(12-01-2010, 20:09)melek schrieb: Ich frage mich nur eben, ob die Naturgesetze und physikalischen Zusammenhänge tatsächlich so gegeben sind, wie wir sie wahrnehmen, oder ob das alles (also einschließlich unserer gesamten Naturwissenschaft) lediglich das Bild ist, welches wir uns aufgrund unseres Denkvermögens machen.
Ich habe vor einiger Zeit folgendes Argument gelesen:
Würden unsere physikalischen Experimente mit der dazu gehörenden Theorie (unsere Modellvorstellung) nicht übereinstimmen, dann würden sie nicht funktionieren.
Natürlich ist dieses Argument wechselseitig. Allerdings gibt es eine Vielzahl von unerwarteten, empirischen Ergebnissen, die exakt die Theorie bestätigen - allerdings manchmal auch die Theorie zu Fall bringen. Im ersten Fall ist man natürlich glücklich, denn die Theorie kann weiter verwendet werden.
Im zweiten Fall zeigt sich, dass eine bestimmte Vorstellung falsch war. Man hofft, im Laufe der Zeit, "die falschen Vorstellungen los zu werden".
Die Frage ob die Produktionsrate falscher Vorstellungen nicht vielleicht die Produktionsrate "funktionierender Modelle" überschreitet, ist noch nicht entschieden
.
Ähnliches gilt für die Evolution. Wir sind keineswegs ausentwickelt und unser Hirn lässt sich nachweislich täuschen, wenn wir unsere übliche Erfahrungswelt verlassen.
Vielleicht muss man es so formulieren: Wir haben eine gewisse, vorläufige Welterkenntnis, die wir erfolgreich nutzen (Laser, um eine Beispiel aus der Quantenphysik zu nennen). Wir dürfen nur den Blick auf die Beschränktheit nicht verlieren: Wir können keine "umfassende", "unbegrenzte" oder gar "absolute" Welterkenntnis erlangen.
(12-01-2010, 20:09)melek schrieb: Muss man es (das Gehirn) nicht eher als Instrument sehen, welches lediglich dem für uns wahrnehmbaren Teil der Welt eine gewisse Ordnung gibt, damit wir uns zurechtfinden?
Korrekt. Wir können aber mittels Abbildung durch Instrumente und durch Theoriebildung aus unsere "Mittelwelt" ausbrechen. Allerdings ist es für darin ungeübte Gemüter schwierig, die Ergebnisse zu "begreifen". Es ist deshalb für viele immer noch ein Wunder, dass sich Teilchenverhalten durch Wellen beschreiben lässt (Doppelspaltexperiment), und diese auch dort sind, wo gerade kein Teilchen ist.
Insofern hast du Recht: Wir nehmen die Welt keineswegs so wahr, wie sie ist. Aber, eine "richtige Theorie" vorausgesetzt, können wir in vielen Fällen zutreffende Ergebnisse berechnen.
Eine solche "richtige Theorie" ist unsere Welterkenntnis, eine bessere haben wir derzeit nicht.
Nur "Welterkenntnis" sagt noch nichts über Kategorien menschlichen Zusammenlebens aus. Wie wir menschliches Verhalten bewerten, wie wir es steuern, welche Ziele wir uns setzen, welchen Vorbildern anhängen, darüber sagt die Welterkenntnis nichts. Und dies leitet zu folgender Frage über:
(12-01-2010, 20:09)melek schrieb: Mein anderer Punkt, die Frage nach dem "Überkosmischen" ist natürlich nur spekulativ zu beantworten. Trotzdem würden mich Meinungen dazu interessieren. Gerne auch unter Einbeziehung von Gottesvorstellungen.
Der Kabarettist Jürgen Becker sagt es sinngemäß so:
Wir denken uns einen Punkt über uns, und betrachten uns selbst von dort aus. Das ist die Religion!
Das Nachdenken über Werte, Sinn und Geborgenheit nutzt tatsächlich diesen Trick. Wir betrachten unser Zusammenleben, das ja weitgehend durch unser Emotionen bestimmt wird, aus einer übergeordneten Ebene heraus. So fragen wir nach notwendigen Steuerungsmechanismen, um uns einerseits in der Welt heimisch zu fühlen, andererseits mit den Mitmenschen gut auszukommen. Und natürlich gelingen solche Betrachtungen am Besten durch Modelle mit übergeordneter Funktion. Anderenfalls drohen individuelle Interessen den Blick fürs Ganze zu verstellen.
Ich meine, man darf auch "überkosmisch" spekulieren. Nur, es muss klar bleiben, dass dieses Tun irdisch-menschliche Gründe hat - eine "geerdete Metaphysik" gewissermaßen. An anderer Stelle hatte ich geschrieben: Religion gehört auf die Erde.