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Das Isis-Gen in Maria
#1
Ich möchte diesen Thread der Frage der Herkunft der Marienfigur widmen.

++++

Gute Zeugen für die Herkunft der Marienverehrung aus polytheistischen Kulten sind altchristliche Kirchenväter wie Epiphanius und Anastasius, die der Marienverehrung, gerade weil diese einen ´heidnischen´ Hintergrund hatte, heftigen Widerstand entgegensetzten, freilich erfolglos, denn das Bedürfnis im Volk nach einem Ersatz für die verbotenen Göttinnen war zu stark, um von klerikaler Seite ignoriert werden zu können. Kirchenvater Kyrill von Alexandria gelang es gegen alle Widerstände auf dem Konzil von Ephesus 431, das Dogma der Gottesmutterschaft Maria zu etablieren.

Bei dem Namen ´Isis´ handelt es sich um die gräzisierte Version des original ägyptischen Namens ´Aset´.

Es folgen einige Argumente für die Isomorphie von Maria und Isis.

Der Marienkult erfuhr seine erste intensive Ausprägung in der koptischen Gemeinde in Ägypten, also im unmittelbaren Wirkungsbereich des ägyptischen Isiskultes. Der schon genannte einflussreiche Marienverehrer Kyrill, der als Patriarch von Alexandria äußerst brutal gegen den Isiskult vorgegangen sein soll (bei dem er sich aber bediente, indem er einige Charakteristika der Isis auf Maria übertrug, z.B. den Titel ´Gottesgebärerin´), ist der koptischen Kirche zuzurechnen. Das früheste Gebet an die ´Gottesgebärerin´(theotokos), entstanden um 300, ist koptisch und lautet:

Unter den Schutz deiner vielfachen Barmherzigkeit, fliehen wir, Gottesgebärerin. Verachte nicht unsere Bitten, wenn wir in Not sind, sondern errette uns aus allen Gefahren, du allein Gebenedeite.

Die ersten Darstellungen der milchspendenden Maria mit Kind (den Isis-Horus-Darstellungen nachempfunden) waren koptischen Ursprungs. Vermutlich ist auch das ´Ave Maria´ in Ägypten entstanden.

Der Isistempel von Philae wurde im 6. Jh. der Maria geweiht. In Italien wurden Tempel der Isis, der Juno, der Minerva und der Diana ebenfalls in Maria-Kirchen umfunktioniert. Eine von ihnen heißt sogar "Santa Maria sopra Minerva" = über (dem Tempel) der Minerva. Der zypriotische Aphrodite-Tempel wurde gleichfalls in eine Marienkirche umgewandelt, in dem Maria bis heute (!) aber mit dem Namen Aphrodites, "Panhagia Aphroditessa", verehrt wird. Die Feier der Geburt des Jesus fällt auf das Geburtsfest des Horus, des Sohnes der Isis (Wintersonnenwende). Statuen der Isis und des Horus wurden zu Maria-und-Jesus-Figuren umgedeutet. Die Isis-Epitheta "Himmelskönigin", "Liebreiche Mutter", "Schmerzensmutter", "Mutter Gottes" und "Gottesgebärerin" gingen auf Maria über, die beiden letztgenannten durch Beschluss des Konzils von Ephesus im Jahr 431.

Auch der Aspekt der Königsmutterschaft ist eine unübersehbare Gemeinsamkeit von Isis und Maria.

´Isis´ (eigentlich ´Aset´) ist mit ´Thronsitz´ zu übersetzen. In frühen Darstellungen trägt sie einen Thron über ihrem Haupt. Als Mutter des Horus, mit dem sich jeder Pharao identifizierte, war sie automatisch auch die Mutter des Königs. Vor diesem Hintergrund war das Sitzen des Pharao auf dem Thron als Sitzen auf dem Schoß seiner göttlichen Mutter zu verstehen.

Was Jesus betrifft, gilt er im christlichen Denken als ´König der Welt´. Das zeigt nicht nur sein Titel ´Christus´ = ´der Gesalbte´, was, vermittelt über das jüdische Messias-Konzept, mit dem Salbungsritual der israelitischen Könige zusammenhängt, sondern ergibt sich auch aus diversen Titulierungen an Stellen des NT, z.B.:

(Lukas 19,38)
... und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!

(1 Tim 6,15-16)
Welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.

Die Transformation des Isiskultes in den Marienkult ist anhand der Ikonographie der beiden Figuren ebenfalls deutlich erkennbar. Ich habe unten eine Darstellung angehängt, die heute parodistisch wirkt, im Mittelalter aber ernst genommen wurde.

Die Isomorphie von Isis und Maria ergibt sich hier vor allem aus ihrer mütterlichen Funktion gegenüber den göttlichen Söhnen, denen sie in vielen Darstellungen die Brust reichen. Entscheidend für die Isomorphie ist nicht nur die äußerliche Handlung des Säugens, sondern auch dessen religiöse Bedeutung, die im Fall der Maria aber erst im Mittelalter mit Isis gleichzieht.

Was Isis betrifft, überträgt der Prozess des Säugens das göttlichen Wesen der Mutter auf das Kind, was der antiken Vorstellung der Wesensübertragung durch die Muttermilch entspricht (ähnlich wie im altägyptischen Denken der Vater durch den Zeugungsakt sein Wesen auf den Sohn überträgt). Die Pharaonen - die sich mit Horus identifizierten - stellte man sich in ihrer Kindheit als von Göttinnen genährt vor. Amenophis III. z.B. wird in einer Darstellung als von vier Göttinnen gesäugt dargestellt, während seine leibliche Mutter zuschaut. Im Totentempel der Pharaonin Hatschepsut spricht die Göttin Hathor, religionsgeschichtlich die Vorgängerin von Isis:

Ich bin deine Mutter (...) Ich habe dich gestillt, damit du die Rechte des Horus hast...

Analoges gilt - wenngleich mit einem Aufschub von mehreren Jahrhunderten und mit Verschiebung vom Jesuskind auf katholische Mystiker - für Maria. Im Beschluss des Konzils von Ephesus 431 wird noch ausdrücklich hervorgehoben, dass Maria zwar eine "Gottesgebärerin" sei, dass die Göttlichkeit ihres Sohnes aber nicht auf die Geburt aus ihrem Leib zurückgehe, sondern auf die Vaterschaft Gottes. Die Milch der Mutter diene einzig dazu, den menschlichen Leib des Jesus zu nähren. Damit wollte man sich von dem ägyptischen Konzept abgrenzen, welches die Göttlichkeit des Horus auf die Göttlichkeit der Mutter Isis zurückführt.

Einige antike Autoren, darunter auch der oder die Autoren des 1. Petrusbriefs, bekunden aber, wenn auch unabhängig von der Marienfigur, die Idee der Vermittlung des Göttlichen durch Muttermilch, wie in folgender Passage, wobei das Konzept der göttlichen Isis-Milch Pate gestanden haben muss:

(1 Petr 2,1-3)
Ablegend also alle Schlechtigkeit und allen Trug und Heucheleien und Neidereien und alle Verleumdungen, verlangt wie eben geborene Säuglinge die geistige, unverfälschte Milch,damit ihr durch sie wachst zum Heil (...)

Im Mittelalter, das den Marienkult auf seinen Höhepunkt führte, wurde durch die nunmehr himmlische Funktion der Marienbrust die Isomorphie zu Isis vervollständigt. Der Mystiker Bernhard de Clairvaux z.B. fühlte sich in Visionen durch das Saugen an den Brüsten Marias ins Göttliche erhoben. Die erotische Konnotation ist in dieser wie auch anderen Visionen der christlichen Mystiker des Mittelalters (auch Teresa de Avila) überdeutlich. Bei Mechthild von Magdeburg (1212-1294) heißt es sehr salopp:

Eia, darnach werden wir in unsäglicher
Lust schauen und erkennen die Milch und die Brüste,
die Jesus so oft geküsst ha
t.

In einer Darstellung (siehe unten) wird Bernhard gezeigt, wie ihn ein Milchstrahl der Maria an der Stirn trifft, ihn also ´geistig´ nährt statt leiblich. Das Potential der Marienmilch, den Empfänger mit dem Göttlichen zu verbinden, ähnelt sehr dem Potential der Isis-Milch, den Sohn mit göttlicher Kraft auszustatten.

[Bild: 455px-StBernardFS.jpg]
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#2
Das war interessant. Mir ist bekannt, dass Darstellungen von Maria mit Kind oder Isis mit Horus in der antiken bildenden Kunst prinzipiell nicht zu unterscheiden sind, wenn da nicht weitere Hinweise dazukommen.

Im Moment wird in der Neutestamentik der Einfluss griechischer oder aegyptischer Religion fuer die Auspraegung des Christentums weitgehend beiseitegeschoben, auch wenn ich das eher als Modeerscheinung sehe, genau so wie um 1900 praktisch alles aus dieser Richtung erklaert wurde. Fuer die endgueltige Form des mittelalterlichen Christentums gab es da aber gewiss diverse Einfluesse.
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#3
(07-10-2016, 19:05)Tarkesch schrieb: Der Marienkult erfuhr seine erste intensive Ausprägung in der koptischen Gemeinde in Ägypten, also im unmittelbaren Wirkungsbereich des ägyptischen Isiskultes.

Was wäre daran schlecht?  Wir Christen sollen ja neuerdings immer so besonders international sein.

Zur Aphrodite
  • „Die Stadt Paphos auf Zypern (Kypros), war eines der Hauptzentren der Verehrung der Aphrodite. Daher der weitere Beiname der Göttin Paphía „die Paphische“. Dort wird noch heute Touristen gern der „Geburtsort der Aphrodite“ gezeigt, sowie nahe Latsi an der Nordküste die „Bäder der Aphrodite“. Kupfer und Zypresse sind ihr heilig (griech. kýpros wird auch als Hennapflanze gedeutet). Später wurde der Aphroditetempel von Paphos in ein Heiligtum der Jungfrau Maria umgewandelt, wo die Muttergottes bis heute als Panhagia Aphroditessa verehrt wird.
  • Melaínis, Melaína »die Schwarze«, hieß Aphrodite am „Brunnen der Meliasten“ in Arkadien“
Aphrodite – Wikipedia


Zur Melaína
Siehe Melanom Hautkrebs – Das Maligne Melanom („Schwarzer Hautkrebs“)

Vielleicht kommt daher die rätselhafte Schwarze Madonna
War mir immer ein Rätsel:
Tschenstochau
Die Schwarze Madonna von Tschenstochau

Tut mir leid, die vielen Steuerzeichen.
Keine Ahnung von wo das herkommt und wie man das wegbringt
(entfernt/Ekkard)

Was ich aufzeigen will:
In Arkadien hatte Aphrodite den Beinamen "die Schwarze"
In Paphos wird die Maria Muttergottes bis heute "Panhagia Aphroditessa" genannt.

Nun habe ich die Arbeitshypothese, daß dies alles der Ursprung der unerklärlichen "Schwarzen Madonna" von Tschenstochau in Schlesien sein könnte.

Anmerkung: die offizielle (sozusagen politisch korrekte) Erklärung der katholischen Amtskirche, die Ikone wäre vom Rauch der vielen Kerzen schwarz angerußt worden, scheint mir zu flach.

Denn auffälligerweise ist nur das Gesicht schwarz, nicht jedoch der Heiligenschein und die Kleidung
Bild betrachten!

Falls das mit der Schwarzen Madonna in Schlesien stimmen sollte (Herkunft: Stadt Paphos auf Zypern), dann wäre das sehr lieb

Die schwarze Farbe von Gesicht und Hand ist übrigens sicher kein Hinweis auf eine rassische Zugehörigkeit (Nubierin).
Sondern dies war die längst vergessene antike Farbsymbolik.
Schwarz war laut Eunapios das Attribut (Kennzeichen) des Eros, dem Gott der Liebe, somit eine Tugend
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