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Kann religiöser Glaube Ausschließlichkeitscharakter haben?
#1
Der Hauptgrund, warum ich mich vom Christentum abgewendet habe, war dessen Ausschließlichkeitsanspruch. "Niemand kommt zum Vater denn durch mich."

Die Meinungen zum Ausschließlichkeitsanspruch eines Glaubens interessieren mich aber ganz allgemein.
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#2
(21-08-2010, 22:53)agnostik schrieb: Der Hauptgrund, warum ich mich vom Christentum abgewendet habe, war dessen Ausschließlichkeitsanspruch. "Niemand kommt zum Vater denn durch mich."
Die Meinungen zum Ausschließlichkeitsanspruch eines Glaubens interessieren mich aber ganz allgemein.
Es ist irgenwie witzig, wie leicht man selber auf die Lesart der Wortgläubigen hereinfallen kann. Man findet auch in den Buddha-Sutren derartige Dinge.
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." kann man natürlich als Exklusivanspruch auslegen, aber eben auch als das Gegenteil - als etwas ganz Universelles: Den Weg, die Wahrheit und das Leben.

Eihei Dogen, der Begründer der japanischen Soto-Line schreibt im Genjokoan:
"Sich selbst vorantragen um die zehntausend Dinge zu bezeugen ist Verirren. Dass die zehntausend Dinge fortschreiten und uns selbst übend bezeugen ist Erwachen"

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#3
Ich meine auch beobachtet zu haben, dass der Satz „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ manche Leute wegen des anscheinenden oder scheinbaren Ausschließlichkeitscharakters fasziniert.

So sehr fasziniert, dass sie diese Religion nur wegen ihres Ausschließlichkeitscharakters angenommen haben oder vertreten.

Würde man ihnen nachweisen, dass dieser Satz ganz anders gemeint ist, werden sie das leugnen, mit Händen und Füßen.

Sie werden zur Not die Gottähnlichkeit der Bibel behaupten, nur damit sie etwas als ausschließlich wahr behaupten und Gegenargumente so vom Tisch fegen können.

Auch der Satz „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ kann durch das Studium des Kontextes und des griechischen Originals anders verstanden werden als im Sinne der Ausschliießlichkeit.
Auch dies wird vom Tisch gefegt werden, weil die Ausschlißelichkeit offenbar ein Grundbedürfnis ist.

Es ist am Ende also eine psychologische Frage, warum Menschen es benötigen, an die Eine Wahrheit glauben zu können.
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#4
Hallo, agnostik,

ich frage mich gerade, ob es überhaupt eine "Religion" geben kann, die keinen Ausschliesslichkeitsanspruch erhebt?

Ich denke, selbst der Buddha war trotz aller Toleranz gegenüber den Wegen anderer Lehrer, davon überzeugt, dass sein Weg der richtige ist. Und wenn man bedenkt, dass er vor seiner "vollkommenen Erwachung" zahllose andere Wege versucht hat, die alle nicht zu Ziel geführt haben, bekommt seine Lehre ab dem Zeitpunkt, ab dem er sie zu lehren begann, doch auch eine Art "Ausschliesslichkeitsanspruch", oder...?

Nachdenklich:

DE
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#5
Der Ausschluss anderer Weltanschauungen entspricht einer inneren Notwendigkeit. Denn was wahr ist, schließt alles andere aus.

Aber wir wissen aus philosophischen Überlegungen heraus, dass es bei neutraler Betrachtung von Deutungssystemen keine eindeutige Wahrheit gibt. Wie ein Zustand oder eine Handlungsweise bewertet wird, hängt von den gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen ab.

Also muss eine Weltanschauung zwangsläufig eine Vielzahl anderer definitiv ausschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#6
Ich denke mal, es hat auch etwas mit der eigenen Rechtfertigung zu tun und damit einem Teil einer Daseinsberechtigung.

Gruß
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#7
(22-08-2010, 10:36)Ekkard schrieb: Also muss eine Weltanschauung zwangsläufig eine Vielzahl anderer definitiv ausschließen.


Für einen selber vermutlich schon. Ich kann die Welt im Moment nicht anders anschauen als ich es grad tue. Kann in einigen Jahren oder bereits morgen aber wieder anders gelagert sein.

