Umfrage: Was hätte Jesus besseres tun können, statt für unsere Sünden zu sterben?
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Ich antworte nicht, weil ich nicht zur Hölle fahren will
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Jesus ist nicht Gottes Sohn, war aber trotzdem cool.
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Vorschlag für eine neue Religion
#76
(15-06-2009, 21:20)Mattheist schrieb: Da es bereits gefragt wurde. Ja, ich war Gläubig. Durch den Einfluss des Films "Jesus von Nazareth", und eine Kinderbibel. Damals war ich zehn Jahre alt. Während fast meiner gesamten Jugend war ich begeistert und euphorisch dabei. In R$eligion hatte ich eine 1. Ich wollte Pfarrer werden, Ich war für eine Veranstaltung mal so etwas wie ein Messdiener.
Meine Zweifel begannen mit dem Lesen der Lutherbibel. Dann kamen kritische Fragen von mir, und die Antworten darauf waren so unbefriegend. Am Ende war es nur noch die Angst vor der Hölle, die meinen Glauben auffrecht erhielt.


Erst einmal danke für diesen Bericht - das hilft zumindest mir, die Zusammenhänge etwas deutlicher zu sehen.

Jedenfalls scheinst Du in das Christentum nicht reinerzogen worden zu sein, nicht durch Deine Familie, sondern von Dir selber aus.

Diese Angst vor der Hölle ist mir in Internetforen relativ häufig begegnet. Auch wenn meine Eltern mir diese Angst nicht regelrecht eingehämmert haben, so ertappe ich mich noch heute manchmal dabei, dass diese irrationale Angst irgendwie unauslöschliche Spuren hinterlassen hat. Sie flammt manchmal auf, wenn in evangelikalen Foren mir direkt persönlich gesagt wird, dass ich für ewig brennen werde. Dann bricht für Sekunden Panik auf - und nur meine ratio kann mich dann wieder beruhigen.

Es ist eine entsetzliche Waffe, Mattheist, ich kann nicht anders als Dir Recht geben. Die Waffe ist so tückisch, weil man mit ihr eben schon Kleinkinder bearbeitet, sie ihnen beim Gutenachtgebet ins Ohr flüstert ("Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm" - ja, und wenn man nicht dahin kommt, dann eben unauslöschliche Qualen).


Zitat:Dann hatte ich mich in einem jahrelangen Prozess endlich von meiner Angst befreien können. Später dann Lektüre über die Entstehung und Motivation der Religionen reingezogen. Vielleicht würde ich heute noch an Gott glauben, wenn ich nicht die Bibel gelesen hätte.


Das ist ein Punkt, der mich ebenfalls sehr beschäftigt. Die Bibel hat nichts als Unheil angerichtet, ich sehe es längst genauso. Jedes Buch, das man als "heilig" betrachtet, wird irgendwann zum Mordinstrument - auf physischer und psychischer Ebene.
Da immer wieder Menschen nachwachsen - was ich nie geglaubt hätte -, die dieser Bibel glauben. Die da nicht hineingewachsen sind, sondern aus eigenem Antrieb sich dieser Bibel mit Haut und Haar unterwerfen.


Zitat:Ich verstehe heute immer noch nicht, wieso dieses Buch eine Ethik vermitteln soll.


Ich ebenfalls nicht. Denn es geht immer mit "Du sollst" und mit Drohung einher.


Zitat:Schneidet doch mal alle Stellen aus der Bibel heraus, die Ihr persönlich ethisch für falsch haltet.
dann schneidet die Stellen heraus, in denen Gott sich in Strafandrohungen verausgabt.


Das eben geht nicht. Wenn es nach mir ginge, würde ich alle heiligen Bücher wegzaubern. Die Geschichte noch einmal von vorne anfangen lassen, wo keine schriftlichen heiligen Bücher geschrieben oder zusammengestellt werden.

Ich habe aber diese Macht nicht, Menschen von Grund auf zu ändern. Ich kann es ja nicht einmal bei mir selbst.
Diese "tödlichen Bomben" werden nun einmal von Jahrtausend zu Jahrtausend von den Kirchen mitgeschleppt, werden für heilig erklärt, und bestimmte Menschen verfallen diesen Büchern.
Aber die Kirchen reagieren darauf nicht.

Andererseits würde es nichts nützen, wenn sie darauf reagierten. Denn die, die der Bibel verfallen sind und nur durch sie ihr Leben lenken lassen, sind ja alle aus der Kirche ausgetreten. Sie sehen in den Kirchen ja den Satan. Diese würden die Bibel verraten durch ihre historischen Untersuchungen.


Zitat:Jesus`hatte niemals göttliche Motive benutzt sondern rein humanistische. Darum haben Atheisten auch kein Problem mit dem historischen Jesus im Gegensatz zu dem Biblichen Jesus.


Alles, was wir über Jesus wissen, wissen wir aus der Bibel. Wir haben keine andere Überlieferung als die biblische.
Aber die Forschung kann bis zu einem gewissen Grad den historischen Jesus rekonstruieren.
Und es ist richtig, was Du sagst: auch die Atheisten akzeptieren diesen konkreten Menschen - so wie er überliefert wurde. Erst die Erhöhung ins Göttliche scheidet die Geister, und sie ist hoher Wahrscheinlichkeit nach erst nachträglich den Schriften zugefügt - die Texte um den wiederauferstandenen Jesus herum.


Zitat:Man kann ihn auch zu den humanistischen Philosophen zählen.
Aber ist es nicht krank? Obwohl Jesus zu Lebzeiten großartige Denkanstösse gegeben hatte, wird ihm als größter Verdienst angerechnet, am Kreuz gehangen zu haben.


Auch diese Blut- und Leidenstheologie ist eine nachträgliche.
Aber die moderne Theologie beruft sich ja doch in großen Teilen darauf nicht mehr. Auch nicht auf die Göttlichkeit des Jesus.
Es ist bekannt, dass dieser Mythos "Geborenwerden - Sterben - Wiederauferstehen" ein uralter Mythos ist, zum Beispiel der Osiris-Mythos.
Selbst die alten Zeichnungen von Isis (Schwester und Gattin von Osiris) mit ihrem Kind wurden vom Christentum nachgeahmt. Nun aber war es Maria mit dem Kind. Die Grundidee war die gleiche.


