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Nero
#1
(Text in Arbeit)

Lucius Domitius Ahenobarbus, geb 15. Dez. 37 nC. Ab 50 (ab der Adoption durch Claudius) Nero Claudius Caesar Drusus Germanicus, gest. 9. Juni 68 durch Selbstmord.

Nero entstammte einer angesehenen römischen Patrizierfamilie, die seit 200 Jahren ↗Konsuln  stellte. Sein Vater war Gnaeus Domitius Ahenobarbus gewesen. Eine familiäre Beziehung zu ↗Augustus lag über seinen Großvater vor, der mit Antonia, der Tochter des ↗Antonius  und der Octavia, der Schwester des Augustus, verheiratet gewesen war.

Ursprünglich sah es nicht danach aus, dass Nero große Karriere machen sollte. Als sein Vater im Jahre 40 starb, ließ ↗Caligula dessen Vermögen einziehen und verbannte seine Mutter Agrippina. Erst nach der Ermordung Caligulas verbesserte sich die Lage Neros wieder. Agrippina durfte aus dem Exil zurückkehren und heiratete den Senator Gaius Sallustius Crispus Passienus. Nachdem Agrippina neuerlich zur Witwe und Messalina, die Frau des ↗Claudius, mit dessen Einverständnis ermordet wurde, setzte Agrippina die Heirat mit ihrem Onkel Claudius durch. Nero wurde 49 mit Octavia, der Tochter des Claudius, verlobt, im Jahre 50 wurde er von Claudius adoptiert (die Heirat des sechzehnjährigen Nero mit der zum Zeitpunkt der Eheschließung zwölfjährigen Octavia erfolgte im Jahre 53). Von nun an führte er den Namen Nero Claudius Caesar Drusus Germanicus. Nero war nun dem Sohn des Claudius, Britannicus, gleichgestellt. Sein entscheidender Vorteil war: er war drei Jahre älter als sein Stief- bzw. Adoptivbruder und hatte eine kluge, ehrgeizige, skrupellose Mutter an seiner Seite. Agrippina gelang es, zwei Vertraute in einflussreiche Positionen zu bringen. Sextus Africanus Burrus wurde zum Prätorianerpräfekten ernannt, der Senator und Philosoph Lucius ↗Seneca zum Erzieher für Nero bestimmt.

Im Jahre 54 verstarb Claudius plötzlich, ohne für seine Nachfolge Vorsorge getroffen zu haben. Nach ↗Cassius Dio (Epit. Buch 61, 34, 2f.) hatte Agrippina einen Giftmord in Auftrag gegeben. Burrus sorgte dafür, dass sich die Prätorianer für Nero als Prinzeps entschieden, der Senat widersetzte sich nicht und übertrug dem siebzehnjährigen Nero den ↗Prinzipat.

Die Regierungsgeschäfte wurden zunächst von Agrippina im Einvernehmen mit Burrus und Seneca geführt. Nero trug von Seneca geschriebene Reden vor, zeigte sich großzügig, wenn Bitten um finanzielle Unterstützung an ihn herangetragen wurden, und mischte sich in das politische Tagesgeschehen nicht ein.  Er war interessiert, die Ausbildung seiner Stimme zu vervollkommnen, übte sich im Lyraspiel, schrieb Verse, besuchte Wagenrennen und vergnügte sich mit einer Freigelassenen namens Acte.

Solange Einvernehmen zwischen Agrippina, Burrus und Seneca herrschte, wurde Neros Regierung von Senat und Volk als außerordentlich positiv wahrgenommen. Die Regierungsgeschäfte wurden umsichtig geführt, der Senat war wieder mehr in politische Entscheidungsfindungen eingebunden.

Agrippina war mit ihrem Wirken im Hintergrund nicht zufrieden. Sie strebte eine halboffizielle Stellung an, die ihr weder Burrus noch Seneca einräumen wollte. Zudem kam es zu einem Zerwürfnis mit Nero, weil sie dessen Beziehung zu Acte missbilligte.

