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Einsichtsmeditation - Vipassana
#1
Liebes Forum,

Ich möchte nun einmal versuchen ein wenig über die Vipassana Meditation zu schreiben.

In diesem ersten Post eher etwas über die Praxis und die Ziele, und wenn Interesse besteht würde ich mich gerne auch mit anderen über die verschiedenen Praktiken austauschen.:icon_cheesygrin:

Als Basis werde ich zum einen die Anleitungen des Buddha selbst verwenden, speziell das "Satipatthana Sutta" aus dem Majhima Nikaya und meine eigenen (wenigen) persönlichen Erfahrungen mit der Vipassana Praxis welche ich überwiegend während meines Retreats ins Sri Lanka machen durfte.

Vipassana ist ein Pali Wort welches zusammengesetzt wird aus Vi + passana
Vi ist ein Präfix und bedeutet soviel wie "speziell", "passana" bedeutet einfach "sehen". Vipassana kann somit als Spezielles Sehen übersetzt werden.

Dieses spezielle sehen kommt zustande durch die Praxis von "anupassana" und "patisamvedi". Beide begriffe bedeuten soviel wie "reines Wahrnehmen/sehen".
Es bedeutet alle körperlichen und geistigen Prozesse so zu sehen "wie sie wirklich sind" ohne unseren Wahrnehmungen, Erinnerungen, Projektionen etc. zuzufügen.

Die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind, bedeutet alle Phänomene als "anicca, dukka, anatta" zu sehen, als "Veränderlich, Vergänglich", "Nicht befriedigend, Leid" und "Selbst-los"

Im Satipatthana Sutta erklärt der Buddha bereits sehr klar, das die Praxis des Satipatthana einzig und direkt in richtung Nibbana (Nirvana) führt. Alleine im Satipatthana Sutta benutzt der Buddha die Worte "ekayana" was soviel heisst wie der "einzige/direkte Weg".

Hauptaspekt der Praxis ist die Entwicklung von "samma sati" oder "rechter Achtsamkeit".
In unserem alltäglichen Leben haben wir ständig "Achtsamkeit", diese entsteht sobald ein Objekt durch eines der Wahrnehmungsorgane eintritt (Auge, Nase, Zunge, Ohr, Körper, Geist), aber diese Achtsamkeit kann und ist meistens "Micca Sati" oder "falsche Achtsamkeit", da sie überwiegend getrübt ist von falschen zutaten wie Konzepte, Erinnerungen, Gedanken usw.

Sati oder Achtsamkeit in der Satipatthana Methode bedeutet ein "nicht eingreifendes Beobachten". Es geht darum z.B. einen Geisteszustand der Begierde einfach nur zu erkennen, zu wissen wie er kam und zu wissen wie er vergeht.
Die Praxis des arbeitens gegen diesen Zustand wäre die Praxis des "samma vayama" oder rechte anstrengung, welche aber nicht teil der Vipassana meditaion ist.

Die rechte Achtsamkeit in bezug auf unsere Absichten, kann uns z.B. gut dabei helfen, sonst automatische Handlungen zu unterlassen und erst "sampajanna" anzuwenden um zu prüfen ob die Handlung die wir vorhaben wirklich nötig, angebracht und heilsam ist.

Einer der wichtigen Punkte ist auch der, dass wir "Sati" als "Bewachen der Sinnestore" bezeichnen können, denn durch das "bloße" Wahrnehmen jeglicher Objekt ohne jene Zutaten, entstehen in uns weder Abneigung noch Zuneigung somit befinden wir uns in einem "freien" Zustand.

Ich denke die meisten kennen solche Situationen: Man schaut ein wenig durch die Gegend und plötzlich bleiben wir bei einem Objekt stehen und schauen genauer hin. Sofort entsteht entweder Zu- oder Abneigung gegen das wahrgenommene. Danach machen wir uns vielleicht vorstellungen über das objekt, denken darüber nach, vielleicht finden wir es auch abstoßend und wir schauen schnell weg. Basierend auf dieser falschen Warhrnehmung entstehen dann Handlungen, die als Basis diese getrübte Wahrnehmung haben.

