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Pantheistisch inspirierte Bibelübersetzung?
#1
Ich habe hier im Forum schon manches über Bibelübersetzungen und ihren Bezug zu Konfessionen gelesen, also über Übersetzungen, die entweder eher den Lutheranern, den Zwinglianern, den Calvinisten, den Katholiken, den Mormonen oder den Zeugen Jehovas etc. "passen".

Meine Überlegung war und ist: Meister Eckhart, Angelus Silesius (bedingt) und auch und besonders Jakob Böhme sind ja das, was ich vor zwei Jahren mal in einem Thread als "christliche Pantheisten" oder "pantheistische Christen" thematisiert habe.

Diese müssen ja auch ihre Sicht aus der Bibel haben, also Passagen pantheistisch interpretieren. Und da frage ich mich, ob das wohl auch an den Übersetzungen gelegen haben könnte bzw. heute bei christlichen Pantheisten immer noch liegt?!

Oder noch kurzer (und klarer): Gibt es eine "pantheistisch inspirierte" Bibelübersetzung?

Gruss

DE
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#2
(17-08-2010, 11:23)Der-Einsiedler schrieb: Oder noch kurzer (und klarer): Gibt es eine "pantheistisch inspirierte" Bibelübersetzung?

Lieber Einsiedler,

ich denke nicht, dass man zu einer mir bekannten Bibelübersetzung sagen könnte, sie sei pantheistisch inspiriert. Allerdings findet man pantheistisches Denken in den Texten durchaus vor.

Apg 17,28, zum Beispiel, oder 2Petr 1,3-4.

(17-08-2010, 11:23)Der-Einsiedler schrieb: Meine Überlegung war und ist: Meister Eckhart, Angelus Silesius (bedingt) und auch und besonders Jakob Böhme sind ja das, was ich vor zwei Jahren mal in einem Thread als "christliche Pantheisten" oder "pantheistische Christen" thematisiert habe.

Überall dort, wo von christlicherseits Plotin aufgegriffen wird, zieht der Pantheismus desselben mit ein. Pantheistisch-christliches ist bei Pseudo-Dionysios ebenso vorzufinden, wie bei Johannes Scotus Eriugena, Cusanus und natürlich auch bei den von Dir Genannten.

Bruno haben wir in diesem Sinne schon einige Male entsprechend gewürdigt.

Liebe Grüße B.
MfG B.
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#3
Lieber Bion,

danke. Dein Wissen ist enorm... Wenn man irgendwas Textliches "braucht", hast Du IMMER was, dafür bin ich sehr dankbar.

Danke auch für die Hinweise auf die Bibelstellen.

Lieben Gruss aus dem völlig verregneten Rheinland

DE
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#4
Ich gehe mal nur auf Meister Eckhart ein.

Ich habe eine Ausgabe (von Josef Quint), in der die ersten 59 deutschen Predigten enthalten sind. Inzwischen sind 86 der deutschen Predigten veröffentlicht.

So gut wie alle Predigttexte - auf die sich Eckhart in seiner Predigt bezieht - in meiner Ausgabe sind auf Latein. Eckhart übersetzt sie zwar dann zwar zu Beginn seiner Predigt ins Deutsche, aber ich habe den Eindruck, dass er sie selbst übersetzt.

Die lateinischen Bibeltexte des Neuen Testamentes habe ich stichwortartig in der Vulgata überprüft - sie scheinen von dort zu stammen.

Die lateinischen Bibeltexte des Alten Testamentes hingegen habe ich in der Vulgata nicht gefunden. Da hat Eckhart offenbar eine andere Quelle gehabt, die ich so schnell nicht ausfindig machen konnte. Eventuell werde ich aber in kurzer Zeit schlauer sein, da es ein neues Buch über Eckhart gibt,
.amazon.de/Meister-Eckhart-Christentums-Kurt-Flasch/dp/3406600220/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1282051020&sr=8-1]Kurt Flasch, Meister Eckhart: Philosoph des Christentums[/url]
das ich bestellt habe.

Ich denke, dass es eine pantheistische Bibelübersetzung nicht gibt.
Was Meister Eckhart auszeichnet, ist seine Art der Deutung der Bibeltexte.

Diese genauer zu charakterisieren, wäre hier wohl OT, und eine knappe Charakterisierung könnte dann auch falsch verstanden werden. Zumindest dies kann vielleicht gesagt werden: Meister Eckhart liest die Texte nicht historisch, sondern bildhaft.
Eventuell hat er da sein Vorbild in der vierfachen jüdischen Exegese?
Aber das ist nur eine Vermutung von mir.
Nach der Lektüre von Kurt Falsch weß ich das vielleicht genauer.
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#5
Liebe Karla,

danke schön... Dann googel ich mich mal durch, ob irgendeine Bibelübersetzung wortnahe auf der Vulgata basiert.

