und ordnen musste.

*aechtz*
- ich bin kein Philosoph oder Jurist, und es faellt mir schwer, mich so abstrahierend sprachlich zu reduzieren, dass mit etwas Ausgesagtem wirklich nichts Anderes pauschal "mit-gemeint" ist als "nur" dies Gesagte im engsten Sinne.
Das merkte ich aber wenigstens schon.

Bezogen darauf, dass G0TT (Der Eigentliche, und uns Un-gemaesse) "nur" geistig sein "duerfe", waere es die Aussage einer Art Mangel
also von IHM wissen wir NULL, glauben und bezeugen aber, dass ER als "unser G"TT" pur geistig ist. Hier bedeutet das nicht die Aussage eines Mangels.
Das materiell diese pur-geistige Wesenheit Ergaenzende sind wir Gemeinde, leiblich: Also ab 10 natuerliche Personen Juden (resp.10 Juedinnen) bilden 1 Gemeinde-Person Dieses unseres G"TTES, der "wohnt ER inne", es sind in dem Moment 11 Personen beisammen.
Wenn die 10 Leut nur Kaffetrinken, ist es 11.ihr Wir, locker oder konkreter, aber treffen sie sich zum Zweck Seines Namens, zum Beten, dann ist die 11.Person ER. - Das wurde abgemacht.

Eine Abmachung braucht keine Begruendung, wir sagten zu, so solle es gelten. Fertig. Es gibt auch fuer den Fall Gebote, die unter 10 Leuten nicht zu erbringen mitrechnen in unserm Vertrag, sondern das waere einfach dann etwas, was 9 oder weniger Individuen tun.

Es gibt also eine religioese Legitimitaet fuer einzelne Menschen, die nicht Philosophen sein muessen, zu formulieren: "ich hoerte von G"TT und ich glaubte das nicht, konnte es mir nicht vorstellen, aber ich liess mich drauf ein, sprach eine Bitte an Seine Adresse, stumm und innerlich, und wurde erhoert - in dichtem Zeit-Zusammenhang aenderte sich das, um was ich bat - ich machte das 3mal und 3mal geschah genug, dass ich ab nun wusste, es gibt IHN."
Mehr als mit 1, 2, 3 Versuchen testen wir doch auch nicht im realen Leben, ob etwas existiert - ob die etwa im Nachbarhaus einen Hund oder Hahn angeschafft haben - war dann jedesmal einer da festzustellen, "wissen" wir das ab dann zu Recht.

Das ist ein Weg, der nichts philosophisch zu beweisen noetig hat. Die Religion ist naemlich nicht eine, fuer die man zuerst ein vollkommener Philosoph werden muss, um das verantworten zu koennen, mit teilzunehmen und damit zufrieden zu sein (- oder wie-auch-immer *g*) - sich ihr verpflichtet zu wissen.

mfG WiT :)
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#5
@Lea: Zu Nr. 1 - also wenn ich's wüsste, würd ich mich freuen ;) Geht mir eigentlich weniger darum, ob dem wirklich so ist - was einfach ebenso unbekannt ist wie ob die Unendlichkeit wirklich so ist - sondern vor allem um das Phänomen, dass die Vorstellung von Gott als Unendliches und dualistische Vorstellungen des öfteren gemeinsam anzutreffen sind.
Weil ich das mit meinen Überlegungen aber nicht zusammen bekomme, interessiert es mich, was die Überlegungen sind, die es zusammen bringen. Nicht, weil ich unbedingt einen Dualismus hinbekommen will (bin ganz glücklich ohne *g*), oder weil ich unbedingt behaupten wollte, dass es nicht geht, sondern einfach zwecks Horizonterweiterung und aus Freude am Diskutieren.
Von daher zu Nr. 2 - für mich war es ein natürlicher Gedankenfluss vom einen Thema zum anderen, ob und was dabei rauskommen kann, das zu kombinieren, ist aber wohl Ansichtssache.
Hab zwischen den Begriffen "Geist" und "Seele" nun gar nicht getrennt, sollte eigentlich erstmal nur ein Beispiel sein. Geht ja nicht nur um Geist und Materie sondern ob Dualismus irgendeiner Art sich mit der Vorstellung von Gott als Unendlichem verträgt, also beispielsweise auch dualistische moralische Vorstellungen. Aber wenn Bedarf an einer Differenzierung zwischen "Geist" und "Seele" besteht, dann immer her damit ;)

@t.logemann: Da würde ich dann sagen umso einfacher für die Theorie vom Unendlichen - bräuchte es nicht mehr Geist und Materie als verschiedene Erscheinungsformen sondern ein einziges Unendliches in allem.

