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Erotische Mystik bei Teresa de Avila
#1
In der indischen Yoga-Praxis sind ekstatische Erlebnisse, die zugleich spirituelle und sexuelle Momente entfalten, beinahe schon vorgeplante Stadien der Bewusstseinsschulung. W. Schwery spricht von „einer anfangs meist nur zeitweise und andeutungsweise auftretenden, dann sich aber zunehmend verstärkenden besonderen Empfindung …, welche für den Kundalini-Yoga kennzeichnend ist. Es ist eine Seins-Erfahrung, die anfänglich als allgemeines physisches und psychisches Wohlbefinden, später als Glückserlebnis und schließlich als Wonne und Entzückung beschrieben wird.“ Die sexuelle Analogie verdeutlicht ein alter indischer Vers: „So wie man, eingeschlossen in der Umarmung durch eine Frau, jedes Empfinden für alles Äußere und Innere verliert, ebenso verliert der Geist, wenn er sich in der göttlichen Energie auflöst, jede Empfindung von Dualität und erfährt das Entzücken des Einheitsbewusstseins.“ dass die alltägliche sexuelle Wonne verglichen mit der ekstatischen des subtilen Einsseins nur ein Schatten, ein verdünnter Aufguß ist, darüber sind sich alle einig, die solche Ekstase erfahren haben. Für viele andere kann hier A. Avalon zitiert werden: „Die sexuelle Liebe ist wie jede andere Liebe nur ein schwacher Abglanz der Brahmawonne.“

Leider ist das Subjekt im Gefolge solcher Erfahrungen einer gewissen, nicht zu unterschätzenden Gefahr ausgesetzt, nämlich zum einen, wie schon erwähnt, der psychologischen Fixierung an die Orgiastik dieser Stufe, zum andern aber auch, damit zusammenhängend, einer massiven Fehlinterpretation dieser Erfahrung, die in der Regel vor dem Hintergrund der jeweiligen Kultur zu sehen ist. Denn dieser Hintergrund ist von vornherein schon ein Teil der personalen Struktur, der Normen, Werte, Begierden und Ängste, welche die personale Identität konstituieren und ihren Interpretationshorizont vorzeichnen. Bricht nun die Flut subtiler Wahrnehmungen über das personal strukturierte Subjekt herein, dann kommt es zu einer Überlagerung der neuen, der subtilen Struktur mit der bestehenden personalen Struktur, in der mehr oder weniger auch präpersonale magische und mythische Strukturreste enthalten sind. Fehlinterpretationen ergeben sich dann als Effekt dieser Überlagerung: die subtile Vision erscheint in magisch-mythischem Gewande und hat so ganz entscheidend ihr befreiendes Potential eingebüßt, ist nur eine neue Kette, an die sich das Subjekt mit Hingabe fesselt. Freilich oft eine Kette, die erstrahlt in überirdischem Licht und das süßeste Glück spendet.

Sehr deutlich zeigt sich dies in den Berichten mancher christlicher Mystiker und Mysterikerinnen, deren subtile Authentizität nicht angezweifelt werden soll, die zugleich aber auch starke sexualneurotische Züge verraten, die - es wurde schon angedeutet - vor dem Hintergrund klerikaler Theorie und Praxis gesehen werden müssen. In „Eros, Kosmos, Logos“ verwendet Wilber für seine Darstellung der subtilen Stufe einige Schilderungen der spanischen Nonne Teresa de Avila aus dem 16. Jahrhundert, ohne auch nur im Geringsten die allzu offensichtliche sexuelle Komponente ihrer Visionen zu thematisieren.

