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Paradoxon
#1
Vorab: Ich bin selbst nicht wirklich gläubig, doch kenne ich einige sehr gläubige Christen, ja, fast schon Fundamentalisten, und deshalb wollte ich mich ein wenig mit deren Glauben auseinandersetzen.

Ich habe also versucht, obgleich ich unerfahren und unwissend bin, mir meine Gedanken zu dem Ganzen zu machen, und bin dabei auf einen Widerspruch gestoßen, der sich mir einfach nicht erschließen will.

- Gott ist allmächtig und allwissend (+ existiert außerhalb von Zeit & Raum)
- Gott hat alles erschaffen
- Wir haben einen freien Willen

Und hier liegt meiner Meinung auch schon der Widerspruch: Wie können wir einen freien Willen haben, wenn Gott, noch bevor er uns erschaffen hat, bereits all unser Handeln kannte, da er ja allwissend ist; sprich: Wir handeln gezwungenermaßen nach Gottes Wille.

Denke ich falsch oder wie erklärt man sich als gläubiger Christ diesen Umstand?
#2
(30-07-2012, 19:56)kaneís schrieb: Wie können wir einen freien Willen haben, wenn Gott, noch bevor er uns erschaffen hat, bereits all unser Handeln kannte, da er ja allwissend ist; sprich: Wir handeln gezwungenermaßen nach Gottes Wille.

Denke ich falsch oder wie erklärt man sich als gläubiger Christ diesen Umstand?

kommt wohl drauf an,wie man "allwissend" definiert und ob man diese eigenschaft auch gott zuschreibt (eine "allwissenheit gottes" spielte in einer christlichen erziehung mit religionsunterricht usw. eigentlich keine besondere rolle)

wäre ich als "allwissender gott" auf dem trip, mir zum spaß ein universum zu erschaffen, in dem sich schließlich menschen tummeln - ich würde wohl so was wie einen "freien willen" einbauen, also "allwissend" einen algorithmus einbauen, der sich irgendwann der vorhersagbarkeit entzieht (siehe z.b. "determiniertes chaos"). ist doch einfach spannender beim zusehen, wie sich meine wesen abstrampeln, wenn ich nicht schon weiß, was passiert
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#3
(30-07-2012, 19:56)kaneís schrieb: Wie können wir einen freien Willen haben, wenn Gott, noch bevor er uns erschaffen hat, bereits all unser Handeln kannte, da er ja allwissend ist; sprich: Wir handeln gezwungenermaßen nach Gottes Wille.

Denke ich falsch oder wie erklärt man sich als gläubiger Christ diesen Umstand?
Willkommen im Forum, Kaneís!
Gute Frage, die aber schon vielfach diskutiert wurde. Als Resumée könnte man sagen:
  1. Die einzelnen Gottesbilder und -Vorstellungen sind nicht Gott. Sie beschreiben nur einzelne Aspekte des Glaubens. Mehr leisten sie nicht.
  2. Größtenteils umfassen sie Verehrungsformeln ohne innerweltlichen Sachzusammenhang
  3. All-Begriffe enthalten, philosophisch gesehen, ihren eigenen Widerspruch (Beispiele: Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht stemmen kann? Oder eben die Threadfrage)
  4. Der "freie Wille" ist eine mehr juristische Forderung an unser Herrschaftssystem, das uns - bitteschön - keine Denkschablonen vorgeben soll. Der (innere) "freie Wille" ist nicht definierbar, wegen weitgehender Unkenntnis unserer inneren Abläufe
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#4
Ah ja, was ich vergessen habe zu schreiben:

-Gott hat uns den freien Willen gegeben damit wir uns freiwillig zu ihm bekennen können...
-...und so die Prüfung bestehen, die dieses Leben eigentlich darstellt.

Welchen Sinn bitte hat eine Prüfung, deren Ergebnis, Allwissenheit sei Dank, schon von vornherein klar ist? Wieso erschafft Gott einen Menschen, von dem er weiß, dass er seine Prüfung nicht bestehen wird?

