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Schwangerschaftsabbruch
#1
Hey,

da in einem anderen Thread auf eine Sendung mit diesem Thema hingewiesen wurde (die ich leider nicht sehen konnte), dachte ich mir es wäre vieleicht interessant einmal über die ethische Position zu diskutieren.
Welche ethischen Bedenken gibt es bei einem Schwangerschaftsabbruch?
Ist Abtreibung in jedem Fall gerechtfertigt? Oder ist es immer Mord?
Besonders würde mich interessieren ob und welche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt sind? Ist es z.B. moralisch legitim eine Abtreibung vorzunehmen, weil die Aussicht besteht, dass das Kind behindert zur Welt kommen würde?

Ich weiß, ein kompliziertes und sensibles Thema. Was meint ihr dazu?
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#2
(30-03-2010, 23:19)Gundi schrieb: Welche ethischen Bedenken gibt es bei einem Schwangerschaftsabbruch?

Die Ethik muss/sollte sich sich danach richten, inwieweit das Kind selbst ein "gutes" Leben führen könnte und inwieweit das Leben der Eltern durch ein Kind beeinträchtigt werden könnte. Es ist niemandem geholfen ein Kind zu bekommen dass zb. aufgrund finanzieller Probleme sich (theoretisch) nie wird entfalten können. (sprich frei leben kann).

Das Argument des Lebens an sich ist keine Basis für eine vernünftige Ethik, denn das Leben der Eltern (ob medizinisch oder anderweitig) zu gefährden (besonders wenn kein Kind geplant war), ist nicht richtig. Ein Embryo ist erstmal nichts weiter als ein Embryo, kein Mensch mit Erinnerungen, Emotionen, einem Sozialleben.


Zitat:Ist Abtreibung in jedem Fall gerechtfertigt?

Wenn (nach umfassender Meinung der Ärzte) keine Gefahr für die Mutter besteht und sich (wenn sie/die Eltern es nicht wollen sollte/n) Adoptiveltern finden würden, die sowohl psychisch als auch finanziell in der Lage sind, sehe ich keinen gewichtigen Grund abzutreiben. (Natürlich muss bedacht werden wie es der Mutter bei dem Ganzen geht und wie sich das Hergeben des Kindes auf sie auswirken könnte.)


Zitat:Oder ist es immer Mord?

Nein. Mord ist ungerechtfertigtes Töten. Es gibt zahlreiche Szenarien in denen ein Schwangerschaftsabbruch diese Definition nicht erfüllt.


Zitat:Besonders würde mich interessieren ob und welche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt sind? Ist es z.B. moralisch legitim eine Abtreibung vorzunehmen, weil die Aussicht besteht, dass das Kind behindert zur Welt kommen würde?

Legitime Gründe sind für mich: Gefahr für die Mutter; wenn nicht die Möglichkeit gegeben ist das Kind richtig versorgen zu können (Stichwort Finanzen); wenn man durch eine Vergewaltigung schwanger geworden ist; wenn es einfach nicht geplant war und das Leben der Eltern (theoretisch) schwer darunter zu leiden hätte.
Im Falle einer Behinderung sehe ich Schwangerschaftsabbruch auch als (ethisch) legitim an.

1. Physische Abnormalität - wenn man unter körperlichen Beschwerden leidet kann das die eigene (Handlungs)Freiheit sehr dezimieren, außerdem kommen wohl in den meisten Fällen psychische Probleme dazu, weil man sich unweigerlich durch andere Menschen bewusst wird, was man selbst nicht kann.

2. Geisige Behinderung - das kommt darauf an, ob man selbst wissen wird, dass man behindert ist oder nicht. Ich meine, ein behinderter Mensch, der geistig so weit begrenzt ist dass er sich seiner Situation nicht bewusst ist kann auch ein glückliches Leben führen, bei jemandem, der sich bewusst ist dass er weit weniger intelligent ist als andere kann es zu psychischen Problemen kommen, muss es aber nicht.
Gerechtfertigt sehe ich es aber in jedem Fall, denn auch die Eltern werden - zumindest überwiegend - große Schwierigkeiten damit haben.


