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Apokryphe Apostelakten
#1
Um das Interesse der Gläubigen zufriedenzustellen und wohl auch, um von der "offiziellen ↗Theologie" abweichende religiöse Positionen einzubringen, entstanden in ↗spätantiker  Zeit viele Apostelgeschichten, von denen fünf die anderen  an Bedeutung überragen.

Die apokryphen Apostelgeschichten werden ihrer Herkunft nach von mancher Seite als ↗gnostisch angesehen. Das wurde von Richard A. Lipsius (Die apocryphen Apostelgeschichten und ↗Apostellegenden, 1883 ) angenommen und hat seine Nachwirkung bis heute. Dagegen kann eingewandt werden, dass im 2. u. 3. Jh Gnosis und Frühkatholizismus keine voneinander abgegrenzten Größen darstellten und dass es in den Texten viele Stellen gibt, die nicht als gnostisch einzuordnen sind. Dass die apokryphen Apostelgeschichten in ↗Manichäer-Gemeinschaften stark gewirkt haben, ist nachweisbar (vgl. manichäisches Psalmenbuch).

Ob die apokryphen Apostelgeschichten auch Dinge von geschichtlichem Wert berichten, ist umstritten.

1. Die Johannesakten (ActJoh)

Das früheste Zeugnis für die Existenz der ActJoh ist ihre Verwendung im manichäischen Psalmenbuch und ihre Erwähnung bei ↗Eusebius (KG III, 25,6).

Von der ↗kanonischen Apg abweichend wird berichtet, dass der ↗Apostel ↗Johannes (anstelle des ↗Paulus) in ↗Ephesos missioniert hat. Er erweckte Tote, bewirkte Massenheilungen, zerstörte den ↗Artemistempel durch ein Gebet, bekehrte die Epheser und vermittelte einen modifizierten Passionsbericht, der einiges aus den kanonischen Überlieferungen "berichtigt".

Die kurioseste Erzählung aus den ActJoh ist die von den "gehorsamen Wanzen" in einer Herberge. Die Wanzen verlassen auf Befehl des Apostels sein Bett, harren vor der Türe der Kammer aus und kehren erst wieder in Bett zurück, als ihnen der Apostel das am nächsten Morgen erlaubt.

2. Die Paulusakten (ActPaul)

Die ActPaul sind in der frühen Kirche gut bezeugt, zB von ↗Tertullian (bapt. c. 17), der sie als Fälschung (seinem Bericht nach von einem Presbyter in Kleinasien hergestellt) erkannte. Entstanden dürfte der Text etwa um 200 nC sein.

Der erhaltene Textbestand lässt vermuten, dass es dem Autor darum gegangen war, eine erbauliche, den kanonischen Bericht um das Martyrium des Apostels und ein paar "wunderbare" Geschichten (zB  die Geschehnisse um Thekla, die Geschichte vom getauften und sprechenden Löwen, etc.) ergänzende Erzählung zu schaffen.

3. Die Petrusakten (ActPetr)

Die älteste sichere Bezeugung der Existenz der ActPetr findet sich bei Eusebius (KG III, 3,2). Ohne wörtliche Zitate zu sein, sind Verweise auf die ActPetr aber schon in früher zu datierenden Texten auszumachen (zB bei ↗Clemens v. Alexandrien, ↗Origenes, u.a.). Allgemein wird ein Entstehen des Textes etwa um 190 nC angenommen. Adolf v. Harnack ordnet den Text zeitlich Mitte des 3. Jhs ein.

Die ActPetr beginnen mit (dem in Rom gefangenen) Paulus, der Abschied nimmt, um einer Weisung "von oben" zu folgen und nach Spanien zu gehen. Er solle aber wieder zurückkehren, um (wie eine Stimme vom Himmel verkündet) unter ↗Nero den Märtyrertod zu sterben.