@WiTaimre: Wow, danke für die ausführlichen Erklärungen! Das Glühbirnen-Beispiel hat was für sich *g* Hab da bei Aristoteles einfach nicht genug die sozialen Bedingungen und die Gottesvorstellung bedacht. Deine Vereinsparallele ist da so anschaulich geschildert wie aufschlussreich, auf soziale Strukturen angewandt ist wohl echt mehr rauszuholen als mit philosophischem Blick auf das Göttliche. Die 3 als nötige Personenanzahl für ein soziales Gefüge, das anfängt, Regeln im Miteinander zu haben, leuchtet mir nun ein.
Die Trennung zwischen Philosophie und Theologie, die du hier machst, dürfte hilfreich für so eine Diskussion sein, weil so verschiedene Ansätze parallel jeweils für sich durchdacht werden können, anstatt dass die eine Herangehensweise der anderen Steine in den Weg legt. Wenn eine philosophische Argumentation mit "Es wurde aber offenbart, dass..." oder eine Glaubensfrage mit "Lässt sich das beweisen?" widerlegt würde, wäre das wohl für alle Beteiligten unproduktiv.
Deine Anmerkung, dass es zwar gleichzeitig philosophisch nachvollziehbar sein kann, zu dem Schluss zu kommen, Gott sei alles, es aber für jemanden, der der Offenbarung nach an eine Trennung in "Er" und "Wir" glaubt, etwas Internes und für den Menschen unverständliches ist, wie Gott diese Trennung vollzieht, finde ich interessant. Denn so wenig es einem beim philosophischen Argumentieren für gewöhnlich in den Kram passt, an solche Punkte, wo man etwas offenlassen muss und nicht erklären kann, kommt man ja doch immer wieder. Hierbei meiner Meinung nach sogar in fast der gleichen Sache. Denn selbst wenn man aus philosophischen Gründen sagt, dass Gott alles sei und es keine Trennung zwischen einem Schöpfer und einer Schöpfung gäbe, steht man ja doch vor der Frage, wie genau sich dieses unendliche Eine, was alles ist, eigentlich zu den vielen Einzeldingen und Individuen gestaltet, die man ja nunmal vorfindet. Und wenn man daran herumzuspekulieren versucht, ist es das gleiche, als wenn man versucht, zu verstehen, warum sich in einer Offenbarung Gott als rein Geistiges einer materiellen Schöpfung gegenüber darstellt...
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#6
@Melmoth schreibt:
...um das Phänomen, dass die Vorstellung von Gott als Unendliches und dualistische Vorstellungen des öfteren gemeinsam anzutreffen sind.
_____

Gottes Unendlichkeit in allen Dingen (und die unvollkommene Welt) ließe sich mit Platons Bild einigermaßen erklären.

Er lässt den Timaios folgendes sagen:

"Den Urheber und Vater dieses Weltalls aufzufinden, ist schwer, nachdem man ihn aber auffand, ihn zu verkünden, unmöglich. Dies aber müssen wir ferner über uns erwägen, nach welchem Vorbild sein Baumeister (Demiurgos) es aufbaute, ob nach dem stets ebenso und in gleicher Weise Beschaffenen oder nach dem Gewordenen."

In einem meiner frühen Beiträge wollte ich Platons Idee eines (nicht vollkommen) Weltenbaumeisters diskutieren, bin damit aber auf die Nase gefallen. Die Idee hat offenbar sehr darunter gelitten, dass sie von der Gnosis gebraucht und umgedeutet wurde.

MfG Epicharm
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#7
@Epicharm: Muss mal ein bisschen was nachfragen, ich fürchte, ich steh auf dem Schlauch. Denke, es gibt zwei Arten, von "Vollkommenheit" zu sprechen, einmal als "Vollständigkeit" und dann als "das Beste" im Sinne einer (bespielsweise moralischen) Bewertung. Was ist hier gemeint? Oder beides? Denn gerade eine Vollständigkeit Gottes und der Welt, wo es an nichts fehlt, was es geben kann, würde wahrscheinlich nur schwer von Menschen als perfekt bewertet werden - gerade weil es dann neben allem, was den Menschen wünschenswert ist, auch alles gibt, was ihm nicht wünschenswert ist.
Von daher frag ich mich, ob in dem Zitat eine unvollständige/nicht unendliche Welt zum Anlass genommen wird, sich zu fragen, wie sie aus etwas Unendlichem hervorgehen kann - wo man wieder vor der ungewissen Frage steht, ob das Universum nun unendlich und ewig sein könnte oder nicht.... Oder ob es die z.B. moralisch als unzulänglich empfundene Welt ist, die die Frage aufwirft, wie es einen Ursprung in etwas Unendlichem haben könnte. Dann schiene es mir wiederum gar nicht so abwegig, dass gerade wenn das Universum vollständig ist, es also alles gibt, was es geben kann, dieses Universum und Gott vom Menschen als unvollkommen empfunden würden - denn der mag nunmal nicht alles, was es geben kann.
Trotzdem weiß ich nicht, ob ich das mit dem Vorbild in dem Zitat nun richtig verstehe. Ein schon immer so gewesenes oder ein erst mit der Welt gewordenes Vorbild? Würde in dem Fall, dass sich das Vorbild mit der Welt entwickelt, Gott gemeinsam mit der Welt entstehen und sich entwickeln, also z.B. mit der Entstehung und Veränderung des Universums, oder deute ich da was Falsches rein und es gibt hier eine Trennung zwischen Gott und dessen Vorbild für die Welt?
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#8
Melmoth schrieb:Muss mal ein bisschen was nachfragen, ich fürchte, ich steh auf dem Schlauch.

...gibt hier eine Trennung zwischen Gott und dessen Vorbild für die Welt?

Hallo Melmoth

ich greife Dein Bild auf und räume ein, dass auch ich "auf dem Schlauch stehe", und das schon viele Jahre lang. Die Endlichkeit und mangelhafte Originalität meines Denkvermögens hatten mich bewogen, das aufzunehmen und verstehen zu versuchen, was kluge Menschen zu den ersten und letzten Dingen zu sagen haben.

Die meisten Menschen, die vom (persönlichen) Gott sprechen, wollen in ihm die höchste Instanz in allen Dingen sehen (was die moralische Qualität mit einschließt). Manche gehen so weit, dass sie meinen, er stünde selbst über den Naturgesetzen (die er als bestmögliche Ordnung geschaffen hat). Mit der realen, sinnlich begreifbaren Welt konfrontiert, verzweifeln viele.

Da ich an einen persönlichen Gott nicht glaube, habe ich auch keine Probleme mit gedachten Konstrukten, die dem einen oder anderen Christen, Muslim etc. blasphemisch scheinen mögen. Den Timaios-Dialog habe ich angeführt, weil er ein Versuch ist, die Welt, die die meisten als unvollkommen empfinden, zu erklären, ohne auf ein allmächtiges, unendlich weises, in allen Dingen vollkommenes göttliches Wesen verzichten zu müssen. Der vollkommene Gott lässt dem (unvollkommenen) Demiurgen freie Hand bei der Schaffung Welt, und dieser erledigt die Aufgabe so gut er kann. Die Welt, die er schafft, ist ein Abbild der Ideen Gottes (des Seienden).

Ob eine Welt, in der es an nichts fehlt, eine wenig wünschenswerte wäre, weil eine Welt ohne Wünsche wohl als nicht perfekt empfunden werde? Auf diese Frage weiß ich keine Antwort. Mir würde eine Welt ohne Hunger, Angst, Gewalt und Schmerz genügen.

