12-03-2008, 01:39
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-03-2008, 02:00 von Alanus ab Insulis.)
"[Die] Logik [ist] kein geeignetes Werkzeug für Untersuchungen in Glaubensfragen".
Diese kritische Anmerkung Epicharms hat mich noch etwas weiter beschäftig. Sie wirft grundlegende Fragen zum Thema Glaube auf. Die Konsequenzen sind weitreichend. Sowohl die fundamentaltheologische Eigenreflexion des Glaubens wäre davon betroffen, als auch die Art wie Peronen auserhalb des Glaubens mit jenem umgehen. Es stellt sich die Frage ob der Glaube überhaupt ein Vernunftfreierraum ist oder ob er wesentlich durch rationale Prinzipen bestimmt ist. Wie geht eine Gesellschaft mit einem Glauben um, den sie durch Vernunftprinzipien nicht hinterfragen kann, weil sie nicht die angemessenen Mittel zur Untersuchung wären?
Die Frage nach der Logik stellt hier nicht nur eine rein akademische Frage danach ob Gott ist und ob er mit den Mitteln der Vernunft erkannt werden kann oder nicht. Betroffen davon sind auch die wesentlich Offenbarungs- oder Traditionsaussagen der verschiedenen Religionen. Von der folgenschweren Beantwortung der Frage wäre es abhängig ob man zentrale Glaubensinhalte überhaupt dialektisch auf ihren Wahrheitsgehalt nicht nur prüfen darf oder muss, sondern überhaupt kann. Auch der gesellschaftliche Umgang mit Glaube wird davon berührt. Wie geht man überhaupt mit Gläubigen um und welchen gesellschaftlichen Stand und Wert hat Glaube? Angesichts der dritten Islamkonferenz sind diese Fragen und Konsequenzen höchst aktuell.
Diese Diskussion ist aber trotzdem sicher nicht neu und doch ist die Antwort die wir auf sie geben richtungsweisend für eine Gesellschaft. Interessant sind zu diesem Thema die Überlegungen eines jüdischen Philosophen des 12. Jahrhungerts Abraham ibn Daud, der in Toledo mit einem christlichen Kleriker eine Übersetzung von Avicennas de anima für den Erzbischof von Toledo anfertigte. Das Umfeld dieser Begegung stellt in etwa dieselben Anfragen wie Epicharms kritische Anmerkung. Die Neuerschließung des Mittelmehrraums durch christliche Händler und die Begegnung mit den verschiedenen Traditionen der anderen monotheistischen Religionen führen zu Austausch von Wissen und Philosophie, aber auch zu Disput über Glaube und religöse Tradition. Nicht selten wird gerade die Tradition der anderen Religion und derem Glaubenspraxis verworfen. Welches intellektuelle Mittel des Dialogs bleibt?
"Daher kommt es, daß in einem und demselben Lande die verschiedensten Religionsgemeinschaften, wovon die eine den tradierten Glauben der anderen sogar bestreitet, Lügen straft und für nichts erklärt, durch das vereinigende Band der Vernunftreligion sich zu einem Staatskörper verschmelzen können."
Abraham ibn Daud geht im folgenden noch weiter auf Die Bedeutung der Vernunft für den jüdischen Glauben ein, besonderns welche Konsequenzen sie für die positiven Gebote der Thora haben. Doch zentral bleibt die Aussage, das die Vernunft nicht nur als Mittel zur Reformulierung des eigenen Glaubens verstanden wird, sondern auch zum Mittel der Vereinigung mit anderen Religionen zu einer Gesellschaft. Anders wäre auch die gemeinsame Übersetzung eines philosophischen Traktats eines arabisch-muslimischen Autors zusammen mit einem philosophisch hochgebildeten Achidiakon der spanischen Kirche nicht zu erklären.
Die philosophische und durch die Vernunft geleitete Reflexion des Glaubens wird hier zum Mittel eines Dialogs. Ist diese These Wunschdenken oder rational fundiert? Historisch gesehen muss man leider sagen, dass den sefardischen Juden die Integration verwehrt wurde. Die Politik der spanische Könige verhinderte dies. Ist aber der Vernunft in der Religion das selbe Schicksal gewiss, dies möchte ich gern zur Diskussion stellen.
Presbyter
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Die Überlegungen bezüglich Abraham ibn Daud sind folgendem Werk entnommen:
Fidora, Alexander: "Abraham ibn Daud und Dominicus Gundissalinus: Philosophie und religöse Toleranz im Toledo des 12 Jahrhunderts" in: Lutz-Bachmann, Matthias/Fidora, Alexander (Hrsg.): "Juden, Christen und Muslime. Religionsdialoge im Mittelalter, Darmstadt 2004, S.10-26.
