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Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte
#1
Vitoria (Wurde das WTC gesprengt?, Beitrag # 60) schrieb:…hier (2;191): "Und tötet sie (d.h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu fassen bekommt und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben!"

melek (Wurde das WTC gesprengt?, Beitrag # 69) schrieb:“Wenn sie aber aufhören, so ist Allah Allverzeihend, Barmherzig.
Und kämpft gegen sie, bis es keine Verwirrung (mehr) gibt und die Religion Allah gehört. Wenn sie aber aufhören, so soll es keine Gewalttätigkeit geben außer gegen diejenigen, die Unrecht tun. [2:190 - 193] "


Es geht auch bei diesen Versen um die Verteidigung gegen die "Ungläubigen".

Sobald deren Aggression vorbei ist, darf man sie nicht mehr bekämpfen.

Weniges aus dem Koran wird (auch unter Muslimen) so unterschiedlich interpretiert, wie die Verse 2,190-193.

Manche legen diese Versen als Auftrag aus, gegen Ungläubige rücksichtslos vorgehen zu müssen, andere sehen sie als Gebot der Mäßigung, als Mahnung, die Mordlust im Krieg zu zügeln, nur zu kämpfen, wenn die Gemeinschaft der Muslime bedroht ist.

Diese Verse sind weder eine Anweisung, alle Ungläubigen zu ermorden, noch ein Gebot, das Angriffskriege untersagt. Die Verse sind schlicht und einfach Vorgaben des Propheten, die seine "Gefährten" bei der Rückeroberung Mekkas zu berücksichtigen hatten.

Den Muslimen des ersten Jahrhunderts nach Mohammed war das noch bekannt und für sie somit kein Hindernis, die Expansionskriege zu führen, die sie, wie man weiß, innerhalb kürzester Zeit das persische Sassanidenreich, die östlichen Teile des byzantinischen Reichs, Nordafrika und einen guten Teil Spaniens überrennen ließen.

Tilman Nagel beurteilt Sure 2, 190f. folgendermaßen:

T. Nagel schrieb:In Sure 2, in der Mohammed zum ersten Mal ins einzelne gehende rituelle Vorschriften für seine Anhängerschaft erlässt, betrachtet er diese insgesamt als eine Schar, die von ihrem angestammten Kultort vertrieben wurde und daher die Aufgabe hat, mit Waffengewalt die Rückkehr zu erstreiten:

"Kämpft auf dem Pfade Allahs gegen diejenigen, die euch bekämpfen, verübt aber keine Exzesse! Allah liebt nicht diejenigen, die Exzesse begehen. Tötet (eure Feinde), wo immer ihr sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben! Die Verführung (zum Abfall vom Islam) ist schlimmer als das Töten! Bekämpft sie aber nicht am geheiligten Gebetsplatz (an der Kaaba), ehe sie ihrerseits euch dort bekämpfen. Und wenn sie euch bekämpfen, dann tötet sie! So vergilt man den Ungläubigen!" (Vers 190 f.).

Das Band, das Mohammed und seine Anhänger vereinen soll, ist die Vertreibung - die neue Umgebung, in der sie leben, Medina, spielt in diesen Versen noch keine Rolle.

Quelle: T. Nagel, Mohammed, 251
MfG B.
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#2
(28-12-2010, 11:24)Bion schrieb: Weniges aus dem Koran wird (auch unter Muslimen) so unterschiedlich interpretiert, wie die Verse 2,190-193.

Manche legen diese Versen als Auftrag aus, gegen Ungläubige rücksichtslos vorgehen zu müssen, andere sehen sie als Gebot der Mäßigung, als Mahnung, die Mordlust im Krieg zu zügeln, nur zu kämpfen, wenn die Gemeinschaft der Muslime bedroht ist.

Diese Verse sind weder eine Anweisung, alle Ungläubigen zu ermorden, noch ein Gebot, das Angriffskriege untersagt. Die Verse sind schlicht und einfach Vorgaben des Propheten, die seine "Gefährten" bei der Rückeroberung Mekkas zu berücksichtigen hatten.

