Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Frühchristliche Kirchenämter
#1
In paulinischer Zeit waren Kirchenämter noch nicht ausgeprägt. Menschen, die mit bestimmten Gnadengaben (charismata) ausgestattet seien, hätten sich, so ↗Paulus, in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen (1Kor 16,4-30).

↗Apostel, ↗Propheten und ↗Lehrer (1Kor 16,28f.; Apg 13,1; Eph 4,11) standen als ortsungebundene Amtsträger an der Spitze der urchristlichen Gemeinschaft1. Solche Amtsträger konnten sowohl Männer als auch Frauen sein.

Das Apostelamt war nicht auf den ↗Zwölferkreis beschränkt. Ehepaare waren gemeinsam unterwegs, um die "Frohe Botschaft" zu verkünden (1Kor 9,5). Besonders hervorgehoben unter den Aposteln wird ↗Junia (Röm, 16,7), die offenbar mit (ihrem Ehemann?) Andronikus unterwegs und maßgeblich an der Gründung der römischen Gemeinde beteiligt gewesen war.

Als Prophetinnen werden die vier Töchter des ↗Philippus (Apg 21,9) genannt.

Feste, an die Gemeinden gebundene Ämter hatten sich im Laufe des 1. Jhs nC offenbar nur teilweise herausgebildet. In einigen (judenchristlichen, von Paulus unabhängigen) Gemeinden gab es nach jüdischem Vorbild einen ↗Ältestenrat (Jak 5,14), der sich als Kollektiv um die Belange der Gemeindemitglieder kümmerte. In den paulinischen Gemeinden waren einige Gemeindemitglieder ihren Gnadengaben entsprechend (Röm 12,6-8; 1Kor 16,4-11; 1Thess 5,12) unter Aufsicht des Paulus für das Gemeinwohl verantwortlich. Im ↗Philipperbrief (1,1) spricht Paulus solche Personen mit "↗Bischöfe und ↗Diakone" (ἐπισκόποις καὶ διακόνοις) – also Aufseher und Diener – an, die einander offenbar weder über noch untergeordnet waren und die Leitungsaufgaben gemeinschaftlich zu besorgen hatten. Hervorgehoben werden von Paulus (und ↗Clemens, 1Clem 42,4) hingegen sogen. "Erstlinge" (Röm 16,5; 1Kor 16,15 - ἀπαρχὴ = Erstlingsfrucht), sie waren wohl  Christen der ersten Stunde mit sehr hohem Ansehen in den Gemeinden gewesen2.

An manchen Orten gab es durchaus mehrere ↗christliche Hausgemeinden, die sich zwar geistlich als Gemeinschaft fühlten, darüber hinaus aber nur lose verbunden waren und keiner gemeinschaftlichen Führung unterstanden3.

Ende des ersten, anfangs des zweiten Jhs vermischten sich die angemerkten Strukturen mit Presbyterialverfassungen (1Tim 3,1-13; Tit 1,5-9), die teils einen Bischof an die Spitze der Gemeinde stellten, teils auch noch ohne einen solchen auskamen. Angesehene Gemeindemitglieder, die ein Leitungsamt anstrebten, hatten sich in der Gemeindeversammlung jedenfalls zur Wahl zu stellen (Did 15,1; 1Clem 44,3). Die symbolische Übertragung der Ämter dürfte schon sehr früh durch "Handauflegen" (χειροτονία, ordinatio) vorgenommen worden sein sein (Apg 13,2f.; 1Tim 4,14; 2Tim 1,6), und zwar durch jene Gemeindemitglieder, die solche Ämter bereits innehatten.

Die kollegiale Gemeindeführung, die bei ↗Polykarp noch erkennbar ist (Polyk 13: Polykarp und die Presbyter bei ihm an die Gemeinde Gottes, die zu Philippi in der Fremde wohnt)4, verliert im 2. Jh nach und nach an Bedeutung. Bei ↗Ignatius, beispielsweise, steht in den Briefen schon der Bischof an der Spitze der Gemeinde, den Presbytern und Diakonen eindeutig übergeordnet:

Folgt alle dem Bischof wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Keiner soll ohne Bischof etwas, was die Kirche betrifft, tun (Ign. ad smyn. 8,1).

Ignatius greift der Entwicklung der kirchlichen Hierarchie allerdings vor, was seine wiederholten Ermahnungen, dem Bischof zu folgen und seine Leitungskompetenzen anzuerkennen, deutlich belegen.

Voll ausgebildet war die Leitungsstruktur mit einem monarchisch agierenden Bischof an der Spitze einer christlichen Gemeinde - und mit ihm untergeordneten Priestern und Diakonen - jedenfalls frühestens ab der 2. Hälfte des 2. Jhs5.


1) Koch, 279
2) Frank 100
3) Lampe 334
4) Auch in Philippi gab es 125- 130 nC eine Presbyterialverfassung, aber noch keinen Bischof (Koch 282).
5) Markschies 199


Literatur:
Dietrich-Alex Koch. Geschichte des Urchristentums. 2014 Göttingen. Verl. Vandenhoeck & Ruprecht.
Karl Suso Frank: Lehrbuch der Alten Kirche. 2003 Paderborn .Verl. F. Schöning.
Peter Lampe: Die stadtrömischen Christen. 1989 Tübingen. Verl. J.C.B. Mohr.
Christoph Markschies. Das antike Christentum. 2012 München. Verl. C.H. Beck.



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste