15-09-2017, 09:17
Hier vertrittst Du jetzt den Grundsatz, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Du legst Deine erwartete Antwort in die Praemisse, begehst also einen Zirkelschluss. Deine Interpretation steht schon fest, bevor Du den Text liest, und Du versuchst jetzt, den Text Deiner Ansicht anzupassen. Das richtige Vorgehen waere genau anders herum.
Das steht da jedenfalls, ja. Man kann verschiedene Erklaerungen dafuer versuchen; eine recht wohlwollende gegenueber dem Text waere, dass Paulus den absichtlichen Maertyrertod ablehnt und deshalb die Leute davon abhalten will, sich dem roemischen Staat offen entgegenzustellen. Die christliche Unsitte, sich absichtlich und oeffentlichkeitswirksam von den Roemern umbringen zu lassen, weil das als Abkuerzung in den Himmel galt, kam erst ein paar Generationen spaeter auf.
Uebrigens werden an dieser Stelle oft Konflikte der Gemeinde in Rom mit der dortigen juedischen Gemeinde als direkter Hintergrund der Anweisung des Paulus vermutet (siehe z.B. U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, S. 136), weil es von der Seite wohl Anzeigen gegenueber den Behoerden gab. Das passt zwar, aber man muss Aussagen zur fruehchristlichen Geschichte in Rom immer mit Vorsicht behandeln.
Ueber diesen Punkt haben wir schon einmal lange anhand eines anderen Beispiels diskutiert, naemlich den gegensaetzlichen Anweisungen, die im Korintherbrief zum Verhalten der Frauen in der Gemeinde stehen. Dort gab es auch Hinweise auf eine andere Moeglichkeit, als anzunehmen, dass Paulus dauernd seine Meinung aendert: Der Text dort ist wahrscheinlich von jemand anderem manipuliert worden. Dass die Texte des Paulus von verschiedenen Autoren stammen, ist Standardannahme in der Forschung zum NT. Dass auch die von den meisten Neutestamentlern als authentisch angesehenen Texte zum Teil interpoliert wurden, also Textteile enthalten, die von anderen Leuten in die Briefe eingefuegt wurden, ist auch eine bei Neutestamentlern akzeptierte Sache; weniger einig sind sie sich allerdings, welche Textteile das genau sind.
Wie auch immer: in den Briefen des Paulus stehen halt gegensaetzliche Vorstellungen. Ob das an ihm liegt oder von aussen in die Briefe eingebracht wurde, kann man halt diskutieren; Widersprueche sind aber unzweifelhaft da.
(14-09-2017, 23:15)bridge65 schrieb: Der gleiche Paulus der sich so leidenschaftlich gegen Götzenverehrung positioniert fordert die Gemeinde auf , den Götzenanbetern unbedingten Gehorsam zu leisten ?
Das steht da jedenfalls, ja. Man kann verschiedene Erklaerungen dafuer versuchen; eine recht wohlwollende gegenueber dem Text waere, dass Paulus den absichtlichen Maertyrertod ablehnt und deshalb die Leute davon abhalten will, sich dem roemischen Staat offen entgegenzustellen. Die christliche Unsitte, sich absichtlich und oeffentlichkeitswirksam von den Roemern umbringen zu lassen, weil das als Abkuerzung in den Himmel galt, kam erst ein paar Generationen spaeter auf.
Uebrigens werden an dieser Stelle oft Konflikte der Gemeinde in Rom mit der dortigen juedischen Gemeinde als direkter Hintergrund der Anweisung des Paulus vermutet (siehe z.B. U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, S. 136), weil es von der Seite wohl Anzeigen gegenueber den Behoerden gab. Das passt zwar, aber man muss Aussagen zur fruehchristlichen Geschichte in Rom immer mit Vorsicht behandeln.
(14-09-2017, 23:15)bridge65 schrieb: Da passt doch was nicht zusammen ?
Ist der Paulus ein Heuchler oder schitzophen ?
Ueber diesen Punkt haben wir schon einmal lange anhand eines anderen Beispiels diskutiert, naemlich den gegensaetzlichen Anweisungen, die im Korintherbrief zum Verhalten der Frauen in der Gemeinde stehen. Dort gab es auch Hinweise auf eine andere Moeglichkeit, als anzunehmen, dass Paulus dauernd seine Meinung aendert: Der Text dort ist wahrscheinlich von jemand anderem manipuliert worden. Dass die Texte des Paulus von verschiedenen Autoren stammen, ist Standardannahme in der Forschung zum NT. Dass auch die von den meisten Neutestamentlern als authentisch angesehenen Texte zum Teil interpoliert wurden, also Textteile enthalten, die von anderen Leuten in die Briefe eingefuegt wurden, ist auch eine bei Neutestamentlern akzeptierte Sache; weniger einig sind sie sich allerdings, welche Textteile das genau sind.
Wie auch immer: in den Briefen des Paulus stehen halt gegensaetzliche Vorstellungen. Ob das an ihm liegt oder von aussen in die Briefe eingebracht wurde, kann man halt diskutieren; Widersprueche sind aber unzweifelhaft da.