Und jetzt komme ich zu einem für mich wirklich wichtigen Punkt:
Ein Theologe sagte mir einmal:
das Christentum ist eigentlich keine Schriftreligion. Sie basiert auf Mündlichem.

Ich habe den Verdacht - und es auch oft beobachtet -, dass religiöse Menschen sich nicht groß um die Bibel und den ganzen theologischen Überbau scheren.
Ihre "Grundfrommigkeit" basiert auf ganz anderem als dem Buchstabengetreuen. Mag sein, dass sie die Sprache des Christentums benutzen - sie haben ihre eigenen Erkenntnisse halt immer in dieser Sprache formuliert.
Aber wenn sie in einer anderen Religion aufgewachsen wären, hätten sie es vermutlich in deren Sprache formuliert.

Mein Ansatz ist: sie meinen innerlich gar nicht unbedingt das, was sie in Sprache bringen.
Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine. Du hast das ja quasi auch gesagt: Vielleicht würdest Du noch immer an Gott glauben, wenn Du die Bibel nicht gelesen hättest.

Aber was hat eine innere Gottesvorstellung mit dem zu tun, was man sich in den biblischen Schriften unter Gott vorgestellt hat? Genaugenommen gar nichts.

Darum denke ich tatsächlich, dass im Grunde das Christentum noch immer eine mündliche Religion ist. Irgendein Funke zündet - so hast Du es ja auch beschrieben, mit dem Film etc. -, und irgendwas hat man kapiert.

Das, was in solchen Momenten "zündet" - davon bin ich eigentlich überzeugt -, ist nicht etwas, was nur in der Bibel oder "sonstwo nur" zu finden ist. Es ist etwas, was unabhängig von jeder Religion zünden kann - weil es zu dem Menschen gehört.
Es zündet aber oft mittels der Religion, weil diese das hauptberuflich sozusagen thematisiert. Aber es ist nicht an die Religion gebunden. Und es ist wahrscheinlich noch nicht einmal die Religion gemeint.

Was ich damit sagen will:
Es kommt oft vor - vielleicht sogar sehr oft -, dass die Menschen, die sich einer Konfession oder einem Glauben anschließen, innerlich Motive dafür haben, die vielleicht formal - also sprachlich - mit der Sprache der Religion zusammenfallen, aber trotzdem ganz ihre Eigenart und persönliche Wahl hat.

Wenn man die einmal gedanklich ausschließt, die auf dem Buchstaben beharren und alle anderen als "verdammt" ansehen:
dann würden sich religiöse Menschen sämtlicher Religionen untereinander mühelos verständigen können.

Das wäre dann fast nur der Unterschied, dass die einen zu dem Ding, auf dem ich gerade sitze, "Stuhl" sagen, andere "chair".

Darum denke ich, dass viele - und ich kenne solche - den Auferstehungsmythos - der ja viel älter ist als das Christentum - so für sich nutzen, dass sie sich als eingebettet in den Rhythmus der Natur fühlen:
Osiris war ja ursprünglich ein Gott der Vegetation.

Da schwingen uralte Weisheiten mit, die manchen etwas bedeuten, und sie haben nichts dagegen, dass der Christusmythos das ausdrückt.
Denn andere Mythen drücken das ja auch aus.

Und wenn man die Theologen liest, die in all den Jahrhunderten ihre spezifische Sicht des Christentums aufgeschrieben haben - dann sieht man doch, wie indivduell das ist, und wie frei letztlich.
Man nehme nur mal Paul Tillich ("In der Tiefe ist Wahrheit") oder "Gott ist anders" von John A. T. Robinson. Gerade letzteres ist ganz frei von christlicher Sprache.
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#77
Lieber Saldo,

Vielen dank für diesen schönen Beitrag.

Denkst du dass es heilsmer wäre wenn man zwar an die "heiligen" Schriften glaubt, in sie aber nicht mehr die "Heiligkeit" hereinprojeziert, sondern sie als Richtlinien sehen kann die aber eben nicht das "Ultimative" darstellen?

Mit Metta

Kampierapanyo
Ergebt euch nicht der Lässigkeit,
Vertrauet nicht der Sinneslust,
Wer wachsam ist und selbstvertieft,
Erlangt ein hohes, heil´ges Glück
(Buddha, Dhammapada 27)
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#78
Hallo Saldo,

Zitat:Das, was in solchen Momenten "zündet" - davon bin ich eigentlich überzeugt -, ist nicht etwas, was nur in der Bibel oder "sonstwo nur" zu finden ist. Es ist etwas, was unabhängig von jeder Religion zünden kann - weil es zu dem Menschen gehört.

...

Das wäre dann fast nur der Unterschied, dass die einen zu dem Ding, auf dem ich gerade sitze, "Stuhl" sagen, andere "chair".

Das wird ja auch von den Mystikern der div. Religionen immer wieder betont, dass
'das Benennbare' eben nicht 'das Wesentliche' ist, so wie in dieser Sufi-Geschichte:

Zitat:Vier Männer - ein Perser, ein Türke, ein Araber und ein Grieche - waren unterwegs zu einem sehr, sehr fernen Ort. Bald wurden sie hungrig und begannen darüber zu streiten, wie sie das einzige Geldstück, das sie noch besaßen, ausgeben sollten. Ich möchte Angur kaufen, sagte der Perser. Ich will Uzum, meinte der Türke. Nein, ich will Inab, sagte der Araber. Ach was, sagte der Grieche, wir sollten Stafil kaufen. Und sie stritten sich immer heftiger. Ein anderer Reisender, ein Sufi, der gerade vorüberkam, sprach sie an: Gebt mir die Münze. Ich werde einen Weg finden, all eure Wünsche zu erfüllen. Zuerst trauten sie ihm nicht, da sie aber keinen anderen Ausweg sahen und der Mann einen guten Eindruck auf sie machte, gaben sie ihm die Münze doch. Der Sufi ging zum Stand eines Obsthändlers und kaufte Weintrauben. Da ist ja mein Angur! sagte der Perser. Das ist doch genau das, was ich Uzum nenne! rief der Türke. Sie haben mir Inab gebracht! sagte der Araber. Mein Stafulis! sagte der Grieche. Und die Männer beendeten ihren Streit und teilten sich die Weintrauben.
() qilin
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#79
Hallo huephab!


