16-12-2009, 11:45
weil ja immer wieder darauf verwiesen wird, der islam könne nicht "modernisiert" werden bzw. sei einem modernen verständnis (z.b. der geschlechtergerechtigkeit) nicht zugänglich, freut es mich, hier auf eine weitere bewegung hin zu einem modernen und mit den werten der westlichen gesellschaft kompatiblen verständnis des islam hinweisen zu können
gläubige muslimas, die sich für geschlechtergerechtigkeit (also auch ihren eigenen stellenwert in der - nicht nur islamischen - gesellschaft) einsetzen, haben es doppelt schwer. von nichtmuslimen, insbesondere aber islamkritikerInnen, als kopftuchträgerinnen nicht ernst genommen ("tragen das zeichen der unterwerfung unter einen patriarchalen machtanspruch"), von traditionellen muslimen mehr als kritisch beäugt, weil sie dem koran andere interpretationen abgewinnen, als den patriarchen geläufig und bequem
aber es gibt sie. nicht sehr viele, aber es ist zu hoffen, daß sie mehr werden. damit auch der islam "im westen ankommen" kann und sich nicht wie ein archaischer fremdkörper im organismus unserer gesellschaft einkapselt
leseprobe aus einem diesbezüglichen artikel:
. Gemeinsam mit zwei Freundinnen - alle sind sie gläubige Musliminnen und tragen Kopftuch - betreibt sie (die Ethnologin Nina Mühe, anm. petronius) das Blog www.nafisa.de. "Es geht uns darum, aus der frühen islamischen Geschichte und den islamischen Quellen heraus eine Geschlechtergerechtigkeit zu ziehen, die dann später sehr überdeckt wurde", sagt Mühe.
Ziel des Blogs ist es auch, an den gesamtgesellschaftlichen Diskussionen über den Islam teilzunehmen, die allzu oft ohne gläubige Musliminnen geführt und stattdessen von IslamkritikerInnen dominiert werden. Probleme wie Zwangsehen oder häusliche Gewalt thematisieren die Bloggerinnen regelmäßig und machen gleichzeitig klar, dass sie ihrer Lesart der Quellen nach dem Islam widersprechen. Der Mord an Marwa El Sherbini, die im Dresdener Landgericht aus "Hass auf Muslime" getötet wurde, war ein großes Thema. Ebenso wie die Diskriminierung von kopftuchtragenden Frauen. Und so richten sich die Einträge mal an die muslimische Community, mal an die Gesamtgesellschaft.
...
Während sich feministische Islamkritikerinnen mit patriarchalischen Anteilen in der Auslegung der Religion beschäftigen, fragen sich religiöse Feministinnen, wie man die Religion so interpretieren kann, dass sie Geschlechtergerechtigkeit herstellt - auch unter den veränderten Lebensbedingungen seit Entstehung des Islams.
...
Auf www.nafisa.de fordern die Bloggerinnen an vielen Stellen Respekt dafür, dass manche Frauen sich eben für "andere Lebensmodelle" entscheiden. In der feministischen Szene in Deutschland ist die Diskussionsbereitschaft hierfür äußerst gering, zu einem großen Teil wohl aus Angst, hinter bereits errungen geglaubte Standards zurückzufallen. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor, die sich selbst als "liberale Muslimin" bezeichnet, hält die Begründung, dass sich die Gesellschaften damals und heute unterscheiden, für sehr wichtig. "Wir müssen uns immer fragen, ob Gott das heute in dieser Gesellschaft genauso sagen würde", sagt Kaddor.
Etwa habe es sich beim Kopftuch ursprünglich um ein religiöses Gebot gehandelt, weil es im Kontext der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen der Text offenbart wurde, eine "Schutzfunktion" erfüllt habe. In der heutigen deutschen Gesellschaft könne diese Funktion eher ein funktionierender Rechtsstaat erfüllen, daher sei das Kopftuch "für diesen Zweck schon einmal nicht mehr notwendig". Zudem wirkten Haare an sich nicht mehr "erotisierend". Dennoch macht die gläubige Muslimin deutlich: "Ich bin nicht gegen das Kopftuch." Sie wolle in der muslimischen Community für ihre Entscheidung respektiert werden, es nicht zu tragen, und respektiere die Entscheidung anderer, es zu tragen.