Agrippina versuchte Nero, Burrus und Seneca unter Druck zu setzten, indem sie drohte, sie werde die Prätorianer auffordern,  Britannicus, den leiblichen Sohn des Claudius, an Neros Stelle den Prinzipat zu übertragen. Diese Drohung hatte für Britannicus schlimme Folgen. Nero ließ ihn kurz darauf vergiften (Tac. Ann. XIII, 17; Cass. Dio, Epit. Buch 61. Erg.Ber. Zonaras 11, 12, p. 38, 23-32 D.)(1).

Als Agrippina danach begann, Stimmung gegen Nero und seine Vertrauten zu schüren, musste sie sein Haus verlassen (Tac. Ann. XIII, 18).

Zum endgültigen Bruch zwischen Agrippina und Nero kam es, als Poppaea Sabina, mit der er zwischenzeitlich eine Liebesbeziehung eingegangen war, die Scheidung von Octavia verlangte. Nero wusste, dass  Agrippina das nicht hinnehmen würde, fürchtete ihre Intrigen und beschloss, sie ermorden zu lassen. Nachdem ein Mordversuch auf hoher See misslungen war, wurde Agrippina in einer Villa, die sie am Golf von Neapel besaß, von Soldaten mit dem Schwert niedergemacht (Tac. Ann. XIV, 1ff.).

Seneca versuchte, Neros Tat im Senat zu rechtfertigen, was ihm Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit einbrachte. Zudem verlor er zusehends Einfluss auf Nero. Als im Jahre 62 Burrus verstarb, bat Seneca, sich zurückziehen zu dürfen, und widmete sich von nun an der Philosophie.

Präfekt der Prätorianer war nunmehr Ofonius Tigellinus(2). Dieser hatte weder politische Ambitionen, noch hatte er den Wunsch, auf Nero mäßigend einzuwirken.  Alle Neigungen des Prinzeps unterstützte er vorbehaltslos.

Im Jahre 62 ließ sich Nero von Octavia scheiden. Das wurde ihm das von Senat und Volk übelgenommen. Um sein Verhalten zu rechtfertigen, bezichtigte er Octavia des Ehebruchs, sie wurde verbannt und ein paar Tage später ermordet.

In den folgenden Jahren widmete sich Nero kaum den Regierungsgeschäften. Sein vornehmliches Interesse war, als Künstler und Wagenlenker anerkannt zu werden.

Als im Jahre 64 in ↗Rom  ein Brand ausbrach und das Gerücht aufkam, Nero habe die Stadt anzünden lassen, um sie nach seinen Vorstellungen neu aufbauen zu können, kam er in arge Bedrängnis. Als Sündenböcke mussten die stadtrömischen ↗Christen herhalten. Die Christen hatten in Rom einen denkbar schlechten Ruf(3). Sie waren geeignete Opfer, die Wut der Römer zu kanalisieren.

Zwar wurden die Christen nicht wegen ihrer Religion, sondern als Brandstifter hingerichtet(4), doch genügte es nach der Brandkatastrophe in Rom, Christ zu sein, um der Brandstiftung verdächtigt und abgeurteilt zu werden. Die Maßnahmen blieben auf Rom beschränkt. Systematische ↗Christenverfolgungen gab es unter Nero nicht.

Als Nero infolge der ↗Pisonischen Verschwörung panisch reagierte und alle, die der Teilnahme oder Mitwisserschaft verdächtig waren, ohne gerichtliche Untersuchung umbringen ließ oder zum Selbstmord zwang, war sein Ansehen vollends ruiniert. Prominentestes Opfer dieses Vorgehens war Seneca gewesen.