(30-07-2012, 21:16)petronius schrieb: kommt wohl drauf an,wie man "allwissend" definiert und ob man diese eigenschaft auch gott zuschreibt (eine "allwissenheit gottes" spielte in einer christlichen erziehung mit religionsunterricht usw. eigentlich keine besondere rolle)

wäre ich als "allwissender gott" auf dem trip, mir zum spaß ein universum zu erschaffen, in dem sich schließlich menschen tummeln - ich würde wohl so was wie einen "freien willen" einbauen, also "allwissend" einen algorithmus einbauen, der sich irgendwann der vorhersagbarkeit entzieht (siehe z.b. "determiniertes chaos"). ist doch einfach spannender beim zusehen, wie sich meine wesen abstrampeln, wenn ich nicht schon weiß, was passiert

Meiner Meinung nach bedeutet Allwissenheit aber nicht, dass man Ereignisse "vorhersehen" kann, sondern dass man eben "weiß", was passieren wird (die Christen, die ich kenne, behaupteten, wie bereits erwähnt, Gott existiere außerhalb von Zeit und Raum).

Falls Gott laut dem Christentum eigentlich nie allwissend war und nur eine Kristallkugel hat, mit der er die Zukunft, oder besser: deren Möglichkeiten, vorhersieht, bitte ich um Verzeihung für meine dumme Frage.

Ekkard schrieb:Willkommen im Forum, Kaneís!
Gute Frage, die aber schon vielfach diskutiert wurde. Als Resumée könnte man sagen:
Die einzelnen Gottesbilder und -Vorstellungen sind nicht Gott. Sie beschreiben nur einzelne Aspekte des Glaubens. Mehr leisten sie nicht.
Größtenteils umfassen sie Verehrungsformeln ohne innerweltlichen Sachzusammenhang
All-Begriffe enthalten, philosophisch gesehen, ihren eigenen Widerspruch (Beispiele: Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht stemmen kann? Oder eben die Threadfrage)
Der "freie Wille" ist eine mehr juristische Forderung an unser Herrschaftssystem, das uns - bitteschön - keine Denkschablonen vorgeben soll. Der (innere) "freie Wille" ist nicht definierbar, wegen weitgehender Unkenntnis unserer inneren Abläufe

Danke für das willkommen

Genau wegen dieser Widersprüche war es mir nicht möglich, mich in meine christlichen (oder genauer: katholischen) Freunde hineinzuversetzen (die an einen personifizierten Gott glauben), da ich nicht weiß, wie sie diese offensichtlichen Ungereimtheiten vor sich selbst rechtfertigen. Deshalb hoffte ich, hier im Forum jemanden zu finden, der mir ebendiese Frage beantworten kann.
#5
Solch ein Paradoxon tritt auf, wenn eine logische Fragestellung so definiert wird, dass keine Lösung auftreten kann.

Ein bekanntes Beispiel ist die Russellsche Antinomie, die an diesem Beispiel veranschaulicht werden kann :

"Man kann einen Barbier als einen definieren, der all jene und nur jene rasiert, die sich nicht selbst rasieren.
Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst?"


Es scheint auch ein Paradoxon aufzutreten, wenn man Gott mit den genannten Begriffen definieren will.

"Gott" scheint sich also solchen (menschlichen) Definitionen zu entziehen.

"Lösbar" wird so etwas dann, wenn man von der Idee einer mathematisch exakten und "starren" Definition weggeht, und hinter Begriffen wie eben "Allmacht" und "Allwissenheit" etwas anderes sieht als Definitionen, die einer wissenschaftlichen Exaktheit oder auch nur logischen Konsistenz folgen müssten.
#6
(30-07-2012, 21:16)petronius schrieb: kommt wohl drauf an,wie man "allwissend" definiert und ob man diese eigenschaft auch gott zuschreibt
Auch das ist ein vernünftiger Einwand. So ließe sich eine multiversale Allwissenheit definieren, die aus Sicht unserer Kausalketten unbestimmt, besser historisch bedingt (kontingent) abläuft, im Multiversum in summa jedoch fest liegt und damit gewusst werden kann - z. B. von einem Wesen des Multiversums. Das ist alles nur eine Frage, welchen Beschränkungen wir unser Denken unterwerfen wollen.

(30-07-2012, 21:16)petronius schrieb: wäre ich als "allwissender gott" auf dem trip, mir zum spaß ein universum zu erschaffen, in dem sich schließlich menschen tummeln - ich würde wohl so was wie einen "freien willen" einbauen, also "allwissend" einen algorithmus einbauen, der sich irgendwann der vorhersagbarkeit entzieht (siehe z.b. "determiniertes chaos"). ist doch einfach spannender beim zusehen, wie sich meine wesen abstrampeln, wenn ich nicht schon weiß, was passiert.
Es ist ja die Frage, ob "sich Gott ein Universum geschaffen" hat, oder ob Gott eine Art Potenzial der Vielen im Universum (vor allem auf der Erde) ist, die alle eins verbindet: zu leben.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#7
@Ekkard: Das sind natürlich interessante Gedankengänge, doch es ist nicht so, dass ich Leute nicht verstehe, die an eine Art Gott glauben. Ich bin sogar überzeugt davon, dass jeder an Gott glaubt, da ich "Gott" als den Grund, warum die Dinge so sind, wie sie sind, bezeichnen würde. Manche nennen ihn (den Grund) Schicksal, oder Zufall, doch gemeint ist immer das selbe, und so ein Grund ist auch unbestreitbar, sonst würde ja nichts existieren.