Zitat:Ich weiß, ein kompliziertes und sensibles Thema. Was meint ihr dazu?

Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass sich auch in den ungünstigsten Fällen (finanzieller Engpass, Behinderung) ein freier und glücklicher Mensch aus dem Baby entwickeln könnte. Diese Annahme ist aber meiner Ansicht nach keine legitime Grundlage für eine Ethik, da man sich im Moment der Schwangerschaft die momentane Ausgangssituation vor Augen halten muss; sieht diese nicht allzu rosig aus, sollte man einen Schwangerschaftsabbruch in Betracht ziehen. Wenn man Geschichten hört von Menschen, die aus ärmlichen Verhältnissen kommen und es durch harte Arbeit, Disziplin usw. geschafft haben sich zu verwirklichen ist das schön und gut, aber für die Meisten sieht die Realität ganz anders aus.


Kompliziert wird es auch wenn ein Elternteil das Kind will, ein anderer nicht. Oder wenn die Eltern oder besser die Mutter von anderen Personen (dem Vater, den Eltern) bedrängt wird, eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Als Basis muss einfach das Wohlergehen des Kindes und dass der Leute stehen, die in die Situation verwickelt sind. Anhand dessen muss dann jeder Fall individuell abgewägt werden.
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#3
(30-03-2010, 23:19)Gundi schrieb: Hey,

da in einem anderen Thread auf eine Sendung mit diesem Thema hingewiesen wurde (die ich leider nicht sehen konnte), dachte ich mir es wäre vieleicht interessant einmal über die ethische Position zu diskutieren.
Welche ethischen Bedenken gibt es bei einem Schwangerschaftsabbruch?
Ist Abtreibung in jedem Fall gerechtfertigt? Oder ist es immer Mord?
Besonders würde mich interessieren ob und welche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt sind? Ist es z.B. moralisch legitim eine Abtreibung vorzunehmen, weil die Aussicht besteht, dass das Kind behindert zur Welt kommen würde?

Ich weiß, ein kompliziertes und sensibles Thema. Was meint ihr dazu?

daß es wenig sinn hat, für andere verbindlich hier "moralische legitimität" zu diskutieren

jede frau im konfliktfall muß selber entscheiden, was sie vor sich selbst für moralisch vertretbar hält. ob ein gundi oder petronius das auch so sieht oder anders, ist unerheblich

wessen "ethische position" willst du diskutieren? die wohlfeile desjenigen, der sowieso nie in eine solche zwangslage kommen kann und daher leicht moralisieren hat?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#4
Hallo zusammen,

ich erinnere ganz leise daran, mit dem Thema vorsichtig umzugehen. Wir hatten diesen Bereich schon ein paar Mal und zu oft mußte das Thema dann wegen Streitereien geschlossen werden.
Also bitte nett und rücksichtsvoll bleiben Icon_lol
Gruß
Motte

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#5
Hey nidschki, vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: Die Ethik muss/sollte sich sich danach richten, inwieweit das Kind selbst ein "gutes" Leben führen könnte und inwieweit das Leben der Eltern durch ein Kind beeinträchtigt werden könnte. Es ist niemandem geholfen ein Kind zu bekommen dass zb. aufgrund finanzieller Probleme sich (theoretisch) nie wird entfalten können. (sprich frei leben kann).

Wie genau meinst du das mit nicht entfalten können?
Ich verstehe finanzielle Engpässe als Grund, wenn das Kind wahrscheinlich die ersten Jahre ohnehin nicht überleben würde (mangels Nahrung oder Wasser). Aber in Deutschland wäre so etwas wohl nicht der Fall.
Wie kann man vorher wissen, ob sich ein Kind entfaltet?


(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: Das Argument des Lebens an sich ist keine Basis für eine vernünftige Ethik, denn das Leben der Eltern (ob medizinisch oder anderweitig) zu gefährden (besonders wenn kein Kind geplant war), ist nicht richtig. Ein Embryo ist erstmal nichts weiter als ein Embryo, kein Mensch mit Erinnerungen, Emotionen, einem Sozialleben.

Ein sehr interessanter Punkt des Lebens an sich, der wahrscheinlich von der Kritikerseite gerne benutzt wird. Es ist natürlich fraglich ab wann man Leben definiert. Mit der Fusion von Spermium und Eizelle beginnt eigentlich der Lebenszyklus und die Entwicklung eines neuen Menschen.


.

(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb:
Zitat:Besonders würde mich interessieren ob und welche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt sind? Ist es z.B. moralisch legitim eine Abtreibung vorzunehmen, weil die Aussicht besteht, dass das Kind behindert zur Welt kommen würde?

Legitime Gründe sind für mich: Gefahr für die Mutter; wenn nicht die Möglichkeit gegeben ist das Kind richtig versorgen zu können (Stichwort Finanzen);

Vieleicht magst du etwas näher erläutern wie du das mit den Finanzen meinst?

(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: wenn man durch eine Vergewaltigung schwanger geworden ist;

Ich denke ein sehr wichtiger Grund

(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: wenn es einfach nicht geplant war und das Leben der Eltern (theoretisch) schwer darunter zu leiden hätte.

"Einfach nicht geplant" klingt sehr willkürlich. So nach dem Motto: ich möchte ersteinmal Karriere machen, da stört ein Kind. War es so in der Art gemeint?
Ich denke hier ist ein wichtiger Diskussionspunkt. Ab wann tragen die Eltern denn Verantwortung für ihr Kind?


(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: Im Falle einer Behinderung sehe ich Schwangerschaftsabbruch auch als (ethisch) legitim an.

1. Physische Abnormalität - wenn man unter körperlichen Beschwerden leidet kann das die eigene (Handlungs)Freiheit sehr dezimieren, außerdem kommen wohl in den meisten Fällen psychische Probleme dazu, weil man sich unweigerlich durch andere Menschen bewusst wird, was man selbst nicht kann.

2. Geisige Behinderung - das kommt darauf an, ob man selbst wissen wird, dass man behindert ist oder nicht. Ich meine, ein behinderter Mensch, der geistig so weit begrenzt ist dass er sich seiner Situation nicht bewusst ist kann auch ein glückliches Leben führen, bei jemandem, der sich bewusst ist dass er weit weniger intelligent ist als andere kann es zu psychischen Problemen kommen, muss es aber nicht.
Gerechtfertigt sehe ich es aber in jedem Fall, denn auch die Eltern werden - zumindest überwiegend - große Schwierigkeiten damit haben.

Würden wir damit einem behinderten Menschen nicht generell das Recht auf Leben absprechen, wenn wir Embryos mit Defiziten von vornherein aussortieren? Wir würden sie als zweitklassig degradieren, oder? Als Menschen für die es nicht lohnt geboren zu werden, da ihr Leben ohnehin versaut ist?
Und dürfen Eltern die Entscheidung aufgrund der Tatsache fällen, dass ihr Kind mit der Behinderung nicht glücklich wird? Mal davon abgesehen dass man das vorher nicht wissen kann, liegt es ja auch bei den Eltern wie sie ihrem Kind beibringen damit umzugehen.



(31-03-2010, 00:53)nidschki schrieb: Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass sich auch in den ungünstigsten Fällen (finanzieller Engpass, Behinderung) ein freier und glücklicher Mensch aus dem Baby entwickeln könnte. Diese Annahme ist aber meiner Ansicht nach keine legitime Grundlage für eine Ethik,

Verstehe. Ich denke aber (obwohl ich überhaupt nicht weiß wie ich in solch einer Situation reagieren würde) dass das Recht auf Leben (auch eines Neugeborenen) sehr wichtig ist und dies Grundlage für eine Ethik sein kann. Es sollten daher wirklich schon gravierende Umstände sein, die zu einem Schwangerschaftsabbruch führen (z.B. Vergewaltigung).
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#6
(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: daß es wenig sinn hat, für andere verbindlich hier "moralische legitimität" zu diskutieren

Niemand versucht hier etwas verbindliches zu erklären!!!


