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Normale Version: bibel - wichtig und unwichtig
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noch mal zum thema "bibel, und was sie uns zu sagen hat"

interessant habe ich ja gefunden, wie sich kürzlich zwei user, die ich beide dem evangelikalen lager zurechnen würde, darüber uneins waren, was warum "in der Bibel wichtig ist und was weniger wichtig" bzw. ob " alles, was im AT steht," zu glauben sei oder nicht

auf den ersten blick scheint die sache doch klar. das grundlegende manifest der evangelikalen/bibeltreuen, die "erklärung von chicago" des "Internationalen Rats für biblische Irrtumslosigkeit" (sic!), sagt u.a.:

Artikel XI
Wir bekennen, dass die Schrift unfehlbar ist, da sie durch göttliche Inspiration vermittelt wurde, so dass sie, da sie weit davon entfernt ist, uns irrezuführen, wahr und zuverlässig in allen von ihr angesprochenen Fragen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass es möglich sei, dass die Bibel zur gleichen Zeit unfehlbar ist und sich in ihren Aussagen irrt. Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit dürfen unterschieden, nicht aber voneinander getrennt werden.

Artikel XII
Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen ist.
Wir verwerfen die Auffassung, dass sich die biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit auf geistliche, religiöse oder die Erlösung betreffende Themen beschränke und Aussagen im Bereich der Geschichte und Naturwissenschaft davon ausgenommen seien. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass wissenschaftliche Hypothesen über die Erdgeschichte mit Recht dazu benutzt werden dürften, die Lehre der Schrift über Schöpfung und Sintflut umzustoßen


nun gut, der letzte satz reizt natürlich zum laut auflachen, soll aber hier nicht gegenstand der debatte sein. es geht mir darum, daß "die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" sein soll

das klingt ja erst mal danach, daß alles in der bibel stehende gültigkeit hat - auch und gerade alle in der bibel vorkommenden regeln und vorschriften (eben auch die aus heutiger sicht unagenehmen - wie etwa über das korrekte verkaufen seiner eigenen tochter in die sklaverei). wobei natürlich in der chicago-erklärung "irrtumslosigkeit" nur als gegensatz zu "Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen" verstanden wird, so etwas wie verständnis im soziohistorischen kontext als denkmögliches konzept gar nicht erst vorkommt

daß das in der praxis nicht funktioniert, ist ja sogar den bibeltreuen klar. nur geben sie es halt nicht zu, sondern versuchen, drumherum zu schwadronieren. sagen erst

alles, was in der bibel steht, sei zu übernehmen

meinen dann, daß man natürlich unterscheiden müsse,

was wichtig ist und was weniger wichtig

und retten sich vor dem vorwurf der interesse- bis zweckgeleiteten bzw. im endeffekt beliebigen interpretation damit, daß sie behaupten, es gäbe

dazu Anleitungen in der Bibel

nun, dem ketzerischen vernunftdenker stellt sich da natürlich sofort die frage, wer denn entscheiden soll, welche anleitung nun wichtig ist und welche weniger wichtig...

trotzdem: es leuchtet ein, daß christen die aussagen des christus, auf den sich ihr glaube ja bezieht, als die wichtigsten ansehen. die evangelien (die ja als wiedergabe von wirken und lehre jesu verstanden werden) und meinetwegen die apostelgeschichte müßten somit deutungshoheit haben sowohl über das at als auch natürlich neuere schriften

warum etwa sollten die "durchführungsverordnungen" des selbsternannten verwalters der jesuanischen lehre (paulus) höhere bedeutung haben als die ihnen vorlaufenden "gesetze", die jesus gegeben hat?

