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Erkenntnis. Was ist das?
#18
Das, was ich im Moment versuche, ist, eine Art Systematik aller Arten von "Erkenntnis" herzustellen, auch wenn das vermutlich lückenhaft bleiben wird.

Begonnen habe ich mit einer der ersten existentiellen Fragen, die "Erkenntnis" betreffen ->

"Erkenne dich selbst".
Dieser Statz stammt aus der griechischen Antike, und meinen Hinweis auf Epiktet als Verstreter der Stoa habe ich in diesem Zusammenhang gemacht.

Eine Begründung für diesen Brückenschlag kann man vielleicht hier finden ->

Zitat:Die Forderung, sich selbst zu erkennen, zielte ursprünglich auf Einsicht in die Begrenztheit und Hinfälligkeit des Menschen (im Gegensatz zu den Göttern). Damit war sein Dasein als Gattungswesen gemeint; man dachte aber nicht nur an die Menschheit und an prinzipielle Grenzen des für den Menschen Erreichbaren, sondern der Spruch diente auch oft als Warnung vor der Überschätzung individueller Möglichkeiten. In zahlreichen Texten der griechischen Klassik findet sich die Deutung, dass sich der Mensch bewusst sein solle, sterblich, unvollkommen und begrenzt zu sein.[4] Das Verständnis des Spruchs als Hinweis auf eine natürliche Schwäche der Sterblichen, die man einsehen solle und deren Kenntnis zur Bescheidenheit führe, blieb in der gesamten Antike präsent und war noch in der römischen Kaiserzeit geläufig. In diesem Sinne betonte beispielsweise der römische Stoiker Seneca, es gehe darum, sich die körperliche und geistige Verletzlichkeit des Menschen zu vergegenwärtigen; nicht nur ein großer Sturm, sondern schon eine kleinere Erschütterung könne den Menschen wie ein zerbrechliches Gefäß in Scherben gehen lassen.

Einen ergänzenden Akzent setzte die stoische Tradition, indem sie die Forderung gnothi seauton mit ihrem Ziel einer Einordnung des Menschen in den Naturzusammenhang verband. Die Selbsterkenntnis wurde eingebettet in das Bestreben, in „Übereinstimmung mit der Natur zu leben“ (homologoumenōs tē physei zēn)

*http://de.wikipedia.org/wiki/Gnothi_seauton


Dieser Text zeigt, dass das früheste Verständnis von "Selbsterkenntnis" eventuell so gemeint war, dass man die menschlichen Grenzen (die eigene Sterblichkeit z.B. erkennt und - in einem zweiten Schritt - anerkennt.
Ziel dabei war im Grunde ein pragmatisches:
Psychisch nicht kaputt zu gehen bei Schicksalsschlägen.

Du hast schon Recht, bion, dass der Weg der Erkenntnisgewinnung von Epiktet z.B. nicht dargelegt wurde, sondern nur die Erkenntnisse selber, aber man kann diesen mehr oder weniger erschließen. ->

Bei Mark Aurel, einem römischen Stoiker (er war auch Kaiser und Feldherr), kann man deutlicher mitverfolgen, dass seine Reflexionen zu der Frage: 'Wie stelle ich mich dem Krieg, dem Leid etc.' aus dem direkten Leben erwachsen sind.
Seine "Selbstbetrachtungen" sind dafür Zeugnis, und sie können ähnlich wie Epiktets "Handbüchlein der Moral" uns heute zur Lebenshilfe dienen.

Im Wikipedia-Artikel über Mark Aurel sind ein paar Sprüche aus den "Selbstbetrachtungen" zitiert. die zu lesen sich lohnen.
Das hier

„Es kommt nicht darauf an, über die notwendigen Eigenschaften eines guten Mannes dich zu besprechen – vielmehr ein solcher zu sein.“ (X, 16)

„Du kannst nicht im Schreiben und Lesen unterrichten, wenn du es nicht selber kannst; viel weniger lehren, wie man recht leben soll, wenn du es nicht selber tust.“ (XI, 29)

passt zu dem, was Ekkard oben sagte: dass Erkenntnis praktiziert werden müsse.
*http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Aurel

Zentral in diesem Denken scheint mir zu sein, dass "Erkenntnis" in diesem Zusammenhang keine intellektuelle war. Intellektuell "verstehen", dass der Mensch sterblich ist, tun ja die meisten. Das führt aber nicht zu einer praktischen Haltung, schützt einen nicht vor "mangelhafter Bewährung" im eigenen Leben.

Vor ein paar Tagen war im Radio ein Interview mit Margarete Mitscherlich ("Die Unfähigkeit zu traueren"), die gerade 94 Jahre alt geworden war.
Sie erzählte davon, was es bedeutet, wenn man "verstanden" hat, dass man sterblich ist. Auch sie unterschied damit das intellektuelle Verstehen von "wirklichem" Verstehen, dass man nur noch eine begrenzte Zeit zum Leben hat ->
es führt zu einer grundlegenden veränderten Haltung allen Dingen des Lebens gegenüber. Man sieht einfach alles anders.
Sie hat übrigens vor einem Jahr ein Buch geschrieben mit dem Titel "Die Radikalität des Alters" (das ich allerdings nicht kenne).
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Erkenntnis. Was ist das? - von Bion - 23-07-2011, 13:02
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