(16-06-2009, 04:29)huephap schrieb: Denkst du dass es heilsmer wäre wenn man zwar an die "heiligen" Schriften glaubt, in sie aber nicht mehr die "Heiligkeit" hereinprojeziert, sondern sie als Richtlinien sehen kann die aber eben nicht das "Ultimative" darstellen?


Ich habe jetzt eine Weile über diese Frage nachgedacht.

Zum einen komme ich mit den Widerspruch in Deiner Frage nicht klar. Wenn man die Heiligkeit nicht auf eine Schrift projiziert, dann ist es ja keine heilige Schrift mehr. Und dann "glaubt" man auch nicht an sie.

Es gibt moderne Anwendungen des Begriffes "heilig", wo jemand sagt: "Nietzsche ist mir heilig" oder so etwas Ähnliches.
Damit meint man in der Regel nicht, seine Aussagen seien speziell göttlicher Natur, sondern nur:
er hat mir viel gegeben. Gegen ihn lasse ich nichts kommen.

Das kann allerdings sehr leicht umkippen in die Richtung, dass man seine Schwächen nicht mehr wahrnehmen will.

Von einer anderen Perspektive aus zu Deiner Frage:
Das Bedürfnis des Menschen nach fragloser Unterordnung und Gehorsam ist mindestens so verbreitet und vorhanden wie das Bedürfnis nach Macht.

Das Heiligsprechen von Dingen oder Büchern kommt diesem Trieb entgegen, ist vielleicht sogar aus ihm entstanden.
Es ist - in meinen Augen - das uralte Bedürfnis nach Magie. Man meint, manche Dinge verwandeln einen mehr als andere, verschaffen mehr Heil als andere.

Für mich ist das ein Zeichen grundlegender Entfremdung des Menschen von sich selbst.
Nicht umsonst gibt es "heilige Kriege", ein "heiliges deutsches Volk" und Ähnliches.
Raffinierte Menschenkenner appellieren an diesen Instinkt, sich blind irgendwelchen Objekten zu unterwerfen und nennen diese dann "heilig". Viele Menschen reagieren darauf wie der Pawlowsche Hund.

Insofern, huephab, sehe ich nichts als Bedürfnis nach Macht über andere und den Verzicht auf eigene Macht in der Attributzuteilung "heilig" bei Büchern.

Sie sind nicht heilig, sie haben keine Macht. Aber weil der Mensch darauf nicht verzichten mag, beschwört er immer wieder neu die menschlichen Katastrophen der Vergangenheit und schafft die Voraussetzungen dafür, dass sie sich wiederholen.



Und hallo qilin!


(16-06-2009, 14:13)qilin schrieb: Hallo Saldo,

Zitat:Das, was in solchen Momenten "zündet" - davon bin ich eigentlich überzeugt -, ist nicht etwas, was nur in der Bibel oder "sonstwo nur" zu finden ist. Es ist etwas, was unabhängig von jeder Religion zünden kann - weil es zu dem Menschen gehört.

...

Das wäre dann fast nur der Unterschied, dass die einen zu dem Ding, auf dem ich gerade sitze, "Stuhl" sagen, andere "chair".

Das wird ja auch von den Mystikern der div. Religionen immer wieder betont, dass
'das Benennbare' eben nicht 'das Wesentliche' ist, so wie in dieser Sufi-Geschichte: [...]


Ja, eben genau in diese Richtung denke ich auch. Darauf wollte ich letztlich auch hinaus in dem von mir eröffneten Thread "Religion/"Religiosität". Was genau ist das Gemeinsame, was steckt hinter den äußeren Worten. Was genau denn haben alle diese Menschen begriffen, die von etwas "ergriffen" wurden.

Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist.
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#80
Hallo Saldo,

Zitat:Das Bedürfnis des Menschen nach fragloser Unterordnung und Gehorsam ist mindestens so verbreitet und vorhanden wie das Bedürfnis nach Macht.
Das scheint sogar ganz deutlich so zu sein - etwas OT vielleicht: ich habe mal gelesen,
dass in BDSM-Kreisen ein solches 'Überangebot' an potentiell 'Submissiven' besteht,
dass drei davon auf jeden 'Dominanten' kommen...

Zitat:Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist.
Das Problem ist, dass nicht nur die Alltags-, sondern die Sprache, ja das Denken an sich
nicht hinreicht, die 'Kommunikation' also notwendig äußerst vage und missverständlich ist
- die Berichte darüber sind ja fast ausschließlich 'Erfolgsberichte' und ergeben deshalb ein
verzerrtes Bild - wie viele auf irgendwelchen mystischen Pfaden kläglich gescheitert sind,
steht in keinem Buch. Und auch die 'erfolgreichen' Mystiker sind zu allermeist Anhänger
einer bestimmten, meist ihrer 'Herkunfts'religion. Um die abzuzählen, die sich [m. W.]
von religiösen Vorstellungen gelöst haben, brauche ich nicht mal die Finger einer Hand...