(man verzeihe mir den vergleich aus der juristerei, der natürlich metaphorisch gemeint ist)

wenn es also darum geht, zu entscheiden, was in der bibel wichtig ist und was weniger wichtig, so kann doch die anleitung nur lauten: das, was jesus gesagt/vorgegeben hat (wie auch der unter meist äußerst bibeltreuen freikirchen-christen beliebte slogan "what would jesus do?" nahelegt)

wenn also jesus fordert, den nächsten zu lieben wie sich selbst, nicht den ersten stein zu werfen usw., dann kann gern ein paulus kommen und meinen, frauen hätten in der kirche zu schweigen oder schwule in selbiger nichts zu suchen - es ist weniger wichtig

klar: was als lehre jesu überliefert ist, enthält eben (anders als etwa die thora) weniger eine normative aufzählung von konkreten regeln, sondern vielmehr bildhafte umschreibungen und eben vor allem die aufforderung, sich nicht an regeln zu klammern. sie kann somit also als ermutigung zum selber denken, selber entscheiden und prioritäten setzen, verstanden werden - und war ja vielleicht von den autoren sogar so gemeint

es ist daher müßig, ein bestimmtes bibelverständnis zementieren und vorschreiben zu wollen. so wie jeder christ ein individuum ist, wird er auch zu individuell verschiedenen schlußfolgerungen aus der bibel kommen (können). eine bestimmte für "richtig" und verbindlich zu erklären, ist dann nur (imho unchristliche) rechthaberei
Ich stimme der zuletzt aufgeführten Betrachtungsweise zu. Das Neue Testament ist in weiten Teilen ein Buch, welches den Glauben prägen soll, und nicht direkt normativ zu verstehen ist.
Dazu hatten die alten Israeliten ihr "Gesetz", das Jesus auf seinen Sinn zurück zu führen bestrebt war ("der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen"). Im Sinne der Nächstenliebe halte ich Normen, die zu Leiden führen, in diesem Sinne für überdenkenswert.
Im Übrigen ist Jesus kein Sonderfall im Judentum, sondern eine "normale Erscheinung". Denn im Judentum galten - und soviel ich weiß gelten - die mündliche Überlieferung und die Auslegung genauso, wie die alten Texte.

Ich fürchte, die strenge, normative Auffassung der biblischen Texte ist eine christliche Erfindung. Dafür kommen eine Reihe von Gründen in Frage, besonders die Vereinnahmung des Glaubens durch den römischen Staat in der Zeit Kaiser Konstantins.

indymaya

(12-06-2010, 00:28)Ekkard schrieb: [ -> ].

Ich fürchte, die strenge, normative Auffassung der biblischen Texte ist eine christliche Erfindung. Dafür kommen eine Reihe von Gründen in Frage, besonders die Vereinnahmung des Glaubens durch den römischen Staat in der Zeit Kaiser Konstantins.

Jetzt mußt Du nur noch sagen Kaiser Konstantin hätte die Nächstenliebe proglamiert.
(12-06-2010, 00:28)Ekkard schrieb: [ -> ]Ich fürchte, die strenge, normative Auffassung der biblischen Texte ist eine christliche Erfindung. Dafür kommen eine Reihe von Gründen in Frage, besonders die Vereinnahmung des Glaubens durch den römischen Staat in der Zeit Kaiser Konstantins.

Ich denke, dass Du mit dieser "Befürchtung" richtig liegst!

Ecclesia vivit lege Romana!

Diese Botschaft ist zwar an die Weltkirche gerichtet, birgt aber einen historischen Bezug, der bis Konstantin zurückreicht, was die kirchliche Reichsgliederung betrifft, sogar bis Diokletian (dessen Neugliederung des Reiches in Diözesen, Provinzen und Metropolien von der Kirche übernommen wurde).

Alles Recht müsse durch Gesetze begründet sein, und Gesetze sind einzuhalten.

In diesem Sinne wurden von der spätantiken römischen Gesellschaft auch die "göttlichen Anweisungen" aufgefasst, die in der Bibel kundgemacht sind. Das wirkt bis heute nach.

indymaya

(12-06-2010, 00:28)Ekkard schrieb: [ -> ]Ich stimme der zuletzt aufgeführten Betrachtungsweise zu. Das Neue Testament ist in weiten Teilen ein Buch, welches den Glauben prägen soll, und nicht direkt normativ zu verstehen ist.
Dazu hatten die alten Israeliten ihr "Gesetz", das Jesus auf seinen Sinn zurück zu führen bestrebt war ("der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen"). Im Sinne der Nächstenliebe halte ich Normen, die zu Leiden führen, in diesem Sinne für überdenkenswert.
Im Übrigen ist Jesus kein Sonderfall im Judentum, sondern eine "normale Erscheinung". Denn im Judentum galten - und soviel ich weiß gelten - die mündliche Überlieferung und die Auslegung genauso, wie die alten Texte.