(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: wessen "ethische position" willst du diskutieren? die wohlfeile desjenigen, der sowieso nie in eine solche zwangslage kommen kann und daher leicht moralisieren hat?

Wieso sollen Männer nicht über so ein Thema diskutieren? Wenn ihre Frau schwanger ist, dann stehen als Väter auch sie vor solchen Problemen.
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#7
(31-03-2010, 13:47)Gundi schrieb:
(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: daß es wenig sinn hat, für andere verbindlich hier "moralische legitimität" zu diskutieren

Niemand versucht hier etwas verbindliches zu erklären!!!

dann ist es doch gut!

schön, daß wir uns darin eing sind, daß

es wenig sinn hat, für andere verbindlich hier "moralische legitimität" zu diskutieren

meine frage: was verstehst du dann unter "moralisch legitim"?

denn "legitim" klingt ja schon nach mehr als bloß für andere unverbindliche eigene meinung

(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb:
Zitat:wessen "ethische position" willst du diskutieren? die wohlfeile desjenigen, der sowieso nie in eine solche zwangslage kommen kann und daher leicht moralisieren hat?

Wieso sollen Männer nicht über so ein Thema diskutieren?

das war nicht meine frage. meine frage war:

wessen "ethische position" willst du diskutieren?

(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: Wenn ihre Frau schwanger ist, dann stehen als Väter auch sie vor solchen Problemen.

vor welchen problemen?

ihrer frau zu erklären, was "moralisch legitim" ist?

ich will nur wissen, wohin die diskussion hier führen soll. und ob wir uns denn einig sind, daß die betroffene frau entscheidet und niemand sonst das recht hat, eine entscheidung zu treffen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#8
(31-03-2010, 14:09)petronius schrieb: meine frage: was verstehst du dann unter "moralisch legitim"?

denn "legitim" klingt ja schon nach mehr als bloß für andere unverbindliche eigene meinung

Ich meinte ob bzw. unter welchen Umständen es moralisch vertretbar ist. Da ich keine Moralposition vorgab, beinhaltet das die Frage nach der Moral natürlich.

(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: das war nicht meine frage. meine frage war:

wessen "ethische position" willst du diskutieren?

Deine, meine, nidschkies, die der Religionen...und natürlich Philosophie. Jeder der meint eine Position zu vertreten, soll sich angesprochen fühlen mitzudiskutieren.



(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: vor welchen problemen?

ihrer frau zu erklären, was "moralisch legitim" ist?

Nein, vor dem Problem eines Schwangerschaftsabbruchs. Ich könnte mir denken dass auch Väter sich darüber Gedanken machen.

(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: ich will nur wissen, wohin die diskussion hier führen soll. und ob wir uns denn einig sind, daß die betroffene frau entscheidet und niemand sonst das recht hat, eine entscheidung zu treffen

Wieso darf der Vater überhaupt nicht mitbestimmen? Es ist doch auch sein Kind?
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#9
(31-03-2010, 13:44)Gundi schrieb: Wie kann man vorher wissen, ob sich ein Kind entfaltet?

mit ein wenig gesundem menschenverstand kann man da schon plausibilitäten entwickeln

natürlich kann niemand die entwicklung eines einzelnen menschen vorhersagen - aber es ist auch nicht zu bestreiten, daß nicht alle die gleichen chancen haben, egal was ihre soziale situation ist

so gilt z.b. in d eine eindeutige abhängigkeit zwischen wohlstand und bildung. hat also die mutter kein geld, sodaß zu erwarten ist, daß ihr kind in armut leben wird, so wird sie ihm auch keine guten chancen bieten können. und wenn die mutter das kind ablehnt, ihm also nicht liebe und fürsorge angedeihen läßt, wie das für ein wunschkind zu erwarten wäre, so wird das die chancen des kinds auf soziale festigung, bildung, emotionale rentwiclung etc. nicht befördern, sondern eher gefährden

Zitat:Ein sehr interessanter Punkt des Lebens an sich, der wahrscheinlich von der Kritikerseite gerne benutzt wird

von welcher kritikerseite?

zur untermauerung der kritik an der abtreibung?