Als ich in Sri Lanka mein Retreat gemacht habe hatte ich täglich ca. 3 Stunden Samatha Meditation (Konzentration auf den Atem) praktiziert und habe mich dann der Satipatthana Praxis gewidmet, welches eine sehr gute Kombination für mich darstellte.

Grundlegendes Ziel ist also erkennen, dass alle Phänomene anicca, dukkha und anatta sind.

anicca (unbeständigkeit): Die Natur von nichtvorhandener Beständigkeit in den Dingen. Alle Phänomene haben dieses Merkmal inne.
Diese Unbeständigkeit ist wirklich erfahrbar in unserem Leben. Wir können unseren Körper unsere Empfindungen unsere Gedanken usw. beobachten wie sie kommen und gehen. Dadurch können wir diese tiefe Erfahrung machen.
Durch das nicht erkennen der Unbeständigkeit in und um uns, entstehen alle körperlichen und sprachlichen Handlungen auf der falschen Annahme das es etwas festes gibt, was natürlicherweise, Leid, unzufriedenheit etc. zur folge hat.
Das Merkmal der Unbeständikeit ist für uns schwer zu sehen, da alles sich so schnell ändert dass wir unglücklicherweise denken es ist alles beständig.

dukkha (Leid): Einmal das körperliche Leid wie hunger, durst, schmerz, krankheit, altern, tod...
und auf der anderen seite das geistige leid wie ärger, trauer, angst, zweifel, sorge, gier, unwissenheit, geiz, neid....

anatta (selbst-losigkeit): Das einfache fehlen einer immer gleichbleibenden Substanz. Der Glaube an diese Substanz entsteht einfach aus dem nicht erkennen der Unbeständigkeit.

Ein für mich sehr praktischer Teil war und ist die kontemplation über diese 3 merkmale an hand von Empfindungen. Nach einiger Zeit habe ich angefangen, meine Empfindungen, egal ob schöne oder schmerzhafte, als unbeständig gesehen. Allein durch diese einfache Praxis ging die Begierde nach den schönen und die Abneigung nach den unschönen drastisch zurück.:icon_cheesygrin:

Die 4 Objekte der Satipatthana Meditation sind die folgenden:
1. Kayanupassana - Achtsamkeit auf den Körper
2. Vedananupassana - Achtsamkeit auf die Empfindungen
3. Cittanupassana - Achtsamkeit auf das Bewusstsein
4. Dhammanupassana - Achtsamkeit der Phänomene

1. Kayanupassana:
Ziel der Körperbetrachtung ist es, eine balancierte und begierdelose Haltung gegenüber unserem Körper zu erlangen, was dabei hilft weder zu viel anhaftung an ihn zu empfinden aber auch zu große Abneigung gegen ihn zu empfinden.

Diese Kontemplation half mir sehr viel in Sri Lanka. Ich wurde täglich von sehr vielen Moskitos, Flöhen etc, gestochen, das ich am anfang meinen Körper ziemlich eelig fand. Nach vielen Diskussionen mit meinem Lehrer war es mir möglich einfach nur alle Stich"wunden" an meinem Körper wahrzunehmen ohne zu urteilen usw. Sehr hilfreich für mich :icon_cheesygrin:.

2. Vedananupassana:
Hier geht es um die Achtsamkeit, welche jede Empfindung sofort bei ihrer Entstehung als solche erkennt, welche sie wirklich ist.

Die Empfindungsbetrachtung spielt eine "super" wichtige Rolle in der Vipassana Meditation.

In der Kette des "paticcasamuppada" der "bedingten Entstehung", kommt nach "vedana" oder "Empfindung", das nächste Glied "tanha" oder "Begierde" und danach "Upadana" oder "Festhalten".

Somit haben wir genau hier die grosse Chance uns von Begiere, Festhalten, Werden, Wieder-Geburt, ALter, Tod..... zu befreien.
Hier können wir also die Kette der Wiedergeburt sprengen, und uns befreien.