Damit sprichst Du schon ein Grundproblem an. Kann und muss man die koranischen Aussagen als situationsbedingt ansehen, oder handelt es sich um ewig gültige Aussagen Gottes? Kann, darf oder muss man also den Koran historisieren? (Wer das in islamisch beherrschten Ländern tut, riskiert sein Leben.) Ich habe übrigens den Eindruck, dass die friedliebenden Muslime genau das tun, falls sie sich denn mit solchen Stellen überhaupt befassen.

Darf man es nicht, so hat man - wie dies ja auch die gültige Auffassung ist - das unmittelbare und unwandelbare Wort Gottes vor sich. Und wenn man Gott nicht zum mehr oder weniger geschickten Geschichtenerzähler degradieren will, kann man doch wohl nur davon ausgehen, dass er entweder direkte Anweisungen gibt oder Beispiele, aus denen etwas gelernt werden soll.

Zitat:Den Muslimen des ersten Jahrhunderts nach Mohammed war das noch bekannt und für sie somit kein Hindernis, die Expansionskriege zu führen, die sie, wie man weiß, innerhalb kürzester Zeit das persische Sassanidenreich, die östlichen Teile des byzantinischen Reichs, Nordafrika und einen guten Teil Spaniens überrennen ließen.

Offen gesagt, erkenne ich hier nicht den unmittelbaren Zusammenhang. Die Eroberung Mekkas kann man ja vielleicht als halbwegs gerechtfertigt beurteilen: Die Muslime waren aus Mekka vertrieben worden. Sie waren aber weder aus Byzanz, noch aus Persien, noch aus Spanien vertrieben worden.

Zitat:Tilman Nagel beurteilt Sure 2, 190f. folgendermaßen:

T. Nagel schrieb:In Sure 2, in der Mohammed zum ersten Mal ins einzelne gehende rituelle Vorschriften für seine Anhängerschaft erlässt, betrachtet er diese insgesamt als eine Schar, die von ihrem angestammten Kultort vertrieben wurde und daher die Aufgabe hat, mit Waffengewalt die Rückkehr zu erstreiten:

"Kämpft auf dem Pfade Allahs gegen diejenigen, die euch bekämpfen, verübt aber keine Exzesse! Allah liebt nicht diejenigen, die Exzesse begehen. Tötet (eure Feinde), wo immer ihr sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben! Die Verführung (zum Abfall vom Islam) ist schlimmer als das Töten! Bekämpft sie aber nicht am geheiligten Gebetsplatz (an der Kaaba), ehe sie ihrerseits euch dort bekämpfen. Und wenn sie euch bekämpfen, dann tötet sie! So vergilt man den Ungläubigen!" (Vers 190 f.).

Das Band, das Mohammed und seine Anhänger vereinen soll, ist die Vertreibung - die neue Umgebung, in der sie leben, Medina, spielt in diesen Versen noch keine Rolle.

Quelle: T. Nagel, Mohammed, 251

Es geht doch offensichtlich nicht nur um die Eroberung eines Ortes, auf den man meint, einen gerechten Anspruch zu haben. Es geht weiter: Es geht darum, dass die Verteidiger von Mekka Polytheisten waren, die von ihrem eigenen Glauben überzeugter waren als von dem, was Muhammad verkündete. Und die - das darf man wohl annehmen - in Diskussionen mit Muslimen auf der Richtigkeit ihrer Ansichten beharrten. Üblicherweise versucht man in solchen Diskussionen, den anderen von der Richtigkeit seiner eigenen Ansichten zu überzeugen, was dann von der anderen Seite her als "Verführung zum Abfall vom Glauben" und hier als ein todeswürdiges Verbrechen, denn das ist "schlimmer als das Töten", angesehen wird.


Gruß
Vitoria
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#3
(28-12-2010, 12:33)Vitoria schrieb:
(28-12-2010, 11:24)Bion schrieb: Den Muslimen des ersten Jahrhunderts nach Mohammed war das noch bekannt und für sie somit kein Hindernis, die Expansionskriege zu führen, die sie, wie man weiß, innerhalb kürzester Zeit das persische Sassanidenreich, die östlichen Teile des byzantinischen Reichs, Nordafrika und einen guten Teil Spaniens überrennen ließen.

Offen gesagt, erkenne ich hier nicht den unmittelbaren Zusammenhang. Die Eroberung Mekkas kann man ja vielleicht als halbwegs gerechtfertigt beurteilen: Die Muslime waren aus Mekka vertrieben worden. Sie waren aber weder aus Byzanz, noch aus Persien, noch aus Spanien vertrieben worden.

Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde. Sie fühlten sich durch die Verse in keiner Weise behindert, Angriffskriege zu führen, was ja auch durch den Lauf der Geschichte eindrucksvoll bestätigt wird.
MfG B.
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#4
Ok, verstanden.

Gruß
Vitoria
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#5
(28-12-2010, 17:04)Bion schrieb: Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde. Sie fühlten sich durch die Verse in keiner Weise behindert, Angriffskriege zu führen, was ja auch durch den Lauf der Geschichte eindrucksvoll bestätigt wird.
Auf gut Deutsch: Selbst wenn "der Prophet" das so gemeint hätte - und obgleich dies seine "Anhänger" von Anfang an ganz klar bewußt war, war es ihnen schnuppe?
Das scheint mir doch eine Hirnverschlingung zuviel zu sein.

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#6
(28-12-2010, 19:22)anna4 schrieb:
(28-12-2010, 17:04)Bion schrieb: Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde. Sie fühlten sich durch die Verse in keiner Weise behindert, Angriffskriege zu führen, was ja auch durch den Lauf der Geschichte eindrucksvoll bestätigt wird.
Auf gut Deutsch: Selbst wenn "der Prophet" das so gemeint hätte - und obgleich dies seine "Anhänger" von Anfang an ganz klar bewußt war, war es ihnen schnuppe?
Das scheint mir doch eine Hirnverschlingung zuviel zu sein.

Was Du damit sagen willst, ist mir nicht klar. Vielleicht versuchst Du’s noch einmal?

Hast Du die bessere Version?
MfG B.
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#7
(28-12-2010, 20:12)Bion schrieb: Was Du damit sagen willst, ist mir nicht klar. Vielleicht versuchst Du’s noch einmal?
Hast Du die bessere Version?

Ockhams Rasiermesser. Die einfachere und damit wahrscheinlichere: Es war von Anfang an von Mohammed so gemeint, wie es von Anfang an von seinen Anhängerm verstanden und umgesetzt wurde wurde. Es sei denn, es gäbe unabweisbarer (!) Belege für eine andere Version.

Und wieso sollte es die überhaupt geben, wenn schon die Geschichte eine andere Sprache der Fakten spricht - damit sich heute bestimmte Muslim-Fraktionen auch eine Koran-Rechtfertigung ins Feld führen können, Mohammed hätte es eigentlich ganz anders gemeint?

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#8
@Anna: Das ist doch genau das, was man in allen Weltanschauungen erlebt. Konflikte werden im eigenen Interesse auch mit Gewalt ausgetragen, unabhängig davon, was man in Friedenszeiten denkt. Die geistigen Anführer der Schlachten finden immer geeignete Hetzparolen, um die vielen Dummerchen gegen ihre Feinde ins Feld zu jagen.
Mir ist noch nie klar geworden, warum ein Soldat nicht zuerst den Befehlsgeber erschießt?! Es gibt eben ideologisch immer irgend eine "gerechte Sache", welche nach außen gerichtete Gewalt zu rechtfertigen scheint.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
(28-12-2010, 20:35)anna4 schrieb: Die einfachere und damit wahrscheinlichere: Es war von Anfang an von Mohammed so gemeint, wie es von Anfang an von seinen Anhängerm verstanden und umgesetzt wurde wurde.

Es ist die einfachste und damit wahrscheinlichste Version.

Faktum ist, man kann 2, 190-193 so verstehen, dass Angriffskrieg verboten ist. Ebenfalls ist Faktum, dass im Jahrhundert nach Mohammed von Muslimen durchgehend Angriffskriege geführt wurden.

Also haben die Muslime (im Jh nach Mohammed) 2, 190-193 offenbar nicht als Verbot, Angriffskriege zu führen, verstanden!

T. Nagel schließt daraus das, was im Eröffnungsbeitrag, hoffe ich, recht klar dargestellt ist, und für mich ist das einsichtig.
MfG B.
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#10
(28-12-2010, 20:46)Ekkard schrieb: Es gibt eben ideologisch immer irgend eine "gerechte Sache", welche nach außen gerichtete Gewalt zu rechtfertigen scheint.

