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Führt Moral zur Religion?
#1
Mustafa (in: Islam - Pro und Kontra #142) schrieb:Um es mit Kant zu sagen: Moral führt unumgänglich zur Religion.

petronius schrieb:keine ahnung, ob kant das oder was er wirklich und in welchem kontext gesagt hat

In: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" findet sich im Vorwort zur 1. Auflage u.a. folgender Satz:

Moral also führt unumgänglich zur Religion, wodurch sie sich zur Idee eines machthabenden moralischen Gesetzgebers außer dem Menschen erweitert, in dessen Willen dasjenige Endzweck (der Weltschöpfung) ist, was zugleich der Endzweck des Menschen sein kann und soll.

Kant fand es nötig, diesen Satz mittels einer Fußnote (die zwei Seiten füllt!) zu erläutern. Dort heißt es abschließend:

Wenn nun aber die strengste Beobachtung der moralischen Gesetze als Ursache der Herbeiführung des höchsten Guts (als Zwecks) gedacht werden soll: so muss, weil das Menschenvermögen dazu nicht hinreicht, die Glückseligkeit in der Welt einstimmig mit der Würdigkeit glücklich zu sein zu bewirken, ein allvermögendes moralisches Wesen als Weltherrscher angenommen werden, unter dessen Vorsorge dieses geschieht, d.i. die Moral führt unausbleiblich zur Religion.

Was meint Kant denn nun tatsächlich mit diesem Satz?

Er sag: Moral führe zur Religion – aber führt Religion zur Moral?

"Die Religion", wie sie in der Welt vielgestaltig angetroffen wird, kann er offensichtlich nicht gemeint haben?
MfG B.
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#2
(19-07-2013, 13:42)Bion schrieb: Was meint Kant denn nun tatsächlich mit diesem Satz?

er ist ein kind seiner zeit

kann die indoktrination mit dem gottesglauben nicht abschütteln, sich schlicht nicht vorstellen, daß der mensch selber sich seine moral geben und dieser verpflichtet sein könne. insbesondere scheint ihm auch moral als intersubjektive normenvereinbarung unvorstellbar zu sein

nun: wir sind heutzutage ein wenig weiter, und folgen kants "sapere aude!" auch dort, wo er sich gar nicht hingetraut hat

(19-07-2013, 13:42)Bion schrieb: Er sag: Moral führe zur Religion – aber führt Religion zur Moral?

beides ist möglich, aber keineswegs zwingend
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#3
Da auch Tiere "moralisch" handeln, zum Beispiel verletzten Artgenossen helfen, aber nicht über religiöse Fragen nachdenken, ist Kants Schluss "Moral führt zu Religion" wohl falsch. Eher gab es wohl über viele Generationen (Ansätze von) Moral ohne Religionen. Warum sollte auch der Glaube an den (moralischen) Willen übermenschlicher Wesen oder an ein übergeordnetes Prinzip nötig sein, um sich ethisch zu verhalten? Die angeborene Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, kann in vielen Fällen ausreichend sein.

Andersherum gibt es aber wohl keine Religion, die nicht versucht, eine bestimmte Moral vorzuschreiben. Egal, ob es um Feindesliebe und aktive Nächstenhilfe geht oder nur darum, dass man nicht die Opfergaben an die Götter stehlen darf. Allerdings gibt es wohl keinen Religionsstifter, der nicht schon vor der Gründung seiner Religion eine persönliche Moralvorstellung hatte, die sich dann in seiner Religion niederschlug.