Zur selben Zeit ist ↗Petrus in Jerusalem. Auf göttlichen Befehl muss er dort zwölf Jahre verbringen. Die erste Machtprobe in der Auseinandersetzung mit ↗Simon Magus hat er bereits erfolgreich bestanden.

Jesus teilt ihm in einer Vision mit, dass er sich nach Cäsarea zu begeben habe, wo ein Schiff wartet, das ihn nach Rom bringen werde. Dort zerstört er im Zuge einer Dämonenaustreibung (bei Marcellus) eine Kaiserstatue, die sich auf die Bitte Petri, um Marcellus vor Unheil zu bewahren, aus ihren Bruchstücken wieder zusammensetzt. In Schilderungen von Auseinandersetzungen mit Simon bekommt ein Hund die Fähigkeit zu sprechen und wird ein gesalzener, getrockneter Fisch, der in einem Fensterrahmen hängt, wiederbelebt und von den staunenden Menschen in einem Wasserbecken mit Brot gefüttert.

Nach einer ↗Agape-Feier hat Marcellus einen Traum, in dem ihm befohlen wird, eine tanzende Äthiopierin zu enthaupten, weil sie der ↗Teufel sei. Petrus deutet den Traum auf den bevorstehenden Kampf mit Simon hin, "dessen Gott der Teufel sei".

In drei Proben der Macht, die vor einer großen Zuschauermenge auf dem Forum ausgetragen werden, geht Petrus als Sieger hervor. Simon findet nach einem letzten Versuch seine Macht zu zeigen, den Tod.

Schließlich wird noch die Passion Petri ausführlich beschrieben.

4. Die Andreasakten (ActAndr)

Von den ActAndr, deren Existenz erstmals von Eusebius (KG III, 25,6f.) sicher bezeugt wird, ist in der ursprünglichen Fassung nichts auf uns gekommen. Das, was man kennt, stammt aus Erwähnungen in anderen Texten.

Die ActAndr dürften ursprünglich aus zwei Teilen bestanden haben. Der erste Teil hat die Wanderungen des Apostels, ausgehend von Kleinasien über Philippi nach Patras beschrieben, der zweite Teil beschreibt seine Taten und sein Sterben in Patras.

↗Andreas macht Blinde sehend, Lahme gehend, erweckt Tote zum Leben (auch Wasserleichen), treibt Dämonen aus und zwingt solche in Hunde einzufahren.

Nachdem er mit dem Proconsul Ageates in Konflikt gerät, wird Andreas angeklagt und gekreuzigt. Vom Kreuz aus hält er lächelnd eine letzte Predigt.

5. Die Thomasakten (ActThom)

Die ActThom sind die einzigen von den apokryphen Apostelakten, die im Textbestand vollständig überliefert sind. In frühchristlichen Texten wird auf die ActThom wenig Bezug genommen. Im manichäischen Psalmenbuch werden Inhalte der Akten mehrfach zitiert.

Beschrieben wird das Wirken des Apostels in Indien.

Die Geschichte beginnt recht eigenartig. Weil sich ↗Thomas weigert, die Anweisung Jesu zu befolgen und nach Indien zu gehen, wird er von diesem als ↗Sklave an den Kaufmann Abban, einem Untertan Gundafors, des Königs der Inder,  verkauft. Im Gefolge Abbans begibt sich Thomas nach Indien.

Am Hof des Königs Gundafor verbringt der Apostel allerhand Wunder, tötet einen ↗Drachen, es werden die üblichen Dämonenaustreibungen beschrieben, Tote erweckt, etc.

Schließlich wird er der ↗Zauberei und ein entlaufener Sklave zu sein, angeklagt und hingerichtet.

Literatur:
Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, 61997, , Bd 2
Klauk, Apokryphe Apostelakten 2005
Berger, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften 1999
Eusebius, Kirchengeschichte, Herausg. H. Kraft 1984, Übers. Ph. Haeuser



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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