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War der röm. Kaiserkult vernünftig?
#1
Thomas Logemanns Beitrag (#9 Diskussionsstil) hat mich inspiriert, die Frage zu stellen, ob dem römischen Kaiserkult (ev. auch dem hellenistische Herrscherkult) Vernunft oder Größenwahn zu Pate gestanden ist.

t.logemann schrieb:Es ist nicht auszuschliessen, dass die frühen Christen sich dieser Ähnlichkeit (anm. Zeus - Herakles) durchaus bewusst waren und im Gegensatz zum altgriechischen Glauben eine solche "leibliche Verwandschaft zwischen Gott und Jesus auch niemals postulierten.

… im Gegensatz zum altgriechischen Glauben…

Ich weiß nicht, in welche Epoche Du den "altgriechischen Glauben" verortest. Einen regen, auch geschlechtlichen Umgang pflegten die Götter mit den Menschen offenbar in mykenischer Zeit, von der Homer in seinen Epen, darf man annehmen, erzählt. Nahezu alle griechischen Helden (Fürsten, Könige), die von Homer beschriebenen werden, haben in ihrem Stammbaum einen Gott oder eine Göttin vorzuweisen, manche stammen direkt von einem Gott oder einer Göttin ab.

In hellenistischer Zeit und später in der römischen Kaiserzeit beanspruchten die Könige und Kaiser ihren Anteil an der Göttlichkeit, mehr aus politischen Überlegungen und weniger, weil sie selbst daran glaubten. Da der griechisch-römischen Gesellschaft die Vorstellung von der göttlichen Abkunft eines Menschen nicht fremd war, fiel es den Herrschern nicht schwer, die Massen für ihren Kult zu gewinnen.

MfG B.
MfG B.
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#2
1. Wie muss eine Persönlichkeit "gestrickt" sein, um die Macht im Staate ausüben zu wollen und das mit aller Härte durchzusetzen (Caesar, ..., Napoleon, Hitler, Stalin, ..., Kim Il-Sung, Pol Pot)? Ihnen allen ist eine gewisse Paranoia gemeinsam.

2. Wie wirken solche Figuren auf ihre Mitmenschen besonders die Paldine? Sie scheinen mir die Protagonisten der "Göttlichkeit" ihres Führers zu sein (Personenkult).

Zu 1.: Von den Caesaren (später: Kaiser) Roms ist bekannt, dass sie bis jenseits der psychischen Erschöpfung regiert haben. Da bleibt wenig für die Einzelheiten, da muss alles "global", also aus übergeordneter, quasi göttlicher Sicht geregelt werden. In einer solchen Situation kann ich durchaus verstehen, wenn der Herrscher Göttlichkeit in Anspruch nahm. Das erleichterte das Geschäft - so wie du es beschrieben hast.

Zu 2.: Ich weiß also nicht, wie man in der Antike vernünftiger hätte regieren sollen, zumal - zumindest bei den Patriziern - Gremien durchaus bekannt waren und hätten genutzt werden können. Vielleicht wurden sie ja auch genutzt, nur die Geschichtsschreibung ordnete dies alles dem Kaiser zu? (Ich vermute, die antiken Menschen haben noch viel personenbezogener gedacht, als das heute (häufig noch) der Fall ist.)
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
(22-12-2009, 01:02)Ekkard schrieb: ..., die antiken Menschen haben noch viel personenbezogener gedacht,...

Ja, anfangs besonders im Osten des römischen Herrschaftsbereichs.

Eine vernünftige Begründung für das Entstehen des römischen Kaiserkults wird wohl aus den Denkmustern zu erklären sein, die religiös-politisch durch die östlichen (griechischen) Provinzen eingebracht wurden. Dort war die Vorstellung von göttlichen Menschen, die als Heiland und Wohltäter für das Volk wirkten, an die Person des Herrschers gebunden.

In Asien (Provinz) wurde schon Cäsar mit der Bezeichnung "Leibhaftig erschienener Gott und Retter des Menschengeschlechts" geehrt. Als dann 30/29 vC die Landtage von Bithynien und Asien (beides in hellenistischer Zeit gegründete Koina) Octavian die Einrichtung eines Kultes für seine Person anboten und dieser annahm (Cassius Dio 51, 20, 6-9), begann sich solches Denken auch in Richtung Westen auszudehnen.

Für den römischen Staat war die kultische Verehrung des Kaisers ein wichtiges, in alle Provinzen wirkendes, religiöses (und politisches) Bindungselement. Darüber hinaus boten Vereine, die mit der Ausübung des Kults betraut waren, auch Nichtprivilegierten (Freigelassenen, etc.) Gelegenheit zur politischen Betätigung (und zum sozialen Aufstieg) im Rahmen städtischer Autonomien.