Definitiv ausschließen aber tut die Tatsache, dass man die Welt im Moment so und nicht anders sieht, keinesfalls, dass die Welt von Mensch X oder Mensch Z anders angeschaut wird. Das kann in einem Atemzug geschehen: bei mir wird die Welt so angeschaut, bei dir wird sie so angeschaut.

Weshalb man aber das Bedürfnis hat, den anderen in das eigene System zu zwängen, kann ich mir nicht anders erklären als durch Herrschsucht. Man will gerne über die Gedanken anderer herrschen, kann nicht ertragen, dass sie die Freiheit in Anspruch nehmen, sie selber zu sein und anders zu denken als man selber.


Ekkard schrieb:Denn was wahr ist, schließt alles andere aus.


Der Machtmensch denkt so, ja. Er definiert ja 'Wahrheit' extra so, dass sie nur auf eine einzige Ansicht passt. Er nimmt seine Sicht selber als Maß aller Dinge und behauptet: 'Meine Sicht ist absolut. Meine Sicht ist die einzige Wahrheit.'
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#8
Soweit klar. An einer Stelle ein Hinweis:
(22-08-2010, 11:43)Karla schrieb: Weshalb man aber das Bedürfnis hat, den anderen in das eigene System zu zwängen, kann ich mir nicht anders erklären als durch Herrschsucht. Man will gerne über die Gedanken anderer herrschen, kann nicht ertragen, dass sie die Freiheit in Anspruch nehmen, sie selber zu sein und anders zu denken als man selber.
Hier spielen aber auch gruppendynamische Prozesse eine Rolle, die bestenfalls eine latente Herrschsucht, hervor holen bzw. wirksam werden lassen. Eine Gesellschaft neigt lt. Psychologie dazu, die Mitglieder zusammen zu binden und sich gegen "Außen" durch bestimmte Sondermerkmale abzuschotten.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
Stimmt. Mangelnde innere Standfestigkeit treibt nicht selten in Gruppen, wo das Gruppen-Ich dann das eine wackelige Ich kompensiert oder ersetzt. Auch da geht es dann - vielleicht - wieder um Herrschsucht im Namen der Gruppe.

Obwohl Herrschsucht insgesamt - egal, ob als Identifikation mit einer Gruppe oder im eigenen Namen - wahrscheinlich insgesamt auf mangelnder innerer Sicherheit beruht. Wer über sich selber nicht ausreichend Herr ist, will es dann über andere sein.

Das gilt natürlich auch für nicht-religiöse Menschen. Die Verachtung von religiösen Menschen resutliert ja aus genau dem Gleichen. Man selber habe die Wahrheit, die Gläubigen aber nicht. Man verlangt Beweise und akzeptiert nicht, dass für viele Wahrheit gar nichts mit Beweisen zu tun hat.
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#10
(22-08-2010, 06:10)Karla schrieb: Es ist am Ende also eine psychologische Frage, warum Menschen es benötigen, an die Eine Wahrheit glauben zu können.

klar. so wie esja überhaupt letztlich eine psychologische frage sein dürfte, warum sich menschen eine transzendente autorität konstruieren

das bedürfnis,sich über andere erheben zu können, wird natürlich durch einen alleinvertretungsanspruch der "wahrheit" befriedigt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#11
(22-08-2010, 06:10)Karla schrieb: Auch der Satz „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ kann durch das Studium des Kontextes und des griechischen Originals anders verstanden werden als im Sinne der Ausschliießlichkeit.
Wie kann er denn aus dem Kontext heraus anders verstanden werden? Wie kann er anders übersetzt werden und auf Grund welcher griechischen Ausdrücke und deren Bedeutungsumfang?
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#12
(22-08-2010, 00:47)anna4 schrieb: [quote='agnostik' pid='88074' dateline='1282424023']
Der Hauptgrund, warum ich mich vom Christentum abgewendet habe, war dessen Ausschließlichkeitsanspruch. "Niemand kommt zum Vater denn durch mich."
Die Meinungen zum Ausschließlichkeitsanspruch eines Glaubens interessieren mich aber ganz allgemein.
Es ist irgenwie witzig, wie leicht man selber auf die Lesart der Wortgläubigen hereinfallen kann. Man findet auch in den Buddha-Sutren derartige Dinge.
[/quote]

Moment - sie sind *nach Deiner Meinung* bzw. der Meinung Deiner Lehrer/Schule des Buddhismus falsch ausgelegt worden.

