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Christliche Mission
#1
Es mag vielleicht etwas merkwuerdig erscheinen, dass gerade ich als Atheist dies anspreche, aber ich habe eine Frage zum Missionsverstaendnis der "Altkirchen" in Europa. Was mich zu dem Thema bringt, sind diese immer wieder auftauchenden Themen in diesem Forum, die den Verlust der eigenen "christlichen" Kultur und die Angst vor Ueberfremdung ausdruecken. Als Beispiel sei nur die Angst vor Verbreitung des Islam in Europa genannt, was ich speziell hier als Thema jetzt aber nicht diskutiert haben moechte.

Wenn ich hier in Deutschland mit Mission konfrontiert werde, dann sind das fast immer Mormonen oder Zeugen Jehovas, ganz selten mal Vertreter irgendeiner evangelikalen Freikirche. Merkwuerdigerweise scheinen die Altkirchen selbst, also die katholische Kirche oder die evangelischen Landeskirchen, dieses Thema ad acta gelegt zu haben. Gut, hin und wieder gibt's mal eine Spendenaktion fuer die Mission in Afrika oder Asien, aber zu Hause scheint dieses Thema komplett im Muelleimer der Geschichte verschwunden zu sein. Sehen die hiesigen Kirchen sich nur noch als Nachlassverwalter ihrer einstigen Groesse? Der Pfarrer predigt vor ein paar Leuten in den 70ern und 80ern und hofft, dass der letzte nach ihm noch das Licht ausmacht? Irgendwie kommen sie so rueber, als seien sie jetzt schon tot.

Gut, wie gesagt, als Atheist sollte mir das eigentlich egal sein, aber es stoert mich irgendwie, dass das Erfuellen religioeser Beduerfnisse, die viele Menschen nun einmal haben, so ganz den radikaleren Stroemungen ueberlassen wird. Es muss ja nicht gleich so wie in den USA sein, wo an jeder Ecke ein Weltuntergangsprediger steht. Wobei es ja auch da noch gemaessigte Missionsbewegungen gibt, wie Gideons International, die diese Bibeln in den Hotels auslegen und auch so kleine Exemplare vom NT plus Psalmen und Spruechen umsonst austeilen. Die passen in die Brusttasche eines Hemds und sind ganz praktisch, wenn man mal kurz was nachschauen will. Ich habe gerade beim Aufraeumen zwei von meinen gefunden:

*http://i.imgur.com/8ssjRAJ.jpg

Tl;dr: Wie sieht es mit dem Missionsverstaendnis der Grosskirchen in Deutschland aus? Ist die derzeitige Einstellung gut so wie sie ist, oder waere es besser, wenn sich das aendern wuerde?
#2
Das Mission tot ist, kann man so nicht sagen.
Immerhin hat die Caritas ca. 500 000 Mitarbeiter.
Das Kerngeschäft des menschlich , sozialen Bereichs wird
heute mehr in den Vordergrund gestallt.

Sowas wie Akkomodation in Japan , China gibts wohl nicht mehr.
Südamerika wäre noch ein Großkampfplatz.

In Afrika steckt die Mission mehr in den karitativen Organisationen würde ich sagen.
Nicht das die Kirche da vorwiegend ihr eigenes Geld aufwendet.

Der mutige Missionar der in Papua die Bevölkerung ungefragt beglückt und
mit Pech auch mal als Abendmahl endet ist ein Auslaufmodell.
#3
(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: Das Mission tot ist, kann man so nicht sagen.
Immerhin hat die Caritas ca. 500 000 Mitarbeiter.
Das Kerngeschäft des menschlich , sozialen Bereichs wird
heute mehr in den Vordergrund gestallt.
Gehet hin in alle Welt, lehret alle Völker, taufet sie ...Wem will man in EU oder den Amerikas etwas beibringen? Entweder, die Leute kennen das schon, oder sie wollen es nicht wissen.

