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Wie wird man "Muslim"?
#31
(16-07-2016, 22:43)Sinai schrieb: Was bedeutet "hineingeboren" ?

In einem muslimischen Land (einer muslimischen Familie) geboren werden und damit automatisch Muslim sein.
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#32
@Ekkard
Die 6 Glaubensartikel des Islam, die unser "Experte" nicht nennen konnte, sind der Glaube an Gott, die Engel, die Schriften, die Propheten, den Jüngsten Tag und die Vorherbestimmung.
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#33
(16-07-2016, 23:35)Egon Spengler schrieb: ... zu restaurieren sein könnte.  

Biste im Fremdwörterlexikon versehentlich in der Zeile verrutscht?
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#34
(17-07-2016, 00:10)Egon Spengler schrieb:
(16-07-2016, 23:24)Sinai schrieb:
(16-07-2016, 23:05)Mustafa schrieb: Darfst du, jedoch bin ich kein Religionswissenschaftler, und beantworte deine Fragen demnach gemäß meiner persönlichen Meinung als Muslim.
Wie du diese "Methodik" nennst, bleibt dir überlassen.

Er hat die muslimische Methodik.  Ist nichts Schlechtes, da gab es bedeutende Gelehrte, zB Khayyam
Das weiß ich, weil eine algerische Rotweinsorte so benannt ist, und ich bin dem Namen nachgegangen.

Es gibt eine Vielzahl von diversen Lehren und Gelehrter innerhalb einer islamischen Rechtsschulen.

Übrigens ein hervorragender Wein !
Merkwürdig (im Sinne von: die Sache ist würdig, aufmerksam zu sein) ist, daß der Rotwein nach einem - angeblichen - Antialkoholiker benannt wurde
Das wäre wie ein Büchsenfleisch Gandhi  Icon_smile

Oder war der gelehrte Khayyam doch ein heimlicher Jünger des Gottes Bacchus ?

"ʿOmar Chayyām fand die Lösung kubischer Gleichungen mit Ermittlung ihrer Wurzeln durch die geometrische Darstellung. Seinen Weg setzte erst Jahrhunderte später Descartes fort. ʿOmar Chayyām befasste sich vor allem auch mit der Parallele, wobei er auch nach einem Beweis für das Parallelenaxiom des Euklid suchte (siehe dazu Saccheri-Viereck), und den irrationalen Zahlen. Er schuf ebenso ein lange Zeit vorherrschendes Werk der Algebra und behandelte unter anderem auch die Anordnung der Binomialkoeffizienten, die heute als Pascalsches Dreieck bekannt ist.
Der Seldschukenfürst Malik Schah I. beauftragte ʿOmar Chayyām 1073 mit dem Bau eines Observatoriums und der Erstellung eines Sonnenkalenders zu astrologischen Zwecken. "
ʿOmar Chayyām – Wikipedia

Mit Sicherheit kann Khayyam als ein Weiterentwickler der muslimischen Methodik genannt werden.
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#35
(17-07-2016, 08:56)Reisender schrieb:
(16-07-2016, 23:35)Egon Spengler schrieb: ... zu restaurieren sein könnte.  

Biste im Fremdwörterlexikon versehentlich in der Zeile verrutscht?

Wieso? Wer das oeffentliche Bild des Islam als beschaedigt sieht und den Dialog wuenscht, koennte dies durchaus als Ziel sehen.
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#36
Restaurieren bedeutet, einen alten Zustand wieder herzustellen. Das scheint mir logisch nicht zu passen. Vermutlich meinte er rehabilitieren.
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#37
Oder reparieren
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#38
Zitat:
(16-07-2016, 20:47)Egon Spengler schrieb: Diese diversen "Interpretationsverfahren" sind unter den Schlagwörtern u.a. Intentionalität, phänomenologischer Reduktionismus, Interpretative Paradigma, symbolischer Interaktionismus ... nachzuschlagen.
Wir sollten uns vielleicht darauf verständigen, hier kein Proseminar in theologischer/philosophischer Rhetorik abzuhalten. Wenn (dir geläufige) spezielle Verfahren angewendet werden sollen, dann stelle sie uns kurz vor. 

