11-06-2010, 13:05
noch mal zum thema "bibel, und was sie uns zu sagen hat"
interessant habe ich ja gefunden, wie sich kürzlich zwei user, die ich beide dem evangelikalen lager zurechnen würde, darüber uneins waren, was warum "in der Bibel wichtig ist und was weniger wichtig" bzw. ob " alles, was im AT steht," zu glauben sei oder nicht
auf den ersten blick scheint die sache doch klar. das grundlegende manifest der evangelikalen/bibeltreuen, die "erklärung von chicago" des "Internationalen Rats für biblische Irrtumslosigkeit" (sic!), sagt u.a.:
Artikel XI
Wir bekennen, dass die Schrift unfehlbar ist, da sie durch göttliche Inspiration vermittelt wurde, so dass sie, da sie weit davon entfernt ist, uns irrezuführen, wahr und zuverlässig in allen von ihr angesprochenen Fragen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass es möglich sei, dass die Bibel zur gleichen Zeit unfehlbar ist und sich in ihren Aussagen irrt. Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit dürfen unterschieden, nicht aber voneinander getrennt werden.
Artikel XII
Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass sich die biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit auf geistliche, religiöse oder die Erlösung betreffende Themen beschränke und Aussagen im Bereich der Geschichte und Naturwissenschaft davon ausgenommen seien. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass wissenschaftliche Hypothesen über die Erdgeschichte mit Recht dazu benutzt werden dürften, die Lehre der Schrift über Schöpfung und Sintflut umzustoßen
nun gut, der letzte satz reizt natürlich zum laut auflachen, soll aber hier nicht gegenstand der debatte sein. es geht mir darum, daß "die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" sein soll
das klingt ja erst mal danach, daß alles in der bibel stehende gültigkeit hat - auch und gerade alle in der bibel vorkommenden regeln und vorschriften (eben auch die aus heutiger sicht unagenehmen - wie etwa über das korrekte verkaufen seiner eigenen tochter in die sklaverei). wobei natürlich in der chicago-erklärung "irrtumslosigkeit" nur als gegensatz zu "Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" verstanden wird, so etwas wie verständnis im soziohistorischen kontext als denkmögliches konzept gar nicht erst vorkommt
daß das in der praxis nicht funktioniert, ist ja sogar den bibeltreuen klar. nur geben sie es halt nicht zu, sondern versuchen, drumherum zu schwadronieren. sagen erst
alles, was in der bibel steht, sei zu übernehmen
meinen dann, daß man natürlich unterscheiden müsse,
was wichtig ist und was weniger wichtig
und retten sich vor dem vorwurf der interesse- bis zweckgeleiteten bzw. im endeffekt beliebigen interpretation damit, daß sie behaupten, es gäbe
dazu Anleitungen in der Bibel
nun, dem ketzerischen vernunftdenker stellt sich da natürlich sofort die frage, wer denn entscheiden soll, welche anleitung nun wichtig ist und welche weniger wichtig...
trotzdem: es leuchtet ein, daß christen die aussagen des christus, auf den sich ihr glaube ja bezieht, als die wichtigsten ansehen. die evangelien (die ja als wiedergabe von wirken und lehre jesu verstanden werden) und meinetwegen die apostelgeschichte müßten somit deutungshoheit haben sowohl über das at als auch natürlich neuere schriften
warum etwa sollten die "durchführungsverordnungen" des selbsternannten verwalters der jesuanischen lehre (paulus) höhere bedeutung haben als die ihnen vorlaufenden "gesetze", die jesus gegeben hat?
(man verzeihe mir den vergleich aus der juristerei, der natürlich metaphorisch gemeint ist)
wenn es also darum geht, zu entscheiden, was in der bibel wichtig ist und was weniger wichtig, so kann doch die anleitung nur lauten: das, was jesus gesagt/vorgegeben hat (wie auch der unter meist äußerst bibeltreuen freikirchen-christen beliebte slogan "what would jesus do?" nahelegt)
wenn also jesus fordert, den nächsten zu lieben wie sich selbst, nicht den ersten stein zu werfen usw., dann kann gern ein paulus kommen und meinen, frauen hätten in der kirche zu schweigen oder schwule in selbiger nichts zu suchen - es ist weniger wichtig
klar: was als lehre jesu überliefert ist, enthält eben (anders als etwa die thora) weniger eine normative aufzählung von konkreten regeln, sondern vielmehr bildhafte umschreibungen und eben vor allem die aufforderung, sich nicht an regeln zu klammern. sie kann somit also als ermutigung zum selber denken, selber entscheiden und prioritäten setzen, verstanden werden - und war ja vielleicht von den autoren sogar so gemeint
es ist daher müßig, ein bestimmtes bibelverständnis zementieren und vorschreiben zu wollen. so wie jeder christ ein individuum ist, wird er auch zu individuell verschiedenen schlußfolgerungen aus der bibel kommen (können). eine bestimmte für "richtig" und verbindlich zu erklären, ist dann nur (imho unchristliche) rechthaberei
interessant habe ich ja gefunden, wie sich kürzlich zwei user, die ich beide dem evangelikalen lager zurechnen würde, darüber uneins waren, was warum "in der Bibel wichtig ist und was weniger wichtig" bzw. ob " alles, was im AT steht," zu glauben sei oder nicht
auf den ersten blick scheint die sache doch klar. das grundlegende manifest der evangelikalen/bibeltreuen, die "erklärung von chicago" des "Internationalen Rats für biblische Irrtumslosigkeit" (sic!), sagt u.a.:
Artikel XI
Wir bekennen, dass die Schrift unfehlbar ist, da sie durch göttliche Inspiration vermittelt wurde, so dass sie, da sie weit davon entfernt ist, uns irrezuführen, wahr und zuverlässig in allen von ihr angesprochenen Fragen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass es möglich sei, dass die Bibel zur gleichen Zeit unfehlbar ist und sich in ihren Aussagen irrt. Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit dürfen unterschieden, nicht aber voneinander getrennt werden.
