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Ist die Hybris mancher "Vertreter" abrahamitischer Religionen, das eigene religiös-philosophische Denken "über alles andere" zu stellen, gerechtfertigt oder kommt solche Überheblichkeit nur zustande, weil "das andere" nur unzureichend bekannt ist, es oft nur - durch polemisch untersetzte Interpretation entstellt - verzerrt wahrgenommen wird?
MfG B.
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(29-08-2010, 10:11)Bion schrieb: Ist die Hybris mancher "Vertreter" abrahamitischer Religionen, das eigene religiös-philosophische Denken "über alles andere" zu stellen, gerechtfertigt oder kommt solche Überheblichkeit nur zustande, weil "das andere" nur unzureichend bekannt ist, es oft nur - durch polemisch untersetzte Interpretation entstellt - verzerrt wahrgenommen wird?
keine rechtfertigung, aber eine erklärung:
unser abendländisches denken ist nun mal geprägt durch eine lange tradition des christlichen monotheismus, welche zwar ihrerseits antikes gedankengut vornehmlich der griechischen denkkultur aufgenommen, adaptiert und transformiert, dies aber eher verschwiegen bzw. kaschiert hat. andere denkweisen anzuerkennen und zuzulassen ist uns historisch unvertraut - die idee eines unvoreingenommen pluralismus der kulturen wie der philosophischen traditionen ist eine entwicklung der jüngeren zeit. naturgemäß tun sich konservative gemüter schwer damit, umso mehr, als das natürlich auch am eigenen ego der kulturphilosphischen überlegenheit kratzt
den anschein letzterer aufrechtzuerhalten fällt umso leichter (stichwort: selbstbetrug), wenn man das fremde erst gar nicht näher kennenlernt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Es wird ein Mix sein aus unterschiedlichen Anteilen wie Hybris, Unkenntnis der Geschichte und Inhalte der anderen Religionen, die es nun mal gibt seit Menschengedenken. Teilweise gesellen sich Desinteresse, Ignoranz und eine breite Gleichgültigkeit hinzu.
Dennoch ist zu beobachten, wie aufgeschlossen und mit Neugier und Interesse, Fremdes und Exotisches gern in die eigene Kultur aufgenommen und als Gewinn wahrgenommen wird.
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Meines Erachtens spielt "Egoismus" und der natürliche Selbsterhaltungstrieb des Menschen auch eine gewisse Rolle, der ihn dazu bringt davon auszugehen dass nur er die Wahrheit kennt und nur sein Weg der richtige ist.
As Salamu Aleikhum
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(29-08-2010, 14:26)Ebru schrieb: Es wird ein Mix sein aus unterschiedlichen Anteilen wie Hybris, Unkenntnis der Geschichte und Inhalte der anderen Religionen, die es nun mal gibt seit Menschengedenken. Teilweise gesellen sich Desinteresse, Ignoranz und eine breite Gleichgültigkeit hinzu.
Dennoch ist zu beobachten, wie aufgeschlossen und mit Neugier und Interesse, Fremdes und Exotisches gern in die eigene Kultur aufgenommen und als Gewinn wahrgenommen wird.
Wir konnte hier schon oft genug erleben, wie sehr mangelhaftes Wissen von Christen und Muslimen über die Religion der jeweils anderen zu zum Teil absurder Deutung von Glaubensinhalten führte.
Das verstärkt sich natürlich, wenn aufgrund nicht vorhandenen Wissens über "exotische" Gesellschaften und Religionen geurteilt wird.
MfG B.
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29-08-2010, 22:12
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29-08-2010, 22:13 von Bion.)
(29-08-2010, 12:50)petronius schrieb: keine rechtfertigung, aber eine erklärung:
unser abendländisches denken ist nun mal geprägt durch eine lange tradition des christlichen monotheismus, welche zwar ihrerseits antikes gedankengut vornehmlich der griechischen denkkultur aufgenommen, adaptiert und transformiert, dies aber eher verschwiegen bzw. kaschiert hat. andere denkweisen anzuerkennen und zuzulassen ist uns historisch unvertraut - die idee eines unvoreingenommen pluralismus der kulturen wie der philosophischen traditionen ist eine entwicklung der jüngeren zeit. naturgemäß tun sich konservative gemüter schwer damit, umso mehr, als das natürlich auch am eigenen ego der kulturphilosphischen überlegenheit kratzt
So sehe ich das auch.
Erstaunlich ist, wie wenig sich "konservative Gemüter" – auch wenn sie gelehrt sind – damit abfinden wollen, dass das, was Christentum heute ausmacht, aus einer Vielzahl von Ideen geboren und über viele Jahrhunderte hindurch entsprechend adaptiert wurde.
Es war ja nicht nur griechischer Geist, der dem Christentum "Seele eingehaucht" hat. Auch gnostische Deutungsmuster, die zum Teil nichtgriechischen Ursprungs sind, haben die christliche Theologie der Spätantike (und damit auch das Denken danach) beeinflusst.
Gnostisches Denken ist bereits im johanneischen Schriftgut wahrzunehmen. Mit der Lehre des jüdischen Wanderpredigers hat dieses nicht mehr viel zu tun.
MfG B.
