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"die wissenschaft hat festgestellt..."
#1
"...daß coca-cola schnaps enthält"

so haben wir es als jugendliche am lagerfeuer gesungen, nachdem die ganze affenbande die geklaute kokosnuß wiedergefunden hatte und bevor das allseits beliebte "lied von der sch****" ("sch**** durch ein sieb geschossen/gibt die schönsten sommersprossen...") gegrölt wurde

ok, ein nonsenslied - und doch auch eine nur zu gerechtfertigte satire auf die oft und gern verbreitete wissenschaftsgläubigkeit (ich erinnere unter anderem an die auf der seite "vermischtes" der tageszeitungen gern zitierten "amerikanischen wissenschaftler")

ich ärgere mich immer wieder darüber, wenn (in der regel von gläubiger seite) den atheisten pauschal eben jene naive wissenschaftsgläubigkeit vorgeworfen wird, also: "was nicht (natur)wissenschaftlich erklärt werden kann, kann auch nicht sein" bzw. "es existiert ausschließlich das, was (natur)wissenschaftlich erklärbar ist und alles andere ist einbildung"

ich halte eine solche haltung des "was ich nicht erklären kann, gibts auch nicht" für derart offenkundig dumm, daß ich ganz persönlich die unterstellung solchen denkens eben als beleidigung empfinde. anscheinend aber (siehe den thread zur homöopathie) existiert sie tatsächlich, ja wird von anderen atheisten als mir selbst für selbstverständlich gehalten, und wer sie nicht teilt, ist abergläubisch oder esoteriker

daher halte ich es für angebracht, meine (wiederum ganz persönliche) haltung zu erklären:

wie hamlet, der sich seinem freund gegenüber erklärt (There are more things in heaven and earth, Horatio, / Than are dreamt of in your philosophy), meine auch ich:

Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich erträumen lässt

das ist schon deshalb der fall, weil wissen einerseits eben immer begrenzt ist, und andererseits ja auch ständig erweitert wird. das wissen von heute ist das unbekannte von gestern, und was wir heute nicht erklären können, mag im wissen von morgen selbstverständlich sein. also: nur weil wir heute etwas noch nicht erklären können, muß es sich nicht zwangsläufig um bloße einbildung handeln

als ignaz semmelweis mitte des vorvergangenen jahrhunderts ärztliche hygiene als mittel gegen das "kindbettfieber" (heute: bakterielle infektion der wöchnerin) forderte, wurde er von all denen, die jene haltung des "wofür es keine erklärung gibt, das kann auch nicht sein" kultivierten (also der etablierten ärzteschaft seiner zeit) ausgelacht und angefeindet. kein wunder: daß mikroorganismen krankheiten verursachen, wiesen koch, pasteur et al. ja erst viel später nach

andererseits darf man natürlich auch nicht voraussetzen, daß alles heute noch nicht erklärbare irgendwann seine (natur)wissenschaftliche erklärung finden wird, es also nur eine frage der zeit ist (und möge diese zeitspanne auch gegen unendlich gehen), bis wir "alles" (natur)wissenschaftlich erklärt haben werden (sodaß die reale existenz des nicht erklärbaren tatsächlich auszuschließen wäre)

es gibt vieles, wo mensch einfach sagen muß: da scheint etwas zu sein, aber was es tatsächlich ist, wie und warum es funktioniert, das wissen wir nicht. wir wissen nicht, ob es sich "um einbildung handelt", wir bloß noch keine erklärung gefunden haben, oder der erklärungsmechanismus gar auf einem anderen als dem gebiet der (natur)wissenschaft liegt

(so meine ich etwa, daß z.b. vieles im bereich der psychotherapie nicht (natur)wissenschaftlich erklärt und in doppelblindversuchen usw. eindeutig und reproduzierbar nachzuweisen ist. trotzdem akzeptieren wir die psychotherapie als behandlungs-, ja heilmethode)

selbstverständlich gilt dieser ansatz nicht nur für den medizinischen bereich, sondern auch für den religiösen, ja esoterischen. nur weil ich "gott" oder die wirksamkeit schamanischer arbeit nicht erklären kann, bin ich nicht berechtigt, ihre existenz kategorisch auszuschließen. sehr wohl aber kann ich skeptisch sein und meine zustimmung verweigern, wenn mir jemand sagt, er wisse, wie das ganze funktiniere und zu erklären sei - ohne das aber belegen zu können

also: ich kann die existenz einer "höheren macht" ("gott") nicht ausschließen. ich habe aber auch keine veranlassung, sie für evident zu halten - nur weil mir jemand erzählt, daß dem so sei