(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: Südamerika wäre noch ein Großkampfplatz.
Ich denke, ausgerechnet dort ist die Erinnerung an die spanischen Christen (Eroberer) noch so lebendig, dass man sich schämen muss, Christ zu sein. Die römische Staatsdoktrin hat dort die Botschaft vollkommen verzerrt!

(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: In Afrika steckt die Mission mehr in den karitativen Organisationen würde ich sagen.
Den Eindruck habe ich auch. Allerdings gibt es eine weltweite Vorstellung, dass in Katastrophengebieten Hilfe zu leisten ist, unabhängig vom Glauben oder den dahinter stehenden Mythen. Das ist zwar Sinn der christlichen Botschaft, aber nicht direkt also solche zu erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#4
(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: Sowas wie Akkomodation in Japan , China gibts wohl nicht mehr. Südamerika wäre noch ein Großkampfplatz.

Suedkorea ist momentan am aktivsten, was christliche Mission in anderen Laendern angeht. In Suedamerika wird auch noch heftig missioniert, und die Mormonen sind dort z.B sehr erfolgreich, vor allem bei der indigenen Bevoelkerung.

(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: Der mutige Missionar der in Papua die Bevölkerung ungefragt beglückt und mit Pech auch mal als Abendmahl endet ist ein Auslaufmodell.

Klar. Mir ging es aber eigentlich eher um die Binnenmission.
#5
(08-06-2014, 19:55)Ekkard schrieb: Gehet hin in alle Welt, lehret alle Völker, taufet sie ...Wem will man in EU oder den Amerikas etwas beibringen? Entweder, die Leute kennen das schon, oder sie wollen es nicht wissen.

Da spricht genau die Einstellung aus Dir, die ich meine; die Kirchen scheinen aufgegeben zu haben. In den USA sind missionarische Aktivitaeten sehr verbreitet und aktiv, obwohl es dort einen hoeheren Anteil aktiver Christen gibt als hier. Es geht dabei auch darum, all diejenigen zu aktivieren, die nur noch pro forma Christ sind. Allerdings gibt's da auch keinen Religionsunterricht. Wobei ich nicht weiss, ob der hier nicht mehr kaputt macht, als dass er hilft.

(08-06-2014, 19:55)Ekkard schrieb:
(08-06-2014, 18:32)Harpya schrieb: Südamerika wäre noch ein Großkampfplatz.
Ich denke, ausgerechnet dort ist die Erinnerung an die spanischen Christen (Eroberer) noch so lebendig, dass man sich schämen muss, Christ zu sein. Die römische Staatsdoktrin hat dort die Botschaft vollkommen verzerrt!

Ja sicher. Aber Lateinamerika hat z.B. auch die Befreiungstheologie hervorgebracht.

(08-06-2014, 19:55)Ekkard schrieb: Allerdings gibt es eine weltweite Vorstellung, dass in Katastrophengebieten Hilfe zu leisten ist, unabhängig vom Glauben oder den dahinter stehenden Mythen. Das ist zwar Sinn der christlichen Botschaft, aber nicht direkt also solche zu erkennen.

So sehe ich das auch, und das ist auch gut so.

Allerdings ging's mir bei dem Thema tatsaechlich eher darum, dass die grossen Kirchen in Deutschland sich entweder in ihr Schicksal ergeben haben oder das Potential nicht erkennen. Vielleicht sind gemaessigte Christen auch einfach ein Auslaufmodell, wer weiss.
#6
(08-06-2014, 10:07)Ulan schrieb: Wenn ich hier in Deutschland mit Mission konfrontiert werde, dann sind das fast immer Mormonen oder Zeugen Jehovas, ganz selten mal Vertreter irgendeiner evangelikalen Freikirche. Merkwuerdigerweise scheinen die Altkirchen selbst, also die katholische Kirche oder die evangelischen Landeskirchen, dieses Thema ad acta gelegt zu haben

ich denke, den großkirchen ist bewußt, wie lächerlich man sich mit straßenmission macht. und wie wenig effizient so was ist

denn mal im ernst: meinst du wirklich, daß sich nennenswerte zahlen "bekehren lassen", weil einen jemand auf der straße zulabert oder an der tür klingelt, eine bibel verschenkt und einem dann das ohr abkaut?