Ich fürchte, die strenge, normative Auffassung der biblischen Texte ist eine christliche Erfindung. Dafür kommen eine Reihe von Gründen in Frage, besonders die Vereinnahmung des Glaubens durch den römischen Staat in der Zeit Kaiser Konstantins.

Wichtiger im Sinne der Nächstenliebe ist die Norm "Du sollst nicht töten" Sie steht sowohl im AT wie im NT: Deshalb war Jesus keine normale "Erscheinung", weil er dieses Gebot erfüllte, denn obwohl er Macht und Möglichkeit gehabt hätte es zu verhindern, ließ er sich töten ohne von der Wahrheit abzuweichen.
Auch haben die "Obrigkeiten" nicht den Glauben vereinnahmt, weil dieser individuell ist, sondern waren an der Vereinnahmung der immer zahlreicher werdenden Glaubenden interessiert und dazu halfen ihnen manche Schriftgelehrte, Deuter, Seher, Gnostiker, Päpste, Bischöfe und falsche Propheten, im Grunde sind alle das Letztere.
Genau das ist es, weshalb es Kriege gibt "und der Weg breit ist der ins Verderben führt". Weil sich Christen in Kriegen gegenseitig töten und bei Andersgläubigen eh keine Skrupel haben. Das gleich Problem haben auch die Muslime. Hier ist also die strenge normative Auffassung des Gebotes der Nächstenliebe gefragt wobei töten doch das exstremste Gegenteil ist. Ich kenne keine Obrigkeit die nicht gemordet hat morden lässt oder ließ so auch nicht Konstantin oder der Vatikan.
(24-06-2010, 10:19)indymaya schrieb: [ -> ]Wichtiger im Sinne der Nächstenliebe ist die Norm "Du sollst nicht töten"

wichtiger als was?

und der simple satz "Du sollst nicht töten" ist so als norm nicht brauchbar - wenn z.b. normen aufgestellt werden, wie "sünder" denn korrekt zu töten seien. eine absolutes und generelles tötungsverbot hat ne bestanden und tut es auch heute selbstverständlich nicht

Zitat:Sie steht sowohl im AT wie im NT: Deshalb war Jesus keine normale "Erscheinung", weil er dieses Gebot erfüllte

dann bin ich auch "keine normale Erscheinung" - denn ich habe auch noch niemand (keinen menschen) getötet :icon_rolleyes:

Zitat:denn obwohl er Macht und Möglichkeit gehabt hätte es zu verhindern, ließ er sich töten ohne von der Wahrheit abzuweichen

sich töten zu lassen ist aber schon etwas anderes, als (ein gebot zu erfüllen und) nicht selber zu töten

Zitat:Auch haben die "Obrigkeiten" nicht den Glauben vereinnahmt, weil dieser individuell ist, sondern waren an der Vereinnahmung der immer zahlreicher werdenden Glaubenden interessiert

das läuft doch auf dasselbe hinaus...

Zitat:und dazu halfen ihnen manche Schriftgelehrte, Deuter, Seher, Gnostiker, Päpste, Bischöfe und falsche Propheten, im Grunde sind alle das Letztere

na logo!

die fleischtöpfe der macht sind für alle verfüherisch, und gebärden sie sich noch so fromm...

Zitat:Genau das ist es, weshalb es Kriege gibt "und der Weg breit ist der ins Verderben führt". Weil sich Christen in Kriegen gegenseitig töten und bei Andersgläubigen eh keine Skrupel haben. Das gleich Problem haben auch die Muslime. Hier ist also die strenge normative Auffassung des Gebotes der Nächstenliebe gefragt

na, und wie soll die nun lauten?

gehe hin und verleumde deine mitmenschen - solange du sie nicht umbringst und deine hetze als freie meinungsäußerung deklarierst, ist alles in ordnung?

weißt du, indy, es ist sehr leicht, sich vollmundig auf jesu gebot der nächstenliebe zu berufen und alle anderen (besonders die "obrigkeit"!) anzuklagen, sie würden dagegen verstoßen. weniger leicht ist es, diese meßlatte auch an sich selber anzulegen

indymaya

(24-06-2010, 12:52)petronius schrieb: [ -> ]na, und wie soll die nun lauten?