Oder ist mit der Frage "Führt Religion zur Moral?" gemeint, ob die Zugehörigkeit zu einer Religion moralisch macht? Das geht wohl nur, wenn der Gläubige sich wirklich mit seiner Religion identifizieren kann. Hat er Zweifel, wird er auch die Moralvorschriften seiner Religion nicht unbedingt befolgen.
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#4
(19-07-2013, 13:49)petronius schrieb: er ist ein kind seiner zeit

kann die indoktrination mit dem gottesglauben nicht abschütteln, sich schlicht nicht vorstellen, daß der mensch selber sich seine moral geben und dieser verpflichtet sein könne. insbesondere scheint ihm auch moral als intersubjektive normenvereinbarung unvorstellbar zu sein

Diese Vorwürfe ausgerechnet gegen Kant zu erheben halte ich für dreist.
Es ist nicht schlimm, sich nie mit seinem Werk beschäftigt zu haben, aber dann sollte man besser auch auf solche Beurteilungen verzichten.

(19-07-2013, 13:49)petronius schrieb: nun: wir sind heutzutage ein wenig weiter, und folgen kants "sapere aude!" auch dort, wo er sich gar nicht hingetraut hat

Wo sich Kant intellektuell hingetraut hat, kommt wohl eher selten überhaupt jemand hin. Seine Analysen halte ich nach wie vor für aktuell.
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#5
(19-07-2013, 15:04)Lelinda schrieb: Da auch Tiere "moralisch" handeln, zum Beispiel verletzten Artgenossen helfen

Ist das Moral? Haben Tiere ideelle Wertvorstellungen?
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#6
(19-07-2013, 13:42)Bion schrieb: Was meint Kant denn nun tatsächlich mit diesem Satz?

Er sag: Moral führe zur Religion – aber führt Religion zur Moral?

Nur ersteres.
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#7
Kant:
"Doch konsequentes moralisches Handeln ist nicht möglich ohne den Glauben an Freiheit, Unsterblichkeit und Gott."

War eben ein Kind seiner Zeit.
Kannte wohl nicht viele Religionen, sonst hätte er mehr differenziert.

Moral innerhalb einer einer Sektenrichtung wird doch durch selbstdefinierten Sittenwahn
ausgedrückt.
Wenn man so das Religions/Sekten/Kulte Chaos sieht kann ich mir beim besten Willen
nicht vorstellen, das da kein Moralchaos entstehen würde.
Moral wird halt als Rechtfertigung in jeder noch so abgefuckten Sekte
benutzt um sich zu legitimieren, ist aber nur selbstgemachtes Sittenkino.

Moral kommt aus den Menschen nicht aus Vereinen, incl. einer Fussball AG`s
in München deren Guru die gerne einforderte.
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#8
Kant hat nur das Individuum streng im Blick. Folglich wäre der Mensch auf ein "allvermögendes moralisches Wesen als Weltherrscher" angewiesen, dessentwegen er sich den moralischen Gesetzen unterwirft. (Man kann diese Sicht an vielen Stellen bemerken.) Tatsächlich muss man aber die Sicht auf "die Vielen" (den gesellschaftlichen Hintergrund) erweitern, dem das Individuum genau so Rechenschaft schuldig ist, wie einem "allvermögendem moralischen Wesen als Weltherrscher", damit Vertrauen herrscht und die Gesellschaft funktioniert.
Ich denke, so kommt man zu ethischem Handeln ganz ohne Religion im engeren Sinne. Oder: Moral hat eine gesellschaftliche Aufgabe, die ohne Transzendenz-Bezug definiert werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
(19-07-2013, 19:11)Ekkard schrieb: Ich denke, so kommt man zu ethischem Handeln ganz ohne Religion im engeren Sinne. Oder: Moral hat eine gesellschaftliche Aufgabe, die ohne Transzendenz-Bezug definiert werden kann.

Ich habe Probleme mit diesem "Transzendenz-Bezug", weil sich gleich die Frage stellt, was mit Transzendenz gemeint ist.
Damit kann man übernatürliche Fabelwesen meinen, oder aber ideelle Begriffe.

So meinte Kant mit Gott natürlich keinen Superhominiden, der den Menschen Vorschriften macht und mit Strafe droht, sondern die Idee des Absoluten, dessen, was aus sich selbst heraus und ohne Ursache ist.

Und ich betrachte moralische Werte auch als solche ideellen Begriffe. Wenn diese in einer Gesellschaft verinnerlicht werden, entsteht daraus Religion.