Herzlichen Dank für Deine Mühe und liebe Grüsse

DE
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#6
(17-08-2010, 15:20)Karla schrieb: Eventuell werde ich aber in kurzer Zeit schlauer sein, da es ein neues Buch über Eckhart gibt,
.amazon.de/Meister-Eckhart-Christentums-Kurt-Flasch/dp/3406600220/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1282051020&sr=8-1]Kurt Flasch, Meister Eckhart: Philosoph des Christentums[/url]
das ich bestellt habe.

Hallo Karla,

es freut mich, dass Du wieder zurück bist!

Flaschs Buch zum philosophischen Denken Meister Eckharts ist in der Tat empfehlenswert. Auch Flasch greift mehrmals den über Plotin vermittelten Geist in der Philosophie Eckharts auf.

Eine Stelle, die die Idee vom "göttlichen Intellekt" beschreibt, will ich gerne zitieren:

Kurt Flasch schrieb:Die Philosophie der Gotteskindschaft brauchte Eckhart nicht erst zu erfinden. Dass Gott den Logos erzeugt und dass der Logos in der Seele eines jeden Menschen leuchtet, dieser gemeinsame Boden Plotins und Augustinus war der Ausgangspunkt. Von Philosophie der Gotteskindschaft hatte, wie erwähnt, Albert gesprochen, nicht in einem theologischen Buch, sondern bei der Kommentierung des Aristoteles: Wer dem göttlichen Intellekt verbunden ist, wird selbst göttlich (divinus). Ein solcher Mensch scheine eher der Sohn Gottes als eines Menschen zu sein. Dafür zitierte Albert nicht das Johannesevangelium, sondern den Heiden Homer, und sein Zusammenhang war die Erklärung der peripatetischen Theorie des Intellekts. Denn es sei der Intellekt, der den Menschen mit Gott verbinde.

Grüße B.
MfG B.
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#7
Ich korrigier erst mal den Link, den ich da irgendwie verdaddelt habe:

amazon.de/gp/product/3406600220/ref=ord_cart_shr?ie=UTF8&m=A3JWKAKR8XB7XF]Kurt Flasch, Meister Eckhart: Philosoph des Christentums[/url]

Zum Rest ein andermal.
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#8
(17-08-2010, 15:20)Karla schrieb: Ich denke, dass es eine pantheistische Bibelübersetzung nicht gibt.
Was Meister Eckhart auszeichnet, ist seine Art der Deutung der Bibeltexte.

Diese genauer zu charakterisieren, wäre hier wohl OT, und eine knappe Charakterisierung könnte dann auch falsch verstanden werden. Zumindest dies kann vielleicht gesagt werden: Meister Eckhart liest die Texte nicht historisch, sondern bildhaft.
Eventuell hat er da sein Vorbild in der vierfachen jüdischen Exegese?
Aber das ist nur eine Vermutung von mir.
Nach der Lektüre von Kurt Falsch weß ich das vielleicht genauer.

Ist Meister Eckhart nicht ein Mystiker?

Wenn doch, legt er sie wohl eher aus seinen eigenen Erkenntnissen in Gebet und/oder Versenkung aus.
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#9
(18-08-2010, 01:15)agnostik schrieb: Ist Meister Eckhart nicht ein Mystiker?

Viele bezeichnen ihn so. Er selber nannte sich nicht so - wie wohl überhaupt die Bezeichnung 'Mystiker' meist von Nicht-Mystikern stammt.

Ja, das Interessante ist, dass der erwähnte Kurt Flasch hinterfragt, ob er überhaupt ein Mystiker war.


agnostik schrieb:Wenn doch, legt er sie wohl eher aus seinen eigenen Erkenntnissen in Gebet und/oder Versenkung aus.

Josef Quint zählt ihn zu den spekulativen Mystikern. Diese gehen vieles gedanklich durch. Und Eckhart war zweifellos bewandert in der Ontologie des Mittelalters.

Woher aber seine Sicht der Dinge kommt, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Die Kontemplation war sicher ein Teil des Tages bei den Dominikanern, aber Eckhart scheint sich zum Beispiel von der damalig heftig aufgeblühten Frauenmystik zu unterscheiden. Es entstanden jede Menge Frauenkloster, zu denen Eckhart ständig unterwegs war, um dort seine Predigten zu halten. Seine Predigten sind auch nur in Niederschriften seiner Zuhörer(innen) enthalten.

Also muss er von ihnen auch verstanden worden sein.
Dennoch denke ich, dass Eckhart sich nie in gefühlsmäßige Erregungen hineingesteigert hat, wie es von der Frauenmystik in Einzelfällen übeliefert ist.

Nachtrag:
Der Link zu dem Flasch-Buch ist ja schon wieder zerstört. Das liegt offenbar am Forum. Denn erst geht der Link immer.
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#10
Liebe Karla,

bei mir klappt der Link. Danke dafür

Lieben Gruss

DE
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#11
(18-08-2010, 01:15)agnostik schrieb: Ist Meister Eckhart nicht ein Mystiker?

