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Normale Version: Sieben, Siebenzahl
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Die Sieben (und ihr Vielfaches) spielt in den ↗Religionen der Welt eine bedeutende Rolle. In Verbindung mit göttlichen Wesen, Handlungen und Dingen ist die Sieben mit Segens- und mit Schadensmacht ausgestattet.

Sieben ↗Planeten waren den ↗Sumerern bekannt. Neben ↗Merkur, ↗Venus, ↗Mars, ↗Jupiter und ↗Saturn galten im Altertum ↗Sonne und ↗Mond als Planeten. Die Bedeutung der Siebenzahl ist wohl aus der Beobachtung des ↗Himmels und der Mondzyklen entstanden. Die (planetare) Sieben-Tage-Woche war zugleich ein Viertel des 28-Tage-(Mond)Monats. Es überrascht nicht, dass die Sieben als ↗kosmische Zahl schon in der frühesten Literatur ihren Platz gefunden hat. An die Siebenzahl gebundene Mondphasenfeiern sind schon in sumerischen Texten belegt (Landesberger 99).

Die Sumerer kannten sieben ↗Götter, die das ↗Schicksal bestimmen1. Sieben mangelbehaftete Menschenwesen wurden geschaffen und unter das Menschenvolk gebracht2. Sieben Tage und sieben Nächte dauerte im sumerischen ↗Mythos der große Flutsturm (↗Sintflut), der alles Leben auslöschen sollte3. Sieben Tore hatte die ↗Unterwelt, sieben ↗Totenrichter sprachen Urteilssprüche4.

Auch für Umschreibung unvorstellbar gewaltiger Ausmaße wurde die Zahl Sieben symbolhaft verwandt. Der 'Siebenwind' als gewaltigster Sturm, das 'Sieben-Gebirge' als unüberwindliche Barriere, die 'sieben fernen Gegenden' als unerreichbare Ziele am Rande der Welt.

In der ↗babylonischen ↗Tradition galt der siebente Wochentag als Unglückstag. Es war der Tag gewesen, für den man sich nichts vornahm, weil man besorgt war, dass es nicht gelingen könnte. Die ↗Israeliten hatten ihn umgedeutet. Nunmehr war der siebende Wochentag geheiligt und durfte durch Arbeit nicht entweiht werden (Haarmann 25).

Auch bei anderen Völkern des ↗Orients ist die Siebenzahl in verschiedensten Bedeutungen anzutreffen.

In ↗ägyptischen Texten wird die siebende Stunde der ↗Nacht als der Zeitpunkt beschrieben, zu dem der ↗Sonnengottes den Kampf mit ↗Apophis auszutragen hat. Emanationen des Urgottes waren es gewesen – sieben göttliche Schöpfungsworte, sieben göttliche Prinzipien –, aus den sie sieben ersten göttlichen Wesen entstanden waren (TUAT III, 5 1085).

Mit der Zahl Sieben sind in ↗akkadischen und ↗ugaritischen Texten oftmals dramatische Höhepunkte und der Eintritt von Schicksalswendungen verbunden.

Siebenfach ist die Göttlichkeit ↗Ahura Mazdas. Mit der awestischen Gruppe der 'sechs unsterblich Wirksamen' ist Ahura Mazda selbst als Ganzheit der Gruppe der siebente (Gonda 74).

In der israelitischen Religion steht die Siebenzahl für göttliche Vollkommenheit und für den Abschluss von Fristen. Sieben Tage dauerte das göttliche Schöpfungswerk, mit sieben Augen überwacht Jahwe die Welt (Sach 4,10), auf sieben Säulen hat die (personifizierte göttliche) ↗Weisheit ihr Haus gebaut (Spr 9,1).

Das ↗hebräische Wort für schwören (šābaʿ) hat seinen Ursprung in den sieben heiligen Dingen, bei denen ein ↗Schwur geleistet wurde (Heiler 168).