ich glaube meinen freunden durchaus, wenn sie mir von ihren schamanischen reisen erzählen - was aber nicht heißt, daß ich ihre erklärungsmuster für zwangsläufig zutreffend halte

und ich sehe, daß menschen auf die behandlung mit homöopathika mit heilung reagieren. woraus nicht folgt, daß irgendwas an geschichten über wasser mit gedächtnis dran ist

wenn atheismus darin bestehen soll, nur für real zu halten, was sinnlich faßbar und rational erklärbar ist - dann bin ich kein atheist. nennt mich also skeptiker: ich schließe nichts grundsätzlich aus - um mich aber zu überzeugen, sollte man sich schon gute argumente einfallen lassen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#2
Hallo, Petronius,

Du bist Skeptiker im allerbesten Sinne. Dein statement gefällt mir, vielem kann ich ohne Wenn und Aber zustimmen.

Gruss

DE
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#3
Lieber Petronius,
gutes Statement.

Bleib dir treu ;o)
Herzliche Grüße
As Salamu Aleikhum
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#4
Nun, Petronius, was du beschreibst, ist (zumindest) Teil der naturwissenschaftlichen Methodenlehre. Sie sagt zu nicht reproduzierbaren, nur von Wenigen beschriebenen, weitgehend subjektiv gefärbten Phänomenen ja nicht, dass sie nicht existieren. Die Methode verzichtet auf eine Beschreibung mit ihren Mitteln. Diese bestehen aus nur wenigen Maximen, zu denen insbesondere die Wiederholbarkeit, die allgemeine Beobachtbarkeit, die Auswahl der einfachsten aller Erklärungen und der Verzicht auf a priori - Bewertungen gehören.

Gesellschaftliche und religiöse Urteile (Wahrheiten) fallen schon deshalb aus dieser Methodenlehre heraus, weil sie Wertungen a priori in die Beschreibung einführen (etwas sehr weit Verbreitetes!). Ebenso fallen Berichte heraus, die sich absichtlich nicht auf konkrete Orte und Zeiten festlegen lassen wie z. B. der Schöpfungsmythos.

Daher stimme ich mit der Skepsis und deiner Sichtweise vollkommen überein und wollte nur aufzeigen, dass es sich dabei um die ganz normale Sicht bzw. Haltung des Naturwissenschaftlers handelt.

Religiöser Glaube oder atheistische Weltanschauung haben mit dieser Haltung nichts zu tun. Das sind ganz andere Kategorien, die etwas mit den Sinn- und Wertvorstellungen des Menschen zu tun haben. Die wissenschaftliche Methode kann bestenfalls abzählen, wie viele Menschen bestimmte Glaubenssätze unterschreiben, oder was unser Hirn treibt, wenn wir Situationen und Verhalten bewerten.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#5
(20-07-2010, 18:03)Ekkard schrieb: Nun, Petronius, was du beschreibst, ist (zumindest) Teil der naturwissenschaftlichen Methodenlehre

das hatte ich doch zumindest gehofft Icon_smile

ich sehe mich schon als durch mein fachgebiet geprägt an - wenn ich auch darüber in der hitze des gefechts vielleicht das verständnis dafür ausblende, daß andere eben auch eine andere vorbildung haben


auch sonst stimme ich dir voll zu
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#6
Ekkard schrieb:Religiöser Glaube oder atheistische Weltanschauung haben mit dieser Haltung nichts zu tun. Das sind ganz andere Kategorien, die etwas mit den Sinn- und Wertvorstellungen des Menschen zu tun haben. Die wissenschaftliche Methode kann bestenfalls abzählen, wie viele Menschen bestimmte Glaubenssätze unterschreiben, oder was unser Hirn treibt, wenn wir Situationen und Verhalten bewerten.
Das wird aber offensichtlich von vielen Nichtgläubigen/Atheisten nicht wahrgenommen. Und da beginnt m.A. nach auf der Seite auch das Schubladendenken.

Alleine nur gegen die Anschauungswelt eines Gläubigen aus der Warte aus dagegen zu "schießen", ist keine wirkliche Alternative. Allenfalls eine Verdrängung in der eigenen Anschauungswelt, weil m.A, das "dagegen-sein" auch nur eine Art von Verdrängung in eigener Ansicht ist. Wäre das nicht der Fall, was spräche dagegen, einfach zu respektieren?!