Wichtig ist hier die starke Achtsamkeit direkt beim Entstehen einer der 3 Empfindungen: angenehm, unangenehm oder neutral.
Empfindung entsteht durch den "Kontakt" zwischen Sinnesgrundlage (Auge, Nase...), dem Objekt (Sehobjekt, Geruch,...) und dem daraus resultierenden Sinnesbewusstsein. Somit entsteht in jedem Moment der "Cognition"(Ich weiss nicht ob das auch ein deutsches Wort ist)
Wenn wir schaffen diese 3 Empfindungen bei ihrem Entstehen zu erfassen ohne jegliche Erinnerungen, Projektionen etc. haben diese nicht die Macht "Emotionen" zu gebären.

Denn, Emotionen wie Wut, Ärger, Neid etc, sind alles nur Kombinationen aus diesen 3 einfachen Empfindungen plus Zutaten wie eben z.B. Erinnerungen usw.
Hier sieht man also, dass die großen und starken Emotionen schon mal aus dem Spiel sind durch die Anwendung der Achtsamkeit.

Das gute ist auch dass, wir in jedem Moment Empfinden und somit die Empfindungsbetrachtung jederzeit angewendet werden kann.

Auch wenn wir die Merkmale der Empfindungen kontemplieren wie Unbeständigkeit, hilft uns dies dabei unsre Begierde nach "schönen Gefühlen" loszulassen.

IM Vedana Samyutta, einer Sammlung Im Tipitaka, vergleicht der Buddha Empfindungen einfach mit Winden, welche kommen ung gehen, manchmal warm, manchmal kalt. Es wäre ziemlich "dumm" zu versuchen einen wind zu halten, ganauso ist es mit Empfindungen.

3.Cittanupassana (Achtsamkeit auf Bewusstsein)
Diese Kontemplation hilft dabei, den falschen Glauben loszulassen, das der Geist "ein festes Ding" wäre, welches unsere Person ausmacht.
Durch Achtsamkeit auf die verschiedensten Bewusstseinsmomente, werden wir erkennen, dass auch der Geist nicht "ein" Geist ist sondern ein Strom aus sich ständig verändernden Momenten, die sich aneinanderreihen wie eine Kette.
Außerdem hilft uns die "reine" Beobachtung der einzelnen Stadien des Bewusstseins wie z.B. ein "ärgerlicher Geist" dabei diesen nicht zu unterdrücken, aber ihn auch nicht auszuleben, sondern einfach "sein zu lassen" und zu sehen wie er wieder vergeht und platz macht für den näcsten Moment.

In dieser Stufe, kontemplieren wir eigentlich den "Inhalt" des Geistes. Der Geist selbst als solcher hat nur die Eigenschaft sich etwas bewusst zu sein, eines Objektes. Den Geist kann man also nur durch den Inhalt definieren, z.B. Begierde, Hass, Freude usw.

4. Dhammanupassana (Achtsamkeit der Phänomene):
Dies ist wohl die am schwierigsten zu erklärende Stufe der Betrachtung.

In dieser Kategorie geht es um die Betrachtung der folgenden Gruppen:

1. Die 5 Hindernisse (panca Nivarana): Hier geht es um das Gewahrsein wann eines der 5 Hindernisse im Geist aktiv ist und wann nicht.
Die 5 sind: Sinneslust(kamachanda), Aversion(vyapada), Trägheit u. Mattheit(thinamiddha), Rastlosigkeit u. Gewissensunruhe (udaccha kukkuccha) und Zweifel (vichicicca).
In dieser Kontemplation geht es aber auch darum zu erkennen, wie man die 5 Hindernisse aus dem Geist entfernen kann.

2. Die 5 Daseinsgruppen (panca khanda): Hierbei beobachten wir die 5 Khandas in ihrer Natur: Der Unbeständigkeit.

Der Buddha lehrte, dass das, was wir üblicherweise als Selbst oder Person wahrnehmen, in wirklichkeit nichts weiter ist als diese 5 Gruppen, welche zusammengefügt, das ergeben, was wir Person nennen.

