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Normale Version: War und ist Gott immer gut?
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Rosenzweig hatte im mittlerweile geschlossenen Thread „Was könnte 'Gott' sein?“ am 22-06-2022 in Beitrag #280 folgendes Statement geschrieben:
„'Gott' wird genannt das unsteigerbare Gute, das ist eine korrekte Aussage.“

Zum Thema „Guter Gott“ fällt mir aber nun folgende Stelle im Tanach ein:

„Auch gab ich ihnen Gesetze, die nicht gut waren, und Rechtsvorschriften, die es ihnen unmöglich machten, am Leben zu bleiben.“ Ezechiel 20:25  (Einheitsübersetzung)

Das ist doch wirklich eine sehr bemerkenswerte Aussage. Wahrscheinlich sind da Teile von der als  „Mündliches Gesetz“ bezeichnten Normensammlung gemeint ?
An der Stelle geht es spezifisch darum, dass im Jahwe-Kult urspruenglich, wie bei vielen Goettern der Region, die erstgeborenen Kinder dem Gott als Brandopfer dargebracht wurden. In dem Text auessert sich Gott sinngemaess, dass er zwar einsah, dass das keine gute Praxis war, er sich aber noch fuer eine Weile am Entsetzen der Glaeubigen weiden wollte.

Das sind halt alte Gottesvorstellungen, und der Text zeigt nebenbei, wie sich Einstellungen zu so etwas veraendert hatten und die Menschenopfer irgendwann aufgegeben wurden.

Zu dem Themenkomplex hatte ich eh vor, einen Thread aufzumachen.
(26-06-2022, 00:25)Ulan schrieb: [ -> ]In dem Text auessert sich Gott sinngemaess, dass er zwar einsah, dass das keine gute Praxis war

Das kann man so nicht stehen lassen. Gott als reuiger Irregeleiteter ?

Spannendes Diskussionsthema allemal, das Untersuchungsobjekt "Jahwe"
Gott bereut im AT oefter seine Taten. Das AT hat kein Problem damit, Gott als unueberlegt und impulsiv handelnd darzustellen. Das dient zur Existenzbegruendung der Priesterkaste: es bedarf ihres maessigenden Einflusses, die tobende Gottheit von ihrem Irrtum zu ueberzeugen.

Gott als "das Gute" ist eine spaetere theologische Idee. Erst mal war er nur "der Gerechte".
(26-06-2022, 00:37)Ulan schrieb: [ -> ]Gott bereut im AT oefter seine Taten.

Ist so etwas auch nur zu denken nicht eine Versündigung ?

Sei froh, nicht vor 2000 Jahren gelebt zu haben - da hätten sie dich drei Tage vor Jesus gekreuzigt
Das steht so in der Bibel. Das musst Du dann dem Buch vorwerfen.

Ausserdem zwingt Dich heutzutage niemand, Deine Gottesvorstellung an bestimmte Passagen der Bibel zu knuepfen, die offensichtlich sehr alt sind.
Wer so redete, riskierte viel: Jesaja wurde auf einen Baum gehängt und zersägt
Was soll dieser Schwenk? Du selbst hast hier eine Bibelstelle zitiert, wo Gott sich selbst bezichtigt, den Israeliten Taten vorzuschreiben, die sie unrein machten, damit er sie Entsetzen fuehlen lassen konnte, und das im vollem Bewusstsein, dass sein Befehl nicht gut war.
(26-06-2022, 00:47)Ulan schrieb: [ -> ]. . . wo Gott sich selbst bezichtigt . . .

Gott "bezichtigt sich" nicht, Gott prahlt
Sicher. Er prahlt, dass er sich nach einer erlittenen Demuetigung trotzdem hintenrum raechen konnte, weil er seinen urspruenglichen Plan aufgeben musste.

Eine Bezichtigung ist das aber trotzdem. Schliesslich gibt er zu, dass er wusste, dass das, was er tat, nicht gut war. Sein Wunsch nach Rache hatte halt ueber ethische Bedenken gesiegt.
(26-06-2022, 00:54)Ulan schrieb: [ -> ]Sein Wunsch nach Rache hatte halt ueber ethische Bedenken gesiegt.

Ich denke, nun sind wir sehr rasch zum Kernproblem Abrahams vorgestoßen.
Die ethischen Vorstellungen der Menschen gelten für Gott nicht!

Ethik ist eine menschliche Kategorie
Ist Gott ein Mensch? Nein. Dann gilt auch "Ethik" nicht für ihn, Er steht über ihr

Das wird sonnenklar, wenn man die Geschichte Noahs und seinem Clan anschaut.
Die Sintflut war aus "ethischer" Sicht ein Genozid. Die ganze Menschheit ausrotten bis auf einen Clan gilt nach heutiger UNO-Norm als "Völkermord".
Die Erstgeburt der Ägypter ermorden - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Einwohner der eroberten Stadt Jericho erschlagen - alle Alten, Frauen und Kinder dazu, ein Kriegsverbrechen. Schlimmste Barbarei
Die beiden verbrecherischen Städte Sodom und Gomorrah durch einen Feuersturm ausrotten - samt den unschuldigen Säuglingen - ein Fall fürs internationale Tribunal.

Aber Gott kann sein von ihm geschnitztes Spielzeug ins Feuer werfen.