MfG B.
MfG B.
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#4
(22-12-2009, 11:24)Bion schrieb:
(22-12-2009, 01:02)Ekkard schrieb: ..., die antiken Menschen haben noch viel personenbezogener gedacht,...

Ja, anfangs besonders im Osten des römischen Herrschaftsbereichs.

Eine vernünftige Begründung für das Entstehen des römischen Kaiserkults wird wohl aus den Denkmustern zu erklären sein, die religiös-politisch durch die östlichen (griechischen) Provinzen eingebracht wurden. Dort war die Vorstellung von göttlichen Menschen, die als Heiland und Wohltäter für das Volk wirkten, an die Person des Herrschers gebunden.

In Asien (Provinz) wurde schon Cäsar mit der Bezeichnung "Leibhaftig erschienener Gott und Retter des Menschengeschlechts" geehrt. Als dann 30/29 vC die Landtage von Bithynien und Asien (beides in hellenistischer Zeit gegründete Koina) Octavian die Einrichtung eines Kultes für seine Person anboten und dieser annahm (Cassius Dio 51, 20, 6-9), begann sich solches Denken auch in Richtung Westen auszudehnen.

Für den römischen Staat war die kultische Verehrung des Kaisers ein wichtiges, in alle Provinzen wirkendes, religiöses (und politisches) Bindungselement. Darüber hinaus boten Vereine, die mit der Ausübung des Kults betraut waren, auch Nichtprivilegierten (Freigelassenen, etc.) Gelegenheit zur politischen Betätigung (und zum sozialen Aufstieg) im Rahmen städtischer Autonomien.

afaik war die kultische vergöttlichung der kaiser vor allem bei den soldatenkaisern der reichskrise des 3. jhdts. angesagt (und damit einhergehend auch die christenverfolgung) - weil sich "emporkömmlinge" so legitimation verschaffen wollten und wohl auch konnten
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#5
(22-12-2009, 12:40)petronius schrieb: afaik war die kultische vergöttlichung der kaiser vor allem bei den soldatenkaisern der reichskrise des 3. jhdts. angesagt (und damit einhergehend auch die christenverfolgung) - weil sich "emporkömmlinge" so legitimation verschaffen wollten und wohl auch konnten

Natürlich hatte der Kaiserkult auch innerhalb des Militärs seine Bedeutung. Die Träger des Kults aber waren die Augustalen, in denen vornehmlich reiche Freigelassene und vermögende Mittelständler tätig waren. In den Kollegien der Augustalen war ihnen die Möglichkeit eingeräumt, religiös-politisch verdienstvoll zu wirken und so einen Rang zu erwerben, der sie (in besonderen Fällen) gesellschaftlich auf die Ebene des Dekurionenstandes anhob.

MfG B.
MfG B.
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#6
(22-12-2009, 22:33)Bion schrieb: Natürlich hatte der Kaiserkult auch innerhalb des Militärs seine Bedeutung. Die Träger des Kults aber waren die Augustalen, in denen vornehmlich reiche Freigelassene und vermögende Mittelständler tätig waren. In den Kollegien der Augustalen war ihnen die Möglichkeit eingeräumt, religiös-politisch verdienstvoll zu wirken und so einen Rang zu erwerben, der sie (in besonderen Fällen) gesellschaftlich auf die Ebene des Dekurionenstandes anhob.

ich würde es als militärkaiser ausgesprochen nützlich finden, mich durch vergabe von pfründen beim establishment beliebt machen zu können

das ist jetzt aber meine spontane meinung, keine historische analyse
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#7
(22-12-2009, 22:40)petronius schrieb: ich würde es als militärkaiser ausgesprochen nützlich finden, mich durch vergabe von pfründen beim establishment beliebt machen zu können

Das haben sie auch. Für das Establishment standen einträgliche Ämter bereit. An einer Funktion im Rahmen des Kaiserkults waren Senatsadel und der Ritterstand nicht interessiert.

Das Wirken in den Augustalen war mit erheblichem Aufwand aus dem Privatvermögen der Mitglieder verbunden. Es haben sich so Minderprivilegierte unter Einsatz eines Teils ihres Vermögens gesellschaftliche Anerkennung erkauft.

MfG B.
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#8
(22-12-2009, 22:55)Bion schrieb: Für das Establishment standen einträgliche Ämter bereit. An einer Funktion im Rahmen des Kaiserkults waren Senatsadel und der Ritterstand nicht interessiert.

Das Wirken in den Augustalen war mit erheblichem Aufwand aus dem Privatvermögen der Mitglieder verbunden. Es haben sich so Minderprivilegierte unter Einsatz eines Teils ihres Vermögens gesellschaftliche Anerkennung erkauft

das ist natürlich ein noch besseres geschäftsmodell
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