Wir sind aber bei einer ganz konkreten Sache - wieso sollte Mohammed als Stifter anders über die "gerechte Sache" gedacht haben, als es seine erste Anhänger ausführten?

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#11
(28-12-2010, 20:50)Bion schrieb:
(28-12-2010, 20:35)anna4 schrieb: Die einfachere und damit wahrscheinlichere: Es war von Anfang an von Mohammed so gemeint, wie es von Anfang an von seinen Anhängerm verstanden und umgesetzt wurde wurde.

Es ist die einfachste und damit wahrscheinlichste Version.

Faktum ist, man kann 2, 190-193 so verstehen, dass Angriffskrieg verboten ist.
Ebenfalls ist Faktum, dass im Jahrhundert nach Mohammed von Muslimen durchgehend Angriffskriege geführt wurden.
Du muß doch zugestehen, daß das was Du als erstes "Faktum" bezeichnest, von grundsätzlich anderer Natur ist, als das zweite.

Zitat:Also haben die Muslime nach Mohammed 2, 190-193 offenbar nicht als Verbot, Angriffskriege zu führen, verstanden!
Das scheint mir völlig aus der Luft gegriffen.

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#12
(28-12-2010, 20:57)anna4 schrieb:
Zitat:Also haben die Muslime nach Mohammed 2, 190-193 offenbar nicht als Verbot, Angriffskriege zu führen, verstanden!
Das scheint mir völlig aus der Luft gegriffen

du meinst sie hätten keine angriffskriege geführt?

irgendwie sehe ich nicht, wogegen du eigentlich opponierst

aus meiner sicht sagst du das gleiche wie bion, willst ihm aber partout unterstellen, daß er falsch liegt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#13
Anna4 schrieb:
Bion schrieb:Also haben die Muslime (im Jh nach Mohammed) 2, 190-193 offenbar nicht als Verbot, Angriffskriege zu führen, verstanden!
Das scheint mir völlig aus der Luft gegriffen.

Du meinst also 2, 190-193 ist als generelles Verbot aufzufassen, Angriffskriegen zu führen? Verstehe ich das richtig?

Meinst Du auch, dass Angriffskriege durch Muslime nie geführt wurden?

Vielleicht erklärst Du, wie Du 2, 190-193, verstehst. Ich gestehe offen, dass ich nicht erkenne, was Du bezweifelst.
MfG B.
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#14
(28-12-2010, 21:30)Bion schrieb: Du meinst also 2, 190-193 ist als generelles Verbot aufzufassen, Angriffskriegen zu führen? Verstehe ich das richtig?
Meinst Du auch, dass Angriffskriege durch Muslime nie geführt wurden?
Vielleicht erklärst Du, wie Du 2, 190-193, verstehst. Ich gestehe offen, dass ich nicht erkenne, was Du bezweifelst.

Ich meine, daß man die betreffende Sure nicht als Verbot von Angriffskriegen umdeuten kann - einfach deshalb, weil sie von Anfang an als Aufforderung gesehen wurde, solche zu führen. Weil "Abfall von Islam" (das was gerade als opportun angesehen wird, als solcher zu gelten) schlimmer ist als Töten".

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#15
(28-12-2010, 21:41)anna4 schrieb:
(28-12-2010, 21:30)Bion schrieb: Du meinst also 2, 190-193 ist als generelles Verbot aufzufassen, Angriffskriegen zu führen? Verstehe ich das richtig?
Meinst Du auch, dass Angriffskriege durch Muslime nie geführt wurden?
Vielleicht erklärst Du, wie Du 2, 190-193, verstehst. Ich gestehe offen, dass ich nicht erkenne, was Du bezweifelst.

Ich meine, daß man die betreffende Sure nicht als Verbot von Angriffskriegen umdeuten kann - einfach deshalb, weil sie von Anfang an als Aufforderung gesehen wurde, solche zu führen. Weil "Abfall von Islam" (das was gerade als opportun angesehen wird, als solcher zu gelten) schlimmer ist als Töten".

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Na, dann sind wir uns doch einig. Nichts anderes habe ich vom ersten Beitrag an gesagt.

2, 190-193 war aus der Situation der Vertreibung entstanden und ist nur in diesem Zusammenhang (mit dem Ziel der Eroberung von Mekka) zu verstehen.
MfG B.
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