Viele wollen heute den alten Wüstendämon mit dem verschleierten oder eigentlich negierten Namen (Ich bin der ich bin heißt Frag nicht so blöd wie ich heiße, ich heiße gar nicht weil ich bin ja kein Hund der einen Rufnamen hat) beschönigen und behaupten, daß die Ermordung der männlichen Erstgeburt der Ägypter (sogar beim Morden ist Er sexistisch Icon_razz) und die Ermordung der Kinder von Jericho gar nicht stattgefunden haben; dann würde sich aber die Frage stellen, warum dann diese Geschichten heute gut geheißen werden - und Kindern gelehrt werden!
Diese Flucht ins Märchenland ist also auch nicht zielführend. Dadurch ist die Blutschuld auch nicht vom Tisch. Denn die jahrtausendealte Verherrlichung von Genozid und Kriegsverbrechen und das diesbezügliche Unterrichten von Kindern ist schon allein ein Verbrechen gegen die Menschheit

. . . wenn man menschliche Normen des Naturrechts (Ethik) zu Grunde legt.
Da ea sich hier aber um keine Menschen handelt, müssen wir andere Kaliber auffahren

Irgendwo in Polen fanden sie mal den Ausweg - und auch die Anhänger Markions hatten das klug erkannt.
Nach dem von vornherein sinnlosen Exkurs über die Frage, ob die Rachsucht Jahwes "ethisch" sei, möchte ich wieder zum Hauptthema kommen. In Beitrag #1 warf ich eine ominöse Stelle im Tanach auf:
(26-06-2022, 00:16)Sinai schrieb: [ -> ]„Auch gab ich ihnen Gesetze, die nicht gut waren, und Rechtsvorschriften, die es ihnen unmöglich machten, am Leben zu bleiben.“ Ezechiel 20:25

Jahwe verlangt das Unmögliche von seiner Gefolgschaft.
Mein Verdacht fällt auf gewisse Teile des uralten tradierten "Mündlichen Gesetzes"
Mit einer Rechtsvorschrift etwa, dass man für Fleisch einen anderen Topf braucht als für Käse bleibt man in der Wüste nicht lang am Leben Icon_cheesygrin

Alles doppelt - dieser Aufwand!
Zwei Feuerstellen nebeneinander, wo es doch eh kaum Brennholz in der trockenen Todeszone gibt
(26-06-2022, 07:54)Sinai schrieb: [ -> ]Ethik ist eine menschliche Kategorie
Ist Gott ein Mensch? Nein. Dann gilt auch "Ethik" nicht für ihn, Er steht über ihr

Das ist sicherlich eine moderne religioese Position, aber das gilt nicht fuer den Text, den Du hier als Aufhaenger fuer den Thread ausgesucht hast. Gott selbst bezeichnet sein Verhalten als "nicht gut". Er spricht hier also ein ethisches Urteil ueber sich selbst, egal, wie Du oder sonst ein Theologe das beurteilen moegen.

(26-06-2022, 08:35)Sinai schrieb: [ -> ]Nach dem von vornherein sinnlosen Exkurs über die Frage, ob die Rachsucht Jahwes "ethisch" sei...

"Gut" ist halt eine ethische Kategorie. Da Gott in dem Text seine eigene Handlung ethisch beurteilt, steht Ethik sehr wohl genau im Kern dieser Passage. Er sagt von sich selbst, dass sein Gesetz die Opferung der Erstgeborenen vorschrieb, und dass das nicht gut war. Und dass er mit der Korrektur dieses Gesetzes lange wartete, um die Glaeubigen Entsetzen vor ihm spueren zu lassen.

"Gottesfurcht" war hier sehr woertlich gemeint. Die Glaeubigen sollten Angst vor Gott haben.
Hier nur mal den ganzen Satz, den Sinai aus Esekiel zum Teil zitiert hatte, damit auch Leuten, die nicht in der Bibel nachschauen wollen, klar wird, worum es eigentlich geht:

Ez20 (LUT): "25 Darum gab auch ich ihnen Gebote, die nicht gut waren, und Gesetze, durch die sie kein Leben haben konnten, 26 und ließ sie unrein werden durch ihre Opfer, als sie alle Erstgeburt* durchs Feuer gehen ließen, damit ich Entsetzen über sie brachte und sie so erkennen mussten, dass ich der HERR bin."

*Die Elberfelder ergaenzt an dieser Stelle "des Mutterleibs", damit klar ist, dass alle erstgeborenen Kinder der Israeliten gemeint sind. Allerdings sollte das auch aus dem Kontext klar sein, denn ueber das Opfern von Laemmern wird wohl niemand damals Entsetzen empfunden haben, und das war ja auch zu Jesu Zeiten noch Praxis und nicht abgeschafft. Die Isaak-Geschichte feiert dann die Aufhebung dieses "nicht guten" Gesetzes.
(26-06-2022, 00:16)Sinai schrieb: [ -> ]„Auch gab ich ihnen Gesetze, die nicht gut waren, und Rechtsvorschriften, die es ihnen unmöglich machten, am Leben zu bleiben.“ Ezechiel 20:25  (Einheitsübersetzung)

Das ist doch wirklich eine sehr bemerkenswerte Aussage. 

Finde ich auch, aber ich schätze, dass wegen solcher Aussage der unsteigerbar gute Gott in Frage gestellt würde.
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