Da ihm in Rom die Anerkennung als Künstler versagt blieb, versuchte Nero diese in Griechenland zu gewinnen. Er äußerte der Wunsch, an den großen panhellenischen Spielen in ↗Olympia, in ↗Delphi, am ↗Isthmus  und den ↗Nemeen in ↗Argos teilnehmen zu dürfen. Der Wunsch wurde ihm erfüllt. Darüber hinaus wurden die Festkalender, um Nero entgegenzukommen, geändert und alle Spiele außerordentlich im Jahre 67 abgehalten. Zudem wurden eigens für Nero Bewerbe aufgenommen, die den Neigungen des Kaisers entgegenkamen. Bei allen Wettbewerben, zu denen Nero antrat, ging er als Sieger hervor. Auch beim Wagenrennen in Olympia, das er, weil er schwer gestürzt war, nicht beenden konnte, wurde er zum Sieger erklärt.

Unter Historikern liegt keine einheitliche Meinung vor, was denn schließlich Hauptursache für Neros Sturz gewesen war. Dass er bei den Senatoren verhasst war, ist unbestritten. Bezeichnenderweise gehörten auch zwei seiner Biographen dem Senatorenstand an. ↗Suetons Berichte sind zudem zu einem guten Teil ↗anekdotisch. Manches, was über Nero berichtet wurde, sollte in diesem Licht gesehen werden. Beim Rest der römischen Gesellschaft genoss Nero durchaus auch Sympathien(5).

Eine Rolle bei seinem Sturz kann auch gespielt haben, dass Nero die Idee hatte, das römische Leben zu hellenisieren und das Zentrum des Reichs nach Osten zu verlegen. Auch seine Neigung, sich überwiegend der Kunst und kaum der Politik zu widmen, wird seinen Teil dazu beigetragen haben.

Nach einer Revolte, die von Gallien ausgegangen war und niedergeschlagen wurde, stellte sich ↗Galba  an die Spitze der Opposition gegen Nero. Galba bezeichnete sich als "Vertreter des Senats und des römischen Volks",  sprach von Restauration und Wiedergeburt Roms. Neros Gegenmaßnahmen waren zögerlich. Als sich der Statthalter von Germania superiore, Lucius Verginius Rufus, und die Statthalter von Pannonien und Dalmatien auf Neros Seite stellten und die übrigen Statthalter sich abwartend neutral verhielten, schien die Sache für den Kaiser ausgestanden.

In den folgenden Tagen verhielt sich Nero apathisch. Von allen Informationen abgeschnitten, glaubte er den ihm gezielt zugetragenen Gerüchten, wonach sich alle, die ihm noch ergeben gewesen waren, abgewandt hätten. Als er am Morgen des 9. Juni 68 bemerkte, dass die wachhabenden ↗Prätorianer  verschwunden waren, geriet er in Panik und floh auf ein kleines Landgut, das ihm ein verbliebener Vertrauter als Versteck angeboten hatte. Dort drängten ihn seine Begleiter, Selbstmord zu begehen, bevor er in die Hände von Galbas Leuten fiele.

Erst als ein Bote die Nachricht überbrachte, Nero sei vom Senat zum Staatsfeind erklärt worden und man suche nach ihm, um die dafür vorgesehene Strafe zu vollziehen, stieß er sich mit Hilfe seines Sekretärs Epaphroditos einen Dolch durch den Hals.


1) Dass Nero den Mord an Britannicus in Auftrag gegeben hätte, wird neuerdings angezweifelt. M. Fini hält es für wahrscheinlicher, dass die Ursache für den plötzlichen Tod des Britannicus ein Aneurysma gewesen war, was bei Epileptikern – Britannicus litt an dieser Krankheit -  manchmal auch schon im jugendlichen Alter  vorkommt. Die Begründung, die Tacitus für die Täterschaft Neros anführt, hält Fini für wenig plausibel (Fini: Nero 114ff.), den Bericht des Cassius Dio von ↗Tacitus abhängig und ausgeschmückt.

