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Moderate Religion / Gemässigte Gläubige
#1
Hallo an alle Atheisten, Agnostiker, nicht-Briefmarken-Sammler etc.,

die Frage die ich hier mal in den Raum werfen möchte:

Was denkt ihr über die Vertreter o.g. Denkrichtung bzw. deren Ansichten, z.B. das NOMA Prinzip ( siehe hier http://de.wikipedia.org/wiki/Nonoverlapping_Magisteria für alle denen das Wort nichts sagt) ?
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#2
Zunächst ist die Auffassung Stephen Jay Gould's in etwa auch die meine. Es ist wie bei einem Koordinatensystem: Die Höhe steht senkrecht auf der Ebene. Ich kann mich in der Sach-Ebene bewegen, ohne in die Bedeutungsrichtung ausweichen zu müssen. Problematisch wird die Sache erst, wenn ich etwas verändere, wodurch andere Schaden erleiden. In dem Augenblick gewinne oder verliere ich "Höhe" und rutsche in die Bedeutungsebenen (z. B. minderer Moral).

wikipedia schrieb:Die Position Goulds wurde von den Atheisten Richard Dawkins und Ulrich Kutschera als unrealistisch kritisiert. Der Biologiehistoriker Michael Ruse bezweifelt, dass sich Religion gänzlich von Aussagen über Fakten trennen lasse. Daneben wurde von theologischer Seite bemängelt, dass die Position hinter die Auffassung von Georg Simmel zurückfalle. Dieser hatte behauptet, dass zwischen Wissenschaft und Religion keine Spannungen entstehen könnten, obwohl beide für die ganze Wirklichkeit zuständig seien; nur gibt es für beide ein anderes Sensorium: „Sie könnten sich nun prinzipiell so wenig kreuzen, wie Töne mit Farben.“
Es liegt wohl in der Historie von Religionen, ihre Geschichten auf der Basis antiker Fakten-Kenntnisse zu formulieren. Letztere feiern "fröhliche Urständ", als habe es die Wissensermittlung der letzten 2000 Jahre nicht gegeben. So vermittelt das "religiöse Sensorium" plötzlich Fakten, von denen man weiß, dass sie keine sind. Das "religiöse Sensorium" wäre also dringend Reform-bedürftig (in die Richtung eines echten, Fakten übergreifenden Holismus).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
um mit radio eriwan zu sprechen: im prinzip ja

selbstverständlich haben wissenschaft und religion nichts miteinander zu tun, beziehen sich auf völlig unterschiedliche sachverhalte (wobei ich alerdings nicht unbedingt unterschreeibenwürde, daß das "sachgebiet" der religion die "Fragen moralischer Bedeutung und Werte" sind, wie gould meint) - könnten daher auch gar nicht einander in die quere kommen

realiter aber sehen das doch einige anders, imho vornehmlich auf der religiösen seite, und beanspruchen eine zuständigkeit auch im anderen bereich bzw. meinen, ihre disziplin sei allumfassend und damit übergeordnet
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#4
Solange Religion und Wissenschaft tatsächlich trennbar sind, also sich gegenseitig aus dem Kram des jeweils anderen "raushalten", stimme ich dem völlig zu. Allerdings - korrigiert mich, wenn ich mich irre - wenn wir den Wissenschaftsbegriff nunmal weiter fassen als, sagen wir mal, Physik, dann werden wir doch recht schnell für jedes relevante Gebiet eine "Wissenschaft" finden. Eine Religion, die sich hier raushält, ist dann zwar widerspruchsfrei, aber irgendwie irrelevant.

Anders formuliert: Wissenschaft ist es da, wo es um Fakten geht. Religion widerspricht der Wissenschaft also dann nicht, wenn sie sich von Fakten fernhält. Aber dann wäre sie gleichzeitig nicht mehr wert als (entschuldigt den Vergleich) ein guter Fantasy-Roman.

Insofern könnte ich dem Prinzip unter gewissen Voraussetzungen zustimmen. Die würden aber die Religion sinnlos machen, deshalb widerspreche ich dem Prinzip grundsätzlich.
Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. (Friedrich Nietzsche)
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#5
(24-12-2012, 01:21)Keksdose schrieb: Die würden aber die Religion sinnlos machen, deshalb widerspreche ich dem Prinzip grundsätzlich.