"Du sollst nicht töten"
Das ist doch wichtiger, als wenn sich ein humorloser Atheist beleidigt fühlt.
(12-06-2010, 00:28)Ekkard schrieb: [ -> ]Ich stimme der zuletzt aufgeführten Betrachtungsweise zu. Das Neue Testament ist in weiten Teilen ein Buch, welches den Glauben prägen soll, und nicht direkt normativ zu verstehen ist.
Dazu hatten die alten Israeliten ihr "Gesetz", das Jesus auf seinen Sinn zurück zu führen bestrebt war ("der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen"). Im Sinne der Nächstenliebe halte ich Normen, die zu Leiden führen, in diesem Sinne für überdenkenswert.
Im Übrigen ist Jesus kein Sonderfall im Judentum, sondern eine "normale Erscheinung". Denn im Judentum galten - und soviel ich weiß gelten - die mündliche Überlieferung und die Auslegung genauso, wie die alten Texte.

Ich fürchte, die strenge, normative Auffassung der biblischen Texte ist eine christliche Erfindung. Dafür kommen eine Reihe von Gründen in Frage, besonders die Vereinnahmung des Glaubens durch den römischen Staat in der Zeit Kaiser Konstantins.

Ich bezweifle daß die buchstabentreue Auslegung von solchen Texten eine christliche Erfindung darstellt, noch halte ich sie für hauptsächlich beschränkt auf religiöse Texte, auch wenn diese sicherlich eher zu emotionalen Reaktionen führen und daher den Anreiz erhöhen für verschiedene und mitunter verbissen verteidigte Deutungen. Die Interpretation wird an die eigene Lebensweise angepasst oder letztere nach der vermeintlich richtigen Lesart ausgerichtet, diese Motivation ist bei Texten anderer Natur oft nicht gegeben, da sie keine gleichartige emotionale Komponente aufweisen und keinen solchen allumfassenden Anspruch in sich tragen oder aufgedrängt bekommen.

Daß es keine christliche Eigenart darstellt bezeugen ja diverse Strömungen anderer Religionen zur Genüge, wie beispielsweise die so prominent in den Medien vertretenen islamischen radikalen Strömungen, die oft in westlicher Perzeption unter "Islam" subsummiert werden, der aber eigentlich auch liberale Zweige beinhaltet die wesentlich mehr Spielraum bei der Deutung von Texten gestatten, selbst bei einer heiligen Schrift die in sich wesentlich kongruenter zu sein scheint als die Bibel, zumindest soweit ich das als Laie, der den Koran eher aus den Darlegungen Dritter kennt, sagen kann.

Ob es eine zuallererst bei den Christen aufgetretene oder maßgebliche Eigenheit war, nun darüber weiß ich wohl zuwenig über die Historie der verschiedenen Glaubensrichtungen. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen daß, und vielleicht sogar durch den mehr aus einem Guß bestehenden Koran zuerst und maßgeblicher als beim Christentum, beim Islam die texttreue Auslegung mindestens gleich wenn nicht stärker vertreten war.

Tatsächlich halte ich die Neigung von Menschen in heilige Texte möglichst viel Gewicht zu legen und dann auch noch nur eine einzige Version dieses Textes zuzulassen viel eher in grundsätzlichen Eigenheiten der menschlichen Psyche verankert als in einzelnen Konfessionen oder Religionen, auch wenn manche sicher stärker dazu tendieren als andere.
Menschen sind nunmal hierarchische soziale Individiuen, da erscheint es mir nur logisch wenn sie versuchen neben ihrer alltäglichen sozialen Umgebung auch ihre Götterwelt und die damit zusammenhängenden Texte in Hierarchien zu zwängen, mit jeweils einer höchsten Position. Und dann ist die Versuchung natürlich nicht weit nicht nur eine höchste und einzig richtige Form einer Gottesvorstellung und Textfassung zu propagieren, sondern diesen höchsten Dingen auch noch möglichst viel Bedeutung zuzumessen. Und der Stellenwert eines heiligen Textes ist nunmal ungleich höher wenn er unfehlbar ist, wie es in den Eingangszitaten von petronius so unfreiwillig komisch und absurd gefordert wird.