Ich verstehe jedoch nicht, wie man an den "klassischen" christlich-katholischen Gott glauben kann, der, zumindest laut meinen Quellen, eben allwissend ist, sprich: er weiß genau was geschehen ist und was geschehen wird.

@Mustafa: Natürlich kann ich sagen:"Man kann Gott nicht mit Vernunft erklären", aber wieso sollte ich an so einen Gott eher glauben als an das, was mir meine Vernunft sagt?
#8
Hallo 'kaneís',
Verzeihung, ich habe dein Quoting korrigiert. Wenn du Quoting-Tags veränderst, vergiss nicht, dass diese Tags wie Klammern funktionieren. Nähers unter "Technische Hilfe".

(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: -Gott hat uns den freien Willen gegeben damit wir uns freiwillig zu ihm bekennen können...
-...und so die Prüfung bestehen, die dieses Leben eigentlich darstellt.

Welchen Sinn bitte hat eine Prüfung, deren Ergebnis, Allwissenheit sei Dank, schon von vornherein klar ist? Wieso erschafft Gott einen Menschen, von dem er weiß, dass er seine Prüfung nicht bestehen wird?
Die Wahrheit ist, diese Überlegungen werden nur von sehr fundamental denkenden Gläubigen so formuliert. Im Allgemeinen geht es um eine Haltung, die im Wesentlichen "Nächstenliebe" und "Gerechtigkeit" umfasst.

(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: (die Christen, die ich kenne, behaupteten, wie bereits erwähnt, Gott existiere außerhalb von Zeit und Raum).
Nicht einmal das kann man mit Bestimmtheit sagen. Das, was die Tradition lehrt, sind eben jene Vorstellungen, die bestimmte Aspekte des Glaubens umfassen. Darüber hinaus haben sie weder Bedeutung noch Wirkung.

(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: Genau wegen dieser Widersprüche war es mir nicht möglich, mich in meine christlichen (oder genauer: katholischen) Freunde hineinzuversetzen (die an einen personifizierten Gott glauben), da ich nicht weiß, wie sie diese offensichtlichen Ungereimtheiten vor sich selbst rechtfertigen. Deshalb hoffte ich, hier im Forum jemanden zu finden, der mir ebendiese Frage beantworten kann.
Die tiefere Aufgabe des Glaubens ist ja nicht die Analyse der Gottesvorstellungen, sondern ein "gelingendes Leben", heißt, ein Leben in einer möglichst lebensbejahenden, die Würde der Nächsten bewahrenden und gerechten Umgebung zu fördern und in Versagensfällen Rezepte zur Versöhnung bereit zu stellen. Die "offensichtlichen Ungereimtheiten" kommen nur durch Widersprüche diverser Einzelvorstellungen der Tradition zustande. In der praktischen Gemeindearbeit stellen diese jedoch kein Problem dar. Sie sind bestenfalls etwas für den Nachmittagskaffee nach einem Gemeindefest im kleinen Kreis.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#9
(30-07-2012, 22:01)kaneís schrieb: @Mustafa: Natürlich kann ich sagen:"Man kann Gott nicht mit Vernunft erklären", aber wieso sollte ich an so einen Gott eher glauben als an das, was mir meine Vernunft sagt?

Ich würde Vernunft nicht mit Logik gleichsetzen, und schon gar nicht aus bestimmten logischen Konstrukten ableiten, wie die oben genannten.