Wilber zitiert: „Diese geheime Vereinigung vollzieht sich in der allerinnersten Mitte der Seele, also an dem Ort, wo Gott selber weilt. Und er bedarf, wie ich glaube, keiner Türe, um dort einzutreten … Was der Herr hier der Seele in einem Augenblick mitteilt, ist ein so großes Geheimnis und eine so hohe Gnade, und das Entzücken, das die Seele dabei empfindet, ist so übermächtig, dass ich es mit nichts anderem vergleichen kann als der Seligkeit im Himmel.“ Sieht man einmal davon ab, dass es nach dieser Schilderung der „Herr“ ist, der ohne anzuklopfen „eintritt“ und Teresas „Entzücken“ via Gnadenakt ursächlich hervorbringt, wirkt solche Schilderung doch recht über-sinnlich und auf Transzendenz hin orientiert. Angezweifelt werden soll auch keineswegs die Echtheit der subtilen Erfahrung, sondern ihre Unvermischheit mit magisch-mythischen, also niederen Elementen. Die aber erscheint schon fraglich durch die konventionell-christliche Figur des ‘Herrn’, die geradezu paradigmatisch ist für mythisches Denken. Erhellend zeigt sich hier eine Schilderung, die Deschners Text entnommen ist: „Ich sah neben mir …, gegen meine linke Seite zu, einen Engel in leiblicher Gestalt … Er war nicht sonderlich groß, sondern klein und sehr schön. Sein Angesicht war so entflammt, dass er mir als einer der erhabensten Engel vorkam, die ganz in Flammen zu stehen scheinen. Es müssen dies jene sein, die man Cherubim nennt … In den Händen … sah ich einen langen goldenen Wurfpfeil, und an der Spitze des Eisens schien mir ein wenig Feuer zu sein. Es kam mir vor, als durchbohre er mit dem Pfeile einigemale mein Herz bis aufs Innerste, und wenn er ihn wieder herauszog, war es mir, als zöge er diesen innersten Herzteil mit heraus. Als er mich verließ, war ich ganz entzündet von feuriger Liebe zu Gott … die Wonne, die dieser ungemeine Schmerz verursachte, war so überschwenglich, dass ich unmöglich von ihm frei zu werden verlangen noch mit etwas Geringerem mich begnügen konnte als mit Gott.“

Diese Szene hat Bernini überaus virtuos in einer Marmorskulptur nachempfunden und die erotische Faszination dieser Vision sichtbar gemacht.

*http://www.romaculta.com/assets/Uploads/bernini-extase.jpg

In diesem Zusammenhang sagt der Psychoanalytiker Jacques Lacan, ein Bewunderer Teresas, ohne Blatt vor dem Mund: „Sie brauchen sich nur in Rom die Statue von Bernini ansehen zu gehen, um sofort zu begreifen, dass sie genießt, da gibt es keinen Zweifel … Diese mystischen Ergüsse, das ist weder Geschwätz noch Wortmachererei, da ist in summa, was man lesen kann vom Besten … Was versucht wurde am Ende des letzten Jahrhunderts, zur Zeit Freuds, was sie suchten, all die guten Leute in der Umgebung Charcots und der anderen, das war, … die Mystik auf Fickgeschichten (zurückzuführen). Wenn Sie da näher hinschauen, ist es das ganz und gar nicht. Dieser Genuß, den man empfindet und von dem man nichts weiß, ist es nicht das, was uns bringt auf den Weg der Ex-istenz? Und warum nicht interpretieren eine Seite des Anderen, die Seite Gott, als getragen durch den weiblichen Genuss?“