MfG Epicharm
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#9
Ich denke, WiTaimre hat die Sache mit Gott auf den Punkt gebracht:
WiTaimre schrieb:von IHM wissen wir NULL, glauben und bezeugen aber, dass ER als "unser G"TT" pur geistig ist. Hier bedeutet das nicht die Aussage eines Mangels.
Selbst die kühnsten philosophischen Gedankengebäude zwischen Existenz und Mangel sollten nicht über die Prämissen hinweg täuschen, die deren Fundament sind. Glaube ist eine menschliches Denkwerkzeug und nichts weiter. Was die religiösen Lehren sagen, sind lediglich Konventionen, damit die Glieder der Gesellschaft, die sich über Religion austauschen, wissen, wovon die Rede ist. Der Rest hat Bekenntnischarakter.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#10
Wir wissen tatsächlich Null, Nada, absolut nichts. Ob Glaube ausschliesslich Denkwerkzeug ist, auch hier ein Fragezeichen, welches Glaube als rein geistig definiert. Mir wäre das zu eng und einschränkend.
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#11
Ich meinte zwar auch alle Nebenbedeutungen von "Denken" wie Training von Neugier, Haltung, Urteil, Ausübung von Ritualen, Entwicklung von Bewusstsein, aber du könntest ja mal erläutern, worin du Einschränkungen siehst?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#12
@Epicharm: Naja, in der Hinsicht, dass das eigene Denkvermögen endlich ist, kommt eh keiner vom Schlauch jemals runter - die Leute, von denen man sich inspirieren lässt, auch nicht, auch wenn man manchmal ganz froh ist, dass einige auf ihrem Schlauch trotzdem interessante Gedankenmodelle entwickelt haben.

Einen Glauben an eine personale Gottheit oder Scheu vor Gedankenkonstruktionen hab ich auch nicht zu bieten, also versuch ich's mal nachzuvollziehen: Die Dialogstelle hat den Vorteil, dass sie dem Menschen seinen oft bestehenden Eindruck von einer unvollkommenen Welt belässt. Ob sie so schlecht ist, wie der Mensch sie findet, sei mal dahingestellt, das kann man als Mensch eh nicht neutral beurteilen, zumal wir ja überhaupt nur mit einem kleinen Teil des Universums vertraut sind. Aber da es, egal wie "neutral" es gemeint sein will, doch schnell unfreiwillig zynisch wirkt, von einer vollkommenen Welt zu sprechen, während die Erfahrungen der Menschen kaum so einen Eindruck von Vollkommenheit zulassen, hat es sicherlich seine Berechtigung, davon auszugehen, dass die Welt tatsächlich unvollkommen ist. Zumindest kann sie es ebenso gut sein, wie sie vollkommen sein kann. Auch die sehr naheliegende Schlussfolgerung, dass so eine unvollkommene Welt dann aber auch von einem unvollkommenen Schöpfer stamme, wird beibehalten.

Das Ungewöhnliche scheint mir, dass dabei aber nicht Halt gemacht, sondern doch noch mal eine vollkommene Gottheit als nächsthöhere Instanz über diesem Schöpfer angesiedelt wird, deren Ideen auch für die Erschaffung der Welt maßgeblich sind. Dass die vollkommenen Ideen von einem unvollkommenen Wesen auch unvollkommen umgesetzt werden, ist einleuchtend, das Problem des Übergangs vom Vollkommenen zum Unvollkommenen scheint mir aber nur verlagert worden zu sein. Denn wo kommt wiederum der unvollkommene Demiurg her? Doch auch von Gott, wenn eine vollkommene Gottheit angenommen wird. Und die Frage, warum dieser unvollkommene Schöpfer der Welt, der trotz seiner Unvollkommenheit munter eine Welt erschafft, denn nun eigentlich so unvollkommen ist, ist meiner Meinung nach die gleiche, wie die Frage, warum denn die Welt so unvollkommen ist, wenn sie von einer vollkommenen Gottheit geschaffen wurde, vor der manchmal die stehen, die direkt an einen vollkommenen Schöpfergott glauben.