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/...ressort=tz&dig=2009%2F12%2F15%2Fa0049&cHash=0b6e15f027
gläubige muslimas, die sich für geschlechtergerechtigkeit (also auch ihren eigenen stellenwert in der - nicht nur islamischen - gesellschaft) einsetzen, haben es doppelt schwer. von nichtmuslimen, insbesondere aber islamkritikerInnen, als kopftuchträgerinnen nicht ernst genommen ("tragen das zeichen der unterwerfung unter einen patriarchalen machtanspruch"), von traditionellen muslimen mehr als kritisch beäugt, weil sie dem koran andere interpretationen abgewinnen, als den patriarchen geläufig und bequem
aber es gibt sie. nicht sehr viele, aber es ist zu hoffen, daß sie mehr werden. damit auch der islam "im westen ankommen" kann und sich nicht wie ein archaischer fremdkörper im organismus unserer gesellschaft einkapselt
leseprobe aus einem diesbezüglichen artikel:
. Gemeinsam mit zwei Freundinnen - alle sind sie gläubige Musliminnen und tragen Kopftuch - betreibt sie (die Ethnologin Nina Mühe, anm. petronius) das Blog www.nafisa.de. "Es geht uns darum, aus der frühen islamischen Geschichte und den islamischen Quellen heraus eine Geschlechtergerechtigkeit zu ziehen, die dann später sehr überdeckt wurde", sagt Mühe.
Ziel des Blogs ist es auch, an den gesamtgesellschaftlichen Diskussionen über den Islam teilzunehmen, die allzu oft ohne gläubige Musliminnen geführt und stattdessen von IslamkritikerInnen dominiert werden. Probleme wie Zwangsehen oder häusliche Gewalt thematisieren die Bloggerinnen regelmäßig und machen gleichzeitig klar, dass sie ihrer Lesart der Quellen nach dem Islam widersprechen. Der Mord an Marwa El Sherbini, die im Dresdener Landgericht aus "Hass auf Muslime" getötet wurde, war ein großes Thema. Ebenso wie die Diskriminierung von kopftuchtragenden Frauen. Und so richten sich die Einträge mal an die muslimische Community, mal an die Gesamtgesellschaft.
...
Während sich feministische Islamkritikerinnen mit patriarchalischen Anteilen in der Auslegung der Religion beschäftigen, fragen sich religiöse Feministinnen, wie man die Religion so interpretieren kann, dass sie Geschlechtergerechtigkeit herstellt - auch unter den veränderten Lebensbedingungen seit Entstehung des Islams.
...
Auf www.nafisa.de fordern die Bloggerinnen an vielen Stellen Respekt dafür, dass manche Frauen sich eben für "andere Lebensmodelle" entscheiden. In der feministischen Szene in Deutschland ist die Diskussionsbereitschaft hierfür äußerst gering, zu einem großen Teil wohl aus Angst, hinter bereits errungen geglaubte Standards zurückzufallen. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor, die sich selbst als "liberale Muslimin" bezeichnet, hält die Begründung, dass sich die Gesellschaften damals und heute unterscheiden, für sehr wichtig. "Wir müssen uns immer fragen, ob Gott das heute in dieser Gesellschaft genauso sagen würde", sagt Kaddor.
Etwa habe es sich beim Kopftuch ursprünglich um ein religiöses Gebot gehandelt, weil es im Kontext der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen der Text offenbart wurde, eine "Schutzfunktion" erfüllt habe. In der heutigen deutschen Gesellschaft könne diese Funktion eher ein funktionierender Rechtsstaat erfüllen, daher sei das Kopftuch "für diesen Zweck schon einmal nicht mehr notwendig". Zudem wirkten Haare an sich nicht mehr "erotisierend". Dennoch macht die gläubige Muslimin deutlich: "Ich bin nicht gegen das Kopftuch." Sie wolle in der muslimischen Community für ihre Entscheidung respektiert werden, es nicht zu tragen, und respektiere die Entscheidung anderer, es zu tragen.
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/...ressort=tz&dig=2009%2F12%2F15%2Fa0049&cHash=0b6e15f027