Aber das Verhalten ist nicht nur auf religiöse Texte beschränkt, auch im Rechtssystem und der Verfassungslehre gibt es anhaltende Differenzen darüber wie verschiedene Teile gegeneinander gewichtet und dann mit der Realität, die natürlich ungleich komplexer ist, abgeglichen werden sollten, mithin was eine richtige und eine falsche Auslegung dieser Texte bedeutet. Und um eine Auslegung kommt man auch beim bürgerlichen Gesetzbuch nicht herum.

So gesehen unterscheiden sich textkritische und textsklavische Interpretationen nicht wesentlich voneinander, es sind immer eben genau das, Interpretationen. Der Unterschied ist quantitativer Natur, nicht qualitativer.

(24-06-2010, 10:19)indymaya schrieb: [ -> ]Wichtiger im Sinne der Nächstenliebe ist die Norm "Du sollst nicht töten" Sie steht sowohl im AT wie im NT: Deshalb war Jesus keine normale "Erscheinung", weil er dieses Gebot erfüllte, denn obwohl er Macht und Möglichkeit gehabt hätte es zu verhindern, ließ er sich töten ohne von der Wahrheit abzuweichen.
Auch haben die "Obrigkeiten" nicht den Glauben vereinnahmt, weil dieser individuell ist, sondern waren an der Vereinnahmung der immer zahlreicher werdenden Glaubenden interessiert und dazu halfen ihnen manche Schriftgelehrte, Deuter, Seher, Gnostiker, Päpste, Bischöfe und falsche Propheten, im Grunde sind alle das Letztere.
Genau das ist es, weshalb es Kriege gibt "und der Weg breit ist der ins Verderben führt". Weil sich Christen in Kriegen gegenseitig töten und bei Andersgläubigen eh keine Skrupel haben. Das gleich Problem haben auch die Muslime. Hier ist also die strenge normative Auffassung des Gebotes der Nächstenliebe gefragt wobei töten doch das exstremste Gegenteil ist. Ich kenne keine Obrigkeit die nicht gemordet hat morden lässt oder ließ so auch nicht Konstantin oder der Vatikan.

Ich verstehe nicht wie Du so nonchalant ein Handelsgebot, oder besser ein nicht-Handelsgebot, nämlich "Du sollst nicht töten!", nicht nur ganz selbstverständlich unter das Konzept der Nächstenliebe einordnest sondern es gleich zum wichtigsten Teil dieses Konzeptes erklären kannst.

Schließlich hat es, meiner Ansicht nach, so gut wie gar nichts mit Nächstenliebe zu tun jemanden nicht zu töten, ebensowenig wie alles andere was man jemanden nicht antut unter diesen Begriff gehört.
Jemanden nicht zu berauben, nicht zu belügen, zu betrügen oder eben zu töten hat, im Idealfall, viel mehr mit Respekt vor anderen zu tun, mit Respekt vor ihren Rechten, Achtung vor ihrer Verletzlichkeit und Unwiderbringlichkeit die sterblichen Dingen nunmal innewohnt. Und nicht selten leider lediglich mit der Scheu vor den drohenden Sanktionen, ob nun sozialen oder emotionalen.

Für Nächstenliebe reicht mir dieser Respekt allerdings nicht, er ist höchstens die Basis auf der sie aufbaut, und diese fundamentale Achtung muß tiefer gehen als nur bis zu einem saloppen "Töte nicht!".
Für Nächstenliebe braucht es meiner Ansicht nach allerdings aktives handeln oder zumindest (ein)fühlen. Erst dann ist der Begriff gerechtfertigt.

