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Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte
#46
Ich weiß nicht, wie welche islamischen Herrscher die Islamverse gedeutet haben.

Für mich ist das auch eher unbedeutend. Es dürfte schwierig sein, sich derart komplett in das damalige Gedankengut und Weltbild hineinzuverssetzen, daß man zu einer schlüssigen Beurteilung kommen kann.

Folglich bleibt für einen heutigen Muslim nur die Beurteilung nach seinem Weltbild übrig.

Ich denke, ich habe meine Auslegung stichhaltig anhand von Koranversen begründet.
Und da sind auch noch einige Verse mehr, die das stützen.

Die Auslegung von Vitoria erachte ich aus den dargelegten Gründen für unhaltbar.
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#47
(30-12-2010, 22:30)melek schrieb: Ich weiß nicht, wie welche islamischen Herrscher die Islamverse gedeutet haben.

Die Expansion über die Arabische Halbinsel hinaus, begann mit Umar.

Innerhalb weniger Jahre waren (das römisch-byzantinische) Syrien/Palästina, Mesopotamien (beides 636), im Osten das Iranische Hochland (641) und im Westen Ägypten (639-642) eingenommen.

Das jedenfalls waren Angriffskriege, und ich denke auch nicht, dass Umar jedes Mal den Koran befragt hat (der zu Umars Zeiten bestenfalls in Fragmenten vorlag), bevor er ins Feld zog.

Wenn jemand versucht, die Verse (2,190-193) in Deinem Sinne zu deuten, ist es eine gute Sache, wenngleich das durch die geschichtliche Entwicklung infrage zu stellen ist.

Ich ziehe es daher vor, die Verse so zu verstehen, wie ich es beschrieben habe, und ihnen über das hinaus, was sie anlassbezogen (für Eroberung von Mekka) einmahnen, keine weitere Bedeutung zuzumessen.

melek schrieb:Und da sind auch noch einige Verse mehr, die das stützen.

Was helfen die schönsten Theorien und die beste Absicht, wenn der Verlauf der Geschichte dem entgegensteht?

Was half das christliche Liebesgebot jenen, die von christlichen Kämpfern massakriert wurden?

Es ist gut, wenn man heute versucht, die Texte versöhnlich zu lesen und zu verstehen. Die Geschichte zeigt, dass man sie auch anders lesen und verstehen konnte.
MfG B.
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#48
(31-12-2010, 00:13)Bion schrieb: Was helfen die schönsten Theorien und die beste Absicht, wenn der Verlauf der Geschichte dem entgegensteht?

Der bedeutendere Teil des "Verlaufs der Geschichte" ist für mich das, was wir vor uns haben.


(31-12-2010, 00:13)Bion schrieb: Es ist gut, wenn man heute versucht, die Texte versöhnlich zu lesen und zu verstehen. Die Geschichte zeigt, dass man sie auch anders lesen und verstehen konnte.

Ja sicher zeigt die Geschichte das. Und ?
Die Frage war doch eher, wie ein Muslim sie aktuell deutet.
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#49
(31-12-2010, 01:33)melek schrieb: Der bedeutendere Teil des "Verlaufs der Geschichte" ist für mich das, was wir vor uns haben.

Davon abgesehen, dass Geschichte immer Vergangenheit ist, ist das eine gute Antwort.

melek schrieb:Die Frage war doch eher, wie ein Muslim sie aktuell deutet.

In diesem Thema nicht.

Das Thema heißt: Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte.
MfG B.
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#50
(31-12-2010, 02:56)Bion schrieb:
melek schrieb:Die Frage war doch eher, wie ein Muslim sie aktuell deutet.

In diesem Thema nicht.

Das Thema heißt: Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte.

Stimmt.
Ich hatte mich auf den von dir zitierten Dialog aus dem anderen Thread bezogen.

Es ging mir im Endeffekt nur darum, die immer wiederkehrende Behauptung, Muslime wären laut Koran zum Kampf gegen Ungläubige verpflichtet, zu widerlegen.
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#51
(31-12-2010, 11:02)melek schrieb: Es ging mir im Endeffekt nur darum, die immer wiederkehrende Behauptung, Muslime wären laut Koran zum Kampf gegen Ungläubige verpflichtet, zu widerlegen.

Wenn nicht verpflichtet, so doch aufgefordert. Dafür gibt es hinreichende Belege in Koran und Hadith.