so was läuft wohl eher peer-to-peer, also ein freund lädt einen mal ein, doch so einen charismatischen gottesdienst zu besuchen, wo dann alle selbstbesoffen sich einen absingen und -beten - gruppendynamik eben, wie im stadion bei miley cyrus oder dem bvb

den großkirchen mangelt es am eventcharakter, ein kirchentag alle zwei jahre, und sei er mit papstanfassen, haut da eben nicht so rein

(08-06-2014, 10:07)Ulan schrieb: Wie sieht es mit dem Missionsverstaendnis der Grosskirchen in Deutschland aus? Ist die derzeitige Einstellung gut so wie sie ist, oder waere es besser, wenn sich das aendern wuerde?

ich sehe ehrlich gesagt nicht, in welche richtung eine änderung gehen sollte oder könnte
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#7
(08-06-2014, 20:28)Ulan schrieb: Allerdings ging's mir bei dem Thema tatsaechlich eher darum, dass die grossen Kirchen in Deutschland sich entweder in ihr Schicksal ergeben haben oder das Potential nicht erkennen. Vielleicht sind gemaessigte Christen auch einfach ein Auslaufmodell, wer weiss.

Weis zwar nicht wie das bei euch in Deutschland ist, aber hier in Norditalien und auch bei uns in Südtirol ganz sicher.

Sonntags sieht man in den Kirchen vorwiegend nur noch ältere Leute. Zur Hauptmesse kommen auch ein paar noch frische und idealistische Jungfamilien hinzu, die man aber an einer Hand abzählen kann.

Hab bis vor etwa 10 Jahren über 18 Jahre lang als Keyboarder mit einer Singgruppe sogenannte Jugendmessen und ähnliches gestaltet.
Damit kriegte man damals schon, noch am ehesten junge Leute in die Kirchen.
Heute zieht auch das nicht mehr.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
#8
(08-06-2014, 20:37)petronius schrieb: ich denke, den großkirchen ist bewußt, wie lächerlich man sich mit straßenmission macht. und wie wenig effizient so was ist

denn mal im ernst: meinst du wirklich, daß sich nennenswerte zahlen "bekehren lassen", weil einen jemand auf der straße zulabert oder an der tür klingelt, eine bibel verschenkt und einem dann das ohr abkaut?

Bei Dir oder mir und vielen anderen wird das natuerlich nicht funktionieren, und ich habe auch nicht die Absicht, mich bekehren zu lassen. Das heisst aber nicht, dass es generell nicht funktioniert. Im Prinzip geht's mir auch gar nicht um Bekehrung selbst. Es geht mir um das Aussenbild der Kirchen an und fuer sich. Im Moment sehen die wie ein todgeweihtes Auslaufmodell aus; sie wirken, als haetten sie sich selbst aufgegeben.

Dieses lustlose Aussenbild hat natuerlich Auswirkungen auf die Glaeubigen selbst. Niemand haengt sich gerne an Verlierer. Ich denke mal, das erklaert unter anderem den Zuwachs der radikaleren Glaubensgemeinschaften.

Ich hatte mal ueber die Mormonen gehoert, dass die Bekehrungsrate ihrer Missionare in Europa so gut wie bei Null liegt. Trotzdem machen sie es immer wieder, weil die Bekehrung eigentlich nur ein Nebenziel ist, und es mehr um die Entwicklung des Selbstverstaendnisses geht. Das mormonische Modell propagiere ich natuerlich ueberhaupt nicht, das dient nur zur Verdeutlichung dessen, was ich meine.

(08-06-2014, 20:37)petronius schrieb: so was läuft wohl eher peer-to-peer, also ein freund lädt einen mal ein, doch so einen charismatischen gottesdienst zu besuchen, wo dann alle selbstbesoffen sich einen absingen und -beten - gruppendynamik eben, wie im stadion bei miley cyrus oder dem bvb

Das sehe ich genau so.

