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Schweiß / Blut
#1
Eine Frage, die mich schon Jahrzehnte beschäftigt.

In der deutschen Übersetzung bzw. Raterei wird gesagt, daß Jesus Blut geschwitzt hat.

Frage: war es Schweiß oder Blut ?
Diese Frage scheint nicht unberechtigt, wird doch in der älteren (traditionellen) deutschen Sprache beispielsweise aus 1870 der Begriff Schweiß und Blut synonym verwendet !
Jäger kennen diese Frage, die manchmal sogar problematisch ist.
Wenn ein Hirsch getroffen ist, verliert er "Schweiß", der Jäger meint damit aber Blut.
Hier in diesem Fall ist das ja klar erkennbar.
Der "Schweißhund" oder "Bluthund" nimmt die Fährte auf.

Aber es gibt im Jagdwesen auch Fälle, wo das - wie gesagt - problematisch ist.
Ein hochwertiges Jagdmesser mit Klinge aus teurer Spezialstahllegierung wird dahingehend beworben, daß es durch "Schweiß" nicht rostig wird.
Blut oder Handschweiß ? Das ist keine sinnlose Frage,sondern eine akademische Frage der Juristen. Es geht um Gewährleistung. Der Jäger Meier
hat sich so ein teures Jagdmesser gekauft und nach einem Monat ist die Klinge stellenweise angerostet !
Der Jäger reklamiert beim Waffenhändler. Dieser sagt ihm sinngemäß: "Lieber Freund, die Klinge ist unempfindlich gegen Schweiß des von Dir aufgebrochenen Wildes, das heißt das Blut schadet der Stahlklinge nicht, aber Dein Handschweiß hat die Klinge ruiniert, er enthält ja Salz und diverse Säuren  . . ."

Nun ist guter Rat teuer.  Der Jurist (Anwalt / Richter) ist überfragt.

Und es gibt das berühmte "Schweißtuch Christi"
Es ist offenbar blutgetränkt, da rot eingefärbt

Das zweideutige Reden in der deutschen Sprache führt in der Frage Schweiß / Blut laufend zu Verwirrungen, unlösbaren Rechtsstreitigkeiten, unlösbaren theologischen Streitigkeiten 

Wäre ich ein Diktator, so würde ich die deutsche Sprache säubern

Aber zurück zum NT
Was ist hier gemeint ?

Schreiben Sie Ihre Ansicht  und begründen Sie diese
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#2
Nirgendwo steht, dass Jesus Blut geschwitzt hat!

Eine solche Behauptung mit einem Hinweis auf die deutsche Waidmannssprache stützen zu wollen, ist – wie drücke ich es vorsichtig aus – eine unzulässig weit herbeigeholte Argumentation.

In der griechischen Literatur ist mir auch keine Belegstelle bekannt, die die These stützen würde, wonach Schweiß mit Blut gleichgesetzt werden könnte.

Hier liegt ein im übertragenen Sinn gebrauchter, durch eine Ähnlichkeitsbeziehung verbundener Ausdruck vor. Blut ist das bildspendende Element dieser Metapher.

In den frühen Handschriften fehlen die Verse 22, 43-44. Sie sind also mit hoher Wahrscheinlichkeit spätere Hinzufügungen, um das Ereignis dramatisch zu erhöhen.

Im Kapitel 22 heißt es:

43 ὤφθη δὲ αὐτῷ ἄγγελος ἀπ’ οὐρανοῦ ἐνισχύων αὐτόν.

44 καὶ γενόμενος ἐν ἀγωνίᾳ ἐκτενέστερον προσηύχετο· καὶ ἐγένετο ὁ ἱδρὼς αὐτοῦ (= wurde sein Schweiß) ὡσεὶ θρόμβοι αἵματος καταβαίνοντες (= wie herabfallende Tropfen Blutes) ἐπὶ τὴν γῆν.
MfG B.
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#3
(10-06-2016, 10:01)Bion schrieb: Nirgendwo steht, dass Jesus Blut geschwitzt hat!

Stimmt. Dabei hatte ich den Text sogar richtig zitiert. Jahrhundertelange christliche Bildersprache geht halt nicht spurlos an den eigenen Vorstellungen vorbei.

Ich vermute eine anti-doketische Absicht hinter dem Einschub.
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#4
Transpirationsschweiß ist farblos und hinterläßt keine Spuren.
Blut aber schon.

Stutzig macht mich folgendes Statement:
"Das Schweißtuch von Oviedo, auch Santo Sudario von Oviedo, ist ein blutverschmutztes Leinentuch  . . .
Die Wunden auf dem Tuch, die den Verletzungen aus der Dornenkrone Jesu Christi zugeordnet werden, stimmen angeblich mit denen des Turiner Grabtuchs überein, so dass Authentizitätsbefürworter behaupten, dass es sich höchstwahrscheinlich um denselben Mann handelt."
Schweißtuch von Oviedo – Wikipedia

Mein Kommentar:
Das obige Statement stammt keinesfalls von einem Christen, ist daher nicht geschönt, und dürfte daher wahr sein.