Beim Thema 'Religion/Religiosität' habe ich nur auf ein paar postings verwiesen, die ich
früher schon mal dazu reingestellt hatte. Vielleicht ist was Interessantes für Dich dabei.
() qilin
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#81
(16-06-2009, 15:15)Saldo schrieb: Ja, eben genau in diese Richtung denke ich auch. Darauf wollte ich letztlich auch hinaus in dem von mir eröffneten Thread "Religion/"Religiosität". Was genau ist das Gemeinsame, was steckt hinter den äußeren Worten. Was genau denn haben alle diese Menschen begriffen, die von etwas "ergriffen" wurden

wenns konkret wird - vermutlich gar nicht so viel

(16-06-2009, 15:15)Saldo schrieb: Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist

das ist erst mal nicht mehr als eine nette geschichte. ob sich denn die "Mystiker der verschiedenen Religionen" im ernstfall denn tatsächlich alle so einig sind, wäre auszuprobieren. ich habe da meine zweifel
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#82
(16-06-2009, 03:13)Saldo schrieb:
(15-06-2009, 21:20)Mattheist schrieb: Da es bereits gefragt wurde. Ja, ich war Gläubig. Durch den Einfluss des Films "Jesus von Nazareth", und eine Kinderbibel. Damals war ich zehn Jahre alt. Während fast meiner gesamten Jugend war ich begeistert und euphorisch dabei. In R$eligion hatte ich eine 1. Ich wollte Pfarrer werden, Ich war für eine Veranstaltung mal so etwas wie ein Messdiener.
Meine Zweifel begannen mit dem Lesen der Lutherbibel. Dann kamen kritische Fragen von mir, und die Antworten darauf waren so unbefriegend. Am Ende war es nur noch die Angst vor der Hölle, die meinen Glauben auffrecht erhielt.


Erst einmal danke für diesen Bericht - das hilft zumindest mir, die Zusammenhänge etwas deutlicher zu sehen.

Jedenfalls scheinst Du in das Christentum nicht reinerzogen worden zu sein, nicht durch Deine Familie, sondern von Dir selber aus.

Diese Angst vor der Hölle ist mir in Internetforen relativ häufig begegnet. Auch wenn meine Eltern mir diese Angst nicht regelrecht eingehämmert haben, so ertappe ich mich noch heute manchmal dabei, dass diese irrationale Angst irgendwie unauslöschliche Spuren hinterlassen hat. Sie flammt manchmal auf, wenn in evangelikalen Foren mir direkt persönlich gesagt wird, dass ich für ewig brennen werde. Dann bricht für Sekunden Panik auf - und nur meine ratio kann mich dann wieder beruhigen.

Es ist eine entsetzliche Waffe, Mattheist, ich kann nicht anders als Dir Recht geben. Die Waffe ist so tückisch, weil man mit ihr eben schon Kleinkinder bearbeitet, sie ihnen beim Gutenachtgebet ins Ohr flüstert ("Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm" - ja, und wenn man nicht dahin kommt, dann eben unauslöschliche Qualen).


Zitat:Dann hatte ich mich in einem jahrelangen Prozess endlich von meiner Angst befreien können. Später dann Lektüre über die Entstehung und Motivation der Religionen reingezogen. Vielleicht würde ich heute noch an Gott glauben, wenn ich nicht die Bibel gelesen hätte.


Das ist ein Punkt, der mich ebenfalls sehr beschäftigt. Die Bibel hat nichts als Unheil angerichtet, ich sehe es längst genauso. Jedes Buch, das man als "heilig" betrachtet, wird irgendwann zum Mordinstrument - auf physischer und psychischer Ebene.
Da immer wieder Menschen nachwachsen - was ich nie geglaubt hätte -, die dieser Bibel glauben. Die da nicht hineingewachsen sind, sondern aus eigenem Antrieb sich dieser Bibel mit Haut und Haar unterwerfen.


Zitat:Ich verstehe heute immer noch nicht, wieso dieses Buch eine Ethik vermitteln soll.


Ich ebenfalls nicht. Denn es geht immer mit "Du sollst" und mit Drohung einher.


Zitat:Schneidet doch mal alle Stellen aus der Bibel heraus, die Ihr persönlich ethisch für falsch haltet.
dann schneidet die Stellen heraus, in denen Gott sich in Strafandrohungen verausgabt.


Das eben geht nicht. Wenn es nach mir ginge, würde ich alle heiligen Bücher wegzaubern. Die Geschichte noch einmal von vorne anfangen lassen, wo keine schriftlichen heiligen Bücher geschrieben oder zusammengestellt werden.

Ich habe aber diese Macht nicht, Menschen von Grund auf zu ändern. Ich kann es ja nicht einmal bei mir selbst.
Diese "tödlichen Bomben" werden nun einmal von Jahrtausend zu Jahrtausend von den Kirchen mitgeschleppt, werden für heilig erklärt, und bestimmte Menschen verfallen diesen Büchern.
Aber die Kirchen reagieren darauf nicht.

Andererseits würde es nichts nützen, wenn sie darauf reagierten. Denn die, die der Bibel verfallen sind und nur durch sie ihr Leben lenken lassen, sind ja alle aus der Kirche ausgetreten. Sie sehen in den Kirchen ja den Satan. Diese würden die Bibel verraten durch ihre historischen Untersuchungen.


Zitat:Jesus`hatte niemals göttliche Motive benutzt sondern rein humanistische. Darum haben Atheisten auch kein Problem mit dem historischen Jesus im Gegensatz zu dem Biblichen Jesus.


Alles, was wir über Jesus wissen, wissen wir aus der Bibel. Wir haben keine andere Überlieferung als die biblische.
Aber die Forschung kann bis zu einem gewissen Grad den historischen Jesus rekonstruieren.
Und es ist richtig, was Du sagst: auch die Atheisten akzeptieren diesen konkreten Menschen - so wie er überliefert wurde. Erst die Erhöhung ins Göttliche scheidet die Geister, und sie ist hoher Wahrscheinlichkeit nach erst nachträglich den Schriften zugefügt - die Texte um den wiederauferstandenen Jesus herum.


Zitat:Man kann ihn auch zu den humanistischen Philosophen zählen.
Aber ist es nicht krank? Obwohl Jesus zu Lebzeiten großartige Denkanstösse gegeben hatte, wird ihm als größter Verdienst angerechnet, am Kreuz gehangen zu haben.


Auch diese Blut- und Leidenstheologie ist eine nachträgliche.
Aber die moderne Theologie beruft sich ja doch in großen Teilen darauf nicht mehr. Auch nicht auf die Göttlichkeit des Jesus.
Es ist bekannt, dass dieser Mythos "Geborenwerden - Sterben - Wiederauferstehen" ein uralter Mythos ist, zum Beispiel der Osiris-Mythos.
Selbst die alten Zeichnungen von Isis (Schwester und Gattin von Osiris) mit ihrem Kind wurden vom Christentum nachgeahmt. Nun aber war es Maria mit dem Kind. Die Grundidee war die gleiche.