Zu behaupten, dass sie von "Wortgläubigen" "falsch ausgelegt" worden seien is schon wieder ein Absolutheitsanspruch für Deine Auslegung.

(22-08-2010, 00:47)anna4 schrieb: [quote='agnostik' pid='88074' dateline='1282424023']
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." kann man natürlich als Exklusivanspruch auslegen, aber eben auch als das Gegenteil - als etwas ganz Universelles: Den Weg, die Wahrheit und das Leben.

Im Kontext der beiden Sätze aber doch wohl nicht.

Man kann doch sicherlich nicht einfach 3 Worte aus dem Satzkontext nehmen und dazu den 2. Satz, der sich auf den 1. bezieht, ignorieren.

Das, was Du sagst, müsste wohl heißen: "Der Weg, die Wahrheit und das Leben führen zum Vater"oder noch abgewandelter: Der Weg, die Wahrheit und das Leben

Also für mich ist das bisher eine eindeutige Aussage.

(22-08-2010, 00:47)anna4 schrieb: [quote='agnostik' pid='88074' dateline='1282424023']
Eihei Dogen, der Begründer der japanischen Soto-Line schreibt im Genjokoan:
"Sich selbst vorantragen um die zehntausend Dinge zu bezeugen ist Verirren. Dass die zehntausend Dinge fortschreiten und uns selbst übend bezeugen ist Erwachen"

Dem kann ich durchaus zustimmen - aber Meine Überzeugung ist ja auch einfach nur das: EINE Überzeugung Icon_lol
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#13
Lieben ist der Weg zur Liebe. Durch lieben zur Liebe (kommen). Alles was den Menschen abtrennt vom Lebendigen, entzweit den Menschen mit sich, der All-Einheit.
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#14
(22-08-2010, 09:06)Der-Einsiedler schrieb: Hallo, agnostik,

ich frage mich gerade, ob es überhaupt eine "Religion" geben kann, die keinen Ausschliesslichkeitsanspruch erhebt?

Ich denke, selbst der Buddha war trotz aller Toleranz gegenüber den Wegen anderer Lehrer, davon überzeugt, dass sein Weg der richtige ist. Und wenn man bedenkt, dass er vor seiner "vollkommenen Erwachung" zahllose andere Wege versucht hat, die alle nicht zu Ziel geführt haben, bekommt seine Lehre ab dem Zeitpunkt, ab dem er sie zu lehren begann, doch auch eine Art "Ausschliesslichkeitsanspruch", oder...?

Nachdenklich:

DE

Nein, sehe ich nicht so.

Er hat gesagt, dass er selbst bei all diesen Lehrern nicht das gefunden hatte, was er suchte. Er hat nicht gesagt, dass niemand es bei ihnen finden kann oder dass sie selbst nicht erleuchtet waren. Vielleicht nicht "vollständig" wie er - das kann man noch rauslesen.

Sicher war er überzeugt, dass sein Weg richtig ist, auch der beste - aber ich habe bisher nichts gefunden, wo er gesagt hat, dass es der einzige ist.

Man darf auch nicht vergessen, dass er gesagt hat: die Lehre sei der Finger, der zum Mond zeigt, nicht der Mond selbst.

und

Sie sei das Boot, das einen (mal erst - mein Zusatz) ans andere Ufer bringt. Dort angekommen, müsse man das Boot zurücklassen. Was wohl bedeutet, dass dann jeder auf sich selbst gestellt ist, wie er den Weg weitergeht.

Und zum 1.: Die Religionen bzw. Strömungen, die begrifflich im Hinduismus zusammengefasst sind, sagen das gerade nicht aus.
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#15
(22-08-2010, 10:36)Ekkard schrieb: Der Ausschluss anderer Weltanschauungen entspricht einer inneren Notwendigkeit. Denn was wahr ist, schließt alles andere aus.

Aber wir wissen aus philosophischen Überlegungen heraus, dass es bei neutraler Betrachtung von Deutungssystemen keine eindeutige Wahrheit gibt. Wie ein Zustand oder eine Handlungsweise bewertet wird, hängt von den gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen ab.

Also muss eine Weltanschauung zwangsläufig eine Vielzahl anderer definitiv ausschließen.

Nein.

In dem Moment, wo ich mir darüber im Klaren bin, dass meine Meinung genau so gut falsch sein kann wie die der Anderen, entfällt diese Notwendigkeit.
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