Je sieben Paare von reinen Tieren nahm ↗Noah mit auf die Arche (Gen 7,2). Sieben Jahre diente ↗Jakob für ↗Rahel (Gen 29,20). Einen siebenarmigen Leuchter (↗Menora) aus ↗Gold hatte ↗Moses auf Geheiß ↗Jahwes für das ↗Zeltheiligtum herzustellen (Ex 25,31ff.). In den ↗Tempel von Jerusalem führten sieben Stufen, das Fest zur Einweihung des Tempels dauerte sieben Tage lang.

Alle sieben Jahre wird ein ↗Sabbatjahr und nach Ablauf von siebenmal sieben Jahren (im fünfzigsten Jahr) ein ↗Jobeljahr begangen (Lev 25,4-10).

Auch als Zahl von ↗Traumdeutung, ↗magischer Kraft und ↗Wundern tritt die Sieben in Erscheinung.

Sieben fette und sieben magere Kühe, sieben dicke und sieben dünne Ähren sieht der ↗Pharao im Traum (Gen 41,1-7). In sieben Haarsträhnen ist die Kraft ↗Simsons gebunden (Ri 16,13). Siebenmal niest der Knabe, nachdem ihn ↗Elisa vom Tode erweckt hatte (2Kön 4,35). Sieben ↗Priester ziehen sieben Widderhörner (↗Schofar) blasend um ↗Jericho (Jos 6,4). Siebenfach hell wird die Sonne erstrahlen, wenn das ↗messianische Zeitalter anbricht (Jes 30,26).

Die ↗Griechen kannten den magischen Wert der Siebenzahl aus dem Orient. Insbesondere im ↗Apollonkult hatte die Sieben starke Bedeutung (Burkert 225).

Sieben Saiten hatte Apolls ↗Lyra (Kithara),  mit der er seine Wettkämpfe gegen ↗Marsyas und ↗Pan ausgetragen hatte. Mit ihr spielte er im ↗Olymp für die Götter auf und erfreute diese mit seiner Kunst.

Die (pseudo)hippokratische Schrift von der Siebenzahl weiß von sieben Sphären des Alls, die die Erde umgeben. Im Zentrum ruht in Kugelgestalt siebenteilig die Erde.

Die Schrift weiß auch von sieben Winden, von sieben Jahreszeiten und von sieben Lebensaltern. Siebenteilig sind die Funktionen des menschlichen Körpers, des Kopfes und der ↗Seele.

↗Sieben Weise waren den Griechen bekannt, wobei es in der ↗Antike lange nicht klar war, wer diesem erlauchten Kreis angehören sollte4. Ähnlich verhielt es sich mit den ↗Sieben Weltwundern. Sie Siebenzahl stand fest, nicht aber was man an 'Wundern' zuordnen wollte5.

Nahezu unerschöpflich ist die Siebenzahl in griechischen Mythenkreisen vorzufinden.

Siebenmal umschlang im ↗pelasgischen Schöpfungsmythos die ↗Schlange ↗Ophion das ↗Welt-Ei, aus dem alle Dinge entstehen sollten, um es auszubrüten.

Sieben ↗Kyklopen bauten die Mauern von ↗Tyrins. Sieben Helden zogen gegen Theben. Häute von sieben ↗Stieren waren nötig, um den Schild des ↗Großen Aias herzustellen. Sieben ↗Musen wachten über die Künste. Sieben göttliche Mädchen wurden entrückt und am Himmel zum Siebengestirn (↗Plejaden). Sieben Lebensalter und die Sehergabe schenkte ↗Zeus dem ↗Teiresias, nachdem ↗Hera diesen geblendet hatte. Sieben junge Männer und Frauen mussten als Tribut ↗Athens an ↗Kreta in ↗Knossos dem ↗Minotauros geopfert werden.


Natürlich ist die Siebenzahl auch in die christliche Mythengeschichte eingegangen. Sieben Todsünden kennt das ↗Christentum. Mit sieben Broten wurden 4000 gespeist, sieben Körbe füllten die Reste dieser Speisung (Mt 15, 32-38). In der siebenden (Abend)Stunde nimmt ↗Jesus dem Sohn des ↗Hauptmanns von Kapernaum das Fieber (Joh 4,50-53). Sieben ↗Dämonen hat Jesus der ↗Maria Magdalena ausgetrieben (Mk 16,9; Lk 8.2). Sieben ↗Diakone wirkten in der Urgemeinde (Apg 6,3).