Und jetzt komme ich zu einem für mich wirklich wichtigen Punkt:
Ein Theologe sagte mir einmal:
das Christentum ist eigentlich keine Schriftreligion. Sie basiert auf Mündlichem.

Ich habe den Verdacht - und es auch oft beobachtet -, dass religiöse Menschen sich nicht groß um die Bibel und den ganzen theologischen Überbau scheren.
Ihre "Grundfrommigkeit" basiert auf ganz anderem als dem Buchstabengetreuen. Mag sein, dass sie die Sprache des Christentums benutzen - sie haben ihre eigenen Erkenntnisse halt immer in dieser Sprache formuliert.
Aber wenn sie in einer anderen Religion aufgewachsen wären, hätten sie es vermutlich in deren Sprache formuliert.

Mein Ansatz ist: sie meinen innerlich gar nicht unbedingt das, was sie in Sprache bringen.
Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine. Du hast das ja quasi auch gesagt: Vielleicht würdest Du noch immer an Gott glauben, wenn Du die Bibel nicht gelesen hättest.

Aber was hat eine innere Gottesvorstellung mit dem zu tun, was man sich in den biblischen Schriften unter Gott vorgestellt hat? Genaugenommen gar nichts.

Darum denke ich tatsächlich, dass im Grunde das Christentum noch immer eine mündliche Religion ist. Irgendein Funke zündet - so hast Du es ja auch beschrieben, mit dem Film etc. -, und irgendwas hat man kapiert.

Das, was in solchen Momenten "zündet" - davon bin ich eigentlich überzeugt -, ist nicht etwas, was nur in der Bibel oder "sonstwo nur" zu finden ist. Es ist etwas, was unabhängig von jeder Religion zünden kann - weil es zu dem Menschen gehört.
Es zündet aber oft mittels der Religion, weil diese das hauptberuflich sozusagen thematisiert. Aber es ist nicht an die Religion gebunden. Und es ist wahrscheinlich noch nicht einmal die Religion gemeint.

Was ich damit sagen will:
Es kommt oft vor - vielleicht sogar sehr oft -, dass die Menschen, die sich einer Konfession oder einem Glauben anschließen, innerlich Motive dafür haben, die vielleicht formal - also sprachlich - mit der Sprache der Religion zusammenfallen, aber trotzdem ganz ihre Eigenart und persönliche Wahl hat.

Wenn man die einmal gedanklich ausschließt, die auf dem Buchstaben beharren und alle anderen als "verdammt" ansehen:
dann würden sich religiöse Menschen sämtlicher Religionen untereinander mühelos verständigen können.

Das wäre dann fast nur der Unterschied, dass die einen zu dem Ding, auf dem ich gerade sitze, "Stuhl" sagen, andere "chair".

Darum denke ich, dass viele - und ich kenne solche - den Auferstehungsmythos - der ja viel älter ist als das Christentum - so für sich nutzen, dass sie sich als eingebettet in den Rhythmus der Natur fühlen:
Osiris war ja ursprünglich ein Gott der Vegetation.

Da schwingen uralte Weisheiten mit, die manchen etwas bedeuten, und sie haben nichts dagegen, dass der Christusmythos das ausdrückt.
Denn andere Mythen drücken das ja auch aus.

Und wenn man die Theologen liest, die in all den Jahrhunderten ihre spezifische Sicht des Christentums aufgeschrieben haben - dann sieht man doch, wie indivduell das ist, und wie frei letztlich.
Man nehme nur mal Paul Tillich ("In der Tiefe ist Wahrheit") oder "Gott ist anders" von John A. T. Robinson. Gerade letzteres ist ganz frei von christlicher Sprache.
Fast alle Christen, mit denen ich spreche, distanzieren sich von der Bibel, wenn ich ihnen erzähle was wirklich drinne steht. Trotzdem benutzen sie auswendig gelernte Bibelzitate in ihren "Arhgumentationen", und obwohl sich alle Christen persönlich von der Bibel distanzieren, ist es immer noch das meistverkaufte Buch.
Für mich alles reine Augenwischerei.Ich muß mir seit Jahrzehnten von jedem Christ anhören, das es immer die anderen Christen sind, die alles falsch machen, oder alles falsch verstehen.
Auch wenn einige Christen damit Probleme haben. Das Fundament des Chrstentums ist nun mal die Bibel. Die Bibel ist ethisch nicht mal im Ansatz wertvoll. Durch nachträgliche Überarbeitungen und Übersetzungsfehler wurde es sogar noch schlimmer.
Dann hört man ständig das es die Hölle nicht mehr gibt, weil Papst Bla Bla der Soundsovielte sie mal wieder abgeschafft hat.
Hat sich mal jemand gefragt, wieso der Papst eine Kugelsichere Weste trägt, wenn er herumurbietorbit? Hat er kein Vertrauen in Gott, oder will er Gott daran hindern, ihn von einem menschlichen Werkzeug erschiessen zu lassen, wenn Gott der meinung ist, er bräuchte mal wieder ein Sündenopfer?.
Da ich darauf angesprochen wurde, eine Erklärung zu meiner eigenen religösen Erziehung: Ich wurde nicht getauft, aber ständig zu religösen Veranstaltungen verführt. Ohne Zwang. Meine Mutter war seltsamerweise mormonisch getauft, hatte diese Religion aber nicht ausgeübt. In der Schulzeit bin ich trotz Lehrerprotest mitten in den evangelischen Unterrichtsstunden in den katholischen Klassenraum gegangen. Allerdings konnte ich damals keine Unterschiede erkennen.
Ab dem 10. Lebenshjahr wuchs ich in einem evangelischen Kinderheim auf,. Mit 16 beantragte ich die Befreiung aus den Religionsunnterricht.
Das Heim verbot es mir, aber ich tat es trotzdem.
Obwohl ich nicht getauft bin, bin ich amtlich als evangelisch eingetragen, und werde in der Gemeinde als Mitglied aufgeführt.
Aus der Kirche austreten heißt für mich zuzugeben, das ich ihr angehöre. Ich wurde nicht gefragt, sondern einfach mal evangelisch eingestuft.
Während meines Kurzauftritt als Messdiener, machten sich einige der Kids lustig über mein weißes Kostüm, was ich hinter den Augen des Pfarrers mit dem Mittelfinger beantwortet hatte.
Bei der Taufe der Tochter einer Freundin, habe ich während der Predigt einen Lachkrampf bekommen, weil der Pfarrer erzählt hat, das Jesus unser Kumpel ist.
Als Kind war ich schwer beeindruckt von der Erhabenheit, und Schönheit der Kirchen. Hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, das sie einschüchtern sollen. Das selbe fiel mir auch an der Bibel auf.
Auf jeder Seite wird der Begriff "Gott" besonders hervorgehoben. Mir war klar, das die Absicht bestand, mir Angst und Ehrfurcht vor allein diesem Wort beizubringen.
Aber es gibt Menschen die unter den religösen Zwängen, christlich oder islamisch, mehr leiden müssen. Menschen werden diskriminiert, es gibt zur Zeit nur religös motivierte Kriege, es fliesst Blut, wegen Streit um Heiligtümer, Menschen werden gesteinigt, Menschen werden von ihren Familien ausgestoßen, In den USA gilt der Atheist als der minderwärtigste Bürger. In England und den USa und zum Teil auch hier werden Kinder auf eine kranke und perverse Weise Opfer von religöser Gehirnwäsche. Und dann muß ich mir Gejammer anhören, über das "Verletzen" von religösen Gefühlen??? Selbst wenn der christliche oder muslimische Glaube mir persönlich etwas Gutes bringen würde, so kann ich doch nicht die Augen verschliessen vor dem Schaden, den diese Religionen auf unserer Welt anrichten. Darum ist es mir herzlich scheissegal, ob ich religöse Gefühle verletze. Es gibt Menschen die wirklich leiden müssen, wegen dieser Religionen oder die dafür, auch heute noch, umgebracht werden, oder sich deswegen gegenseitig umbringen.
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#83
Und, Mattheist, fühlst du dich wohl mit all den Verletzungen, die dir zugefügt worden sind, und deren Narben? Wird es besser, wenn du anderer Leute Gefühle nunmehr deinerseits verletzt?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#84
(16-06-2009, 16:30)qilin schrieb: Hallo Saldo,