Das meinte ich mit der Unterscheidung zwischen vollkommen = wünschenswert und vollkommen = vollständig: Eine Welt ohne diese von dir genannten Dinge kann wünschenswert sein (und wer hätte das schon nicht gerne?), aber sie wäre nicht vollständig. Denn da es all diese Dinge gibt, sind es zwangsläufig auch Dinge, die es geben kann - wäre eine vollständige unendliche Welt aber nicht nur eine solche Welt, in der es alles gibt, was es geben kann? Wenn dem so wäre, wäre das natürlich ein Abschied davon, dass eine eventuelle Vollkommenheit der Welt vom Menschen überhaupt als solche empfunden werden könnte - wovon ich nicht behaupten könnte, es schön zu finden, wenn es mir auch logisch vorkommt.
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#13
Ich warne vor dem Begriff der Vollommenheit: Wir müssen, um das Wissen des Vollkommenen zu erreichen, Abstriche am Vollkommenen machen, wodurch es sich seiner Betrachtung zumindest teilweise entzieht.
Die moderne Physik hält mit ihren quantenphysikalischen Formeln das beste Beispiel für diesen Sachverhalt parat: Je mehr wir uns einer bestimmten Kenntnis nähern, umso mehr Kenntnis verlieren wir an anderer Stelle.
Insofern ist vollkommen zutreffend, wenn Du vermutest:
Melmoth schrieb:Wenn dem so wäre, wäre das natürlich ein Abschied davon, dass eine eventuelle Vollkommenheit der Welt vom Menschen überhaupt als solche empfunden werden könnte
Wie immer das gemeint war, die Physik zeigt, dass die Welt so konstruiert ist, dass wir Vollkommenheit weder im Experiment noch beim Denken erreichen können.
Wir sind gezwungen, in einer prinzipiell als unvollkommen zu erlebenden Welt zu leben.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#14
Na ja, die Vollkommenheit der Welt, alttestamentarisch mit "Paradies" umschrieben, lässt sich schon ersehen:

Die Erde besteht seit x-Milliarden Jahren und seit dem Anbeginn der Entwicklung des biologischen Lebens auf der Erde lebte dieses Leben in einer ökologischen Harmonie. Und egal welche Ausseneinwirkungen auf die Ökölogie einwirkten, egal welche biologischen Veränderungen durch die Evolution stattfanden - das ökologische Gleichgewicht enstand immer wieder von Neuem.

Diese Vollkommenheit ist nicht mit dem menschlichen Traum der Harmonie gleichzusetzen, bei dem Löwe und Lamm nebeneinander Gras fressen - im Gegenteil: Dass der Löwe das Lamm frisst hat hier ebenso seine natürliche, "Gottgewollte" Berechtigung wie es eine Berechtigung hat, dass das Lamm Gras frisst.

Solange der Mensch als oberstes Glied der biologischen Schöpfung sich in dieses ökologische Gleichgewichht eingefügt hatte, kann man durchaus von einer vollkommenen Schöpfung sprechen. Die alttestamentarische "Vertreibung aus dem Paradies" war der Punkt, an dem der Mensch nicht mehr in und mit seiner ihn umgebenden vollkommenen Schöpfung lebte, sondern diese suchte zu seinen eigenen Zwecken zu verändern. Was unterhalb der Stufe des Menschen verblieb, was immernoch die vollkommene Schöpfung; lediglich das was der Mensch veränderte, war in Sinne der evolutionären Schöpfung nicht mehr "vollkommen".
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#15
Von wegen "ökologisches Gleichgewicht und Harmonie"! Du solltest wirklich mal ein Buch über Ergeschichte oder Evolution ohne rosa Brille lesen! Ein Werk der populärwissenschaftlichen (sekundär-) Literatur tut es vollkommen. Der Griff in meinen Bücherschrank gerade war nicht erfolgreich. Wenn der Thread aber noch weiter in eine solche Richtung driftet, dann finde ich etwas!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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