(08-06-2014, 20:37)petronius schrieb: den großkirchen mangelt es am eventcharakter, ein kirchentag alle zwei jahre, und sei er mit papstanfassen, haut da eben nicht so rein.

Das meine ich damit. Sie sind im Prinzip unsichtbar, wenn man nicht gerade neben einer bimmelnden Kirche wohnt.

(08-06-2014, 20:37)petronius schrieb: ich sehe ehrlich gesagt nicht, in welche richtung eine änderung gehen sollte oder könnte

So richtig weiss ich das auch nicht, aber Staende und so ein Kram funktioniert merkwuerdigerweise schon irgendwie. Ich hatte glaube ich schon mal geschrieben, dass da oefter mal fuer einen Monat ein Betzelt vor meinem letzten Arbeitsplatz stand. Wird so etwas in Deutschland mit Eiern beworfen? Keine Ahnung. Aber kann natuerlich sein, dass man den Dingen ihren Lauf lassen muss.
#9
Zitat:Ich hatte mal ueber die Mormonen gehoert, dass die Bekehrungsrate ihrer Missionare in Europa so gut wie bei Null liegt. Trotzdem machen sie es immer wieder, weil die Bekehrung eigentlich nur ein Nebenziel ist, und es mehr um die Entwicklung des Selbstverstaendnisses geht.

Wenn man als Sektenmitglied hundertprozentig davon überzeugt ist, dass nur diejenigen Menschen ins Paradies dürfen, die an das gleiche glauben wie man selbst, dann missioniert wahrscheinlich mancher allein deswegen weiter, um nicht später ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn Kollege Meier oder Nachbarin Müller in die Hölle muss, nur weil man keine Lust hatte, mit ihnen zu diskutieren.

Die beiden großen Kirchen scheinen sich von solchen Überzeugungen gelöst zu haben, was ich persönlich als Fortschritt ansehe. Wie es früher zuging, ist ja bekannt.

Extrem fromme Sekten zeichnen sich oft nicht nur durch sehr rigide Vorschriften aus, die vor allem zu Lasten ihrer Kinder gehen, sondern können auch ziemlich gefährliche Ideen entwickeln. So bieten gewisse christliche Kirchen in Nigeria Teufelsaustreibungen an. Oder (um bei der westlichen Kultur zu bleiben) man denke an das Jesus-Camp in den USA!

Da sind mir doch unsere mitteleuropäischen Großkirchen, die wenig Zulauf haben aber (vielleicht schon deswegen zwangsweise) tolerant sind, lieber als charismatische Gottesdienste, wie man sie aus dem amerikanischen Fernsehen kennt. Mag sein, dass man sich in solchen Gottesdiensten "angenommener" fühlt, weil das Gefühl angesprochen wird. Aber gleichzeitig wird auch das selbstständige Denken eingeschränkt.
#10
(08-06-2014, 21:46)Lelinda schrieb: Extrem fromme Sekten zeichnen sich oft nicht nur durch sehr rigide Vorschriften aus, die vor allem zu Lasten ihrer Kinder gehen, sondern können auch ziemlich gefährliche Ideen entwickeln. So bieten gewisse christliche Kirchen in Nigeria Teufelsaustreibungen an. Oder (um bei der westlichen Kultur zu bleiben) man denke an das Jesus-Camp in den USA!

Ja sicher. Es ging mir ja auch mehr darum, dem etwas entgegenzusetzen. Der Erfolg dieser radikaleren Bewegungen besteht darin, dass sie das Herz ansprechen, was den Grosskirchen wohl immer weniger gelingt.

(08-06-2014, 21:46)Lelinda schrieb: Da sind mir doch unsere mitteleuropäischen Großkirchen, die wenig Zulauf haben aber (vielleicht schon deswegen zwangsweise) tolerant sind, lieber als charismatische Gottesdienste, wie man sie aus dem amerikanischen Fernsehen kennt. Mag sein, dass man sich in solchen Gottesdiensten "angenommener" fühlt, weil das Gefühl angesprochen wird. Aber gleichzeitig wird auch das selbstständige Denken eingeschränkt.