Zitat:Das Bedürfnis des Menschen nach fragloser Unterordnung und Gehorsam ist mindestens so verbreitet und vorhanden wie das Bedürfnis nach Macht.
Das scheint sogar ganz deutlich so zu sein - etwas OT vielleicht: ich habe mal gelesen, dass in BDSM-Kreisen ein solches 'Überangebot' an potentiell 'Submissiven' besteht, dass drei davon auf jeden 'Dominanten' kommen...


Falls sich das rein zahlenmäßig erhärten lassen könnte - ich meine insgesamt :icon_wink: das Bedürfnis nach Gehorchen im Vergleich zu dem Bedürfnis nach Befehlen -, dann stellen sich viele Fragen neu.



Zitat:
Zitat:Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist.
Das Problem ist, dass nicht nur die Alltags-, sondern die Sprache, ja das Denken an sich
nicht hinreicht, die 'Kommunikation' also notwendig äußerst vage und missverständlich ist


Ganz sicher. Denken tut man zumeist auch nach den Prinzipien der Sprache. Und diese Raster sind zu grob, um das wirklich Wahrgenommene bewusst zu registrieren.
Dennoch funktioniert die Kommunikation da leichter, wo die Beteiligten das mit der Sprache Gemeinte besser kennen - also gar nicht vor allem auf die Formulierung setzen, sondern das Mitformulierte ebenfalls erfassen.
Jedenfalls bis zu einem gewissen Grad.


Zitat:Um die abzuzählen, die sich [m. W.]
von religiösen Vorstellungen gelöst haben, brauche ich nicht mal die Finger einer Hand...


Von der gesamten Menschheit? Eusa_doh
Dann ist aber an dem Ideal irgendwas nicht ganz in Ordnung. Eine Religon oder Lehre sollte doch Zielvorstellungen beinhalten, die zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch erreicht werden können.

Auch bin ich eigentlich nicht der Meinung, dass der Mensch sich überhaupt von Vorstellungen lösen soll.

Da habe ich vermutlich ein anderes Menschenbild als der Buddhismus.
Von der Bindung an die Vorstellungen - ja.
Aber meiner Sicht und Beobachtung nach funktioniert die menschliche Psyche so, dass sie in ihrem Entwicklungsprozess den "nächsten Schritt" zunächst als Vorstellung entwirft, nicht selten als Projektion. Aber das ist bereits ein kreativer Akt, in dem das Potential erst mal virtuell erweitert wurde.
Die Realisierung sollte dann allerdings nachziehen.
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#85
Hallo Saldo,
Zitat:Dann ist aber an dem Ideal irgendwas nicht ganz in Ordnung. Eine Religon oder Lehre sollte doch Zielvorstellungen beinhalten, die zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch erreicht werden können.

Auch bin ich eigentlich nicht der Meinung, dass der Mensch sich überhaupt von Vorstellungen lösen soll.
Natürlich braucht der Mensch Vorstellungen, aber - wie schon gehabt - religiöse Vorstellungen [Konzepte]
entsprechen p.def. nicht dem religiösen 'Eigentlichen' - der Mystiker will sich also von ihnen lösen. Die
'verfassten' Religionen sind aber alle mit irgendwelchen Konzepten verbunden, und sich von diesen
freizumachen ist nicht Jedermystikers Sache :wink:

Zitat:Aber meiner Sicht und Beobachtung nach funktioniert die menschliche Psyche so, dass sie in ihrem Entwicklungsprozess den "nächsten Schritt" zunächst als Vorstellung entwirft, nicht selten als Projektion. Aber das ist bereits ein kreativer Akt, in dem das Potential erst mal virtuell erweitert wurde.
Ich denke das funktioniert gerade bei der Mystik meist nicht ganz so - da geht's doch i.A. eher um
überraschende Einsichten - es sei denn man wollte unterstellen, dass das Unterbewusstsein schon
ein 'Ziel' vorgegeben hat, das das Bewusstsein dann erst finden muss - mir fällt da gerade wieder
die Frage im Buddhismus ein, die nach der Erleuchtung einer Person fragt, und wo sich dann
herausstellt, dass nicht die etwas [die Erleuchtung] dazu bekommt, sondern dass sie [die Person
selbst] wegfällt...

