08-12-2021, 15:16
Aufhaenger dieses Beitrags war folgende Bemerkung Reklovs in einem anderen Thread:
Zuerst sollte man anmerken, dass Gott oefter im AT unueberlegt handelt, oft im Affekt, ohne die Konsequenzen seiner Handlungen zu ueberdenken. Die Sintflutgeschichte hat dieses Problem nicht nur am Anfang, wo Gott seine Schoepfung bereut, sondern noch gravierender an ihrem Ende (Gen 8, EU):
"21 ... und der HERR sprach in seinem Herzen: Ich werde den Erdboden wegen des Menschen nie mehr verfluchen; denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an. Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe."
Wie man sieht, ist die Wortwahl Gottes fast dieselbe wie die vor der Sintflut. Prof. David Clines (Sheffield) fasste das wie folgt zusammen (meine Uebersetzung): "Dies ist eine machtvolle theologische Aussage. Es... raeumt die Tatsache ein, [und zwar] in der Flut-Erzaehlung selbst, dass die Flut ueberhaupt nichts aenderte. Die Flut war also vollkommen sinnlos." (Clines, David. “The Failure of the Flood”. Making a Difference: Essays on the Bible and Judaism in Honor of Tamara Cohn Eskenazi. 2012.)
Es ist Gott, der hier etwas lernt. Die Priesterschrift kommt dann zum Bund mit Noah, und viel wichtiger, der Erkenntnis, dass Bestrafung individuell gemaess individueller Schuld passieren soll; pauschale Bestrafungen sind nicht angebracht.
Wie kommt es hier zu dem, sagen wir es vorsichtig, etwas inkompetenten Bild, das Gott in dieser Geschichte abgibt? Die Loesung besteht im Ursprung der Geschichte. Seit im vorletzten Jahrhundert das Gilgamesch-Epos gefunden wurde (und spaeter das Atrahasis-Epos von etwa 1800 v.Chr. oder frueher), weiss man, dass die biblische Sintflut-Geschichte einer mesopotamischen Erzaehlung entnommen ist. Die Abhaengigkeit ist dabei klar: die biblische Erzaehlung folgt dem Vorbild Punkt fuer Punkt und in derselben Reihenfolge, wobei auch viele Details uebereinstimmen. Das etwas verwirrte Bild, das Gott in der biblischen Version abgibt, erklaert sich aus dem Original: hier arbeitet nicht Gott gegen sich selbst, sondern die Rollen sind auf verschiedene Goetter verteilt.
Die Lehre aus der Geschichte, die Gott in der Bibel selbst ziehen muss und sich in der Folge selbst korrigiert, ist im Original die Lehre, die ein Gott (Enki, der Gott der Weisheit) dem anderen (Enlil, Koenig von Himmel und Erde, oberster Gott vor dem Aufstieg Marduks, als Sturmgott die Entsprechung Jahwes) erteilt. Enki hatte den Beschluss Enlils, alle Menschen und Tiere zu vernichten, hintertrieben, weil er das vollkommen ueberzogen und ungerecht fand, weshalb er den Helden der Geschichte die Arche bauen liess. Als Enlil bemerkte, was Enki getan hatte, gab Enki dem Enlil die Lektion ueber gerechte Bestrafung fuer individuelle Schuld. Enlil lenkte dann - wie Gott in der Sintflut-Geschichte - ein.
Wenn es nicht nur aus Gruenden der Manuskriptgeschichte klar waere, dass hier die mesopotamische Version das Original darstellt, so ergibt sich das auch aus der inneren Logik, die bei der biblischen Sintflut-Geschichte bei der Adaption fuer einen monotheistischen Hintergrund verloren gegangen ist.