Gruß
Vitoria
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#52
(31-12-2010, 12:13)Vitoria schrieb:
(31-12-2010, 11:02)melek schrieb: Es ging mir im Endeffekt nur darum, die immer wiederkehrende Behauptung, Muslime wären laut Koran zum Kampf gegen Ungläubige verpflichtet, zu widerlegen.

Wenn nicht verpflichtet, so doch aufgefordert. Dafür gibt es hinreichende Belege in Koran und Hadith.

Gruß
Vitoria

Aufgefordert im Verteidigungsfalle, ja. Ansonsten sind sie eben nicht dazu aufgefordert.
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#53
Wer den Koran als Quelle für historische Überlegungen benutzt, sollte sich bewusst sein, dass alle Verhaltensvorgaben in einem Verhältnis zur jeweiligen Situation standen, in der sich Mohammed gerade befand, und aus dieser heraus zu beurteilen sind. Alles, was dem Koran an Regeln zur Kriegsführung zu entnehmen ist, hatte zu Lebzeiten Mohammeds ausschließlich für Auseinandersetzungen, die im Zuge der Einigung der Stämme ausgetragen wurden, Gültigkeit.

Nach Mohammeds Tod und im Zuge der von den Muslimen geführten Expansionskriege, die sie in einem Zeitraum von rund 80 Jahren bis nach Spanien führten, mussten die koranischen Verse, die sich mit der Kriegsführung befassten, neu bewertet werden. Dass man diese Expansionsfeldzüge nicht als Verteidigungskriege bewerten kann, ist wohl unbestritten.

Nach Mohammed setzte sich die Auffassung durch, dass es gerechtfertigt sei, gegen die Feinde des Islam, für die Sache des Glaubens und für die Erweiterung des islamischen Machtbereichs Krieg zu führen. Ein solcher Krieg musste erklärt (17:15) und maßvoll geführt (17:33) werden. Ziel war nicht die Annektierung von Territorien, sondern die Verbreitung des rechten Glaubens, was allerdings auf dasselbe hinauskam. Getragen war der Einsatz für den Islam (djihad) von dem Gedanken, dass dieser "die beste aller Gesellschaften" (3:110) sei. Vom hemmungslosen Vernichten des Besitzes der Feinde sollte abgesehen werden. Abu Bakr hatte seinen Truppen noch in diesem Sinne Verhaltensanweisungen gegeben, die Begründer der Rechtsschulen vertraten allerdings eine härtere Linie.

Malik verbot beispielsweise nur mehr das Töten des Viehs und das Zerstören der Bienenstöcke. Abu Hanifa meinte, dass alles zerstört werden müsse, was nicht unter Kontrolle zu bringen sei. Insbesondere seien Häuser, Kirchen, Haustiere und die Ernte zu vernichten, meinte er. Shafi'i wiederum gestattete das Töten der Tiere nur, wenn anzunehmen war, dass die Feinde sonst in der Kriegsführung einen Vorteil hätten, was wiederum nach Gutdünken ausgelegt werden konnte.

Es gibt auch heute noch islamische Rechtsgelehrte und radikale Gruppen, die sich im Sinne einer mittelalterlichen Auffassung dem bewaffneten Kampf (Djihadismus) verpflichtet fühlen. Dem wird allerdings von vielen Gelehrten und Persönlichkeiten aus der islamischen Welt mit Hinweis auf die historischen Gegebenheiten, die an der Entstehung des Korans maßgeblich beteiligt waren, widersprochen.
MfG B.
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#54
Anna4 schrieb:Daß der Koran eine Quelle frühislamischer Geschichte ist, dürfte unstrittig sein, und zwar ganz unabhängig davon, an welcher Universität das behandelt wird –
Bion schrieb:Das stimmt nicht. An den meisten islamischen Universitäten wird der Koran - nahezu dogmatisch - als übergeschichtlicher Text gesehen.

Nur schließt das eine das andere nicht aus. Jeder religiöser Text muß zwingend Übergeschichtliches enthalten - etwas, was über den aktuellen Anlaß hinausgeht, denn sonst wäre er ja nur Geschichtsschreibung.
Soweit ich nachlesen kann, gibt es in der islamischen Koranexegese (das ist natürlich, wie schon zugestanden, was anderes als westliche Islamwissenschaft) eine besondere Gattung (asbab an-nuzul), die die historischen Gründe der Offenbarungen beleuchtet. Mich würde auch wundern, wenn die Sira und Maghazi-Literatur nicht auch in Bezug auf deren koranische Hintergründe nur in Ankara diskutiert und studiert wird.

