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American Gods
#16
Gerade habe ich gelernt, dass Tote (die tote Frau Shadows) gegen Morden keine Vorurteile hegen. Wie tot müssen manche Leute bereits zu Lebzeiten sein?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#17
Laura Moon ist "speziell", das war sie offenbar auch zu Lebzeiten. Icon_lol
In der Verfilmung, die man auf Amazon prime angucken kann, ist das sehr deutlich geworden, dass sie speziell ist.
Der Autor hat bei der Verfilmung persönlich mitgemischt, von daher passt das gut zum Buch und verdeutlicht / vertieft etliche Aspekte.
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#18
Na ja; "speziell" sagt ja nichts. Mir fällt auf, dass es bei allen Figuren keine Realität und keine Wahrheit gibt. Real sind bestenfalls die Schmerzen, die Shadow erleidet, weil "die Anderen" hinter seinem Auftraggeber her sind, an dem eigentlich überhaupt nichts real oder wahr ist. Wir haben es also mit reiner Metaphorik zu tun, die letztendlich die Grenzen des bürgerlichen Lebens zertrümmert. Man erlebt so etwas, wenn die eigene kleine Welt aus den Fugen gerät oder aus dem Gleis der Sicherheiten, an die man glaubt. Ich denke da an Todesfälle der Beziehungspersonen, Ausfall der Gesundheit, Brand des Eigenheims, Unfälle, Raub und ähnliche Traumata. Die tröstlichen Momente werden dann so spärlich wie bei Shadow.
(Aber ich habe bis heute nicht einmal die Hälfte gelesen.)
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#19
American Gods ist sehr weit jenseits der Maßstäbe eines normalen Lebens. Shadow ist zäher als er anfangs wirkt und die Abnabelung von seiner Frau tut ihm gut, meiner Meinung nach. Er wächst an der Geschichte, die Götter nicht. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel. Mehr sag ich nicht. Icon_lol
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#20
(15-10-2017, 23:35)Hase schrieb: American Gods ist sehr weit jenseits der Maßstäbe eines normalen Lebens.
Gewiss! Die Geschichte ist m. E. die traumatische Bedrohung, die jeden betrifft. Die so genannten Götter stellen sich mir, jedenfalls bisher, als personifizierte Traumata oder Schock-Gestalten heraus. Sie mögen aus Verehrung und Gebeten "bestehen" bzw. "gespeist" werden; aber sie tun nur selten oder gar nichts etwas für diejenigen, die sie anbeten. Ob "Reparaturen", wie sie das nächtliche Katzenweib an Shadow so lustvoll durchführt, so viel Glück bedeuten, muss ich nach etwa der Hälfte des Buches dahin gestellt sein lassen.

(15-10-2017, 23:35)Hase schrieb: die Abnabelung von seiner Frau tut ihm gut
Das muss sich noch herausstellen.

(15-10-2017, 23:35)Hase schrieb: Er wächst an der Geschichte, die Götter nicht. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel. Mehr sag ich nicht. Icon_lol
Nun ja, dann mal weiter - und nicht so viel Forum gucken ....
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#21
Jetzt bin ich "durch". Ich habe aber die ausführlicher Ausgabe von 2015, Übersetzer: Hannes Riffel, gelesen. Es kann also sein, dass ich mich auf Dinge beziehe, die in der 2002er Version nicht vorkommen. Mal sehen ...

Das Lustigste ist, dass eine Geschichte immer Fiktion ist, selbst Tatsachenberichte. Dafür sind Letztere meistens weniger spannend. Gleichwohl gerät man als Leser ebenso regelmäßig auf das Konstruktionsgleis "Realität", bis man quasi "im Kopf" der Figur im wahrsten Sinne "auftaucht".

Fragen an solche Texte:

   Was ist dem Autor wichtig?

Das Ganze ist meiner Meinung nach eine ätzende Kritik an dem, was man normalerweise "Glaube" nennt, also eine gemeinschaftliche Vorstellung, die unter den Gläubigen Vertrauen schafft und so etwas wie "Gemeinschaftsgeist". Der geht soweit, dass diese gemeinschaftliche Gottesvorstellung alles rechtfertigt (Wednesday selbst und Figuren wie Hinzelmann, selbst grausam zugerichtetes Opfer und Täter).

   Welche Einblicke in welche Gesellschaft gewährt er uns?

