08-10-2016, 19:44
(05-10-2016, 20:14)Tarkesch schrieb: Nun zu deinem Einwand betr. psychoanalytische "Meta-Ebene":
Natürlich zielt eine psychoanalytische Interpretation nicht auf historische Figuren, sondern auf die unbewussten Faktoren im Entstehungsprozess des Narrativs. Anzunehmen ist, dass es nicht das Produkt eines einzelnen Autors ist, sondern die Endredaktion einer oral tradierten Fabel, die einen bestimmten, nicht wirklich gelösten psychologischen Konflikt in der israelitischen Lebenswelt verarbeitet.
Was Psychologie angeht, bin ich nun nicht vom Fach. Allerdings kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass ich hier auf eine gewisse Ueberinterpretation Freud'scher oder Jung'scher Manier schaue. Hierbei moechte ich nicht die Existenz der beiden von Dir angesprochenen psychologischen Konfliktzonen verneinen, die durch den Ausschluss des Weiblichen im juedischen Monotheismus entstehen (das Weibliche machte ja durchaus wieder per Sophia und per Heiligem Geist eine Rueckkehr). Ich sehe nur nicht so recht, wie dies zur Entstehung dieses Textes beigetragen haben kann. Die Fragen, die bei so etwas kommen, sind: Was stand da (oder wurde in dieser Geschichte urspruenglich berichtet), dass es so moralisch oder theologisch anstoessig geworden war, dass man da "rettend" an der Geschichte herumdoktorn musste. Was mir bei vielen dieser Interpretationen fehlt, ist der Weg von Punkt 1 zu Punkt 2 (oder mehreren Punkten, wie z.B. 3 in meinem Eingangspost).
Ein Weg ueber peinliches Beruehrtsein ob der Kastration eines hochgeschaetzten Ahns, gefolgt von groesserer sexueller Scham und Einsatz einer idiomatischen Redewendung im naechsten Schritt, scheint mir da immer noch wahrscheinlicher. Zumindest finde ich da die Schritte nachvollziehbar.