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Normale Version: Parva Naturalia
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Spock

Hat jemand von euch die Parva Naturalia von Aristoteles gelesen? das sind seine gesammelten Werke, wo alles drinsteht, was er über naturwissenschaftliche Themen geäußert hat. Er wird ja oft als begründer der modernen Naturwissenschaften bezeichnet, aber nachdem ich gelesen habe, was er so für Ansichten zu manchen Themen habe, muss ich sagen, dass seine Bedeutung auf diesem Gebiet bei weitem überbewertet wird. Nicht nur, dass er viele Ansichten vorangegangener Philosophen (wie Anaxagoras) als falsch ansieht, die heute nachgewiesenermaßen als richtig angesehen werden, nein, er macht auch bei vielen anderen Dingen falsche Ansätze.

Der Grund, warum er in diesem Gebiet als so wichtig angesehen wird, sind die Kirchen, die über ein Jahrtausend sein Werk als das absolut geltende (natürlich soweit es nicht gegen die Bibel erstieß) ansah. Allein die tatsache, dass so vieles Bibelkonfaorm war, sollte doch schon zu denken geben.

Gast

Spock schrieb:Er wird ja oft als begründer der modernen Naturwissenschaften bezeichnet, aber nachdem ich gelesen habe, was er so für Ansichten zu manchen Themen habe, muss ich sagen, dass seine Bedeutung auf diesem Gebiet bei weitem überbewertet wird.
Nein, der 'Vater des Schubladendenkens' war mir immer schon suspekt; ich weiß nur, wie schwer sich die moderne Biologie
gegen die von ihm vertretene Urzeugungshypothese durchgesetzt hat (Spallanzani hat da in Italien Bahnbrechendes geleistet).
Damals kam der Spottvers auf
"Kann Aristoteles je trügen?
Pflicht ist's, zu glauben seinen Lügen."

Er galt lange als 'natürlicher Heiliger' (vielleicht ein Vorläufer des 'anonymen Christen' ;)), aber sein Einfluß liegt IMHO
weniger an der katholischen Kirche als daran, daß eine mit großer Sicherheit auftretende (und einteilende) Autorität immer
schon ein Anziehungspunkt war für Scholastiker aus allen weltlichen und himmlischen Schubladen :D

() qilin
Ich denke, Aristoteles ist ein sehr tiefgründiger Denker, dem die beiden vorstehenden Beiträge nicht gerecht werden. Möglicherweise hat er in seinen Natur-Theorien geirrt; aber das ist gute, auch moderne Naturwissenschaft! Alle Naturtheorien sind nur so gut, wie der gegenwärtige Wissensstand - und der ist heute weiter als 384 bis 322 v. Chr..
Vielleicht hat ihn die kirchliche Religiosität so ähnlich vereinnahmt, wie die Evolutionstheorie.
Es wäre schön, wenn wir über Aristoteles mehr zusammentragen könnten, als eine sehr spezielle Kritik, die eigentlich mehr den "Vereinnahmern" zu gelten hat, als dem Philosophen!
(17-02-2003, 15:45)Spock schrieb: [ -> ]Hat jemand von euch die Parva Naturalia von Aristoteles gelesen? das sind seine gesammelten Werke, wo alles drinsteht, was er über naturwissenschaftliche Themen geäußert hat.
[...]
Nicht nur, dass er viele Ansichten vorangegangener Philosophen (wie Anaxagoras) als falsch ansieht, die heute nachgewiesenermaßen als richtig angesehen werden, nein, er macht auch bei vielen anderen Dingen falsche Ansätze.

Es ist erstaunlich mit welcher Selbstsicherheit Texte kritisiert werden, die man offensichtlich nicht oder nur oberflächlich kennt.

Es stimmt beispielsweise nicht, dass unter dem Titel "Parva naturalia" alle Schriften zusammengefasst seien, die Aristoteles über naturwissenschaftliche Dinge verfasst hat.

Die Parva naturalia ist eine Sammlung von neun kürzeren Abhandlungen, die in der mittleren Schaffensperiode des Philosophen (vor Perì psychês) entstanden sind und die psychophysische Phänomene zum Inhalt haben. Mit seinen Erkenntnissen zum Erinnerungsvermögen, über die Bewusstseinszustände im Schlaf und im Wachsein, über die physiologischen Vorgänge beim Einschlafen, über Ursachen der Träume, etc. hat er durchaus in die richtige Richtung gedacht.

Dass er im Zusammenhang mit den Theorien des Sehens Empedokles, Platon und Demokrit kritisiert hat, ohne selbst Überzeugendes anbieten zu können, das Herz als Zentrum des seelischen Seins und des vegetativen Lebens bezeichnete und sich damit hinter die Erkenntnisse des Alkmaion aus Kroton begab, der bereits um 500 vC das Hirn als zentrales Organ aller physiologischen Vorgänge und als Sitz der Intelligenz erkannt hatte, mindert die Bedeutung der anderen, in den neun Schriften geäußerten Gedanken keineswegs.