Was die "alten Götter" (der jeweiligen Einwanderer) noch den Charakter von Stammesfürsten haben, tummeln sich die "neuen Götter" im Handel mit Wertpapieren, Computern und Mobiltelefonen. Der Unterschied scheint mir zu sein, dass die "alten Götter" mehr dem Typus des Alleinherrschers angehören, die Neuen mehr oder weniger diffuse Abhängigkeiten symbolisieren. (Obwohl: Mr. World kopiert den alten Typus mit seinem Alleingang).

   In welcher Zeit spielen die einzelnen Kapitel (es sollen ja viele verschiedene sein)?

Diese Frage erübrigt sich, weil für die Götter Zeit noch relativer ist als für uns Physiker. Die Zeitillusion ist am deutlichsten im Erleben der Hauptfigur abzulesen. Wenn er nicht gerade "am Baum hängt" (und Totenwache hält), erlebt der Leser sein Leben in zeitlicher Abfolge. Die Götter nehmen auch schon mal Abkürzungen.

   Gibt es historische Anklänge, gar recherchierte Tatsachen?

Ich halte die historischen Anklänge nicht für besonders wichtig. Ich glaube aber die verschiedenen Einwanderungswellen in den Raum der USA, weil ich dergleichen auch schon anderswo gelesen habe.

   Welche gesellschaftlichen Kräfte werden symbolisiert?

Eigentlich symbolisieren die "alten Götter" ganze Völker und ihre bisweilen verqueren Glaubensvorstellungen. Die "neuen Götter" symbolisieren eine immer stärker beschleunigte Verhaltensweise, die immer neue Abhängigkeiten schafft.

   Werden gängige Klischees bedient oder aufgespießt?

Vermutlich ja, sind mir aber nicht aufgefallen.

   Wie viel Fantasy, wie viel Reales wird miteinander kombiniert?

Tja, real ist eigentlich gar nichts. Selbst der Gefängnisaufenthalt von Shadow ist ein Manöver der Götter. Nicht einmal der Tod seiner Frau Laura ist so real, wie man das kennt.

   Was können wir damit anfangen im Deutschland 2017?
   Oder ist das Ganze einfach eine spannende, ästhetische Geschichte oder deren mehrere, fein säuberlich versponnen?

Ein Roman hat nicht die Aufgabe belehrend zu wirken. Und das tut er nicht. Was wir mit solchen Fiktionen anfangen, ist sehr persönlicher Natur. Ich finde die Geschichte spannend aber auch durch ihre vor- und rückwärts-Bezüge äußerst und wahrscheinlich absichtlich verwirrend. Ich musste wiederholt zurück blättern, um gewisse Charaktere nochmals nachzuschlagen.

Ich fand das Buch sehr lesenswert, zeigt es doch die Macht gemeinschaftlicher Vorstellungen und ihre teils grausamen Folgen. Fazit:
Kritisch bleiben! Sich nicht aufhetzen lassen! Die Götter wollen dadurch nur gemästet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#22
Schön, dass Dir das Buch gefallen hat, Ekkard. Danke auch dafür, dass Du meinen Lesevorschlag aufgegriffen hast.

Für mich ist einer der wichtigsten Punkte in diesem Buch, dass sich die Menschen ihre Götter je nach Bedarf selbst schaffen und dann ggf. neue erschaffen. Ich würde das nicht als Blasphemie betrachten, das überlasse ich anderen Institutionen. Icon_lol
Wenn genug Menschen bei etwas mitwirken, z.B. an der Erschaffung eines Gottes, entwickelt das irgendwann ein Eigenleben und dann ist das Ganze womöglich größer als die Summe der Einzelteile und ggf. schwer zu kontrollieren / zu lenken.

Ich hab mich während meiner Studienzeit ausführlich genug mit Sprache, Literatur etc. beschäftigt, aber dennoch fällt es mir schwer, zu diesem Buch eine Buchbesprechung zu formulieren.
Der Autor hat definitiv Talent, sowohl sprachlich als auch konzeptuell. Das Buch zieht sich stellenweise, aber ich konnte es nicht weglegen, bis ich am Ende angelangt war.