ja, da wird gerne argumentiert, daß "leben an sich" absolut geschützt bzw. sogar "heilig" sei

was natürlich in mehrfacher hinsicht unfug ist

so existiert eben in keiner der hierzulande üblichen religionen ein absolutes tötungsverbot menschlichen lebens, und schon gar nicht in der säkularen rechtsprechung. immer gibt es situationen, in denen die tötung menschlichen lebens gerechtfertigt wird bzw. ist

außerdem ist jegliche festlegung, ab wann bzw. in welchem fall von "menschlichem leben" zu sprechen sei, eine rein willkürliche. natürlich auch die, daß das ab der rekombination der elterlichen dna der fall sei

Zitat:Vieleicht magst du etwas näher erläutern wie du das mit den Finanzen meinst?

äh - kinder kosten geld!

sie wollen essen, sie brauchen windeln und kleidung, wollen spielsachen, brauchen ein bett, um drin zu schlafen...

dafür muß man geld haben - welches ja nicht einfach so auf den bäumen wächst

Zitat:"Einfach nicht geplant" klingt sehr willkürlich. So nach dem Motto: ich möchte ersteinmal Karriere machen, da stört ein Kind

und was wäre daran falsch?

aber es geht nicht um die zwar schwachsinnige, aber gern populistisch gebrauchte alternative "kind oder karriere". man muß gar nicht karrieregeil sein, um zu sehen, daß und warum ein kind einfach nicht in die jeweilige lebenssituation paßt. z.b., weil kein geld da ist. oder kein partner. oder eine berufsausbildung dadurch behindert bis unmöglich genmacht würde

Zitat:Ab wann tragen die Eltern denn Verantwortung für ihr Kind?

spätestens, sobald es geboren ist

aber auch eine abtreibung kann aus der "verantwortung für das kind" resultieren, wie nidschki ja schon angedeutet hat. lieber einen zellhaufen abtreiben als einen menschen lebenslang erbärmlich vegetieren lassen

Zitat:Würden wir damit einem behinderten Menschen nicht generell das Recht auf Leben absprechen, wenn wir Embryos mit Defiziten von vornherein aussortieren?

davon hat nidschki ja nicht gesprochen. solche eugenik-horrorfantasien sind nicht angebracht

Zitat:Als Menschen für die es nicht lohnt geboren zu werden, da ihr Leben ohnehin versaut ist?

du hast eine sehr drastische ausdrucksweise. aber im grunde ist es so: ein leben voller schmerzen z.b. dürfte wohl nicht "lohnender" sein als es nicht erleiden zu müssen

Zitat:Und dürfen Eltern die Entscheidung aufgrund der Tatsache fällen, dass ihr Kind mit der Behinderung nicht glücklich wird? Mal davon abgesehen dass man das vorher nicht wissen kann, liegt es ja auch bei den Eltern wie sie ihrem Kind beibringen damit umzugehen

na klasse. wie stellst du das an, einem schwerstbehinderten, schwer leidenden "beizubringen, damit umzugehen?"

was sagst du dem spastisch gelähmten, der seine gleider nicht unter kontrolle hat, dem kind mit mucoviszidose, das sich täglich die lunge aus dem leib husten muß, dem patienten mit spina bifida aperta, der gelähmt ist, blase und darm nicht kontrollieren kann, weil sein rückenmark offen liegt?

Zitat:Ich denke aber (obwohl ich überhaupt nicht weiß wie ich in solch einer Situation reagieren würde) dass das Recht auf Leben (auch eines Neugeborenen) sehr wichtig ist

das recht auf leben eines geborenen steht außer frage und ist auch fest in der rechtsprechung verankert

wir reden bei abtreibung aber von einem embryo, der sich doch sehr von einem geborenen unterscheidet, vor allem was bewußtsein und andere an das vorhandensein eines zns gekoppelte funktionen betrifft
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
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#10
Gundi schrieb:Wie genau meinst du das mit nicht entfalten können?
Ich verstehe finanzielle Engpässe als Grund, wenn das Kind wahrscheinlich die ersten Jahre ohnehin nicht überleben würde (mangels Nahrung oder Wasser). Aber in Deutschland wäre so etwas wohl nicht der Fall.
Wie kann man vorher wissen, ob sich ein Kind entfaltet?