Dass Kommunikation dort leichter funktioniert, wo die Beteiligten das mit der Sprache Gemeinte besser
kennen, das 'Mitformulierte' besser erfassen, ist klar - für 'die Anderen' klingt das dann allerdings häufig
kryptisch bis absurd - von den antiken Mysterienkulten bis zu den 'Dharma-Gefechten' in tibetischen
oder Zen-Klöstern. Aber irgendwann hört auch die Kommunikationsfähigkeit der 'Eingeweihten' auf - wo
'sich das Unaussprechliche zeigt' wie es Wittgenstein nennt. Für mich ist das eine Art Kreis- [oder auch
Spiral-]Bewegung, wo der Mystiker wieder bei einer 'primären, glaubenslosen' Religion landet [ebenfalls
nach Wittgenstein].
() qilin
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#86
(16-06-2009, 22:03)Ekkard schrieb: Und, Mattheist, fühlst du dich wohl mit all den Verletzungen, die dir zugefügt worden sind, und deren Narben? Wird es besser, wenn du anderer Leute Gefühle nunmehr deinerseits verletzt?
Bevor Du hier den Psyschologen spielst, solltest Du Dich mal fragen wieso religöse Gefühle so verletztlich sind.
Meinst Du nicht, das es vielleicht meine Intelligenz beleidigt, wenn mir irgendein Christ erzählt, das wir alle in den Himmel kommen? Oder wenn ich mir Sprüche anhören muß, wie den einer christlichen Bekannten: "Du glaubst nicht an Gott, weil Du ohne Vater aufgewachsen bist."
Ich habe nicht mehr seeliche Narben als andere Menschen auch. Und selbst wenn, dann ist das keine Argumentationsbasis.
Gläubige fühlen sich verletzt. Atheisten fühlen sich oft auch verletzt.
Atheisten stecken aber keine Botschaften oder Menschen in Brand, nur weil mal eine Zeitung eine Karikatur mit Darwin als Affen veröffentlicht hatte.
Was glaubst Du, welche Wut ich empfinde, wenn ich mir ständig sagen lassen muß, das ich einen Glauben haben muß. Das ich spätestens auf dem Sterbebett bereuen werde. Fange ich dann eine Diskussion an, wird jedes Gegenargument mit dem Satz, "Aber Gott hat gesagt..., und Jesus will dieses und jenes.
Irgendwelche seelichen Narben haben nichts mit meinem Atheismus zu tun. Ich wurde nicht Atheist deswegen. Der Glaube hatte mir damals sogar während einiger traumatischen Erfahrungen in der Kindheit geholfen. Nicht praktisch, aber psyschich. Ich habe es estrem genossen, an Gott zu glauben. Darum hatte es auch Jahre gedauert, bis ich mich davon lösen konnte. Was nützt der Glaube, wenn mein Verstand mir sagt, das dieser Glaube eine Lüge ist?
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#87
Religiöse Gefühle sind deshalb so verletzlich, weil sie das Selbstbild berühren. Jeder möchte vor sich selbst gerechtfertigt erscheinen. Wer daran kratzt, wird als bedrohlich empfunden.

Den Rest nehme ich kopfschüttelnd zur Kenntnis. Gegenfrage: Warum regst du dich über so etwas auf? Gegenargumente: "Auf dem Sterbebett werde ich mein Leben in Würde beenden", "Höllenstrafen sind abgehalfterte Erziehungs- und Drohkulissen antiker Erziehungskünste", "von Gott weißt auch du nichts, also lass uns auf der menschlichen Ebene diskutieren!", "von Jesus erkenne ich nur an, was im Rahmen des Kantschen "kategorischen Imperativs" ethisch wichtig ist" - na ja oder so ähnlich.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#88
Hallo qilin!


(17-06-2009, 16:11)qilin schrieb: Dass Kommunikation dort leichter funktioniert, wo die Beteiligten das mit der Sprache Gemeinte besser kennen, das 'Mitformulierte' besser erfassen, ist klar [...]. Aber irgendwann hört auch die Kommunikationsfähigkeit der 'Eingeweihten' auf - wo 'sich das Unaussprechliche zeigt' wie es Wittgenstein nennt. Für mich ist das eine Art Kreis- [oder auch Spiral-]Bewegung, wo der Mystiker wieder bei einer 'primären, glaubenslosen' Religion landet [ebenfalls nach Wittgenstein].


Es ist interessant, dass Du in dem Zusammenhang Wittgenstein erwähnst.
Für mich ist es nämlich eben auch gerade das Studium der Sprache - die Sprachwissenschaft, die Sprachkritik -, das einem immer klarer machen kann, dass das Sprachsystem selber schon ein so mächtiges Interpretationssystem ist, dass das Wahrgenommene mittels der grammatischen Strukturen fast gar nicht kommunizierbar ist.

Das Wahrgenommene wird in dem Moment, wo man es in die Sprache übersetzt, geradezu zu einer anderen Sache.
Ich denke, jeder der viel schreibt, empfindet dies fast schmerzlich, und man knirscht manchmal ganz ohnmächtig mit den Zähnen. :icon_neutral:

Und je deutlicher man diesen Unterschied konstatiert - zwischen dem ursprünglich Wahrgenommenen und dem, wie die Sprache das verändert -, desto mehr gewöhnt man es sich ab, alles schon fast automatisch "rein sprachlich" wahrzunehmen.
Man hat dann fast so etwas wie eine doppelte Optik.

Ich vermute, das ist genau dies, was Du oben mit Wittgenstein ausgedrückt hast:
man landet bei einer 'primären glaubenslosen Religion' - wobei das Wort "glaubenslos" sich hier auf den authentischen Charakter des Sprachsystems bezieht und das Wort "Religion" quasi seinen Sinn verliert.