Ausserdem ist Deine Argumentationskette arg löchrig, zum einen besteht von dem Gebot niemanden zu töten und der wissentlichen Begebung in eine Situation in der man hingerichtet wird kein Zusammenhang, das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Und die Tatsache daß man für seine Überzeugungen was Wahrheit ist eine akute Lebensgefahr auf sich nimmt ist kein Indiz für etwas heiliges, sonst wäre auch jeder kommunistische Spion zu Zeiten des kalten Krieges der das Risiko einging geschnappt und hingerichtet zu werden und dem das auch tatsächlich passierte eine "heilige" Person, nur daß hier eben für ein soziales Weltbild gestorben wird, nicht für ein religiöses.

Die "richtige", zumindest aber die häufigste Argumentationskette, die mir von Christen vorgetragen wurde mit der sie die Heiligkeit Jesu erklären ist vielmehr eine der Aufopferung.
Da geglaubt wurde und wird daß man nur von seinen Sünden erlöst ins Paradies kommen würde war die Kreuzigung, die diese Erlösung für alle Menschen je nach Auslegung entweder überhaupt erst, auch rückwirkend, möglich gemacht hat, lediglich für alle Menschen die vor der Kreuzigung gelebt haben erfüllt hat während alle danach auf eine erneute Wiederkehr Jesus und eine Wiederholung dieses Opfers warten müssen, war Christus wissentliche Begebung in diese Situation für Christen ein Akt der Selbstlosigkeit, in dem er sein Leben gab damit es anderen gut geht.
Es existieren sicherlich noch einige Varianten und Erklärungen mehr, aber diese fallen mir spontan dazu ein.

Hier haben textsklavische Interpretationen allerdings den Nachteil gegenüber liberaleren Lesarten daß sich alleine aus diesem Anspruch widersprüchliches hervorgeht und immer mehr Fragen und Fragen auftauchen. Wieso war dieses Opfer nötig um Erlösung zu erlangen? Hätte man die Menschen nicht einfach von der Sünde befreien können wenn Gott doch so sehr an ihrem Wohl gelegen war? Was ist mit den Menschen nach Jesus, sind die auch erlöst, und wenn ja, wozu dient das Konzept der Sünde überhaupt wenn doch eh schon alle Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von ihnen befreit wurden?
Undundund, hier haben relativ freie Deutungen einen erhöhten Manövrierspielraum, während sich texttreue Auslegungen viel früher in Widersprüchlichem verfangen.

Mit einem der Gebote hat dies alles nichts zu tun, zumindest nicht ohne argumentativ um 5 Ecken zu gehen. Aber dazu sind ja bekanntlich auch sehr wortgetreue Auslegungsnormen in der Lage, die Winkel der Ecken werden nur schärfer.
es stimmt schon, daß jeder text nur interpretiert werden kann. der unterschied zwischen "textkritisch" und "textsklavisch" besteht im wesentlichen darin, sich dieser tatsache bewußt zu sein, sie zuzugeben, oder sie zu leugnen

allerdings gibt es natürlich texte, die von vornherein normativ angelegt sind (z.b. das bgb), und andere, denen eine solche bedeutung erst nachträglich zugeschrieben wird. goethes zauberlehrling etwa könnte man ja auch als normative anleitung zu magischen handlungen auffassen, wenn man denn unbedingt will - nur wird das keiner tun und ihn im bereich der poesie verorten. was natürlich in den augen vieler so auch auf die bibel (jedenfalls zum größten teil) zutrifft

dann stellt sich die frage, wie die dem text zu entnehmende "norm" (im sinne allgemeiner verbindlichkeit - für sich privat darf ja jeder normen aufstellen, wie er lustig ist) in der praxis zu verstehen ist. beim explizit normativ angelegten text bgb gibts dazu eine entsprechende judikatur, d.h., es gibt menschen/instanzen, die nach festgelegten regeln (und dennoch menschlichem ermessen) die praktische "interpretation" vornehmen. das ist ein unterschied zu religiös normativ verstandenen texten, wo man sich meistens doch fragt, woher denn der etwas für verbindlich erklärende eigentlich seine legitimation haben will. welch wacklige basis dafür natürlich nicht immer so offenkundig und lächerlich daher kommt wie bei bestimmten diskutanten hier