Bei Interesse können Fragen diesbezüglich gestellt werden. Allerdings sind diese gängig in der Geisteswissenschaft. Man wird also bei Recherchen vielfältiges Material mit einheitlichen Definitionen erhalten.

Zitat:Zum Islam und dem dort erwarteten "Glauben":
(16-07-2016, 20:47)Egon Spengler schrieb: Nach meiner Erfahrung liegen viele Lehren vor. So lässt sich "Glaube" nach populären im Konsens stehenden Lehren des Islam folgendermaßen unterscheiden - zwischen dem Tauhid - dem "Glauben an die Einheit Gottes" und dem Iman, der "Glauben" in Elemente wie - Innerer Überzeugung, Aussprechen der Inneren Überzeugung und Durchführung der inneren obligatorischen Handlungen - und gewissermaßen Prämissen enthält, die durch "die sechs Glaubensartikel des Imans" bestimmt werden mögen.
Diese sind: ??? 

Hat sich deine Frage nun auf die Lehren oder "sechs Glaubensartikel" bezogen? 
Die sechs Glaubensartikel bekommen hinsichtlich der Auswahl der Lehren (Methodologie) natürlichen ihren eigenen Gehalt.

Die Begriffsanalysen bzw. Definition der Begriffe erhalten ihre Form durch das ausgewählte "Interpretationsverfahren" (siehe oben: Hermeneutik) - welche im Detail zur Anwendung kommen, weiss ich nicht - Gerüchten zufolge sollen die Ulama (Großgelehrsamkeit der sunnitischen Rechtsschulen) u.a. Epistemologie, Dialektik, Sprachphilosophie ... im weitesten Sinne ablehnen. "Aql" bzw. rationales Denken erhält je nach Lehre ihre eigene Definition bezüglich der Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Logik. Eine Begriffsanalyse bzw. theologische Begriffsdefinition von "Logik" würde daher möglicherweise zu vor oder nach - metaphysischen Konstruktionen führen.

Zitat:
Zitat:
(16-07-2016, 21:44)Egon Spengler schrieb: Wer von der Existenz von transzendenten Entitäten wie "Gott" ... überzeugt ist, kann gegebenenfalls nach der katholischen Kirche keinen "Glauben" besitzen, sondern eine Weltanschauung?
(16-07-2016, 21:44)Egon Spengler schrieb: Was ist der Unterschied zwischen "inneren" und "äußeren Glauben"?
Begründet die katholische Kirche auch diese "Ansichten"?
Benedikt XVI hat das in einer Enzyklika mal erläutert. (Röm. katholischen) Glauben lebt man, wenn man sich zu den Vorgaben und Riten der Kirche bekennt. Das ist quasi das Band der Katholiken weltweit. Davon abweichen kann die "innere Überzeugung", z. B. meine persönliche Interpretation von Jesu Zeugung.
Eugen Drewermann nennt den katholischen Glauben deshalb auch "äußerlichen Glauben", weil das Einhalten bestimmter Formalitäten ausreicht, um frommer, d. h. vor Gott gerechtfertigter Katholik zu sein. Nach protestantischer Auffassung ein Unding! Und ich könnte mir vorstellen auch im Islam!

Wenn ich deine Worte richtig auffasse, wird der "äußere Glauben", der den Maßstab eines Wesens beschreibt, durch u.a. Benedikt XVI erläutert. Wenn man sich zu den Vorgaben und Riten der Kirche bekennt, erhalten Begriffsanalysen innerhalb jener "Konstruktionen" einen universellen Gehalt, also einen absoluten Charakter und sind in ihrem Wesen ("Prämissen") statisch - Sie sind nicht von theoretischer Natur (Konstruktion), sondern essenziell und wesentlich. 

Wenn ich deine Worte richtig interpretiere, ist "innerer Glaube" mit "innerer Überzeugung" gleichzusetzen. Sie beschreiben innerhalb des "äußerlichen Glaubens" eine willkürliche, in dem Fall nach dem universellen Maßstab (äußeren Glauben) subjektive Sichtweise abseits des universellen Wesens, welches die Kirche bestimmt.

Einige Muslime würden meiner Erfahrung nach nun die Frage einwerfen, warum (bestimmte) Menschen darüber entscheiden, was essenziell ist und nicht die Schöpferkraft der "Essenz" bzw. besser gesagt Kreation.
Dies führt mich zunächst zu der Frage der Zuverlässlichkeit von "Logik" und "Nachahmung" (~Taqleed) und der Begriffsanalyse von "Iman" (~Glaube), "Hikmah" (~Weisheit) und "Aql" (~rationales Denken), womit diese Fragen möglicherweise zu einer Vor- oder Nach - Metaphysik des Islam bezüglich der Prämissen der 6 Glaubensartikel des Iman führen könnten.

Zitat:
(16-07-2016, 21:44)Egon Spengler schrieb: Kannst du "Weltanschauung" definieren?
Nun, "Weltanschauung" beinhaltet jene Vorstellungen, die unser individuelles Verhältnis zur Welt einschließlich unserer Mitwesen (Mitmenschen, Tiere, Pflanzen, Biosphäre, Natur) interpretieren und bewerten. Im Gegensatz zur (neutralen) Begriffsdefinition "Weltanschauung" stecken unsere Vorstellungen darin voller Wertungen.

Wenn ich deine Worte richtig verstehe, ist "Weltanschauung" eine Konstruktionen wie der "innere Glauben", jedoch mit dem Unterschied der essenziellen Grundlage, die die Kirche als "äußeren Glauben" beschreibt und vorgibt.

Ist also nach katholischer Perspektive der "innere Glaube" eine dynamische Konstruktion innerhalb einer absoluten Wahrheit, die die Kirche definiert und eine Weltanschauung eine Konstruktion ohne essenzielle Grundlage?
Ich bin weit über die Fähigkeit rationalen Denkens hinaus entsetzt.
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#39
Das Thema bewegt sich weg von der Frage, wie man Muslim wird, vor allem, weil hier fast niemand Muslim geworden ist noch werden will. So bewegen wir uns in Analogien, wie man sie auf christlicher Seite findet.

Ich hatte auf deine Hinweise hin nach den 6 Glaubensartikeln gefragt, die an anderer Stelle aufgelistet worden sind.
(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: Hat sich deine Frage nun auf die Lehren oder "sechs Glaubensartikel" bezogen? 
Die sechs Glaubensartikel bekommen hinsichtlich der Auswahl der Lehren (Methodologie) natürlichen ihren eigenen Gehalt.
Es war eine einfach gemeinte Rückfrage nach den Glaubensartikeln. Wenn du noch Ausführungen zur Methodologie machen willst, ergeben sich vielleicht Diskussionsansätze. Aber ich bin ein wenig abgeschreckt durch die Vielzahl von Vokabeln, die mir nicht sonderlich vertraut sind. Bei denen weiß ich nicht auf Anhieb, was sie bedeuten (Epistemologie, Dialektik, Hermeneutik, ...). Wenn wir das umgangssprachlicher halten könnten, wäre es zumindest für mich einfacher.

(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: Wenn man sich zu den Vorgaben und Riten der Kirche bekennt, erhalten Begriffsanalysen innerhalb jener "Konstruktionen" einen universellen Gehalt, also einen absoluten Charakter und sind in ihrem Wesen ("Prämissen") statisch - Sie sind nicht von theoretischer Natur (Konstruktion), sondern essenziell und wesentlich.
Ich fürchte, dass dies so ist. Damit wird ein (menschliches) Konstrukt als allgemein verbindlich, gar absolut gesetzt. Eine Kritik oder Entwicklung ist damit nicht mehr möglich. Genau so erscheinen mir alle Religionen.

(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: Wenn ich deine Worte richtig interpretiere, ist "innerer Glaube" mit "innerer Überzeugung" gleichzusetzen. Sie beschreiben innerhalb des "äußerlichen Glaubens" eine willkürliche, in dem Fall nach dem universellen Maßstab (äußeren Glauben) subjektive Sichtweise abseits des universellen Wesens, welches die Kirche bestimmt.
So ist das wohl!