An dieser Stelle würde ich dir raten, religiöse Aussagen nicht als wissenschaftliche Hypothesen zu sehen, sondern als kulturelle Ideen.
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#6
(24-12-2012, 01:56)Mustafa schrieb: An dieser Stelle würde ich dir raten, religiöse Aussagen nicht als wissenschaftliche Hypothesen zu sehen, sondern als kulturelle Ideen.

Das Problem ist aber, dass es, allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz, immer noch genug Leute gibt, die die Behauptungen der Religionen (wie die Schöpfungsgeschichte) wörtlich nehmen. Und es ist deswegen ein Problem, weil das nicht nur für die scheinbar wissenschaftlichen Erklärungen der Religionen (wie: "Krankheiten können durch Dämonen ausgelöst werden") gilt, sondern auch für teilweise sehr abstruse Verhaltensvorschriften dieser Religionen. Solche Fundamentalisten glauben sich dann im Recht, wenn sie ihre Kinder schlagen, gegen Homosexuelle hetzen oder Naturkatastrophen als göttliches Strafgericht ansehen.

Bei "gemäßigt" Gläubigen, für die die Behauptungen religiöser Schriften in der Tat nur Ideen, also Vorstellungen, sind, besteht diese Gefahr eher nicht. Dafür haben sie das Problem der Auslegung, also wie einzelne Aspekte ihrer Schriften zu verstehen sind, vor allem da ja zwischen Niederschrift und der heutigen Zeit Jahrhunderte oder gar Jahrtausende liegen. Dann gewinnt zwangsläufig jeder von ihnen seine eigene, individuelle Interpretation. Schon in diesem Forum sind genug Beispiele dafür zu finden.
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#7
"Religion" ist nach meiner Erfahrung "Gemeinde" oder Gemeindearbeit, die sich an einer gemeinsamen Lehre orientiert. Es wird erstaunlich wenig über den theologischen Überbau gesprochen. Dieser ist mehr ein Hintergrund, vor dem sich Gemeindearbeit abspielt. Man weiß, dass es darin Widersprüche und Unklarheiten gibt. Gleichwohl oder sogar in Opposition zu problematischen Lehren wird national und international Solidarität durchaus gelebt, jedenfalls in liberalen (rheinischen) römisch-katholischen und protestantischen Gemeinden. Ausgrenzungen kommen vor, werden aber als der christlichen Moral "im Grunde" widersprechend erkannt - auch, wenn manche Gemeindeglieder "nicht aus ihrer (Glaubens-)Haut können" beispielsweise in den o. g. Fällen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#8
Religion ist vom Ursprung her, für die Erklärung unerklärlicher Phänomene heran gezogen worden. Viele dieser unerklärlichen Phänomene stellten sich im Laufe der Zeit als natürliche Vorgänge heraus, bzw. die Erklärungen religiöser Art wurden widerlegt.

Sehe daher das NOMA Prinzip als ein Hilfskonstrukt, um den Glauben an eine höhere Macht, doch irgendwie zu rechtfertigen. Auch wenn es ständig abgestritten wird, moderater Glauben versucht sich immer wieder mit teilweise seltsam anmutenden Aussagen zu rationalisieren (z.B. "Gott liegt ausserhalb der Ratio", "Glauben muss man nicht begründen, damit er war ist", etc.), je absurder desto besser.

Es wird ausserdem damit eine Komplexität geschaffen, gewissermassen als intellektuelles Bollwerk, um jegliche Angriffe bzw. Zweifel, als Ausdruck eines Weltbilds darzustellen, das einfach zu stupide ist, um die höheren Wahrheiten theologischer Ausführungen zu begreifen.
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#9
Glaurung40:
Aber diese, teilweise kurios wirkenden, Anstrengungen zeigen doch, dass ihr Glaube für viele Leute wichtig ist, selbst wenn er bekannten Tatsachen widerspricht, die dann geleugnet oder "uminterpretiert" werden.
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#10
(24-12-2012, 14:54)Lelinda schrieb: Glaurung40:
Aber diese, teilweise kurios wirkenden, Anstrengungen zeigen doch, dass ihr Glaube für viele Leute wichtig ist, selbst wenn er bekannten Tatsachen widerspricht, die dann geleugnet oder "uminterpretiert" werden.