inwiefern tatsächlich "Menschen sind nunmal hierarchische soziale Individiuen" sind in dem sinne, daß sie sich nach bevormundung sehnen, erscheint fraglich. klar, im tierreich (aus dem wir menschen hervorgegangen sind) bewährt sich das "führerprinzip", und dieser ansatz zieht sich ja auch (durchaus blutig) durch die geschichte von homo sapiens. dennoch: die "soziale evolution" hat uns darüber hinaus geführt, wir verstehen es heute, mit pluralen ansätzen umzugehen und nach konsensbasierten normen zu leben, sodaß der ansatz, es gelte sich nach einer unverrückbaren und ewig gültigen norm zu orientieren, uns archaisch und obsolet erscheint - bis hin zur weitgehend übereinstimmend so emfundenen lächerlichkeit der in solchem denken verhafteten
(25-06-2010, 08:28)petronius schrieb: [ -> ]es stimmt schon, daß jeder text nur interpretiert werden kann. der unterschied zwischen "textkritisch" und "textsklavisch" besteht im wesentlichen darin, sich dieser tatsache bewußt zu sein, sie zuzugeben, oder sie zu leugnen

allerdings gibt es natürlich texte, die von vornherein normativ angelegt sind (z.b. das bgb), und andere, denen eine solche bedeutung erst nachträglich zugeschrieben wird. goethes zauberlehrling etwa könnte man ja auch als normative anleitung zu magischen handlungen auffassen, wenn man denn unbedingt will - nur wird das keiner tun und ihn im bereich der poesie verorten. was natürlich in den augen vieler so auch auf die bibel (jedenfalls zum größten teil) zutrifft

dann stellt sich die frage, wie die dem text zu entnehmende "norm" (im sinne allgemeiner verbindlichkeit - für sich privat darf ja jeder normen aufstellen, wie er lustig ist) in der praxis zu verstehen ist. beim explizit normativ angelegten text bgb gibts dazu eine entsprechende judikatur, d.h., es gibt menschen/instanzen, die nach festgelegten regeln (und dennoch menschlichem ermessen) die praktische "interpretation" vornehmen. das ist ein unterschied zu religiös normativ verstandenen texten, wo man sich meistens doch fragt, woher denn der etwas für verbindlich erklärende eigentlich seine legitimation haben will. welch wacklige basis dafür natürlich nicht immer so offenkundig und lächerlich daher kommt wie bei bestimmten diskutanten hier

inwiefern tatsächlich "Menschen sind nunmal hierarchische soziale Individiuen" sind in dem sinne, daß sie sich nach bevormundung sehnen, erscheint fraglich. klar, im tierreich (aus dem wir menschen hervorgegangen sind) bewährt sich das "führerprinzip", und dieser ansatz zieht sich ja auch (durchaus blutig) durch die geschichte von homo sapiens. dennoch: die "soziale evolution" hat uns darüber hinaus geführt, wir verstehen es heute, mit pluralen ansätzen umzugehen und nach konsensbasierten normen zu leben, sodaß der ansatz, es gelte sich nach einer unverrückbaren und ewig gültigen norm zu orientieren, uns archaisch und obsolet erscheint - bis hin zur weitgehend übereinstimmend so emfundenen lächerlichkeit der in solchem denken verhafteten

Meine Ansichten über das menschliche Sozialverhalten und unsere Neigung unseren Instinkten zu folgen sind eher abwertend und pessimistisch, so gesehen bin ich sicher kein besonders neutraler Beobachter. Aber ich glaube daß viele Menschen durchaus dazu neigen sich eher einem Führer unterzuordnen als selbst Verantwortung zu übernehmen und alle Entscheidungen selbst zu treffen. Ich selbst stehe hier auf zwei Seiten, einerseits halte ich von Führerfiguren wenig, selbst wenn es sich nicht um Persönlichkeiten sondern um Konzepte handelt, eine Mitgliedschaft in einer Partei ist für mich beispielsweise undenkbar, genauso wie das Engagement für eine Wahl, wie es viele zumeist junge Menschen in den USA bei der letzten Präsidentenwahl an den Tag gelegt haben. Ich ordne mich niemandem unter, und ich nehme keine Befehle entgegen, höchstens Bitten. Mir etwas zu befehlen ist der einfachste Weg mich zum Nachdenken zu bringen und die Gefahr daß ich im Zweifel erst einmal auf stur schalte ist recht hoch, weshalb eine Karriere beim Militär für mich ebenso undenkbar ist.