(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: Einige Muslime würden meiner Erfahrung nach nun die Frage einwerfen, warum (bestimmte) Menschen darüber entscheiden, was essenziell ist und nicht die Schöpferkraft der "Essenz" bzw. besser gesagt Kreation.
Dies führt mich zunächst zu der Frage der Zuverlässlichkeit von "Logik" und "Nachahmung" (~Taqleed) und der Begriffsanalyse von "Iman" (~Glaube), "Hikmah" (~Weisheit) und "Aql" (~rationales Denken), womit diese Fragen möglicherweise zu einer Vor- oder Nach - Metaphysik des Islam bezüglich der Prämissen der 6 Glaubensartikel des Iman führen könnten.
Dass viele Gläubige, nicht nur Muslime, nicht wissen und nicht zur Kenntnis nehmen wollen, was alles von der menschlichen Gesellschaft durch impliziertes Verhalten "gesetzt" worden ist, ist leider ein seltsames Phänomen. M. E. ist es von der Angst bestimmt, dass anderenfalls die (Werte-) Welt zusammenbricht. Im Grunde disqualifiziert sich der Glaube damit als fragil und schwach.

(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: ... "Weltanschauung" (ist) eine Konstruktion(en) wie der "innere Glauben", jedoch mit dem Unterschied der essenziellen Grundlage, die die Kirche als "äußeren Glauben" beschreibt und vorgibt.
Ja, ich denke, das trifft es.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#40
Zitat:Ekkard

Das Thema bewegt sich weg von der Frage, wie man Muslim wird, vor allem, weil hier fast niemand Muslim geworden ist noch werden will. So bewegen wir uns in Analogien, wie man sie auf christlicher Seite findet.

M. E. bewegen wir uns nicht von der Eingangsfrage weg. Wir arbeiten im Moment an der Grundlage, was zu beachten ist, um sich der Problemfrage zu nähern. Anzumerken ist, dass diese Frage meinen Ansprüchen zu folge sehr komplex und schwierig ist.

Sind hier Muslime, die eine theologische Begriffsdefinition von "Muslim" angeben können?

Zitat:
(19-07-2016, 18:44)Egon Spengler schrieb: Hat sich deine Frage nun auf die Lehren oder "sechs Glaubensartikel" bezogen? 
Die sechs Glaubensartikel bekommen hinsichtlich der Auswahl der Lehren (Methodologie) natürlichen ihren eigenen Gehalt.
Es war eine einfach gemeinte Rückfrage nach den Glaubensartikeln. Wenn du noch Ausführungen zur Methodologie machen willst, ergeben sich vielleicht Diskussionsansätze. 

Wir müssen hier zunächst noch Fragen, wie diese Artikel formuliert sind.

Problematisch werden hier nicht nur die Grenzen hinsichtlich der Übersetzbarkeit einer kultur - spezifischen Sprache, über welche wir hier schon im Hinblick auf den Unterschied von "theologischen Begriffsdefinition" und "kulturellen Gebrauchsdefinitionen" gestoßen sind. 

Anderenfalls lassen sich noch mehrere Fragen hinsichtlich der Struktur des Satzes, ihrer Einzelteile und Funktionen stellen.

Beispiel:

1. Der Glaube an Allah, den einen Gott.

Was ist "der Glaube"?
Was ist "Allah, der eine Gott"?
....
Ich bin weit über die Fähigkeit rationalen Denkens hinaus entsetzt.
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#41
Ich glaube, hier gibt's nicht viele Soziologen, und soziologische Sprachkonventionen sind fuer Laien meist eine Qual. Ich verstehe zwar, warum diese Spezialsprache existiert: wer praezise Aussagen machen will, muss sich praeziser Sprache bedienen. Allerdings investiere ich diese Art von Praezision nur dann, wenn mich das Thema wirklich brennend interessiert.

Fuer mein allgemeines Verstaendnis sehe ich die Ausgangsfrage als beantwortet an: man wird in einen kulturellen Kontext hineingeborenen, wofuer ein tiefes Verstaendnis des Zustands als Muslim unnoetig ist. Warum jemand konvertiert, ist eine andere Frage. Da sind mir jetzt ausserhalb des gerade aktuellen Radikalismus nur wenige Faelle bekannt. Und ich glaube fest, dass solche Entscheidungen im Normalfall nicht wegen praezis definierter Glaubensfragen gemacht werden, sondern aus aeusseren Gruenden diverser Art. Ich denke nicht, dass irgendjemand dafuer den "Glauben an Allah, den einen Gott" definiert. Der Satz wird benutzt und erfuellt seinen Zweck. Wahrscheinlich wird er ueberhaupt erst mit einer rein subjektiven Bedeutung gefuellt, wenn konkret nachgefragt wird; was im Normalfall nicht passiert.