Wie Karla schon angemerkt hat: es wäre zu kurz gegriffen, Meister Eckhart "nur" mit Mystiker zu benennen und damit möglicherweise seine Bedeutung als Philosoph zu übersehen.

In seinem philosophischen Denken war er von Albertus Magnus und Dietrich von Freiberg angeregt. Er vertritt eine neuplatonische Position und greift vielfach auch das Denken von Augustinus und (Pseudo-)Dionysius Aeropagita auf. Auch jüdisch-arabische philosophische Positionen (Averroes) sind in seinem Werk auffindbar.

Eine seiner Kernaussagen ist:

Der Schöpfungsprozess ist ewig und findet außerhalb der Zeit statt.

Damit nähert er sich der (kirchlich verurteilten) Annahme des Aristoteles, wonach die Welt ewig sei. Gott ist das Eine, das alles Seiende durchströmt. Das Sein selbst ist Gott.

Das Sein als ein absolutes aber kommt nur Gott zu (und zwar zusammen mit den termini generales: verum, bonum, sapientia, usw.), hingegen ist das Geschaffene, von sich her gesehen, reines Nichts (unum purum nihil). Wenn es aber ist, ist es von Gott, das heißt, sein Sein ist ihm ewig geliehen.
MfG B.
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#12
(18-08-2010, 09:14)Bion schrieb: Eine seiner Kernaussagen ist:

Der Schöpfungsprozess ist ewig und findet außerhalb der Zeit statt.

Damit nähert er sich der (kirchlich verurteilten) Annahme des Aristoteles, wonach die Welt ewig sei. Gott ist das Eine, das alles Seiende durchströmt. Das Sein selbst ist Gott.

... und nimmt in gewisser Weise, lieber Bion, damit einiges von Spinoza vorweg, zumindest auf einer (noch-)nicht-rationalistischen Ebene. Oder sehe ich das falsch?

Lieben Gruss

DE
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#13
(18-08-2010, 10:09)Der-Einsiedler schrieb:
(18-08-2010, 09:14)Bion schrieb: Eine seiner Kernaussagen ist:

Der Schöpfungsprozess ist ewig und findet außerhalb der Zeit statt.

Damit nähert er sich der (kirchlich verurteilten) Annahme des Aristoteles, wonach die Welt ewig sei. Gott ist das Eine, das alles Seiende durchströmt. Das Sein selbst ist Gott.

... und nimmt in gewisser Weise, lieber Bion, damit einiges von Spinoza vorweg, zumindest auf einer (noch-)nicht-rationalistischen Ebene. Oder sehe ich das falsch?

Stimmt, solche Gedanken findet man bei Spinoza auch und etwa 100 Jahre nach ihm bei jenen, die sein Werk begeistert aufgegriffen und manches weitergedacht hatten, bei Herder, Goethe und im deutschen Idealismus.

Die neue Begeisterung für Spinoza war übrigens (ohne es zu wollen) durch Jacobi veranlasst worden. Dieser geriet mit Mendelssohn über die Frage in Streit, ob Spinozismus mit Pantheismus (was nach Jacobis Auffassung gleichbedeutend mit Atheismus war) gleichzusetzen sei (F. H. Jacobi: Über die Lehren des Spinoza…).

Jacobi meinte auch, von Spinoza inspiriertes pantheistisches Denken im Werk Lessings vorzufinden, womit er nicht ganz unrecht hatte.

Die Auseinandersetzung ging unter "Pantheismusstreit" in die Philosophiegeschichte ein.

Schöne Grüße B.
MfG B.
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#14
(19-08-2010, 00:52)Bion schrieb: Die Auseinandersetzung ging unter "Pantheismusstreit" in die Philosophiegeschichte ein.

Genau! Ich danke Dir, dass Du auf diesen so wichtigen Streit hinweist. Der Wikipedia-Artikel zum Pantheismusstreit ist übrigens recht gut, finde ich:

de.wikipedia.org/wiki/Pantheismusstreit

Lieben Gruss

DE
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#15
Scheffler (Angelus Silesius) war bestimmt kein Pantheist, sondern ein vom Luthertum zum "römischen" "Katholizismus" konvertierter Fanatiker. Dass er bewusst irgend etwas gesagt oder geschrieben hat, was er für mit der Lehre seiner neuen Kirche für unvereinbar hielt, ist unvorstellbar.

Er war allerdingd ein Mystiker, der oft schon beim Anblick der konsekrierten Oblate in Verzückung geriet, und sich vor allem in seinen eher poetischen Texten bemüht hat, diese Erfahrungen zu verstehen und anderen zu erklären, um sie ebenfalls dorthin zuführen.

Während der "Wandersmann" eindeutig zu den schönsten deutschen Büchern gehört, sollte man seine Prosa-Schriften nur lesen, wenn man nach Gründen dafür sucht, seinen Konfessionswechsel nachzuahmen.

Von einer Tätigkeit Schefflers als Übersetzer habe ich bisher nirgendwo etwas gelesen.
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