Da Lacan über das ‘mystische Genießen’ (das er seltsamerweise hauptsächlich bei Frauen verwirklicht sieht) hinaus keine Erfahrungsebene anerkennt, glaubt er sich berechtigt, einer vulgärsexuellen Interpretation dieses Genießens jede Driftigkeit abzusprechen, eben weil der Abstand zwischen mystischer Ekstase und dem Jedermannsorgasmus - wer leugnet das? - doch recht groß ist. Setzt man allerdings noch höhere, noch umfassendere Ebenen der Wahrnehmung voraus, die dem Bewusstsein offenstehen, dann relativiert sich die mystisch-genießende Stufe des Subtilen zu einer Phase des Übergangs, die von einer starken Dynamik des Sich-Verlierens und Verschmelzens mit einer höheren Einheit durchdrungen ist. In Lacans Formulierung kommt auch zum Ausdruck, dass das Genießen Teresas eher ein Weg ist denn ein Ziel, er spricht von einem Auf-den-Weg-bringen in Richtung des Anderen, das er hier ganz konventionell-abendländisch „Gott“ nennt. Der Zug zur höheren Einheit, der diesem Genießen eignet, ist die originär mystische Komponente; die schmerz/lustvolle Dynamik von Auflösung des Ich und Verschmelzung mit einem Nicht-Ich, eben die Ekstase, ist hingegen ein Merkmal, das sich - stark abgemildert - auch im sexuellen Orgasmus wiederfindet. Und weil die sexuellen Konnotationen einer solchen Ekstase dieser Bewusstseinsstufe eigentlich so gar nicht angemessen sind (Sexualität ist eine Sache zwischen zwei Subjekten und nicht zwischen Subjekt und Kosmos), müssen sie als etwas Heterogenes interpretiert werden, als Konstrukte, die über die präpersonale Struktur des Subjekts in die mystische Erfahrung eingeschleppt werden: magisch-mythische Elemente des Unbewussten, die imaginär - d.h. im Falle Teresas: halluzinatorisch - wiederkehren, z.B. in Gestalt eines allkosmisch kompetenten Supersubjekts, zu dem das Herz „in feuriger Liebe“ entbrennt. Die phallische Metaphorik in der oben zitierten Vision Teresas ist umso evidenter, als auch andere Visionen Teresas dieses Kennzeichen enthalten: „… um mich herum standen viele Leute von verschiedener Art, die mich eingeschlossen hielten. Alle schienen Waffen in den Händen zu haben: Lanzen, Schwerter, Dolche und sehr lange Stoßdegen, um damit auf mich loszustürmen.“
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#2
Teresa von Ávila (Teresa de Ahumada)  kommt aus einer verfolgten Familie
Das hat sie geprägt.

Teresa von Ávila – Wikipedia
"Teresa de Ahumada wurde 1515 in Ávila geboren, so die Meinung der meisten Biographen; nur eine Minderheit nennt Gotarrendura (Provinz Ávila) als Geburtsort, ohne überzeugende Beweise anzuführen und gegen eine Jahrhunderte alte Tradition. Ihr Großvater väterlicherseits war ein sephardischer Jude aus Toledo. 1485, als Teresas Vater Alonso Sánchez de Cepeda (1471–1543) vierzehn Jahre alt war, trat der Großvater, Juan Sánchez de Toledo Cepeda (1440–1507) mit seiner Familie zum Christentum über, erwarb einen Adelsbrief, und zog nach Ávila, um dort ein neues Leben zu beginnen. Mit dem Fortschreiten der Reconquista (siehe auch Zeittafel Reconquista) lag auf den sephardischen Juden ein zunehmender Druck zur Abkehr ihrer religiösen Praxis, welche dann im Jahre 1492 mit dem Alhambra-Edikt zu einer Vertreibung oder zu einer Zwangstaufe, conversos führte."
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#3
Bitte keine Bilder! Und keine automatischen Links. Was erlaubt ist steht hier!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#4
Jedenfalls eine Person aus einer interessanten Familie !
Nachdenklich macht mich jedenfalls der genannte Satz im Wikipedia:
Der zum Christentum übergetretene Großvater "erwarb einen Adelsbrief"

. . .  erwarb einen Adelsbrief

Wie erwirbt  man einen Adelsbrief ?   Das ist ja kein Schafbock, den man "erwirbt"

Wahrscheinlich ist da Geldadel gemeint ?
Gekaufter Adel



"1944 wurde sie von Papst Pius XII. zur Schutzpatronin der Schachspieler erklärt."
Teresa von Ávila – Wikipedia

Das ist der reine Hohn
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