Sollte dieser Thread eine darueber hinaus gehende, praktische Stossrichtung haben, so habe ich die wohl ueberlesen.
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#42
(20-07-2016, 01:39)Ulan schrieb: Ich glaube, hier gibt's nicht viele Soziologen, und soziologische Sprachkonventionen sind fuer Laien meist eine Qual. Ich verstehe zwar, warum diese Spezialsprache existiert: wer praezise Aussagen machen will, muss sich praeziser Sprache bedienen. Allerdings investiere ich diese Art von Praezision nur dann, wenn mich das Thema wirklich brennend interessiert.

Hallo lieber Ulan,

wenn ich freundlicherweise anmerken darf, handelt es sich m.E. nicht um soziologische Fachbegriffe. 

M.E. erarbeiten wir uns gerade lediglich eine gemeinsame Grundlage, wie wir vorgehen können, um die Problemfrage zu klären. Dabei analysieren wir unsere Werkzeuge, bei denen es sich um Sprachzeichen und Symbole handelt. 
Je nach These und Fragestellungen lassen sich nach Bedarf auch Theorien und Ansätze unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen anbringen. Bei diesem Themenschwerpunkt befinden wir uns m.E. in Teilgebieten der Theologie und Philosophie, insbesondere der Apologetik, Kontroverstheologie, Ontologie und Sprachphilosophie.

Wie aus dem Eingangsbeitrag zu entnehmen sein kann, handelt es sich um einen freien religionsphilosophischen Diskurs.
Unter freien religionsphilosophischen Diskurs kann ein Dialog ohne vorkonstruierte Grundlage verstanden werden, der das Ziel der Untersuchung von Weltanschauungen nachgeht.


Folgende Hypothesen können sich m.E. bisher u.a. festhalten lassen.

1. Sprachzeichen können konventionell - geteilte Symbole sein, die kultur - spezifisch sind.
2. Sprachsymbole können individuelle Definitionen und Sinngebungen beinhalten.

Anlässlich dieser Hypothesen möchte ich die Weltanschauung des Muslims oder der Muslima kennenlernen. 


Zitat:Fuer mein allgemeines Verstaendnis sehe ich die Ausgangsfrage als beantwortet an: man wird in einen kulturellen Kontext hineingeborenen, wofuer ein tiefes Verstaendnis des Zustands als Muslim unnoetig ist. Warum jemand konvertiert, ist eine andere Frage. Da sind mir jetzt ausserhalb des gerade aktuellen Radikalismus nur wenige Faelle bekannt. Und ich glaube fest, dass solche Entscheidungen im Normalfall nicht wegen praezis definierter Glaubensfragen gemacht werden, sondern aus aeusseren Gruenden diverser Art. Ich denke nicht, dass irgendjemand dafuer den "Glauben an Allah, den einen Gott" definiert. Der Satz wird benutzt und erfuellt seinen Zweck. Wahrscheinlich wird er ueberhaupt erst mit einer rein subjektiven Bedeutung gefuellt, wenn konkret nachgefragt wird; was im Normalfall nicht passiert.

Über die Vermutung, dass Muslime im Normalfall erst die subjektive Bedeutung ihres "Glaubens² an Allah, den einen Gott" nachdenken, wenn konkret danach nachgefragt wird, ist mir keine repräsentative Statistik bekannt.

Ich vermute, dass sich Umfragen in islamischen Staaten aufgrund staatlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse schwierig gestalten lassen können. M.E. trägt ein gewisses Verständnis von der Bedeutung der spezifischen Traditionsbildung und ihrer Rituale um "den Glauben an den einen Gott" gerade hinsichtlich der Sozialisierung in jenen Gesellschaften eine besondere Funktion, da sich die theologisch - mitgelieferten Antworten auf Fragen hinsichtlich Ethik und Moral in den Erziehungsphasen insbesondere auf alltags - gesellschaftliche sowie politische Angelegenheiten übertragen lassen können. Jene Aspekte ziehen sicherlich soziologische und sozialpsychologische Gedankenansätze mit sich.