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(29-08-2010, 10:11)Bion schrieb: Ist die Hybris mancher "Vertreter" abrahamitischer Religionen, das eigene religiös-philosophische Denken "über alles andere" zu stellen, gerechtfertigt oder kommt solche Überheblichkeit nur zustande, weil "das andere" nur unzureichend bekannt ist, es oft nur - durch polemisch untersetzte Interpretation entstellt - verzerrt wahrgenommen wird? (29-08-2010, 12:50)petronius schrieb: keine rechtfertigung, aber eine erklärung: unser abendländisches denken ist nun mal geprägt durch eine lange tradition des christlichen monotheismus, welche zwar ihrerseits antikes gedankengut vornehmlich der griechischen denkkultur aufgenommen, adaptiert und transformiert, dies aber eher verschwiegen bzw. kaschiert hat. andere denkweisen anzuerkennen und zuzulassen ist uns historisch unvertraut - die idee eines unvoreingenommen pluralismus der kulturen wie der philosophischen traditionen ist eine entwicklung der jüngeren zeit. naturgemäß tun sich konservative gemüter schwer damit, umso mehr, als das natürlich auch am eigenen ego der kulturphilosphischen überlegenheit kratzt
den anschein letzterer aufrechtzuerhalten fällt umso leichter (stichwort: selbstbetrug), wenn man das fremde erst gar nicht näher kennenlernt Ich stimme der Erklärung von Petronius durchaus zu, sehe dieses Verhalten aber weniger emotional. Ob da etwas an meinem Ego kratzt, ist mir herzlich gleichgültig. Generell richtig ist die Feststellung, dass Fremdes zunächst einmal Angst erzeugt. Es ist ja nicht einfach so, dass Bücher- und Zeitschriften, Radio und Fernsehen aus dem kulturellen Nachbarkosmos berichten. Die Konfrontation findet ja unter menschlichen Gruppen statt, die einander fremd sind - und damit in Frontstellung, wenn man dem erzieherisch nicht entgegen wirkt.
In unserer (evangelichen) Gemeinde wird dies durch bewusst herbei geführte Begegnungen zu beidseits interessierenden Themen betrieben. Begleitet werden diese Begegnungen durch jeweils eigene, vorbereitende Gesprächskreise, die sich mit den religiösen Vorstellungen des jeweils anderen beschäftigen. Lokal sind diese Bemühungen durchaus erfolgreich.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(29-08-2010, 22:25)Ekkard schrieb: Generell richtig ist die Feststellung, dass Fremdes zunächst einmal Angst erzeugt. Es ist ja nicht einfach so, dass Bücher- und Zeitschriften, Radio und Fernsehen aus dem kulturellen Nachbarkosmos berichten. Die Konfrontation findet ja unter menschlichen Gruppen statt, die einander fremd sind - und damit in Frontstellung, wenn man dem erzieherisch nicht entgegen wirkt.
Wobei ich auch an die Geringschätzung alter Religionen gedacht habe, der man nicht selten begegnet. Über alte Religionen wird so manches Urteil gebildet, ohne dass man sich mit ihnen ausreichend beschäftigt hätte.
Ist es nicht tief "in der christlichen Seele" verwurzelt, altes (vorchristliches) religiöses Denken – mit Ausnahme der jüdischen Religion - als "Aberglaube" abzutun?
MfG B.
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Damit wären wir dann wieder bei der Diskussion um Ausschließlichkeitsvorstellungen. Meines Erachtens kann man zwar alle möglichen anderen Religionslehren studieren. Aber - mehr oder weniger heftig - umsetzen, wird man nur ein eingeschränktes System, nämlich jenes in der eigenen Gesellschaft. Überheblichkeit kann, muss aber kein Beweggrund sein, andere Religionslehren abzulehnen. Unwissenheit: ja, zusammen mit Unkenntnis grundlegender psychologischer Probleme.
Andere Religionslehren, insbesondere alte Religionen, lehren uns, dass unsere, gegenwärtige Religionen gar seltsamen Mythen nachhängen, die wir jedoch nicht bewusst wahrnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(29-08-2010, 23:23)Ekkard schrieb: Meines Erachtens kann man zwar alle möglichen anderen Religionslehren studieren. Aber - mehr oder weniger heftig - umsetzen, wird man nur ein eingeschränktes System, nämlich jenes in der eigenen Gesellschaft. Überheblichkeit kann, muss aber kein Beweggrund sein, andere Religionslehren abzulehnen. Unwissenheit: ja, zusammen mit Unkenntnis grundlegender psychologischer Probleme.
Dem stimme ich zu!
Allerdings kann man, wenn man sich mit der Kulturgeschichte alter Gesellschaften beschäftigt, nicht selten feststellen, dass so manches, was als jüdische oder christliche Kulturschöpfung gilt, schon einmal da war.
(29-08-2010, 23:23)Ekkard schrieb: Andere Religionslehren, insbesondere alte Religionen, lehren uns, dass unsere, gegenwärtige Religionen gar seltsamen Mythen nachhängen, die wir jedoch nicht bewusst wahrnehmen.
Wir (beide) haben das schon oftmals festgestellt: Es gilt, Mythen als solche wahrzunehmen und ihnen im eigenen Denken den entsprechenden Platz zuzuordnen.
Sich vom Mythos zu lösen, ohne die Tradition zu verwerfen, das hat vor rund 2500 Jahren schon Konfuzius vorgelebt. "Er opferte den Geistern, als ob sie da wären", wird über ihn berichtet (Lun-yü, III, 12).
Handeln aufgeklärte Christen nicht ähnlich?
MfG B.
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(30-08-2010, 11:10)Bion schrieb: Sich vom Mythos zu lösen, ohne die Tradition zu verwerfen, das hat vor rund 2500 Jahren schon Konfuzius vorgelebt. "Er opferte den Geistern, als ob sie da wären", wird über ihn berichtet (Lun-yü, III, 12).
Handeln aufgeklärte Christen nicht ähnlich? Wenn ich mal von mir auf andere schließe, dann ja. Mitarbeit in einer Gemeinde schließt ja die Mythen nicht unbedingt vor allem nicht durchgängig ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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