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Pontius Pilatus
#1
(Text in Arbeit)

Historisches:

Im 6. Jh nC wurde der Herrscher über ↗Judäa, der ↗Ethnarch ↗Archelaus, Sohn des ↗Herodes (d. Gr.), abgesetzt und verbannt. Judäa wurde zur ↗römischen Provinz bestellt. Als erster Präfekt von Judäa wurde Coponius eingesetzt. Der Amtssitz der Präfekten von Judäa war ↗Caesarea gewesen. Der römische Ritter Pontius Pilatus war der 5. in der Reihe römischer Präfekten in Judäa und Nachfolger des Valerius Gratus in diesem Amt. Er hatte das Amt zehn Jahre lang, von 26/27 bis 36/37 (Ios. Ant. XVIII 4, 2), innegehabt.

↗Matthäus (27, 2.11) gibt ihm den Titel ἡγεμών (Hegemon = der Vorangehende, Führer, Herrscher), was ↗Hieronymus mit praeses (Vorsteher) ins Lateinische und ↗Luther mit Landpfleger ins Deutsche übersetzt. Bei den anderen ↗Evangelisten trägt Pilatus keinen Titel. ↗Philon (leg. 299) und ↗Josephus (Ios. bell. II 9,2) nennen ihn  επίτροπος (Epitropos = Verwalter; lat. procurator), ↗Tacitus nennt ihn in den ↗Annalen (XV 44) ebenso. Die Vorgänger und Nachfolger des P. Pilatus heißen bei Josephus allerdings ἔπαρχος (Eparchos = Befehlshaber; lat. praefectus). Das gäbe den auch den für P. Pilatus inschriftlich belegten Amtstitel korrekt wieder1.

Schon am Anfang seiner Dienstzeit kam Pilatus mit frommen Juden in Konflikt. Ob aus Mutwilligkeit oder mangelnder Empathie, darüber gehen die Meinungen der Fachgelehrten auseinander. Fromme Juden hatten sich Pilatus entgegengestellt, als er Prunkschilder zu Ehren des ↗Tiberius im ehemaligen Königspalast des Herodes in Jerusalem hatte aufstellen lassen. Ein anderes Mal entstand Aufruhr als er seine Truppen ins Winterlager nach ↗Jerusalem marschieren und Feldzeichen mit dem Kaiserbild mitführen ließ. Heftig provoziert fühlten sich fromme Juden auch, als Pilatus eine Wasserleitung für Jerusalem hatte bauen lassen wollen und zur Finanzierung einen Teil des Tempelschatzes verwenden wollte. Den in diesem Zusammenhang entstandenen Aufruhr hatte er blutig niederschlagen lassen.

37 nC wurde P. Pilatus von seinem Vorgesetzten, dem Legaten von ↗Syrien, ↗Vitellius, abgesetzt, nachdem er ↗Samaritaner, die sich am ihnen heiligen Berg ↗Garazim bewaffnet versammelt hatten, gefangen nehmen und hinrichten hatte lassen. Er wurde nach ↗Rom  beordert. Dort musste er sich für sein Handeln verantworten.

Über das weitere Schicksal des P. Pilatus ist – von Legenden abgesehen – nichts bekannt.

Legendäres:

In den ↗Evangelien wird über die Gefangennahme, über den ↗Prozess Jesu, sein Leiden, sein Sterben und die Rolle, die P. Pilatus dabei spielte, berichtet. Allerdings liegt kein historischer Bericht, sondern eine Darstellung  nach heilsgeschichtlichen Überlegungen vor. Dass man bemüht war, für den Tod Jesu die Jerusalemer Tempelaristokratie verantwortlich zu machen, ist offensichtlich. Die Juden im Allgemeinen und die jüdische Obrigkeit im Besonderen hätten Gefangennahme, Verurteilung und Tod Jesu zu verantworten, wird vermittelt. In späteren Texten zum Geschehen verstärken sich solche Tendenzen  (↗Nikodemusevangelium, ↗Petrusevangelium, ↗Pilatusbriefe,  ↗Acta Petri et Pauli, etc.), sodass Pilatus von mancher Seite schon bald dem christlichen Lager zugerechnet wurde2.

↗Eusebius vermerkt, dass sich Pilatus das Leben genommen und damit wohl seine gerechte Strafe erhalten habe(Eus. KG 2,7). Das Todesjahr des Pilatus gibt er mit 39 nC an. Euseb meinte, "römische Historiker" hätten das festgehalten, was sich weder belegen lässt, noch sehr wahrscheinlich ist. ↗Kelsos, der die Frage gestellt hatte, wie es zu erklären sei, dass Pilatus von der göttlichen Rache verschont geblieben war, bekam von ↗Origenes noch zur Antwort, dass nicht Pilatus, sondern die Juden diese Schuld zu tragen hätten. Von einem Selbstmord des Pilatus – nach jüdisch-christlicher Auffassung eine besonders schändliche Art, aus dem Leben zu scheiden – war offenbar beiden nichts bekannt.

Tatsache ist, dass Pilatus in der östlich-orientalischen Tradition nach und nach zum Heiligen (↗Gamaliel-Evangelium, ↗Paradosis Pilati), in der westlichen hingegen zum Bösewicht wurde, was in der ↗Legenda Aurea (in der Legende "Von der Passion des Herrn") schließlich seine umfangreichste Ausformung fand.

Den ↗koptischen Kirchen ↗Äthiopiens  und ↗Ägyptens  gilt P. Pilatus etwa ab dem 6. Jh als ↗Heiliger 3.

1) 1961 wurde in Caesarea Maritima ein Stein gefunden, der in einem römischen Theater als Treppenstufe wiederverwendet worden war und neben dem Namen [PO]NTIVS PILATVS auch seinen Amtstitel [PRAEF]ECTVS IUDAEAE wiedergibt. Heute befindet sich dieser Stein im Israel-Museum in Jerusalem.

2) Tertullian merkte in einem seiner Texte (Apologeticum 21,24) an, dass Pilatus … seiner inneren Überzeugung nach Christ gewesen sei.

3) Demandt 2012, S. 99


Literatur:
Alexander Demandt. Hände in Unschuld. Pontius Pilatus in der Geschichte. 1990 Köln. Verlag Böhlau.
Alexander Demandt. Pontius Pilatus. 2012 München, Verlag C. H. Beck.
Wilhelm Schneemelcher. Neutestamentliche Apokryphen Bd 1- Evangelien, 61990 Tübingen, Verlag J. C. B. Mohr.




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MfG B.
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