Offenbar können unsere generierten Fragestellungen nicht nur das Gedankengerüst von praktizierenden Muslimen, die an konventionelle Pflichten ihrer spezifischen Tradition glauben² und jene hinterfragen, sondern selbst von islamischen Gelehrten übersteigen. Für mich sind diese Fragen jedoch von zentraler Interesse, um die Dynamik der subjektiven Sichtweisen und Sinngebungen kennenzulernen.


Liebe Grüße
Egon Spengler

____
¹Gesamtheit von Anschauungen, die die Welt und die Stellung des Menschen in der Welt betreffen. Duden. Letzer Zugriff: 20.07.2016
²in seinem Glauben von der Existenz einer Person oder Sache überzeugt sein, etwas für wahr, wirklich halten. Duden. Letzer Zugriff: 20.07.2016
Ich bin weit über die Fähigkeit rationalen Denkens hinaus entsetzt.
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#43
(20-07-2016, 04:55)Egon Spengler schrieb: Hallo lieber Ulan,

wenn ich freundlicherweise anmerken darf, handelt es sich m.E. nicht um soziologische Fachbegriffe. 

M.E. erarbeiten wir uns gerade lediglich eine gemeinsame Grundlage, wie wir vorgehen können, um die Problemfrage zu klären. Dabei analysieren wir unsere Werkzeuge, bei denen es sich um Sprachzeichen und Symbole handelt. 
Je nach These und Fragestellungen lassen sich nach Bedarf auch Theorien und Ansätze unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen anbringen. Bei diesem Themenschwerpunkt befinden wir uns m.E. in Teilgebieten der Theologie und Philosophie, insbesondere der Apologetik, Kontroverstheologie, Ontologie und Sprachphilosophie.

Okay, ich bin kein Geisteswissenschaftler. Ich kenne die Begriffsverwendung aus einem von Theissens Buechern (Die Religion der ersten Christen - Eine Theorie des Urchristentums) und hatte das auf seinen soziologischen Hintergrund verbucht; wenn das also ureigenst auch so in der Theologie verwendet wird, habe ich das wohl falsch zugeordnet.

(20-07-2016, 04:55)Egon Spengler schrieb: Wie aus dem Eingangsbeitrag zu entnehmen sein kann, handelt es sich um einen freien religionsphilosophischen Diskurs.
Unter freien religionsphilosophischen Diskurs kann ein Dialog ohne vorkonstruierte Grundlage verstanden werden, der das Ziel der Untersuchung von Weltanschauungen nachgeht.


Folgende Hypothesen können sich m.E. bisher u.a. festhalten lassen.

1. Sprachzeichen können konventionell - geteilte Symbole sein, die kultur - spezifisch sind.
2. Sprachsymbole können individuelle Definitionen und Sinngebungen beinhalten.

Anlässlich dieser Hypothesen möchte ich die Weltanschauung des Muslims oder der Muslima kennenlernen.

Im Prinzip sprichst Du aber mit diesem Ansatz aber nur einen sehr kleinen Personenkreis an, zumindest auf diesem Board. Vielleicht liege ich damit ja auch falsch, aber so rein persoenlich zaeume ich das Pferd meist anders herum auf: ich starte von konkreten Problemen und kuemmere mich um Definitionen, sobald sie gebraucht werden (das von mir genannte Buch macht's aber so wie Du).

(20-07-2016, 04:55)Egon Spengler schrieb: Über die Vermutung, dass Muslime im Normalfall erst die subjektive Bedeutung ihres "Glaubens² an Allah, den einen Gott" nachdenken, wenn konkret danach nachgefragt wird, ist mir keine repräsentative Statistik bekannt.

Ich vermute, dass sich Umfragen in islamischen Staaten aufgrund staatlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse schwierig gestalten lassen können.

Das stimmt schon. Vielleicht sollte ich meine Aussage spezifizieren: ich denke nicht, dass die meisten Menschen so strukturiert ueber Glaubensfragen nachdenken.