Diese kritische Anmerkung Epicharms hat mich noch etwas weiter beschäftig. Sie wirft grundlegende Fragen zum Thema Glaube auf. Die Konsequenzen sind weitreichend. Sowohl die fundamentaltheologische Eigenreflexion des Glaubens wäre davon betroffen, als auch die Art wie Peronen auserhalb des Glaubens mit jenem umgehen. Es stellt sich die Frage ob der Glaube überhaupt ein Vernunftfreierraum ist oder ob er wesentlich durch rationale Prinzipen bestimmt ist. Wie geht eine Gesellschaft mit einem Glauben um, den sie durch Vernunftprinzipien nicht hinterfragen kann, weil sie nicht die angemessenen Mittel zur Untersuchung wären?
Die Frage nach der Logik stellt hier nicht nur eine rein akademische Frage danach ob Gott ist und ob er mit den Mitteln der Vernunft erkannt werden kann oder nicht. Betroffen davon sind auch die wesentlich Offenbarungs- oder Traditionsaussagen der verschiedenen Religionen. Von der folgenschweren Beantwortung der Frage wäre es abhängig ob man zentrale Glaubensinhalte überhaupt dialektisch auf ihren Wahrheitsgehalt nicht nur prüfen darf oder muss, sondern überhaupt kann. Auch der gesellschaftliche Umgang mit Glaube wird davon berührt. Wie geht man überhaupt mit Gläubigen um und welchen gesellschaftlichen Stand und Wert hat Glaube? Angesichts der dritten Islamkonferenz sind diese Fragen und Konsequenzen höchst aktuell.
Diese Diskussion ist aber trotzdem sicher nicht neu und doch ist die Antwort die wir auf sie geben richtungsweisend für eine Gesellschaft. Interessant sind zu diesem Thema die Überlegungen eines jüdischen Philosophen des 12. Jahrhungerts Abraham ibn Daud, der in Toledo mit einem christlichen Kleriker eine Übersetzung von Avicennas de anima für den Erzbischof von Toledo anfertigte. Das Umfeld dieser Begegung stellt in etwa dieselben Anfragen wie Epicharms kritische Anmerkung. Die Neuerschließung des Mittelmehrraums durch christliche Händler und die Begegnung mit den verschiedenen Traditionen der anderen monotheistischen Religionen führen zu Austausch von Wissen und Philosophie, aber auch zu Disput über Glaube und religöse Tradition. Nicht selten wird gerade die Tradition der anderen Religion und derem Glaubenspraxis verworfen. Welches intellektuelle Mittel des Dialogs bleibt?
"Daher kommt es, daß in einem und demselben Lande die verschiedensten Religionsgemeinschaften, wovon die eine den tradierten Glauben der anderen sogar bestreitet, Lügen straft und für nichts erklärt, durch das vereinigende Band der Vernunftreligion sich zu einem Staatskörper verschmelzen können."
Abraham ibn Daud geht im folgenden noch weiter auf Die Bedeutung der Vernunft für den jüdischen Glauben ein, besonderns welche Konsequenzen sie für die positiven Gebote der Thora haben. Doch zentral bleibt die Aussage, das die Vernunft nicht nur als Mittel zur Reformulierung des eigenen Glaubens verstanden wird, sondern auch zum Mittel der Vereinigung mit anderen Religionen zu einer Gesellschaft. Anders wäre auch die gemeinsame Übersetzung eines philosophischen Traktats eines arabisch-muslimischen Autors zusammen mit einem philosophisch hochgebildeten Achidiakon der spanischen Kirche nicht zu erklären.
Die philosophische und durch die Vernunft geleitete Reflexion des Glaubens wird hier zum Mittel eines Dialogs. Ist diese These Wunschdenken oder rational fundiert? Historisch gesehen muss man leider sagen, dass den sefardischen Juden die Integration verwehrt wurde. Die Politik der spanische Könige verhinderte dies. Ist aber der Vernunft in der Religion das selbe Schicksal gewiss, dies möchte ich gern zur Diskussion stellen.
Presbyter
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Die Überlegungen bezüglich Abraham ibn Daud sind folgendem Werk entnommen:
Fidora, Alexander: "Abraham ibn Daud und Dominicus Gundissalinus: Philosophie und religöse Toleranz im Toledo des 12 Jahrhunderts" in: Lutz-Bachmann, Matthias/Fidora, Alexander (Hrsg.): "Juden, Christen und Muslime. Religionsdialoge im Mittelalter, Darmstadt 2004, S.10-26.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)