(07-12-2021, 15:56)Reklov schrieb: [ -> ]Immerhin führte schon frühe Selbsterkenntnis des Menschen dazu, dass im Alten Testament (1.Mose 6, 5/6) vermerkt wurde:
>> 5. Da aber der Herr sah, dass der Menschenbosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, 6. da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen. <<
Ein socher Text fordert zwangsläufig auch Kritik heraus, - denn - wenn man schon von einem Allwissenden/Allmächtigen ausgeht, so sind diesem ja schon vorher Abtrünnige und Bösartige in seiner Schöpfung "vor Augen" getreten und somit hätte ER/ES zumindest "gewarnt" sein müssen.
Zuerst sollte man anmerken, dass Gott oefter im AT unueberlegt handelt, oft im Affekt, ohne die Konsequenzen seiner Handlungen zu ueberdenken. Die Sintflutgeschichte hat dieses Problem nicht nur am Anfang, wo Gott seine Schoepfung bereut, sondern noch gravierender an ihrem Ende (Gen 8, EU):
"21 ... und der HERR sprach in seinem Herzen: Ich werde den Erdboden wegen des Menschen nie mehr verfluchen; denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an. Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe."
Wie man sieht, ist die Wortwahl Gottes fast dieselbe wie die vor der Sintflut. Prof. David Clines (Sheffield) fasste das wie folgt zusammen (meine Uebersetzung): "Dies ist eine machtvolle theologische Aussage. Es... raeumt die Tatsache ein, [und zwar] in der Flut-Erzaehlung selbst, dass die Flut ueberhaupt nichts aenderte. Die Flut war also vollkommen sinnlos." (Clines, David. “The Failure of the Flood”. Making a Difference: Essays on the Bible and Judaism in Honor of Tamara Cohn Eskenazi. 2012.)
Es ist Gott, der hier etwas lernt. Die Priesterschrift kommt dann zum Bund mit Noah, und viel wichtiger, der Erkenntnis, dass Bestrafung individuell gemaess individueller Schuld passieren soll; pauschale Bestrafungen sind nicht angebracht.
Wie kommt es hier zu dem, sagen wir es vorsichtig, etwas inkompetenten Bild, das Gott in dieser Geschichte abgibt? Die Loesung besteht im Ursprung der Geschichte. Seit im vorletzten Jahrhundert das Gilgamesch-Epos gefunden wurde (und spaeter das Atrahasis-Epos von etwa 1800 v.Chr. oder frueher), weiss man, dass die biblische Sintflut-Geschichte einer mesopotamischen Erzaehlung entnommen ist. Die Abhaengigkeit ist dabei klar: die biblische Erzaehlung folgt dem Vorbild Punkt fuer Punkt und in derselben Reihenfolge, wobei auch viele Details uebereinstimmen. Das etwas verwirrte Bild, das Gott in der biblischen Version abgibt, erklaert sich aus dem Original: hier arbeitet nicht Gott gegen sich selbst, sondern die Rollen sind auf verschiedene Goetter verteilt.
Die Lehre aus der Geschichte, die Gott in der Bibel selbst ziehen muss und sich in der Folge selbst korrigiert, ist im Original die Lehre, die ein Gott (Enki, der Gott der Weisheit) dem anderen (Enlil, Koenig von Himmel und Erde, oberster Gott vor dem Aufstieg Marduks, als Sturmgott die Entsprechung Jahwes) erteilt. Enki hatte den Beschluss Enlils, alle Menschen und Tiere zu vernichten, hintertrieben, weil er das vollkommen ueberzogen und ungerecht fand, weshalb er den Helden der Geschichte die Arche bauen liess. Als Enlil bemerkte, was Enki getan hatte, gab Enki dem Enlil die Lektion ueber gerechte Bestrafung fuer individuelle Schuld. Enlil lenkte dann - wie Gott in der Sintflut-Geschichte - ein.
Wenn es nicht nur aus Gruenden der Manuskriptgeschichte klar waere, dass hier die mesopotamische Version das Original darstellt, so ergibt sich das auch aus der inneren Logik, die bei der biblischen Sintflut-Geschichte bei der Adaption fuer einen monotheistischen Hintergrund verloren gegangen ist.