2) Zwar musste sich Tigellinus das Amt mit Rufus Faenius teilen, doch hatte er aufgrund seines Naheverhältnisses zum Prinzeps die stärkere Position von beiden.

3) Als "wegen ihrer Schandtaten verhasst" und "hasserfüllt gegenüber dem Menschengeschlecht" werden die Christen von Tacitus (Tac. Ann. XV, 44) bezeichnet.

4) Tacitus berichtet, dass zunächst jene verhaftet wurden, die befragt wurden und ein Geständnis ablegten. Einige von diesen denunzierten weitere Christen, sodass schließlich "eine ungeheure Menge", wie er schreibt, verurteilt und hingerichtet wurde.

W. Rordorf versucht neuerlich zu zeigen, dass christliche Apokalyptiker zur Zeit Neros ein Ende Roms im Feuer erwartet hätten; dass dies den Behörden zu Ohren gekommen sei und es deshalb nahegelegen habe, die Christen der Brandstiftung zu verdächtigen (erwähnt in: Lampe: Die stadtrömischen Christen S. 35, Fußnote 68).

Nach M. Fini hatte die christliche Gemeinde Roms zu Neros Zeit aus etwa 3000 Personen bestanden, von denen ca. 300 abgeurteilt und hingerichtet wurden (M. Fini: Nero 166).

5) Schon nach kurzer Zeit schlug beim einfachen Volk der Jubel über den Tod des Kaisers in Trauer um.

Sueton, der sonst kaum Gutes über ihn wusste, berichtet, dass noch viele Jahre nach Neros Tod Menschen aus dem Volk sein Grab schmückten und Bilder von ihm aufstellten (Suet. Nero 57).

Manche glaubten, dass er im Verborgenen seine Rückkehr vorbereite. Von vielen wurde seine Wiederkunft erhofft (Waldherr: Nero 267). Noch zur Regierungszeit Galbas tauchte in Kleinasien ein Mann auf, der vorgab, Nero zu sein, gewisse Ähnlichkeit mit diesem und musische Begabung hatte, 20 Jahre danach ebenso.

Insbesondere in Griechenland war das Andenken an Nero ungetrübt gut. Gegen Ende des Jahrhunderts meinte der Philosoph Dion von Prusa (ca. 40-120 nC), "dass sich doch jeder wünsche, Nero wäre noch am Leben".

Schließlich berichtet noch ↗Augustinus, dass die Meinung fortbestand, Nero "habe überhaupt nicht Selbstmord verübt, sondern sei nur in einer Weise beiseite gebracht worden, dass man ihn tot glaubte; in Wirklichkeit sei er lebendig verborgen gehalten und verharre in der Blüte der Jahre, worin er zur Zeit seines vermeintlichen Selbstmordes stand, bis er zu seiner Zeit erscheine und in die Herrschaft wieder eingesetzt werde".

Allerdings, meinte Augustinus, sei diese Ansicht "absonderlich und abenteuerlich" (Aug. Civ. 20,19)
.

Literatur:
Tacitus. Annalen. Übersetz v. August Horneffer. 32018 Stuttgart. Kröner Verlag.
Sueton. Kaiserviten. Berühmte Männer. Herausgegeben und übersetzt von Hans Martinet. 1997 Düsseldorf/Zürich. Verlag Artemis & Winkler.
Cassius Dio. Römische Geschichte 6 Bde. Übersetzt v. Otto Veh. 2007 Düsseldorf. Patmos Verlag.
Jürgen Malitz. Nero. 1999 München. Verlag C. H. Beck.
Horst Herrmann. Nero. Eine Biographie. 2005 Berlin. Aufbau Taschenbuc.h-Verlag.
Gerhard H. Waldherr. Nero. Eine Biografie. 2005 Regensburg. Pustet-Verlag.
Massimo Fini. Nero. Zweitausend Jahre Verleumdung. Aus dem Italienischen v. Petra Kaiser. 2006 München. Herbig Verlag



●Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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