(20-07-2016, 04:55)Egon Spengler schrieb: M.E. trägt ein gewisses Verständnis von der Bedeutung der spezifischen Traditionsbildung und ihrer Rituale um "den Glauben an den einen Gott" gerade hinsichtlich der Sozialisierung in jenen Gesellschaften eine besondere Funktion, da sich die theologisch - mitgelieferten Antworten auf Fragen hinsichtlich Ethik und Moral in den Erziehungsphasen insbesondere auf alltags - gesellschaftliche sowie politische Angelegenheiten übertragen lassen können. Jene Aspekte ziehen sicherlich soziologische und sozialpsychologische Gedankenansätze mit sich.

Sicher. Mein Einwurf war eher praktischer Natur: Als Diskussionspartner brauchst Du jemanden mit dem entsprechenden Hintergrund (Muslim oder jemand mit sehr guten Kenntnissen einer muslimischen Gesellschaft), der oder die zusaetzlich noch durch den Eingangsfilter gesellschaftswissenschaftlicher Sprachkonventionen zu gehen bereit ist. Das reduziert den angesprochenen Personenkreis doch erheblich.

Wobei Dir das eventuell nichts ausmacht. Ich wollte das nur kurz einwerfen.
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#44
Zitat:Ich kenne die Begriffsverwendung aus einem von Theissens Buechern (Die Religion der ersten Christen - Eine Theorie des Urchristentums) und hatte das auf seinen soziologischen Hintergrund verbucht; wenn das also ureigenst auch so in der Theologie verwendet wird, habe ich das wohl falsch zugeordnet.

Dem Klappentext des Buches zufolge versucht Theißen den urchristlichen Glauben zu beschreiben und zu analysieren. 

Mit Gewissheit kann ich bestätigen, dass die Religionswissenschaft eine Kulturwissenschaft ist. Sie nimmt sich zur Aufgabe, Erscheinungen, die ihren Gehalt durch das Handeln von Personen, die aufeinander bezogen sind, zu analysieren und zu beschreiben. Dabei ist ihr Schwerpunkt, idealtypische Orientierungsmuster für eine Charakterisierung von den Wortkonstruktionen "Kultur" und "Religion" zu definieren.  

Die Theologie unterscheidet sich insofern von der Religionswissenschaft, dass sie Phänomene nicht nur beschreibt, sondern auch in einem Wesen annimmt und vorschreibt. Die Theologie wendet zwar wissenschaftliche Methoden an und wird an Universitäten gelehrt, allerdings handelt es sich um keine (neutrale) Wissenschaftsdisziplin. 

Mit Gewissheit kann ich allerdings nicht bestätigen, ob die Theologie ureigenst "Gott" und die Bibel hinsichtlich einer Art Logoslehre als ein konstruiertes Produkt des Menschen abgelehnt hat, aber meine Tendenz richtet sich nach der Annahme, dass die Theologie ureigenst eine absolute Wahrheit vertreten hat, dass "Gott vor dem Wort" sein soll.

Zitat:Im Prinzip sprichst Du aber mit diesem Ansatz aber nur einen sehr kleinen Personenkreis an, zumindest auf diesem Board. 

Ich nehme an, dass sich in diesem Forum aktive Muslime finden könnten, die wissbegierig und ambitioniert sind, die "Religion" und "Weisheit" von "Allah s.w.t". zu erforschen und weiterzugeben. Der Dialog könnte Früchte tragen.

Zitat: ich denke nicht, dass die meisten Menschen so strukturiert ueber Glaubensfragen nachdenken. 

Das denke ich auch nicht, darum habe ich mir dieses Forum für einen solchen Informationsaustausch ausgesucht.
Ich bin weit über die Fähigkeit rationalen Denkens hinaus entsetzt.
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#45
(20-07-2016, 01:39)Ulan schrieb: Und ich glaube fest, dass solche Entscheidungen im Normalfall nicht wegen praezis definierter Glaubensfragen gemacht werden, sondern aus aeusseren Gruenden diverser Art. Ich denke nicht, dass irgendjemand dafuer den "Glauben an Allah, den einen Gott" definiert.