Gruß
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#7
(21-07-2010, 21:38)alwin schrieb: Alleine nur gegen die Anschauungswelt eines Gläubigen aus der Warte aus dagegen zu "schießen", ist keine wirkliche Alternative. Allenfalls eine Verdrängung in der eigenen Anschauungswelt, weil m.A, das "dagegen-sein" auch nur eine Art von Verdrängung in eigener Ansicht ist. Wäre das nicht der Fall, was spräche dagegen, einfach zu respektieren?!
Sorry, Alwin, hab' nicht alles verstanden ...
Wahrscheinlich meinst du in meinen Worten Folgendes: Gegen eine religiöse oder weltanschauliche Meinung aus der eigenen Warte zu argumentieren, ist wenig sinnvoll. Denn die eigene Anschauungsweise kann vom Anderen her gesehen, in gleicher Weise angegriffen werden.
Strenge Anschauungsweisen versuchen sich gegenseitig zu verdrängen, was natürlich auf einen ideologischen Kampf hinaus läuft (ein Gewinner, ein Verlierer).
Würde man auf die Verdrängungsmechanismen verzichten, sich also gegenseitig respektieren, fiele dieser Kampf zugunsten gewisser Kooperationen aus.

Wenn das so richtig wiedergegeben wurde, dann postulierst du "Toleranz", die natürlich bei zentralen Fragen durchaus "weh tut"! Und sie ist nicht durch ideologiegetränkte Gefühle zu haben, sondern nur durch fleißiges Ausloten dessen, was man über die vorhandenen Gegensätze hinweg gemeinsam tun kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#8
Ekkard schrieb:Würde man auf die Verdrängungsmechanismen verzichten, sich also gegenseitig respektieren, fiele dieser Kampf zugunsten gewisser Kooperationen aus.
Da stimme ich Dir erst einmal zu.
Den darauf folgenden Absatz muß ich mir erst einmal vor Augen führen, was Du da vermutlich wirklich meinst. Die Aussage ist mir nicht ganz klar.. Sorry.

Ich frage mich momentan - ohne weitere Reflektion - was da weh tun sollte. Respekt bedeutet doch eine Form von Akzeptanz auf beiden Seiten, wenn der Respekt auch von beiden Seiten vollzogen wird. Das setzte ich voraus.

Daß eine andere Ansicht, die zu respektieren gilt, nicht in das eigene Denkschema passt, ist klar, daher die Forderung nach Respekt. Einfach nur Respekt zu haben bedeutet ja nicht, eine andere Meinung auch zu akzeptieren, aber anzuerkennen, daß es eine andere Auffassung/Meinung geben kann. - Oder gehe ich da aus meinem ersten Ansatz total vorbei?

Gruß
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#9
(23-07-2010, 18:51)alwin schrieb: Daß eine andere Ansicht, die zu respektieren gilt, nicht in das eigene Denkschema passt, ist klar, daher die Forderung nach Respekt. Einfach nur Respekt zu haben bedeutet ja nicht, eine andere Meinung auch zu akzeptieren, aber anzuerkennen, daß es eine andere Auffassung/Meinung geben kann

worin konkret äußert sich dieser respekt, wie du ihn praktizierst?

woraus sich vielleicht gleich die antwort auf die frage ergibt, warum du wann etwas als respektlosigkeit beurteilst

das ist mir nämlich noch nicht klar: wer die adressaten deiner klage sind
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
Wie war das mit Diskussionen? Reichlich plumper Versuch Deinerseits....

Gruß
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#11
(24-07-2010, 21:11)alwin schrieb: Wie war das mit Diskussionen? Reichlich plumper Versuch Deinerseits....

ich habe dir fragen gestellt, schon um zu wissen, um was es dir eigentlich geht

du reagierst - wie immer halt...
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#12
Toleranz:
(23-07-2010, 18:51)alwin schrieb: Ich frage mich momentan - ohne weitere Reflektion - was da weh tun sollte.
Nun, da gibt es etliche Beispiele: Streng gläubige halten Sexualität für Teufelszeug außer in der Ehe. Das kann bei der Begegnung mit liberal gesinnten Menschen durchaus zu erheblichen Problemen führen. Oder die Auffassung vom Schöpfungsbericht als Mythos führt bei strenggläubigen Menschen zu heftigem Widerspruch. Also tut Toleranz in manchen Fällen im übertragenen durchaus Sinne weh.

Respekt:
(23-07-2010, 18:51)alwin schrieb: Respekt bedeutet doch eine Form von Akzeptanz auf beiden Seiten, wenn der Respekt auch von beiden Seiten vollzogen wird. Das setzte ich voraus.
Das bestreite ich ja nicht. Gleichwohl kann dieser Respekt doch mit Unbehagen gewährt werden, was ich auch unter weh Tun subsummiere. Da fällt es doch schon schwer, den Mund zu halten und die Meinung des Partners (nach voran gegangenen Austausch der Ansichten) unwidersprochen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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