Besonders gegenwärtig ist die Sieben in der ↗Johannesoffenbarung. Sieben Gemeinden, Siegel, Leuchter, ↗Engel, Sonnen, ↗Augen, Hörner des Lammes, Köpfe des Tieres, Plagen, etc. kennt der Text.

Die christliche Tradition kennt ↗sieben Sakramente, ↗sieben Tugenden, ↗sieben Todsünden, sieben Barmherzigkeiten und zweimal sieben ↗Nothelfer. Die sieben Schleier der ↗Isis (↗Ischtar, Venus) trägt nunmehr ↗Maria.

Auch im ↗Islam hat die Sieben besondere Bedeutung. Die Eröffnungssure (Fātiḥa) hat sieben Verse. In sieben legitimen Lesarten wird der ↗Koran rezitiert. Pilgert ein ↗Muslim nach ↗Mekka, umschreitet er siebenmal die ↗Kaaba. Mit sieben Steinen beteiligt sich der ↗Pilger symbolisch an der Steinigung des ↗Teufels. Durch sieben Himmel wurde ↗Mohammed von ↗Gabriel anlässlich seiner ↗Himmelsreise geführt. Gott ist Herr der sieben Himmel (23:86). Der Himmel ist von Gott in sieben Schichten erschaffen worden (67:3; 71:15).

Sieben Zeitalter gibt es nach der Vorstellung der ↗Ismailiten. Jedes dieser Zeitalter ist mit einem ↗Propheten verbunden. In jedem Zeitalter wirkten sieben ↗Imame. Der Letzte der Imame, ↗Ismail, wird in der Endzeit als ↗Mahdi erscheinen und die Gesetze des Islams aufheben.

Natürlich spielt die Siebenzahl auch im Volksglauben, in der ↗Sage und im ↗Märchen eine bedeutende Rolle. Insbesondere im Märchen ist sie häufig gegenwärtig.



1) TUAT III, 3 S. 426. Enlil und Ninlil. Textzeile 57
2) TUAT III, 3 S. 392ff. ↗Enki und Ninmach. Textzeilen  53ff.
3) TUAT III, 3 S. 456, ↗Sumerischer Flutmythos. Tafel V, Textzeile 4
4) TUAT III, 3. S. 470 u. 472 ↗Inannas Gang zur Unterwelt. Textzeilen 125 und 167.
5) Schließlich setze sich die Liste mit ↗Bias, ↗Chilon, ↗Kleobulos, ↗Periandros, ↗Pittakos, ↗Solon und ↗Thales durch. Bis zur Zeit von ↗Diogenes Laertios wurden den Sieben Weisen von verschiedenen Autoren in verschiedenen Kombinationen 23 (historische und legendäre) Personen zugerechnet.
6) Heute beispielsweise sind der Obelisk von Semiramis und der Hörneraltar von Delos vergessen. Beide 'Wunder' sind in alten Weltwunderlisten aufzufinden. Hingegen fehlt in frühen antiken Auflistungen beispielsweise der Leuchtturm von Alexandria, der erst mit ↗Plinius d.Ä. Eingang in die Literatur findet.


Literatur:
Wilhelm Heinrich Roscher. Die hippokratische Schrift von der Siebenzahl. 1913 Paderborn. Ferdinand Schöningh Verlag.
Benno Landesberger. Der kultische Kalender der Babylonier und Assyrer. 1915 Leipzig. Hinrischs'sche Buchhandlung.
Friedrich Heiler. Erscheinungsformen und Wesen der Religion. 1961 Stuttgart. Verlag W. Kohlhammer.
Jan Gonda. Die Religionen Indiens Bd I. 21978 Stuttgart. Verl. Kohlhammer.
Harald Haarmann. Weltgeschichte der Zahlen. 2008 München. Verl. C. H. Beck.
Walter Burkert. Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. 22011 Stuttgart. Verl. W. Kohlhammer.




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