Mir sind die Grosskirchen ja auch lieber; die scheinen aber beschlossen zu haben, sich selbst abzuschaffen. Sie haben den Charme einer Behoerde. Ich habe es oben schon einmal erwaehnt: vielleicht ist auch der zwangsweise Religionsunterricht ein Fehler? Dinge, die man freiwillig macht, sprechen einen eher an, gerade in der heutigen Gesellschaft, wo sehr viel Wert auf Individualitaet gelegt wird.
#11
(08-06-2014, 21:46)Lelinda schrieb: Extrem fromme Sekten zeichnen sich oft nicht nur durch sehr rigide Vorschriften aus, die vor allem zu Lasten ihrer Kinder gehen, sondern können auch ziemlich gefährliche Ideen entwickeln. So bieten gewisse christliche Kirchen in Nigeria Teufelsaustreibungen an. Oder (um bei der westlichen Kultur zu bleiben) man denke an das Jesus-Camp in den USA!

Warum so weit reisen, die extrem frommen haben wir doch vor der Tür.

"Laut Kirchenrecht soll jedes Bistum einen eigenen Exorzismusbeauftragten haben. Das bestätigt Ägidius Engel, Sprecher des Erzbistums Paderborn.

Und der Mann mit dem so passenden Namen berichtet: „Zwischen 1998 und 2003 hat es in unserer Diözese drei beauftragte Exorzismen gegeben. Die Fälle sind im erzbischöflichen Geheimarchiv dokumentiert.“
Zwei Betroffene erklärten sich danach für geheilt. In den vergangenen fünf Jahren habe es im Erzbistum Paderborn etwa zehn ernst zu nehmende Anfragen gegeben. "*http://www.focus.de/panorama/reportage/exorzismus-seite-2_id_3526707.html

Das Gute liegt so nah.
#12
(08-06-2014, 21:54)Ulan schrieb: Dinge, die man freiwillig macht, sprechen einen eher an, gerade in der heutigen Gesellschaft, wo sehr viel Wert auf Individualitaet gelegt wird.
Diese Wertsetzung ist wohl die Ursache für die Misere der großen, christlichen Kirchen in Mitteleuropa. Wir streben - zuende gedacht - eine entsolidarisierte Gesellschaft an. Deswegen staunen wir immer wieder über die "kleinen, strengen Gemeinschaften", zu denen auch Migrantengruppen zählen.
Diese Einstellung funktioniert aber nur, solange im Grunde kein Mangel herrscht. Die Bedrohungen sind weitgehend abstrakt und äußern sich in z. B. in Fremdenhass. Eine Gesellschaft, in der jede Hand (fühlbar, erfahrbar) gebraucht wird, um hinreichend Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Hygiene, ... zu schaffen und zu erhalten, müsste sich ganz anders, nämlich solidarisch, verhalten.

Das Urchristentum mit seiner Forderung nach Nächstenliebe ist nur zu verstehen als Solidargemeinschaft gegenüber der römischen Besatzungsmacht und der jüdischen Theokratie. Mit was will ich im Augenblick Werbung machen, wenn Solidarität keine gespürte, erfahrbare Notwendigkeit ist? (Selbst Höllen-Drohungen sind nicht konkret, weil sich Hölle offensichtlich nicht erfahren läßt)
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#13
(09-06-2014, 10:14)Ekkard schrieb: Diese Wertsetzung ist wohl die Ursache für die Misere der großen, christlichen Kirchen in Mitteleuropa. Wir streben - zuende gedacht - eine entsolidarisierte Gesellschaft an. Deswegen staunen wir immer wieder über die "kleinen, strengen Gemeinschaften", zu denen auch Migrantengruppen zählen.
Diese Einstellung funktioniert aber nur, solange im Grunde kein Mangel herrscht. Die Bedrohungen sind weitgehend abstrakt und äußern sich in z. B. in Fremdenhass. Eine Gesellschaft, in der jede Hand (fühlbar, erfahrbar) gebraucht wird, um hinreichend Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Hygiene, ... zu schaffen und zu erhalten, müsste sich ganz anders, nämlich solidarisch, verhalten.