Soweit ich das überblicken kann, gibt es 5 zentrale Motivationen, warum Menschen in unserem Kulturkreis Muslim werden.

1. Weil sie heiraten (wollen) und die Frau oder der Mann Muslim ist. Es sind eher seltene Fälle, in denen muslimische Familien einen Deutschen oder Nichtmuslim als Mann oder Frau akzeptieren würden. Daher passt sich nicht der nichtmuslimische Partner oft (unbewusst) an und konvertiert zum Islam.

2. Weil der Islam als Popkultur daherkommt. Das betrifft besonders jüngere Menschen. Die Protagonisten des Islam sind keine alten verstaubten Männer, die man uncool findet, sondern coole junge Burschen (Rapper, ExBoxer usw). Gleichzeitig bedient der Islam den jungmännlichen Chauvinismus, was ihn interessanter als das Christentum macht: Demut ist doch eher langweilig. Außerdem hat der Islam ein martialisches Auftreten. Heutzutage ist als 16jähriger Muslim oder Salafist zu werden fast das gleiche wie vor 20 Jahren Punk oder Grufti zu werden. Interessant ist das vor allem deshalb, weil die meisten jüngeren Menschen, die hier zum Islam konvertieren, in einem islamischen Land wahrscheinlich gar nicht mehr leben würden, weil Sünden oft zu ganz realen Strafen führen.

3. Weil die Menschen die Trinität nicht verstanden haben. Das betrifft oft Christen, die zum Islam konvertieren. Ein dreifaltiger Gott ist den meisten Menschen zu abstrakt und nicht griffig. Man kann es Muslimen gar nicht verübeln, wenn sie die Trinität nicht verstehen. Vielen Christen geht es nicht anders. Die deutschen Übersetzer des Koran wissen letztlich auch selbst nicht, ob der Islam nun Trinität, Tritheismus oder doch etwas anderes kritisieren will.

4. Weil - das betrifft auch Exchristen - der Islam konsequenter wirkt. Die Kirche verliert für viele Menschen immer mehr an Profil und gibt sich selbst auf. Das kann manchmal den Eindruck hinterlassen, dass die Kirche selbst nicht mehr glaubt, was sie verkündigt. Christen wirken in ihrem Glauben eher lasch. Da bildet der Islam mit seinen regiden Regeln und den 5 Pflichtgebeten am Tag, den strengen Vorgaben durch den Propheten für nahezu alle Lebensbereiche, natürlich ein Kontrastprogramm. Der christliche Gott ist ein Spießer, ja oft ein Weichei, der vergibt Dir sogar, wenn Du alle seine Regeln brichst. Der "starke" islamische Gott ist einer, der Dich für Deine Vergehen ohne mit der Wimper zu zucken in die Hölle werfen wird. Die duale Trennung in Gut/Böse ist hier viel deutlicher im Alltag zu spüren.

5. Das Gemeinschaftsgefühl ist viel ausgeprägter. Oberflächlich betrachtet wird man als neuer Muslim von der Umma freudig empfangen und aufgenommen. Sie interessieren sich für dich. Willst Du Arabisch lernen, findest Du sofort Geschwister, die es Dir beibringen. Viele neue Muslime durchschauen nicht, dass das aber nicht zuletzt getan wird, weil die Menschen dafür belohnt werden. Mit einem echten Interesse am Menschen hat es oft wenig zu tun.

Insgesamt würde ich sagen, dass der ganz entscheidende Grund ist, dass Menschen, die Muslime werden, keine Gotteserfahrung hatten. Denn anders als das Christentum kennt der Islam keine persönliche Erfahrung Gottes im Hier und Jetzt. Vielmehr wird nur das Diktat Gottes gegenüber dem Propheten als Offenbarung akzeptiert. Dort, wo die Gotteserfahrung fehlt, verbleibt Gott im Transzendenten, nicht Erfahrbaren. Das Christentum hat ja die Gotteserfahrung durch den Menschen Jesu und die Gotteserfahrung durch den Heiligen Geist mit in sein Bild eingeschlossen, weil die Menschen in den Erfahrungen Gott erkennen können. Da solche Erfahrungen aber sehr individuell sind, ist ein simpler Law-and-Order Mechanismus wie im Islam nicht möglich.
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