Ich habe zuletzt eh noch geschrieben, dass man den tatsächlichen Werdegang eines Menschen natürlich nicht vorhersagen kann. Dass mit dem finanziellen Engpass sehe ich nicht unbedingt auf die grundlegenden Dinge wie Ernährung oder Wassermangel reduziert, sondern vielmehr auf eine allgemein schlechte Situation, die nicht viel Freiraum lässt für Entfaltung. Damit meine ich, wenn jemand in ärmliche Verhältnisse hineingeboren wird hat er es grundsätzlich schwerer als andere, seine Träume zu erfüllen. Dem Satz "Geld macht glücklich" stimme ich nicht einfach so zu, aber ohne ein gewisses Maß an Geld ist (auch in Deutschland) Selbstverwirklichung schwer zu erreichen.
Wenn also eine ohnehin arme Familie (arm heißt sie können sich grundlegende Dinge wie Nahrung/Wasser/ein Dach über dem Kopf leisten) ein Baby bekommt, verschlechtert sich die Situation möglicherweise noch mehr. Ich sage nicht dass Abtreibung dann von vornherein die bessere Lösung wäre, nur, dass sie in meinen Augen legitim wäre.


Zitat:Ein sehr interessanter Punkt des Lebens an sich, der wahrscheinlich von der Kritikerseite gerne benutzt wird. Es ist natürlich fraglich ab wann man Leben definiert. Mit der Fusion von Spermium und Eizelle beginnt eigentlich der Lebenszyklus und die Entwicklung eines neuen Menschen.

Ich stimme zu, dass die Entwicklung eines Menschen beginnt, aber wie schon geschrieben ist es für mich wichtig zu differenzieren, dass ein Embryo kein Leben im sozialen und kulturellen Sinn hat. Würde das Leben von Menschen beeinträchtigt werden, die eben ein Leben in diesem Sinne haben sehe ich einen Schwangerschaftsabbruch als gerechtfertigt an.


Zitat:"Einfach nicht geplant" klingt sehr willkürlich. So nach dem Motto: ich möchte ersteinmal Karriere machen, da stört ein Kind. War es so in der Art gemeint?
Ich denke hier ist ein wichtiger Diskussionspunkt. Ab wann tragen die Eltern denn Verantwortung für ihr Kind?

Ich meine, 2 Menschen schlafen miteinander, passen zwar auf aber trotzdem kommt es zu einer Schwangerschaft. Es war einfach nicht geplant dass sie ein Kind bekommen. Verantwortung sollte nicht so streng verpflichtend sein, dass sie sich gezwungen fühlen diesem Kind das Leben zu schenken. Vor allem wenn sie korrekterweise verhütet haben.

Wenn von vornherein aber nicht verhütet wird (nicht mangels Aufklärung sondern weil sie es nicht wollten (so einen Fall hab ich vor Jahren in einer Talkshow gesehen)) dann sehe ich die Verpflichtung dass sich die "Eltern" genauestens über die Situation informieren und Adoption in Betracht ziehen.
(Das Motto "ungeschützt Sex haben und dann ein Kind einfach abtreiben" zieht bei meiner Ethik nicht.)


Zitat:Würden wir damit einem behinderten Menschen nicht generell das Recht auf Leben absprechen, wenn wir Embryos mit Defiziten von vornherein aussortieren? Wir würden sie als zweitklassig degradieren, oder? Als Menschen für die es nicht lohnt geboren zu werden, da ihr Leben ohnehin versaut ist?
Und dürfen Eltern die Entscheidung aufgrund der Tatsache fällen, dass ihr Kind mit der Behinderung nicht glücklich wird? Mal davon abgesehen dass man das vorher nicht wissen kann, liegt es ja auch bei den Eltern wie sie ihrem Kind beibringen damit umzugehen.