Was mich daran überzeugt, ist, dass hier Wissenschaft und "mystische" oder "buddhistische" Erkenntnis Hand in Hand gehen. Das heißt, die Sprachwissenschaft tut genau dasselbe wie der Einzelerkennende: er löst sich von dem Beherrschtsein durch ein System.
Das ist der Auftrag, den die Aufklärung uns hinterlassen hat.

Anders ausgedrückt: das "Religiöse" befreit sich von der "Religion" (dem System, dem Konzept).

Und am Ende muss sich auch noch das Wahrgenommene von dem Touch des Religiösen befreien.
Klingt ja fast schon nach Karl Marx. Icon_smile

Ja, qilin, aber jetzt kommt's:
Selbst wenn - durch Übung oder Beruf - die Wahrnehmung von der automatischen Übersetzung ins Sprachliche entkoppelt wurde, auch von dem automatischen Gedankensystem entkoppelt wurde:

es bleibt doch immer noch das Wahrgenommene eine anthropologische Komponente, ist gebunden an "das System Mensch".
Insofern kann auch das, worüber man schweigen muss (weil man es nicht mehr sagen kann, Wittgenstein), noch wissenschaftlich, intersubjektiv erfasst werden.

Würdest Du so weit mitgehen?
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#89
(18-06-2009, 00:36)Ekkard schrieb: Religiöse Gefühle sind deshalb so verletzlich, weil sie das Selbstbild berühren. Jeder möchte vor sich selbst gerechtfertigt erscheinen. Wer daran kratzt, wird als bedrohlich empfunden.

Den Rest nehme ich kopfschüttelnd zur Kenntnis. Gegenfrage: Warum regst du dich über so etwas auf? Gegenargumente: "Auf dem Sterbebett werde ich mein Leben in Würde beenden", "Höllenstrafen sind abgehalfterte Erziehungs- und Drohkulissen antiker Erziehungskünste", "von Gott weißt auch du nichts, also lass uns auf der menschlichen Ebene diskutieren!", "von Jesus erkenne ich nur an, was im Rahmen des Kantschen "kategorischen Imperativs" ethisch wichtig ist" - na ja oder so ähnlich.

der eine regt sich halt auf über bzw. es stört ihn, wenn sein nichtglaube psychologisiert wird und das gegenüber sich nicht entblödet, ihm höllenstrafen anzudrohen - der andere empfindet es als beleidigend, wenn man den foltertod eines menschen als ultimaten liebesbeweis nicht nachvollziehen kann und als pervers (also sinnwidrig) empfindet

etwas seltsam finde ich es schon, wenn man dem gläubigen die absolute dünnhäutigkeit zugesteht, auf die jedermann rücksicht zu nehmen habe, und gleichzeitig vom glaubenslosen verlangt, er solle sich doch nicht so haben
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#90
Hallo Saldo -
eine schwierige Frage. Es hängt wohl davon ab, ob tatsächlich alles irgendwie
Wahrgenommene, alles 'im System Mensch' darum auch intersubjektiv erfassbar
ist - und zwar mit allen Implikationen, die sich beim Einzelnen dabei entwickeln.

Worum es mir ging mit der 'primären, glaubenslosen Religion' deckt sich nicht zu
100% mit dem was Wittgenstein meinte, denke ich. Der Ausdruck stammt von ihm -
Zitat: Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß nicht jede Form von Religion notwendigerweise mit religiösen Aussagen verbunden ist. Daß wir kein Kriterium haben, um zwischen wahren und falschen religiösen Aussagen unterscheiden zu können, trifft zu.
Wenn eine Aussage sich überprüfen läßt, wissen wir schon, daß sie keine religiöse Aussage ist. Es trifft aber nicht zu, daß religiöse Aussagen völlig willkürlich sind, weil sie auf je vorfindliche, bestimmte religiöse Bedürfnisse antworten müssen. Diese hängen eng zusammen mit der Lebensform und Lebensgeschichte des jeweiligen Menschen und sind darum verschieden von Kultur zu Kultur, von Epoche zu Epoche, ja selbst zwischen Angehörigen ein und derselben Kulturepoche.
Man muß zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von Religion unterscheiden. Man könnte die primäre Form die ´Glaubenslose Religion´ nennen. Wer auf die glaubenslose Art religiös ist, ist entweder zu religiösen Aussagen noch gar nicht vorgestoßen, oder er hat sie schon wieder abgeworfen. Die glaubenslose Religion kann als solche nur aufrechterhalten werden, wenn die Vernunft das wie mit Gewalt zum Wort Hindrängende gar nicht zum Wort kommen läßt.
Die Handlungen (alle vorprädikativen Reaktionen) des menschlichen Geistes sind das Material, aus welchem die Sprache gefertigt ist. Wenn aber die vorprädikative zum Wort hindrängende Religion zum Wort gelassen wird, dann konstituieren sich religiöse Aussagen, bildet sich ein religiöser Glaube. Ihres prädikativen Überbaues wegen hat die Glaubensreligion die Eigenschaft, viel zu reden und viel von sich reden zu machen. Die glaubenslose Religion hingegen ist sprachlos und wirkt ganz im Stillen, weswegen sie in der Regel als Religion weder erkannt noch anerkannt wird. Legitimitätsprobleme hat nur die Glaubensreligion, und je weniger sie grammatisch aufgeklärt ist, desto virulenter sind diese Probleme.
- aber mein Zugang war ein anderer; ich bin von der ursprünglichen Bedeutung
des Wortes religio ausgegangen, das nicht [wie bei Laktanz] von religare
['zurückbinden'], sondern [wie bei Cicero] von relegere ['nochmals lesen']
abzuleiten ist - Religion wäre danach nicht primär [Versuch einer] Antwort,
sondern zuerst mal Frage, Suche - die noch nicht mal formuliert sein muss.
Eine Religion [mit ihren Antworten] kommt immer erst nachher...
Hier - wo der Schnitt nicht zwischen 'Religiosität' und 'Religion' gemacht wird,
sondern zwischen 'Religion an sich' und 'einer [Glaubens]Religion', treffen wir
uns dann wieder. :wink:
() qilin
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