Artikel XII
Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass sich die biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit auf geistliche, religiöse oder die Erlösung betreffende Themen beschränke und Aussagen im Bereich der Geschichte und Naturwissenschaft davon ausgenommen seien. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass wissenschaftliche Hypothesen über die Erdgeschichte mit Recht dazu benutzt werden dürften, die Lehre der Schrift über Schöpfung und Sintflut umzustoßen
nun gut, der letzte satz reizt natürlich zum laut auflachen, soll aber hier nicht gegenstand der debatte sein. es geht mir darum, daß "die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" sein soll
das klingt ja erst mal danach, daß alles in der bibel stehende gültigkeit hat - auch und gerade alle in der bibel vorkommenden regeln und vorschriften (eben auch die aus heutiger sicht unagenehmen - wie etwa über das korrekte verkaufen seiner eigenen tochter in die sklaverei). wobei natürlich in der chicago-erklärung "irrtumslosigkeit" nur als gegensatz zu "Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" verstanden wird, so etwas wie verständnis im soziohistorischen kontext als denkmögliches konzept gar nicht erst vorkommt
daß das in der praxis nicht funktioniert, ist ja sogar den bibeltreuen klar. nur geben sie es halt nicht zu, sondern versuchen, drumherum zu schwadronieren. sagen erst
alles, was in der bibel steht, sei zu übernehmen
meinen dann, daß man natürlich unterscheiden müsse,
was wichtig ist und was weniger wichtig
und retten sich vor dem vorwurf der interesse- bis zweckgeleiteten bzw. im endeffekt beliebigen interpretation damit, daß sie behaupten, es gäbe
dazu Anleitungen in der Bibel
nun, dem ketzerischen vernunftdenker stellt sich da natürlich sofort die frage, wer denn entscheiden soll, welche anleitung nun wichtig ist und welche weniger wichtig...
trotzdem: es leuchtet ein, daß christen die aussagen des christus, auf den sich ihr glaube ja bezieht, als die wichtigsten ansehen. die evangelien (die ja als wiedergabe von wirken und lehre jesu verstanden werden) und meinetwegen die apostelgeschichte müßten somit deutungshoheit haben sowohl über das at als auch natürlich neuere schriften
warum etwa sollten die "durchführungsverordnungen" des selbsternannten verwalters der jesuanischen lehre (paulus) höhere bedeutung haben als die ihnen vorlaufenden "gesetze", die jesus gegeben hat?
(man verzeihe mir den vergleich aus der juristerei, der natürlich metaphorisch gemeint ist)
wenn es also darum geht, zu entscheiden, was in der bibel wichtig ist und was weniger wichtig, so kann doch die anleitung nur lauten: das, was jesus gesagt/vorgegeben hat (wie auch der unter meist äußerst bibeltreuen freikirchen-christen beliebte slogan "what would jesus do?" nahelegt)
wenn also jesus fordert, den nächsten zu lieben wie sich selbst, nicht den ersten stein zu werfen usw., dann kann gern ein paulus kommen und meinen, frauen hätten in der kirche zu schweigen oder schwule in selbiger nichts zu suchen - es ist weniger wichtig
klar: was als lehre jesu überliefert ist, enthält eben (anders als etwa die thora) weniger eine normative aufzählung von konkreten regeln, sondern vielmehr bildhafte umschreibungen und eben vor allem die aufforderung, sich nicht an regeln zu klammern. sie kann somit also als ermutigung zum selber denken, selber entscheiden und prioritäten setzen, verstanden werden - und war ja vielleicht von den autoren sogar so gemeint
es ist daher müßig, ein bestimmtes bibelverständnis zementieren und vorschreiben zu wollen. so wie jeder christ ein individuum ist, wird er auch zu individuell verschiedenen schlußfolgerungen aus der bibel kommen (können). eine bestimmte für "richtig" und verbindlich zu erklären, ist dann nur (imho unchristliche) rechthaberei