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Christentum ohne Religion
#1
Aus dem Berliner Gefängnis trug Bonhoeffer seinem Freund, E. Bethge, in einem Brief die Idee von einem "religionslosen Christentum" vor.

Angeregt von K. Barths Religionskritik, meinte Bonhoeffer, die Kirche sei eine überkommene Institution und werde dem neuzeitlichen Bewusstsein nicht mehr gerecht. Die Zeit, in der man den Menschen etwas durch theologische oder fromme Worte sagen konnte, sei vorüber.
[…]
Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein. Auch diejenigen, die sich ehrlich als "religiös" bezeichnen, praktizieren das in keiner Weise; sie meinen also vermutlich mit "religiös" etwas ganz anderes.


Ein religionsloses Christentum, ohne Jenseitswelten also, der Glaube ist nicht mehr den Bedingungen der Religion unterworfen, er wird getragen von der (Mit-)Menschlichkeit, wie Jesus sie vorgelebt hat.

Da ist doch was dran, an dieser modernen Sicht vom Christsein!

Was meint ihr?
MfG B.
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#2
klar ist da was dran, insofern es auch jeder glaubenslose unterschreiben kann

es wird nur vermutlich die nicht rationalen/emotionalen bedürfnisse vieler, wenn nicht der meisten gläubigen nicht befriedigen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#3
Da kann ich petronius in seinen beiden Aussagen nur zustimmen!

Ich habe allerdings auch kein Problem damit, Menschen, die ohne Jenseitshoffnung nicht leben können, diesen Wunschtraum ungestört zu belassen. Da zähle ich mich gerne zu den Agnostikern, die völlig unnötige Entscheidungen und Festlegungen den Atheisten und den Gläubigen gleichermaßen überlassen.

Gruß

Dalberg
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#4
Seh ich aus der buddhistischen Sicht genauso,..bei uns wird ja versucht, das täglich zu praktizieren, siehe der 8fache Pfad (nicht umsonst mein Avatabild Icon_wink )
Aut viam inveniam aut faciam
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#5
(12-03-2013, 21:26)petronius schrieb: klar ist da was dran, insofern es auch jeder glaubenslose unterschreiben kann

Natürlich! Bonhoeffer hat ja mit den paar Zeilen auch das Denken in Richtung "atheistisches Christentum" und "Gott-ist-tot-Theologie" angestoßen.
MfG B.
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#6
Wir Gläubige müssen uns klar machen, dass Gott, Himmel, Engel, Hölle usw. mythische Vorstellungen sind. Alle Aussagen zu diesen Dingen sind mythologischer Natur und kommen in der Welt nicht vor. Sie gewinnen ihre Kraft aus der Tradition vieler in etwa ähnlicher Vorstellungen.
Ihr Sinn liegt nicht in dem, was "man" sagt, sondern, was "man" der Lehre folgend tut. Und daran lässt sich leicht ablesen, wie und wohin der eigene Mythos führt: gegen oder für andere, gelassen bleiben, wüten, Platzhirsch-Gebaren oder Kooperation ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
(13-03-2013, 18:46)Ekkard schrieb: Ihr Sinn liegt nicht in dem, was "man" sagt, sondern, was "man" der Lehre folgend tut

aber welcher lehre denn nun, wenn doch das gesagte gar keinen sinn hat?

wo kommt die auf einmal her?

du kannst den kuchen nicht gleichzeitig aufessen und für später aufbewahren

entweder etwas ist bloßer mythos ohne wörtlichen sinn, oder es stellt eine zu befolgende lehre dar. das eine aber schließt das andere aus
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#8
Alsn Märchenliebhaber weiß ich den Reichtum vieler Religionen an mythischen Vorstellungen und Bildern durchaus zu schätzen.
Aber die Kraft dieser Mythen, mir in Richtung eines praktischen mitmenschlichen Handelns im Alltag Hilfestellung zu sein, erlebe ich eher als marginal.

Da würde ich mich denn doch an das "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" eines Jesus halten wollen.

Und selbst auf das Wort dieses mir durchaus sehr sympatischen Menschen könnte ich verzichten. Denn die als Kind vielfach gehörte einfach Faustregel: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!" erscheint mir sogar noch eindruckvoller, als ein zwar möglicherweise liebevolles aber doch auch autoritatives "du sollst", weil sie eine überzeugende Begründung enthält.

Irgendwie liegen doch da die bisher hier genannten Sichtweisen recht nahe beisammen,

vermutet Dalberg

PS: Natürlich weiß ich, dass Diskussionen nun mal nicht unbedingt auf das Ziel "himmlischer Harmonie" ausgerichtet sind, aber wenn Übereinstimmungen im Denken und Bewerten hie und da mal auftreten, befriedigt das meinen in Resten immer noch ausgeprägten kindlichen Harmonietrieb.
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#9
Danke; das antwortet zugleich auf Petronius #7.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#10
(14-03-2013, 11:24)Ekkard schrieb: Danke; das antwortet zugleich auf Petronius #7.

keineswegs

ich wiederhole:

welcher lehre denn nun, wenn doch das gesagte gar keinen sinn hat?

wo kommt die auf einmal her?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#11
Petronius:

Die Lehre ist die, dass man seinen Mitmenschen so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte.
Wieso macht das keinen Sinn? Für den betroffenen Mitmenschen macht das sehr wohl einen Sinn, auch wenn dieses "Christentum ohne Religion" auf einen Gott, der sich dafür interessiert, und auf ein Jenseits, das das Verhalten im Leben bewertet, verzichtet.

Die Erkenntnis, dass es moralisch und menschlich Sinn macht, wenn man seine Mitmenschen gut behandelt, sollte eigentlich als Motivation und Sinnstiftung ausreichen.
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#12
(14-03-2013, 11:59)Lelinda schrieb: Die Lehre ist die, dass man seinen Mitmenschen so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte

aber woher soll die denn kommen?

wenn doch die schriften nur mythen sind, in denen man nicht darauf achten soll, was sie sagen?

das ist meine frage

sie bezieht sich auf die inkonsistenz, ein und dasselbe nach lust und laune einmal als real irrelevanten mythos und ein andermal als zu befolgende lehre wörtlich zu nehmen. denn nach diesem schema könnte ich doch auch das wort jesu vom schwertbringen wörtlich nehmen und die bergpredigt als netten mythos ansehen, den bitte keiner inhaltlich ernstnehmen soll
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#13
(14-03-2013, 12:10)petronius schrieb: nach diesem schema könnte ich doch auch das wort jesu vom schwertbringen wörtlich nehmen und die bergpredigt als netten mythos ansehen, den bitte keiner inhaltlich ernstnehmen soll

Das ist ja auch jahrhundertelang so gemacht worden. Wenn Gewalt religiös begründet (also entschuldigt) werden kann, scheinen viele Leute begeistert darauf anzuspringen. Icon_twisted

Und du hast Recht: Viele Bibelstellen (auch Sprüche von Jesus, wo man also eigentlich von einem einzigen Ur-Verfasser ausgehen sollte), widersprechen sich geradezu. Es sei denn, man bastelt sich abenteuerliche Konstruktionen zurecht, z.B.: "Selbstverteidigung ist verboten, als erster zuzuschlagen aber erlaubt." Auch das könnte man mit den Evangelien rechtfertigen, nach denen sich Jesus von seinen Feinden foltern und hinrichten ließ (obwohl er sich angeblich problemlos hätte wehren können), gleichzeitig aber gewalttätig gegen die wohl eher harmlosen Händler vorging, nur weil ihm ihr Verhalten nicht passte.

Da eine solche Konstruktion ziemlich verrückt klingt, stellt sich natürlich die Frage, warum die Lehren dieses Buches (und auch dieses Mannes) so uneinheitlich sind. Mögliche Erklärungen wären:

a) Jesus wusste selber nicht, was er (von den Leuten) wollte. Dann aber sollte man besser gar nichts ernst nehmen, was von ihm kommt. Es gibt ja schließlich noch andere Religionen, sogar mit Feindesliebe.

b) Gottes Gedankengänge sind so kompliziert, dass der Mensch nicht fähig ist, sie nachzuvollziehen, und Gott ist anscheinend auch nicht willens, sie dem Menschen verständlich zu erklären; nicht einmal, was seine Wünsche an sie betrifft. Dann müsste man also alle Aussagen ernst nehmen und über alle Unstimmigkeiten hinwegsehen (sich also das Nachdenken verbieten), was ja auch in manchen Kreisen so praktiziert wird.

c) Diese Geschichten sind ein Sammelsurium von Gedanken verschiedenster Personen, die Jesus selbst überhaupt nicht persönlich kannten und ihre eigene Meinung beigemischt haben. Außerdem mussten sie Gründe liefern, warum man eine Lehre, nach der man im Leben nur Nachteile hatte (wie religiöse Verfolgung), überhaupt befolgen sollte.

Das ist laut Theologen der wahrscheinlichste Grund, und wenn schon die Evangelisten nach eigenem Gutdünken zu interpretieren wagten, darf das sicher auch der Leser. Dabei ist dessen Meinung sicher auch vom Zeitgeist abhängig. Heute nimmt ja wohl auch kaum jemand noch die Besessenheits-Geschichten ernst. Dafür ist es heute üblich, die humane(re)n Thesen in den Vordergrund zu stellen. Und dazu gehört die Feindesliebe eben eher als der Schwerter-Satz.
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#14
Sind das jetzt rein theoretische Überlegungen oder
soll da ein praktischer Bezug impliziert werden.

Selbstverteidigung ist doch nicht, abzuwarten bis ich einen
schweren impact erleide und mich dann garnicht mehr wehren kann.
Wenn ich sowieso mit dem Rücken an der Wand stehe ist
es deutlich besser verzugslos zu agieren
um zumindest eine kleine Chance wahrzunehmen.
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#15
(14-03-2013, 10:22)dalberg schrieb: Als Märchenliebhaber weiß ich den Reichtum vieler Religionen an mythischen Vorstellungen und Bildern durchaus zu schätzen.

Da haben wir was gemeinsam.

Viele biblische Mythen sind nur verständlich, wenn man sich mit dem religiösen Umfeld der Zeit, in der die Texte entstanden sind, eingehend beschäftigt.
MfG B.
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