Begründung:
Es ist von einem"blutverschmutzten Leinentuch" die Rede.  Wäre der Verfasser ein Christ gewesen, hätte er beim Blut Christi wohl sicher nicht den Begriff "verschmutzt" verwendet. Er hätte geschrieben "blutverschmiert" oder besser: "Leinentuch mit Blutabdrücken"

Spannend ist das allemal
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#5
(10-06-2016, 13:29)Sinai schrieb: Wäre der Verfasser ein Christ gewesen, hätte er beim Blut Christi wohl sicher nicht den Begriff "verschmutzt" verwendet. Er hätte geschrieben "blutverschmiert" oder besser: "Leinentuch mit Blutabdrücken"

Das sehe ich nicht so. Wir sind ja vom Lukas-Evangelium ausgegangen, in das die Zeilen mit dem Schweiss, der wie Blutstropfen zu Boden fiel, irgendwann eingefuegt wurden. Das Lukas-Evangelium war nach Irenaeus das, was Marcion benutzt hatte. Angeblich hatte Marcion das Lukas-Evangelium verkuerzt und alles herausgeschnitten, was ihm nicht in den Kram passte; andererseits behauptete Marcion, die "Katholiken" haetten verfaelschende Passagen mit ihren Vorstellungen eingefuegt. Ich sehe in diesen beiden Zeilen einen Hinweis auf Letzteres.

Die Vorstellung Marcions war, dass Jesus nie wirklich Mensch war. Er kam vom Himmel herunter, in einem Koerper aus Geistmaterie. Als solcher ist er auch nie richtig gestorben (im Markus-Evangelium entweicht der hl. Geist auch im Todesmoment). Irenaeus und den "Katholischen" ging es in dieser Auseinandersetzung darum, zu beweisen, dass Jesus wirklich Mensch war. Und ein menschlicher Koerper schwitzt halt, er blutet, und er ist letztlich auch dreckig. Insofern ist so eine Darstellung, wie sie Dir da oben aufstoesst, bewusst gewollt. Das wird deutlich, wenn man bedenkt, gegen wen hier argumentiert wird.
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#6
(10-06-2016, 13:41)Ulan schrieb: Das Lukas-Evangelium war nach Irenaeus das, was Marcion benutzt hatte. Angeblich hatte Marcion das Lukas-Evangelium verkuerzt und alles herausgeschnitten, was ihm nicht in den Kram passte; andererseits behauptete Marcion, die "Katholiken" haetten verfaelschende Passagen mit ihren Vorstellungen eingefuegt. Ich sehe in diesen beiden Zeilen einen Hinweis auf Letzteres.

Die Vorstellung Marcions war, dass Jesus nie wirklich Mensch war. Er kam vom Himmel herunter, in einem Koerper aus Geistmaterie. Als solcher ist er auch nie richtig gestorben (im Markus-Evangelium entweicht der hl. Geist auch im Todesmoment). Irenaeus und den "Katholischen" ging es in dieser Auseinandersetzung darum, zu beweisen, dass Jesus wirklich Mensch war.


Wirklich interessant, diese Theorien.
Schwer vorstellbar, daß sich Menschen der Bildungsschicht vor 1800 Jahren für solche unklärbare Fragen hergaben.  Na ja, vielleicht war es damals wegen der relativen Nähe noch klärbar, halbwegs rekonstruierbar.  Auch sprachlich noch absolut kongruent
Marcion wirkte 120 Jahre nach Gethsemane, Irenäus wirkte 160 Jahre nach Gethsemane. Soo furchtbar lange ist das nicht
Schauen wir:
120 Jahre vor heute war 1896. Nicht so arg weit entfernt . . .  sozusagen fast "Zeitgeschichte", da wurde gerade der Eiffelturm gebaut

Ich verwende lieber den neutralen Ausdruck "Blutspuren"

Wenn der Deutsche sagt, das angeschossene Wild "schweißt", dann meint er daß es blutet

Wie schrie in Wien Genosse General Molotow zurecht erbost im 46er Jahr: "Deutsche Sprache, schwere Sprache"
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#7
(10-06-2016, 18:45)Sinai schrieb: Schwer vorstellbar, daß sich Menschen der Bildungsschicht vor 1800 Jahren für solche unklärbare Fragen hergaben.

Nun, dass sie das taten, ist einfach nachlesbar. Sie haben ganze Buecher dazu geschrieben. Die waren so ausfuehrlich, dass sie Marcion's Evangelium so ziemlich Zeile fuer Zeile zitiert und kommentiert haben. Zumindest die englische Uebersetzung von Irenaeus' Schriften ist frei online zu lesen. Auch bei Tertullian oder Eusebius sind diese Auseinandersetzungen ausfuehrlich belegt, wobei erste Texte zu der Frage wohl auch schon auf Justin den Maertyrer zurueckgehen.

Was das "Klaeren" dieser Fragen angeht, bist Du aber zu optimistisch. Auch nach 120 Jahren kann man niemanden mehr fragen, da alle Zeugen wohl schon seit 100 Jahren tot sind. Wobei die Evangelien aber sowieso nach der Zeit der Apostel verfasst wurden.
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#8
(09-06-2016, 23:31)Sinai schrieb: Eine Frage, die mich schon Jahrzehnte beschäftigt.