Ganz sicher! Auf etwas à la Eugenische Versuchung will ich nicht hinaus. Ich meine nur, wenn von vornherein klar ist dass ein Mensch gewisse Defizite haben wird die sein Leben (zumindest sehr wahrscheinlich) erschweren werden, sollte man gut darüber nachdenken wie mit der Situation umzugehen ist.
Natürlich gibt es viele Paare die behinderte Kinder haben und gut mit damit umgehen können.

Für jemanden der nicht in so einer Lage ist mag die Realität ganz anders aussehen als für die tatsächlich Betroffenen. Wenn ich mir vorstelle, mein ganzes Leben in einem Rollstuhl zu sitzen hört sich das für mich absolut furchtbar an. Ich stelle mir vor wie ich andere sehe die unbeschwert und frei gehen können und wie ich sie beneiden würde.
Aber ich kann natürlich nicht sagen ob das für die Betroffenen wirklich so ist. Vielleicht gehen sie mit ihrer Behinderung viel besser um als ich mir das je vorstellen könnte...


Zitat:Verstehe. Ich denke aber (obwohl ich überhaupt nicht weiß wie ich in solch einer Situation reagieren würde) dass das Recht auf Leben (auch eines Neugeborenen) sehr wichtig ist und dies Grundlage für eine Ethik sein kann. Es sollten daher wirklich schon gravierende Umstände sein, die zu einem Schwangerschaftsabbruch führen (z.B. Vergewaltigung).

Wie ich selbst in so einer Situation umgehen würde weiß ich auch nicht. Im Moment sage ich: das Recht auf Leben ist zwar gut, aber nicht um jeden Preis (also wenn das Kind das Leben bereits fest im Leben verankerter Personen umwerfen würde). Ich kann nur spekulieren ob ich mich auch daran halte wenn ich selbst in diese Situation komme.
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#11
Petronius schrieb:wir reden bei abtreibung aber von einem embryo, der sich doch sehr von einem geborenen unterscheidet, vor allem was bewußtsein und andere an das vorhandensein eines zns gekoppelte funktionen betrifft

Exakt, der Punkt ist ganz wichtig. Etwas wie der Silent Scream (en.wikipedia.org/wiki/The_Silent_Scream) kommt in den seltensten Fällen vor. Es geht generell um Embryos, und sofern diese noch kein Nervensystem entwickelt haben ist die Frage des Schmerzes substanzlos.
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#12
(31-03-2010, 14:23)Gundi schrieb:
(31-03-2010, 14:09)petronius schrieb: meine frage: was verstehst du dann unter "moralisch legitim"?

denn "legitim" klingt ja schon nach mehr als bloß für andere unverbindliche eigene meinung

Ich meinte ob bzw. unter welchen Umständen es moralisch vertretbar ist. Da ich keine Moralposition vorgab, beinhaltet das die Frage nach der Moral natürlich

du beantwortest meine frage nicht. ob du nun sagst "legitim" oder "vertretbar" - das läuft aufs selbe hinaus

wer definiert mit welchem recht, was moralisch "legitim" oder "vertretbar" ist? und für wen?

kann man überhaupt etwas anderes sagen als, daß man vor sich selbst und für sich selbst etwas für moralisch vertretbar hält?

(31-03-2010, 14:23)Gundi schrieb:
Zitat:wessen "ethische position" willst du diskutieren?

Deine, meine, nidschkies, die der Religionen...und natürlich Philosophie. Jeder der meint eine Position zu vertreten, soll sich angesprochen fühlen mitzudiskutieren

laß es mich anders formulieren: während ich "moral" noch weitgehend als individuelle einstellung ansehe, bezieht sich "ethik" auf ein das individuum übergreifendes prinzip, welches damit automatisch eine gewisse verbindlichkeit beansprucht. eine "ethische position" ist daher mehr als "ich würde das so sehen, aber natürlich kann das jeder anders handhaben". und ich frage mich eben, was das formulieren einer "ethischen position" zu dingen, mit denen man nie selber konfrontiert werden kann, wert ist

wenn ich sowieso vegetarier bin, kann ich mich leicht auf die "ethische position" stellen, daß fleischverzehr mord an tieren ist. für den, der nur über fleischverzehr auf seine täglichen kalorien kommen kann, schaut die sache schon ein wenig komplizierter aus

(31-03-2010, 14:23)Gundi schrieb: Nein, vor dem Problem eines Schwangerschaftsabbruchs. Ich könnte mir denken dass auch Väter sich darüber Gedanken machen

so sie sich denn überhaupt um die jeweilige frau gedanken machen, sicher. ihr "problem" ist dennoch ein ganz anderes als das der ungewollt schwangeren

(31-03-2010, 14:23)Gundi schrieb:
(31-03-2010, 09:32)petronius schrieb: ich will nur wissen, wohin die diskussion hier führen soll. und ob wir uns denn einig sind, daß die betroffene frau entscheidet und niemand sonst das recht hat, eine entscheidung zu treffen

Wieso darf der Vater überhaupt nicht mitbestimmen? Es ist doch auch sein Kind?

wir sind uns also nicht einig, daß die betroffene frau entscheidet und niemand sonst das recht hat, eine entscheidung zu treffen. oder wie soll ich deine gegenfrage verstehen?

wärst du so freundlich, zu präzisieren, ob jemand anderes als die ungewollt schwangere die entscheidung über abtreibung oder nicht fällen darf?

sicher darf der vater mitreden. er soll es sogar und die frau nicht in ihrem konflikt alleine lassen. mitzubestimmen aber hat er nicht - weder trägt er die leibesfrucht aus noch wird er ein leben lang für das geborene verantwortlich sein, wie es die mutter ist

schau dir nur mal an, wieviele frauen sitzengelassen werden, auch oder gerade wenn sie ein kind bekommen. nichts leichter, als als erzeuger (mit) zu bestimmen, daß nicht abgetrieben wird, und sich dann doch aus dem staub zu machen

nein, im endeffekt bleibt alles an der frau hängen. niemand kann vorhersagen, ob und welche unterstützung durch andere, z.b. den kindsvater, sie haben wird. daher ist es auch allein ihre entscheidung
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#13
Gibt es denn biologisch gesehen einen definitiven Zeitpunkt, ab dem ein Embryo Umweltreize wahrnehmen kann?
Damit meine ich keine Verallgemeinerung a la "64 Tage nach Befruchtung" sondern einen bestimmten Punkt in
der Entwicklung des Lebewesens wie z.B. die Ausbildung des ZNS oder bestimmter Gehirnregionen.

Eine Antwort auf diese Frage würde die ganze Thematik wesentlich vereinfachen. Von der abstrakten Betrachtungs-
weise, dass sich aus den zwei Ursprungszellen einmal dies und das entwickeln KÖNNTE mal abgesehen, würde sich
die Abtreibung und damit Abtötung einer Lebensform, die ihre Umwelt nicht (bewusst) wahrnimmt, nicht von dem
Treiben eines Kammerjägers oder dem Zerquetschen einer Fliege unterscheiden.
Der Wissenschaftler denkt über seine Umwelt nach, entwirft eine Theorie die sie erklären soll, überprüft seine Theorie anhand von Experimenten an der Realität, verwirft sie wenn sie sich als falsch erweist und sucht nach einer besseren Erklärung.
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#14
Vertritt außer religiösen Institutionen überhaupt jemand den Standpunkt, ein Leben müsse in jedem Fall geschützt werden? Diese Denkweise rührt doch vermutlich daher, dass vor ein paar tausend Jahren Frauen kein Mitspracherecht hatten und die Väter dringend einen männlichen Nachfolger brauchten, um ihre Existenz zu sichern.
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#15
(31-03-2010, 15:14)nidschki schrieb: Vertritt außer religiösen Institutionen überhaupt jemand den Standpunkt, ein Leben müsse in jedem Fall geschützt werden? Diese Denkweise rührt doch vermutlich daher, dass vor ein paar tausend Jahren Frauen kein Mitspracherecht hatten und die Väter dringend einen männlichen Nachfolger brauchten, um ihre Existenz zu sichern.

Ja, natürlich. In der Philosophie (Ethik) gibt es solche Meinungen.
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