Anna4 schrieb:Daß Mohammed seine Offenbarungen und sonstigen Verlautbarungen anläßlich bestimmter Ereignisse gemacht hat,…
Bion schrieb:So ist es! Und das Thema waren die Verse 2,190-193.
Es ging um das historische Umfeld, in dem diese Verse entstanden sind.

Und Du hast eine weitere These aufgestellt - und hältst offenbar an ihr fest :

Bion schrieb:Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde.

Dazu schrieb ich:

Anna4 schrieb:Die These allerdings, daß sie dadurch ihr für die Normative exemplarischer Charakter aufgehoben sei, kann ob des völligen Fehlens einer Begründung und der Außerachtlassung anderer überlieferter (auch koranischer) Verlautbarungen Mohammeds zur Krieg und Kriegsführung nur völlig absurd erscheinen.

Bitte berichtige mich, wenn ich das - wie eben wiederholt - falsch verstanden habe.

Bion schrieb:Deine ersten Gegenargumente waren: "Eine Hirnverschlingung zu viel", was ich als Unfreundlichkeit empfunden habe,

Tut mir wirklich sehr leid, das war ganz bestimmt nicht so gemeint - im hiesigen Berliner Idiom ist das zwar keck bis vorlaut, aber bestimmt nicht unfreundlich. Es war kein Gegenargument, sondern als Herausforderung gedacht, eine Begründung nachzureichen.

Bion schrieb:und "Es war von Anfang an von Mohammed so gemeint, wie es von Anfang an von seinen Anhängern verstanden und umgesetzt wurde", (auch) eine Behauptung ohne erläuternde Begründung.

Eine Gegenthese im Sinne Ockhams Rasiermesser.
Wieso sollten die Muslime dieser und späterer Generationen (über den bestreitbaren Anlaß hinaus) das ausschließlich in Bezug auf Mekka gesehen haben, wenn doch vorher (gegen die Juden und arabischen Stämme um Medina), wie nachher (bis nach Tabuk) der Prophet das selbst ziemlich generell vorexerziert hat:
Wer den Islam nicht annimmt, hat mit Krieg oder Erpressung zu rechnen.
Suren 22, 48 und 9.

Bion schrieb:Wenig später (Beiträge 11 und 14) hast Du eine Erklärung von mir als "völlig aus der Luft gegriffen" disqualifiziert, um ein wenig später, genau das, dem Du widersprochen hast, als Deine Sicht in der Sache anzubieten.

Dem ist nicht so. Was meine und Deine Sicht unterscheidet, habe ich nun mehrmals sehr deutlich gesagt, Du hast darauf allerdings nie argumentativ geantwortet
Ich würde es bedauern, wenn wir die möglichen Mißverständnisse zwischen uns nicht bereinigen könnten.

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#55
(02-01-2011, 14:24)Bion schrieb: Wer den Koran als Quelle für historische Überlegungen benutzt, sollte sich bewusst sein, dass alle Verhaltensvorgaben in einem Verhältnis zur jeweiligen Situation standen, in der sich Mohammed gerade befand, und aus dieser heraus zu beurteilen sind. Alles, was dem Koran an Regeln zur Kriegsführung zu entnehmen ist, hatte zu Lebzeiten Mohammeds ausschließlich für Auseinandersetzungen, die im Zuge der Einigung der Stämme ausgetragen wurden, Gültigkeit.

Was bedeutet das "Einigung der Stämme" - und wieso soll das zu Lebzeiten etwas anderes gewesen sein als später "für die Sache des Glaubens und für die Erweiterung des islamischen Machtbereichs" Krieg zu führen?
Was sind die Argumente?

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#56
(02-01-2011, 14:24)Bion schrieb: Wer den Koran als Quelle für historische Überlegungen benutzt, sollte sich bewusst sein, dass alle Verhaltensvorgaben in einem Verhältnis zur jeweiligen Situation standen, in der sich Mohammed gerade befand, und aus dieser heraus zu beurteilen sind. Alles, was dem Koran an Regeln zur Kriegsführung zu entnehmen ist, hatte zu Lebzeiten Mohammeds ausschließlich für Auseinandersetzungen, die im Zuge der Einigung der Stämme ausgetragen wurden, Gültigkeit.