Die neuen Götter sind aus meiner Sicht keine Götter, so wie die alten Götter das waren. Bei den neuen geht es meiner Meinung nach nur noch um menschliche Bedürfnisbefriedigung am besten gleich und ohne Wartezeit und ohne erst mit einem Gebet etc. darum bitten zu müssen. Ob das bei den alten Göttern auch so war, naja, das könnte man kontrovers diskutieren. Es sind halt durchwegs sehr menschliche Götter mit überaus "niedrigen Beweggründen", von übermenschlicher Weisheit etc. ist da wenig zu spüren. Eigennützigkeit trifft es da eher. Die wollen, wie die Menschen auch, ebenfalls nur ihre Bedürfnisse erfüllt haben.

Shadow hat meiner Meinung nach im Laufe des Buches eine gute Entwicklung hingelegt und auf mich wirkt er am Ende auch zufrieden. Es ist einfach, ihn zu mögen.

Man kann dieses Buch natürlich als Ansatzpunkt für eine weitergehende Recherche zum Thema Gottesvorstellungen verschiedener Kulturen im Vergleich verwenden. Das ist bestimmt eine gute Idee.
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#23
Welchen deiner Aussagen stimme ich zu?

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: () Menschen (schaffen sich) ihre Götter je nach Bedarf selbst ()
Dieser Bedarf besteht darin, die eigene Ohnmacht durch eine Schicksalsmacht zu überhöhen. Handelt es sich einfach um einen Tauschhandel: (Menschen-) Opfer gegen günstiges Schicksal? Nach den Schilderungen im Buch ist wohl ein diffuser Glaube an Schicksalsmächte einfach da. Und nun geht es darum, eine oder mehrere solche Schicksalsmächte für den Stamm zu gewinnen und gegen die Unbill des Lebens einzusetzen.
Du hast Recht: Diese, die Gemeinschaft bildende und bindende Vorgehensweise entwickelt ein Eigenleben hinter der Stirn. Die Folgen hatte ich ja schon erwähnt.
Lenken kann "man" dies sicher nicht wirklich. Doch in den meisten Fällen haben Priester diese "Lenkung" durchaus gerne übernommen. Über diese politischen Machenschaften sagt das Buch aber nichts. (Man könnte die Götter-Personen glatt für intrigante Priester auffassen!)

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: Es sind halt durchwegs sehr menschliche Götter mit überaus "niedrigen Beweggründen", von übermenschlicher Weisheit etc. ist da wenig zu spüren. Eigennützigkeit trifft es da eher. Die wollen, wie die Menschen auch, ebenfalls nur ihre Bedürfnisse erfüllt haben.
Oh ja! Schlimmer noch, sie binden die glaubenden Menschen in ihre Intrigen ein. Das macht manchmal den Eindruck der "göttlichen" Hilfe.


Was habe ich nicht (so) gesehen?

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: Das Buch zieht sich stellenweise, ...
Das kann ich nicht bestätigen. Ist halt Geschmackssache und momentane Lese-Leistungsbereitschaft!

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: Die neuen Götter sind aus meiner Sicht keine Götter, so wie die alten Götter das waren. Bei den neuen geht es meiner Meinung nach nur noch um menschliche Bedürfnisbefriedigung am besten gleich und ohne Wartezeit und ohne erst mit einem Gebet etc. darum bitten zu müssen.
Daran habe ich auch herum gekaut. Doch schreibt Neil Gaiman darüber? Konstruiert hier nicht unsere eigene Tradition etwas, was der Autor offen gelassen hat? Richtig ist: Er beschreibt Initiationsriten, sogar wie Menschenopfer dargebracht werden. Im Übrigen erinnere ich mich nur an die Tötung im Kampf (manchmal einfach auch nur Mord) mit den Worten: Diesen Tod weihe ich Odin. Gebet?

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: Shadow hat meiner Meinung nach im Laufe des Buches eine gute Entwicklung hingelegt und auf mich wirkt er am Ende auch zufrieden. Es ist einfach, ihn zu mögen.
Das hast du schon einmal angedeutet. Meiner Meinung nach kann man dies bestenfalls für eine Läuterung halten. Und mir widerstrebt es ein Bisschen, dies als Eigenleistung zu sehen. Erst, als er die Schlacht der vielen kleinen alten und neuen Götter dadurch verhindert, dass er die Manipulation Odins bekannt macht (sich also endgültig aus Odins/Wednesdays Bindung löst), wird er quasi zum Helden aus Eigeninitiative.


Fällt mir noch Neues ein?

Im Augenblick fällt mir zu dem Buch nichts wirklich Neues ein.