Stimme ich dir zu, das heißt aber noch lange nicht, dass da was dran ist, oder Glaube irgendeinen Nutzen hat (z.B. im evolutionären Sinne).

Warum Religion für viele Menschen so wichtig ist und welche psychologische Mechanismen dahinter stecken, dazu gibt's ja jede Menge interessante und teilweise plausible Theorien.
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#11
Der Nutzen könnte im Psychologischen liegen. Anscheinend brauchen viele Menschen den Glauben an einen Gott oder zumindest einen höheren moralischen Sinn (letzteres gilt ja auch für den Karma-Glauben). Vielleicht ein Überbleibsel aus der Kindheit, als der Mensch den (mächtigeren) Eltern vertrauen konnte und musste? Gott sozusagen als Ersatz für die Eltern, der (im Gegensatz zu diesen) überhaupt nicht will, dass man irgendwann einmal eigen(ständig)e Wege geht?
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#12
(24-12-2012, 16:41)Lelinda schrieb: Der Nutzen könnte im Psychologischen liegen. Anscheinend brauchen viele Menschen den Glauben an einen Gott oder zumindest einen höheren moralischen Sinn (letzteres gilt ja auch für den Karma-Glauben). Vielleicht ein Überbleibsel aus der Kindheit, als der Mensch den (mächtigeren) Eltern vertrauen konnte und musste? Gott sozusagen als Ersatz für die Eltern, der (im Gegensatz zu diesen) überhaupt nicht will, dass man irgendwann einmal eigen(ständig)e Wege geht?

Ja mag sein, eine der Theorien, erklärt aber bei weitem nicht, die teilweise bis zur Selbstaufgabe gehende Loyalität die man der imaginären Elternfigur entgegenbringt.
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#13
(24-12-2012, 10:48)Lelinda schrieb: Das Problem ist aber, dass es, allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz, immer noch genug Leute gibt, die die Behauptungen der Religionen (wie die Schöpfungsgeschichte) wörtlich nehmen.

Ja es gibt viele Gläubige, die den Kategoriefehler begehen, und nicht zwischen Sach-und Deutungsebene unterscheiden.
Leider gilt dies auch für viele atheistische Religionskritiker, die den Kategoriefehler geradezu brauchen, weil ihre ganze Kritik darauf aufbaut.
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#14
(24-12-2012, 17:16)Mustafa schrieb: Ja es gibt viele Gläubige, die den Kategoriefehler begehen, und nicht zwischen Sach-und Deutungsebene unterscheiden.
Leider gilt dies auch für viele atheistische Religionskritiker, die den Kategoriefehler geradezu brauchen, weil ihre ganze Kritik darauf aufbaut.

Stimmt. Es gilt aber auch für Leute, die andere unbedingt von ihrem Glauben überzeugen wollen. Missionsversuche (auch atheistische) sind eben einfacher, wenn man von einem fundamentalistischen Weltbild des Gegners ausgehen kann, während das der gemäßigten Gläubigen weiter gestreut und darum schwer zu fassen und anzugreifen ist.
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#15
(24-12-2012, 01:21)Keksdose schrieb: Wissenschaft ist es da, wo es um Fakten geht. Religion widerspricht der Wissenschaft also dann nicht, wenn sie sich von Fakten fernhält. Aber dann wäre sie gleichzeitig nicht mehr wert als (entschuldigt den Vergleich) ein guter Fantasy-Roman

jein

wissenschaft ist auch dort,wo es nicht um harte fakten geht, um empirie, belegbarkeit etc. - siehe geisteswissenchaft, die imho doch oft eher meinungen diskutiert als fakten

aber was ist denn schlecht daran, wenn religion von der faktischen belegbarkeit nicht mehr zu bieten hat als fantasy, aber halt persönlich bzw. emotionale bedürfnisse befriedigt?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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