Gut. Dann sind ja zur Bewertung der ewiggültigen Aussagen des Korans derartige Aussagen in selbigem überflüssig und können eliminiert werden. Das betrifft dann folgerichtig auch alle weiteren situationsgebundenen Aussagen. Das ist sehr praktisch, denn dann bleibt außer falsch verstandenen oder von Sektierern mitgeteilten biblischen Geschichten nicht mehr viel übrig. Was mir da spontan einfällt, ist das Paradies für die Gläubigen, die Hölle für die Ungläubigen ... und dann muss ich lange suchen.

Das kann's ja nicht sein, wenn ich den muslimischen Anspruch zugrunde lege, der Koran sei ewiges unerschaffenes (also bereits vor der Zeit der Anlässe der Herabsendung der Verse existentes) Gotteswort. Welch ein Widerspruch: Situationsgebundenheit und Präexistenz!

Wenn ich den Koran allein als Geschichtsbuch betrachten soll, worin mir so gut wie kein Muslim folgen würde, dann ist er m.E. keine besonders vertrauenswürdige Quelle.

Gruß
Vitoria
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#57
(03-01-2011, 00:25)Vitoria schrieb:
(02-01-2011, 14:24)Bion schrieb: Wer den Koran als Quelle für historische Überlegungen benutzt, sollte sich bewusst sein, dass alle Verhaltensvorgaben in einem Verhältnis zur jeweiligen Situation standen, in der sich Mohammed gerade befand, und aus dieser heraus zu beurteilen sind. Alles, was dem Koran an Regeln zur Kriegsführung zu entnehmen ist, hatte zu Lebzeiten Mohammeds ausschließlich für Auseinandersetzungen, die im Zuge der Einigung der Stämme ausgetragen wurden, Gültigkeit.

Gut. Dann sind ja zur Bewertung der ewiggültigen Aussagen des Korans derartige Aussagen in selbigem überflüssig und können eliminiert werden. Das betrifft dann folgerichtig auch alle weiteren situationsgebundenen Aussagen. Das ist sehr praktisch, denn dann bleibt außer falsch verstandenen oder von Sektierern mitgeteilten biblischen Geschichten nicht mehr viel übrig. Was mir da spontan einfällt, ist das Paradies für die Gläubigen, die Hölle für die Ungläubigen ... und dann muss ich lange suchen.

Das kann's ja nicht sein, wenn ich den muslimischen Anspruch zugrunde lege, der Koran sei ewiges unerschaffenes (also bereits vor der Zeit der Anlässe der Herabsendung der Verse existentes) Gotteswort. Welch ein Widerspruch: Situationsgebundenheit und Präexistenz!

Selbst wenn ich dies nicht unterstelle, dann dürfte doch von einem Muslim nicht betritten werden, daß Prophet in jeder Lebenslage Vorbild für die eigene Lebensführung ist.
Wie will man das realisieren, wenn Interpolation und Analogieschluß aus dem Situativen nicht erlaubt ist?
Streitet man das allerdings ab, dann ist auch das islamische Glaubensbekenntnis "Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist.“ ausgehebelt
Kann jemand der Gesandte Gottes, das Siegel der Propheten sein, wenn nicht seinen (auch den außerkoranisch bezeugten) Worten und Handlungen (Sunna) exemplarische Bedeutung zukommt?

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#58
(03-01-2011, 00:25)Vitoria schrieb: Wenn ich den Koran allein als Geschichtsbuch betrachten soll, worin mir so gut wie kein Muslim folgen würde, dann ist er m.E. keine besonders vertrauenswürdige Quelle

niemand schreibt dir vor, "den Koran allein als Geschichtsbuch zu betrachten"

bloß ist "Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte" das thema dieses threads
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#59
(03-01-2011, 10:23)petronius schrieb: niemand schreibt dir vor, "den Koran allein als Geschichtsbuch zu betrachten"

Nein, aber darauf läuft die Sache m.E. hinaus, wenn ich den Koran als Quelle frühislamischer Geschichte statt als sogenannte Heilige Schrift betrachte. Beides zugleich ist ja wohl kaum möglich.

Gruß
Vitoria
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#60
(02-01-2011, 23:52)anna4 schrieb: Soweit ich nachlesen kann, gibt es in der islamischen Koranexegese (das ist natürlich, wie schon zugestanden, was anderes als westliche Islamwissenschaft) eine besondere Gattung (asbab an-nuzul), die die historischen Gründe der Offenbarungen beleuchtet.