Diese 5 sind: Form, Körper (Rupa), Empfindungen (Vedana), Wahrnehmung, Erinnerung (sanna), geistige Formationen (sankhara) und das Bewusstsein (vinnana).

Die Konstellation aus diesen 5 nennen wir also Person. Aberwo ist dort die "Person"?
Der Buddha brachte ein schönes Beispiel: Wenn wir uns einen Wagen anschauen, dann denken wir wahrscheinlich zuerst, das dies wirklich ein Wagen ist. Wenn wir genauer hinschauen erkennen wir, vielleicht dass er zusammengesetzt ist aus Einzelteilen, wie Rädern, Lenker, Achsen etc.
Keines der Einzelteile selbst kann man "wagen" nennen, somit kann man auch die Kombination aus allen nicht "wagen" nennen.

Durch diese Kontemplation der 5 Khandas können wir also die falscheVorstellung des "Selbst" auflösen, welche uns im Kreis des Samsara hält.

Die ersten beiden Khandas wurden bereits erklärt, also gehe ich jetzt zu den anderen 3.

Sanna: Nehmen wir als Beispiel ein Seh-Prozess. Er fängt an indem Objekt, Auge, und Bewusstsein aufeinandertreffen.
Jetzt ist es sanna, welches aus dem "rohen" Sinneseindruck etwas macht, und zwar durch Erinnerungen, Konzepte usw. Dann sprechen wir vom Wieder-Erkennen "re-cognition".
z.B. sieht man etwas gelbes. Erst sieht man "nur" das Objekt, und danach ist es sanna welches das Objekt als Gelb wieder-erkennt. Sanna ist es also welches die Objekte benennt und einordnet.
Sobald man etwas sieht, ist es sanna welches die Bedeutung diesem Objekt zuschreibt und somit dem Objekt "Einlass" in den Geist gewährt.

Sankhara: Sankhara ist der Wille, die Motivation etc. welches entsteht sobald manm etwas wahrgenommen hat. Sankhara ist also zuständig für das verarbeiten der wahrnehmungen, welches sich in Gedanken, Worten und Handlungen manifestiert, welche wiederum für die "Karma Produktion" verantwortlich ist.

Vinnana: Dies ist der fünfte Khanda. Im Kontext der Khandas ist die Bedeutung von Vinyana einfach der des, "sich eines Objeks bewusst-sein".

Oft ist es dieses Bewusstsein welches wir mit "Selbst" gleichstellen. Aber man kann gut beobachten dass dieses Bewusstsein nur entstehen kann durch den "Kontakt" von einem Sinnesorgan und einem Objekt. Daher ist es auch das bewusst-sein eines Objekt.

Ein Beispiel wie die 5 Khandas beim Akt des Lesens dieses Textes zusammenwirken:

Bewusstsein, vinnana ist es welches sich bewusst ist was durch die Augen (Körper) gelesen wird. "Cognition" sanna versteht die Worte und ordnet sie ein. Empfindung, vedana ist einfach dafür verantwortlich ob wir uns gerade positiv oder negativ fühlen wenn wir lesen und ist somit verantwortlich ob wir weiterlesen oder aufhören wollen.

Wenn wir Vipassana üben, werden wir in der lage sein diese Faktoren wirklich zu erfahren und es wird kein intellektuelles unterfangen bleiben.

Die wahre Natur der Khandas zu erkennen, wird also helfen uns n icht mehr mit ihnen zu identifizieren.


Jeder der bis hierhin gelesen hat und fragen oder kritiken (hoffentlich gute) dazu hat, ich bin sehr gespannt, da dieses für mich auch sehr interessant ist und ich auch noch mehr dazulernen möchte.:icon_cheesygrin:

Mit Metta

Kampierapanyo
Ergebt euch nicht der Lässigkeit,
Vertrauet nicht der Sinneslust,
Wer wachsam ist und selbstvertieft,
Erlangt ein hohes, heil´ges Glück
(Buddha, Dhammapada 27)
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