(25-10-2017, 18:02)Hase schrieb: Man kann dieses Buch natürlich als Ansatzpunkt für eine weitergehende Recherche zum Thema Gottesvorstellungen verschiedener Kulturen im Vergleich verwenden. Das ist bestimmt eine gute Idee.
Ja mit Einschränkungen. Das Buch kann bestenfalls als Stichwortgeber funktionieren. Die einzelnen Göttergestalten sind viel zu sehr mit den Inhalten des Buches beschäftigt, als dass ein Leser die alten Mythen und Riten kennenlernen und verstehen könnte.

Übrigens kommt in meiner Ausgabe Jesus in einem Nachwort vor. Diesen Teil hat Gaiman aber schließlich aus der eigentlichen Geschichte gestrichen. Die Figur ist ein Gott mit bescheidenem Wohlstand, der von den vielen divergierenden Ansprüchen seiner Anhänger quasi "aufgefressen" wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#24
Du bist aber richtig ins Buch eingestiegen. Icon_lol

Ich hatte mit der Figur Wednesday Probleme. So richtig ehrlich war er von Anfang an nicht, aber was er alles getan hat, um Shadow mit rein und auch mit runter zu ziehen, das war heftig. Shadow als menschliches Spielzeug eines ausgehungerten Gottes, der mehr Macht und Aufmerksamkeit haben möchte, das war schon eine große Sache.

Dass das Buch nur als Stichwortgeber dienen kann, ja, da stimme ich natürlich zu.
Den Teil mit Jesus hab ich in meiner englischen + erweiterten Ausgabe auch drin gehabt. Dass Jesus fast "aufgefressen" wird, ja das denke ich auch. Das wird in der Verfilmung auch betont bzw. in der Verfilmung gibt es viele Jesus-Figuren, da jede Glaubensrichtung ihren eigenen Jesus "erschaffen" hat. Womöglich verteilen sich die Ansprüche dann etwas mehr.

Shadow lässt sich eine ganze Weile treiben und reagiert nur noch, anstatt selbst die Richtung zu bestimmen, das ist wohl wahr. Ich finde das in Anbetracht seiner Umstände verständlich, dass er womöglich etwas orientierungslos ist und phasenweise auch nicht mehr besonders am Leben hängt. Die Katzengöttin hat das mit dem fast Ausrutscher im Badezimmer jedoch elegant gelöst. Czernobog ist mir im Laufe des Buches sympathischer geworden, am Anfang fand ich ihn blutrünstig und naja, trampelig, ein alter Grantler und womöglich auch etwas gewalthungrig, aber immer auf der Suche nach seiner "helleren" Seite. Im Grunde genommen ist er ganz ok, denke ich. Um Klassen besser als Wednesday, dafür reicht es allemal. Icon_lol
Die symbolische Geste mit dem Hammer zum Ende hin, das war meiner Meinung nach von Vorteil, da es einen Neuanfang markiert, in gewisser Weise. Ein symbolisches Ende, wenn man eins braucht, und ein neuer Anfang, das ist nicht das schlechteste, das man kriegen kann. Icon_lol

Richtig heftig fand ich die Figur Hinzelmann, der ja eigentlich kein Gott ist, sondern eher ein Kobold mit einer stockfinsteren Seite, und diese kleine Stadt, Shadows Zufluchtsort, am Leben erhält, sofern er dafür hin und wieder ein Kind töten kann. Das bringt einen durchaus zum Nachdenken: Ist finanzielle Stabilität, Arbeitsplatzsicherung etc. es wert, bei "so was" wegzusehen?
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#25
Na ja, wir verurteilen ein Wesen (Hinzelmann), das gegen einen jährlichen Kindermord Wohlstand bringt. Jetzt schauen wir aber mal auf unsere neuen Götter beispielsweise die Smartphones. Wir kaufen jedes zweite/dritte Jahr das neueste Modell. Und möglichst preisgünstig wollen wir es haben. Dass in den Bergwerken Africas dafür Kinder giftige Schwermetalle wie Tantal in niedrigen Stollen ausgraben müssen, stört uns nicht. Und? Wir mästen eine Industrie (einen Gott), die (der) uns das Heil verspricht und auch für Infrastruktur sorgt, damit es uns wohlergehe! American Gods eben ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#26
Ist bei der Herstellung von Kleidung auch nicht anders.
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