Ansonsten musst du natürlich nicht an Gott glauben, wenn es dir unvernünftig erscheint.
#10
Braucht man für "eine Haltung, die im Wesentlichen "Nächstenlieben" und "Gerechtigkeit" umfasst", wirklich so etwas wie Gott? Muss man dafür wirklich eine Karotte vor der Nase haben (Himmel, Seelenheil, o.Ä.)?
Aber das ist wahrscheinlich eine andere, grundsätzlichere Frage.
#11
(30-07-2012, 22:12)kaneís schrieb: Braucht man für "eine Haltung, die im Wesentlichen "Nächstenlieben" und "Gerechtigkeit" umfasst", wirklich so etwas wie Gott? Muss man dafür wirklich eine Karotte vor der Nase haben (Himmel, Seelenheil, o.Ä.)?
Davon kann keine Rede sein! Als Glaubender hast du nicht die Wahl an Gott zu glauben oder nicht. Die Gottesvorstellung ist deine "innerste Überzeugung". Daraus resultiert dann deine Haltung, die natürlich alles andere ist, als eine "Karotte, die vor meiner Nase baumelt".

Wer eine fundamental andere "tiefe innere Überzeugung" hat, "braucht" natürlich keinen Gott. Dann wäre nur mal interessant, wie die "innersten Überzeugungen" aussehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#12
Also ich für meinen Teil habe angefangen den christlichen Gottglauben, mit dem ich aufgewachsen bin, zu hinterfragen, wodurch ich bemerkt habe, dass ich am Ende des Tages meine Handlungen nur vor mir selber rechtfertigen muss. So arrogant es auch klingen mag, ich bin mein eigener Gott, und um mich vor mir rechtfertigen zu können, versuche ich (meist) mein bestes ein "guter Mensch" zu sein, also in "Frieden" und "Harmonie" mit meiner Umweld zu leben. Damit dies erreicht werden kann, muss man meiner Meinung nach einander verstehen; einer der Gründe wie ich in dieses Forum kam, und deshalb ist es in meinen Augen auch unablässlich, dass man sich alle verschiedenen "Seiten" einer Sache ansieht.

Soviel zu meinen "innersten Überzeugungen" :)
#13
(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: Meiner Meinung nach bedeutet Allwissenheit aber nicht, dass man Ereignisse "vorhersehen" kann, sondern dass man eben "weiß", was passieren wird

worin genau soll da jetzt ein unterschied bestehen?

(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: Falls Gott laut dem Christentum eigentlich nie allwissend war und nur eine Kristallkugel hat, mit der er die Zukunft, oder besser: deren Möglichkeiten, vorhersieht, bitte ich um Verzeihung für meine dumme Frage.

nur weil ich sie nicht verstehe,muß deine frage noch nicht "dumm" sein

ich versteh sie allerdings wirklich nicht

(30-07-2012, 21:37)kaneís schrieb: Genau wegen dieser Widersprüche war es mir nicht möglich, mich in meine christlichen (oder genauer: katholischen) Freunde hineinzuversetzen (die an einen personifizierten Gott glauben), da ich nicht weiß, wie sie diese offensichtlichen Ungereimtheiten vor sich selbst rechtfertigen

vermutlich gar nicht - weil sie keinerlei anlaß dazu sehen. etwa, weil solche allmachtsdispute für sie, für das, wie sie und was sie als "gott" empfinden, keinen stellenwert haben
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#14
(30-07-2012, 21:38)Mustafa schrieb: Es scheint auch ein Paradoxon aufzutreten, wenn man Gott mit den genannten Begriffen definieren will.

"Gott" scheint sich also solchen (menschlichen) Definitionen zu entziehen.

"Lösbar" wird so etwas dann, wenn man von der Idee einer mathematisch exakten und "starren" Definition weggeht, und hinter Begriffen wie eben "Allmacht" und "Allwissenheit" etwas anderes sieht als Definitionen, die einer wissenschaftlichen Exaktheit oder auch nur logischen Konsistenz folgen müssten.

"lösbar" wäre das ganze, wenn denn vernünftigerweise mit dem ganzen "definieren gottes" aufgehört würde, wenns doch angeblich sowieso nicht möglich sein soll

trotzdem schwadronieren gläubische über nichts lieber als darüber, wie ihr gott denn so sei. nur wehe, man macht sie auf die dadurch sich ergebenden widersprüche aufmerksam - schon springen sie im dreieck und rufen "blasphemie"
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#15
(30-07-2012, 21:45)Ekkard schrieb: Es ist ja die Frage, ob "sich Gott ein Universum geschaffen" hat, oder ob Gott eine Art Potenzial der Vielen im Universum (vor allem auf der Erde) ist, die alle eins verbindet: zu leben.

jeder kann sich götter konstruieren, wie er lustig ist

der christengott ist so konstruiert, daß er "sich ein Universum geschaffen" hat
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)


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