In der deutschen Übersetzung bzw. Raterei wird gesagt, daß Jesus Blut geschwitzt hat.
Lukas 22, 43 Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Und es kam, daß er mit dem Tode rang und betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.
Ich vermute, dass Jesus im Garten Gethsemane in einer Vision sein bevorstehendes Leiden sehr real erlebte und daher seinen Vater bat, so es auch seinem Weillen entspräche, dieser Kelch an ihm doch vorübergehen möge.
Ob nun Angstschweiss oder Blut oder von beidem? Jesus hat in diesen Stunden fürchterlich gelitten - doch er hielt durch und blieb seinem Vater treu und erwirkte die Erlösung.
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#9
(10-06-2016, 19:50)Linus schrieb: Ich vermute, dass Jesus im Garten Gethsemane in einer Vision sein bevorstehendes Leiden sehr real erlebte und daher seinen Vater bat, so es auch seinem Weillen entspräche, dieser Kelch an ihm doch vorübergehen möge.

Nächste Frage, die mich schon seit meiner Kindheit beschäftigt.  Was ist ein Kelch ?
In Bayern wird mit "Kelch" ein eskalierender Streit bezeichnet, eine verbale Auseinandersetzung, die tätlich wird und zur Rauferei entartet.
"Heast, wühst an Kelch ?" ist in der bayerischen Unterschicht und den bayerischen Salonrevoluzzern eine verbale Drohgebärde, kurz bevor es kracht

Als das NT ins Deutsche übersetzt wurde und hier das Wort "Kelch" ausgewählt wurde - was wollte der Übersetzer (der streitbare Mönch Luther) damit seinen Bauern sagen ?
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#10
(10-06-2016, 19:50)Linus schrieb: Ob nun Angstschweiss oder Blut oder von beidem?

Ich plaediere auf "gar nichts". Das hat sich irgendwer im 3. Jahrhundert ausgedacht.
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#11
(10-06-2016, 19:59)Sinai schrieb: Als das NT ins Deutsche übersetzt wurde und hier das Wort "Kelch" ausgewählt wurde - was wollte der Übersetzer (der streitbare Mönch Luther) damit seinen Bauern sagen ?

Der hat wohl auf das originale Griechisch geschaut und messerscharf geschlossen, dass ein Trinkgefaess gemeint war.
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#12
(10-06-2016, 20:26)Ulan schrieb: dass ein Trinkgefaess gemeint war

Durch Alkohol kam oft Streit auf.  Der Kelch als Synonym für Gewalt  . . .
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#13
(10-06-2016, 19:08)Ulan schrieb: Was das "Klaeren" dieser Fragen angeht, bist Du aber zu optimistisch. Auch nach 120 Jahren kann man niemanden mehr fragen, da alle Zeugen wohl schon seit 100 Jahren tot sind.

Das stimmt mich traurig.
Dies würde nun bedeuten, daß wir keine Chance haben, den wüsten Streit um die Person Jesu zu klären

PS
Heute fand ich eher durch Zufall ein uraltes Lied des Niederösterreichers Walther von der Vogelweide aus 1200. 
Das berühmte Palästinalied
Dieser Meistersinger besingt diese brennende Frage der Christenheit: "ich bin an die Stätte gekommen, wo Gott die Menschwerdung antrat"
In schöner alter deutscher Sprache, Gottlob mit Untertiteln in heutigem Deutsch - begleitet mit historischen interessanten orientalischen Musikinstrumenten die ich noch nie gehört habe. Wunderschön !
Meine Schuhe schreien und weinen "marschieren wir!"

Ich werde einen Thread Kreuzfahrerlied eröffnen
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#14
(10-06-2016, 20:42)Sinai schrieb:
(10-06-2016, 20:26)Ulan schrieb: dass ein Trinkgefaess gemeint war

Durch Alkohol kam oft Streit auf.  Der Kelch als Synonym für Gewalt  . . .

Nein, es ist eine Metapher fuer das Schicksal, das einem durch (den) Gott praesentiert wird. Dieses Schicksal wird mit einem Kelch verglichen, den man trinken muss, ob man will oder nicht. Es kann natuerlich genau so gut etwas sehr Glueckliches sein.
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#15
(10-06-2016, 20:59)Ulan schrieb: "das einem durch (den) Gott praesentiert wird"

Durch diese Wortwahl signalisierst du, daß du nicht an die monotheistische Religion glaubst, es gäbe auch andere Götter

Solchen Göttern wurden Trankopfer aus einem rituellen Kelch gebracht.
Mit unvorhersehbarem Ausgang. Ein Ordal.
So was konnte glücklich ausgehen, singen von Heldenliedern, oder in den Armen einer Frau
Konnte auch schlimm enden, durch Zweikampf oder Enthauptung

Ein Kelch war mit respektvoller Vorsicht zu behandeln. Er war unheilschwanger
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