Das hat m.E. aber erstmal nichts mit guten Taten zu tun, diese können natürlich auch aus puren Empfindungen geschehen (hier wurde das Tierbeispiel genannt). Genauso können schlechte Haltungen in die Religion einfließen.
Das Ergebnis gut/schlecht ergibt sich aus der Bewertung anhand eben eines Wertesystems.
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#10
(19-07-2013, 16:20)Mustafa schrieb:
(19-07-2013, 15:04)Lelinda schrieb: Da auch Tiere "moralisch" handeln, zum Beispiel verletzten Artgenossen helfen

Ist das Moral? Haben Tiere ideelle Wertvorstellungen?

Eine ideelle Wertvorstellung wäre in einem solchen Fall z.B. der Gedanke: "Das ist mein Glaubensgenosse/ein Mensch wie ich/jemand, der mir vielleicht auch einmal helfen wird". Solche Wertvorstellungen haben Tiere sicher nicht. Aber wenn ein Lebewesen (ob Mensch oder Tier) Mitleid mit einem anderen Lebewesen (muss nicht zwangsläufig ein Artgenosse sein) hat und diesem deshalb hilft, ist das für mich eine moralische Handlung, auch wenn der/das Betreffende nicht darüber nachdenken kann. Mit anderen Worten: Moral im ursprünglichsten Zustand.
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#11
(19-07-2013, 20:41)Lelinda schrieb: Aber wenn ein Lebewesen (ob Mensch oder Tier) Mitleid mit einem anderen Lebewesen (muss nicht zwangsläufig ein Artgenosse sein) hat und diesem deshalb hilft, ist das für mich eine moralische Handlung

Damit stellst du Moral mit Mitleid gleich?
Ich sehe Moral tatsächlich eher als etwas Ideelles, und nicht Ergebnis einer Emotion.
Dass es eine "gute" Handlung ist, steht für uns Menschen, die wir an moralischen Idealen messen, natürlich fest.

Kritiker des Idealismus, wie etwa Nietzsche, sahen dies natürlich ganz anders, und lehnten sowas wie "Moral" komplett ab.
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#12
Zitat:
Damit stellst du Moral mit Mitleid gleich?

Jein. Für mich ist Mitleid ein (extrem wichtiger), intuitiver Teilaspekt der Moral.
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#13
(19-07-2013, 21:53)Lelinda schrieb: Jein. Für mich ist Mitleid ein (extrem wichtiger), intuitiver Teilaspekt der Moral.

Wie würdest du Moral demnach definieren?
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#14
Als das innere Bestreben, Handlungen, die anderen schaden, abzulehnen und Handlungen, die gut für andere sind, anzustreben oder zumindest gutzuheißen. Wobei es natürlich in vielen Fällen nicht einfach zu entscheiden ist, wie eine Handlung einzustufen ist.
Dieses innere Bestreben kann sowohl intuitiv sein (also aus einem selbst herauskommen), als auch intellektuell begründet sein.
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#15
Nicht Mitleid, sondern eher das Mitfühlen.
Moralische Handlungen, enstehen ja nicht dadurch unbedingt, weil ich das Leid des Anderen gleich Teilen muss, sondern eher weil ich es Mitfühle und Helfen möchte, und dadurch viel. eine Moralische Haltung gegenüber z.B Kindern ensteht. Aber wäre das jetzt nicht eher ethischen Denken?

Allerdings könnte ich auch nicht sagen, das die Religion selber als Referenz für moralisches Handeln steht. Es gibt schon alleine mehre Abzeigung einer Religion, wo man in einem Teilaspekt eine ganz andere Moral zuschreibt, und die sich deswegen die Köpfe einschlagen.
,
Daher, nicht nur die Religionen bringen auch gern neue Moralisten hervor. Wie dieses Fundus an angeblichen Moralwerten nur wirklich bewertet wird, steht ja ganz woanders.
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