Die Gesellschaft verhält sich solidarisch, Individuen hingegen weniger als früher. Wohlfahrt ist delegiert. Auf Abwesenheit von Hunger und Kälte besteht in D Rechtsanspruch. Und das ist auch gut so - imho. Wäre ich bedürftig, würde ich allemal lieber garantierte staatliche Zuwendungen entgegennehmen als auf das Mitleid von Mitbürgern angewiesen zu sein.

(09-06-2014, 10:14)Ekkard schrieb: Das Urchristentum mit seiner Forderung nach Nächstenliebe ist nur zu verstehen als Solidargemeinschaft gegenüber der römischen Besatzungsmacht und der jüdischen Theokratie. Mit was will ich im Augenblick Werbung machen, wenn Solidarität keine gespürte, erfahrbare Notwendigkeit ist? (Selbst Höllen-Drohungen sind nicht konkret, weil sich Hölle offensichtlich nicht erfahren läßt)

Das ist auch m.M.n. so. Die großen Religionen entstanden in längst vergangener Zeit in einer Umwelt, die uns fremd geworden ist. Sie verlieren zunehmend ihren Sinn und, das europäische Christentum betreffend, auch Anhänger, was ich im Übrigen nicht bedaure.
#14
Zitat:Wäre ich bedürftig, würde ich allemal lieber garantierte staatliche Zuwendungen entgegennehmen als auf das Mitleid von Mitbürgern angewiesen zu sein.

Sehr richtig. Der Staat ist nicht nur moralisch (zum Beispiel, weil ein Gott oder Religionsführer das verlangt), sondern tatsächlich von Gesetzes her verpflichtet, dem Bedürftigen zu helfen. Ohne dass derjenige darum betteln oder sich irgendwie korrekt verhalten muss.
Und warum ist der Staat dazu verpflichtet? Einzig und allein, weil der Bedürftige (ausdrücklich ungeachtet seiner Weltanschauung) ein Mensch ist und deswegen Rechte hat.
Ich finde, das geht über die Solidarität jeder religiösen Gemeinschaft hinaus. Positiv hinaus. Hat ja auch lange gedauert, bis zur Zeit der Aufklärung die Menschenrechte entwickelt wurden.
#15
(09-06-2014, 11:35)Erich schrieb: Die großen Religionen entstanden in längst vergangener Zeit in einer Umwelt, die uns fremd geworden ist. Sie verlieren zunehmend ihren Sinn und, das europäische Christentum betreffend, auch Anhänger, was ich im Übrigen nicht bedaure.
Die großen Religionen entstanden sicher in einem sehr kleinen Umfeld. Aus den selben Gründen heraus, wie wir sie noch heute bei den selten gewordenen Naturvölkern vorfinden. Heil kommt von Heilen und unser Immunsystem reagiert noch immer sehr empfindlich auf sogenannte seelische Disharmonien.

Religionen haben viel mehr Sinn-Aspekte als nur rein soziale bzw. solidarische.
Auch das Zusammenleben der Geschlechter und deren Rollenverteilung in der Beziehung/Familie ist einer dieser Aspekte und vielleicht sogar ein sehr wichtiger.
Partnerschaften/Ehen und damit auch Familien, in welchen Religion eine Rolle spielt, halten im Durchschnitt noch immer ein ganzes Leben lang.

Glaube ist eben ein Zauber, der in unserer Entwicklungsgeschichte immer und zu allen Zeiten vorbehaltlos eine sehr wichtige Rolle spielte.

Die Sinnfrage ist ohnehin nur eine Gruppendynamische und wird es auch immer bleiben.

Die Kehrseite der Religionsmedaille ist aber auch das ganze narzisstische Imponiergetue bei dem es um nichts anders als "um den Größten geht".

Das ist dann letztendlich noch alles, was uns von all dem wie eine hartnäckige Geisteskrankheit übrigbleibt. So wie ein Virus oder Bazillus, welcher um so ressitenter wird, je mehr man gegen ihn vor geht.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........


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