Die Offenbarungsveranlassungen (asbāb an-nuzūl) sind Aufzeichnungen, die nach Angaben früher Muslime gemacht wurden. Sie sind vornehmlich Hadith-Sammlungen und biographischen Schriften über Mohammed entnommen und füllen viele Bücher.

Anna4 schrieb:Mich würde auch wundern, wenn die Sira und Maghazi-Literatur nicht auch in Bezug auf deren koranische Hintergründe nur in Ankara diskutiert und studiert wird.

Natürlich werden die "Offenbarungsveranlassungen" überall in der islamischen Welt diskutiert. Aber historisch-kritisch werden die koranischen Texte, soweit mir bekannt ist, nur an westlichen Universitäten und an der Universität Ankara untersucht.

Auch die Texte zum Leben Mohammeds werden diskutiert, allerdings auch nicht in einer, der modernen Geschichtsforschung adäquaten Art und Weise.

Vier Werke sind es, denen die wichtigsten biographischen Angaben über Mohammed zu entnehmen sind: die Sīra (Biographie) des Propheten von Ibn-Hišām (eine Überarbeitung des Werks von Ibn Ishāq), das Kitab al magāzī (Geschichte der Kriegszüge) von al-Wāqidī, die Tabaqāt (Generationen) von Ibn Sa'd und das Ta'rīkh (Annalen), at-Tabarīs umfassende Weltgeschichte.

Diese Werke wurden über die Jahrhunderte (und in den meisten muslimischen Lehranstalten heute noch) mit exegetisch-dogmatischem (und nicht mit historischem) Interesse gelesen und besprochen. Die Sīra ist keine selbständige historische Quelle, sondern vornehmlich biographisch aneinandergereihtes Hadith-Material. Die Einzelhadithe aber sind entweder exegetische Ausgestaltungen der koranischen Rede oder dogmatisch-juristische Erfindungen, die in späterer Zeit anlassbezogen entstanden sind.


Anna4 schrieb:
Bion schrieb:Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde.

Dazu schrieb ich:

Die These allerdings, daß sie dadurch ihr für die Normative exemplarischer Charakter aufgehoben sei, kann ob des völligen Fehlens einer Begründung und der Außerachtlassung anderer überlieferter (auch koranischer) Verlautbarungen Mohammeds zur Krieg und Kriegsführung nur völlig absurd erscheinen.

Bitte berichtige mich, wenn ich das - wie eben wiederholt - falsch verstanden habe.

Alle Offenbarungen zu Kriegshandlungen waren anlassbezogene "göttliche" Weisungen, wie sich der Gläubige "in der angesprochenen Sache" zu verhalten habe. Den Gefährten und der Generation nach Mohammed waren diese Bezüge noch in Erinnerung.

Durch die Rechtsschulen wurde solche Offenbarungen über den Anlassfall hinaus verbindliche Norm.

Anna4 schrieb:
Bion schrieb:Deine ersten Gegenargumente waren: "Eine Hirnverschlingung zu viel", was ich als Unfreundlichkeit empfunden habe,

Tut mir wirklich sehr leid, das war ganz bestimmt nicht so gemeint - im hiesigen Berliner Idiom ist das zwar keck bis vorlaut, aber bestimmt nicht unfreundlich. Es war kein Gegenargument, sondern als Herausforderung gedacht, eine Begründung nachzureichen.

In Ordnung!

Anna4 schrieb:Wieso sollten die Muslime dieser und späterer Generationen (über den bestreitbaren Anlaß hinaus) das ausschließlich in Bezug auf Mekka gesehen haben, wenn doch vorher (gegen die Juden und arabischen Stämme um Medina), wie nachher (bis nach Tabuk) der Prophet das selbst ziemlich generell vorexerziert hat

Als die Verse 2,190-193 offenbart wurden, hatten Vertreibung und Massaker an den jüdischen Stämmen noch nicht stattgefunden.

Zum Vorgehen Mohammeds gegen die jüdischen Stämme in Medina (auch zu Tabuk) wäre es nötig, ein separates Thema zu eröffnen.

Anna4 schrieb:Wer den Islam nicht annimmt, hat mit Krieg oder Erpressung zu rechnen. Suren 22, 48 und 9.

Auch darüber können wir diskutieren, wenn Du es wünscht.

Anna4 schrieb:Ich würde es bedauern, wenn wir die möglichen Mißverständnisse zwischen uns nicht bereinigen könnten.

Ich denke, dass wir es schaffen werden, ein kultiviertes Gespräch zu führen.
MfG B.
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