Andererseits übernehme ich diese Verantwortung auch ungern selbst, ich führe nicht gern, sei es nun im Beruf oder im Spiel, obwohl ich dazu durchaus in der Lage bin. Meine Zeit beim Wehrdienst, den ich absolvieren mußte weil der Zivildienst zu lange gedauert hätte und das finanziell schwierig geworden wäre, habe ich gehasst, vor allem die Zeit in der ich eine Pseodo-Anführerrolle spielen mußte für mein Zimmer.
Wenn ich allerdings dazu gezwungen bin, weil niemand anderes da ist der ähnlich kompetent und integer erscheint oder ich einfach dazu gedrängt werde, dann mache ich das und versuche es für alle Beteiligten so fair wie nur möglich zu gestalten. So versuchte ich beispielsweise den Dienstplan für die Reinigungsarbeiten so zu gestalten daß alle möglichst diesselbe Belastung erfuhren, was Dauer und Beliebtheit der einzelnen Aufgaben anging, und übernahm im Zweifel die unangenehmsten Arbeiten lieber selbst als anderswo jemanden zu benachteiligen. Diese Einstellung teilt aber scheinbar nicht jeder, und der Zimmerkommandant meines Zuges in den ich nach der Grundausbildung kam hat sich selbst einfach mal nonchalant von allen Arbeiten permanent befreit, was mich in Wut versetzte, der Rest des Zimmers -der schon länger beieinander war- aber scheinbar als gottgegeben hinnahm.

Wäre er jedoch so vorgegangen wie ich wäre ich froh gewesen die Verantwortung, obwohl sie lächerlich gering war, abzugeben.

Insofern verstehe ich die Neigung dazu einerseits, andererseits aber überhaupt nicht. Aber beobachten kann man es auch heute noch, die Neigung sich Führerpersönlichkeiten unterzuordnen und dann einfach mitzuschwimmen ist mit den Nazis nicht untergegangen, die gibt es meiner Ansicht auch heute noch. Auch wenn wir mit demokratischen Wahlen, Gewaltenteilung und einem mehr oder minder unabhängigen Rechtssystem dafür zu sorgen versuchen daß die Auswüchse die sich ergeben können wenn einzelne zuviel Macht besitzen etwas eingeschränkt werden, die Überzeugung daß wir Anführer brauchen und wollen scheint nahezu unbestritten zu sein. Lediglich über die Personalie, die Art und Weise wie die Aufteilung der Verantwortung geschieht und die Machtbefugnisse einzelner sind die meisten unterschiedlicher Auffassung, die generelle Notwendigkeit und der Wunsch nach einem Anführer oder eben mehreren spezialisierten Anführern ist scheinbar, wie es im englischen so schön heißt, ein no-brainer.

Daß es der Effizienz einer menschlichen Gruppe zuträglich ist einen Anführer zu haben ist auch empirisch belegbar, und scheinbar ist darüber hinaus auch der Wunsch danach in der menschlichen Psyche zumindest angelegt, wenn auch manche Menschen kritischer mit diesem Instinkt umzugehen scheinen oder durch ihre Persönlichkeit, zumindest in unserer sichereren Gesellschaft, diese Neigung negieren oder gar ins Gegenteil verkehren können, wie ich beispielsweise.
Aber Du hast natürlich auch recht, wir legen diesen Drang mit zunehmendem Maße ab, ganz loswerden werden wir ihn aber vermutlich nie, von der Notwendigkeit die hierarchische Strukturen für die menschliche Gesellschaft haben ganz zu schweigen. Schließlich und endlich ist der pluralistische Ansatz nichts grundsätzlich antiauthoritäres, im Gegenteil, es ist nur eine Weise die größten Gefahren die in hierarchischen Strukturen lauern zu minimieren. Die Gemeinsamkeiten zwischen der Diktatur einzelner und der "Dikatur" des Konsens ist immer dann direkt erfahrbar wenn man sich als Mensch ausserhalb der üblichen Kreise bewegt, nämlich beispielsweise in der Psychiatrie. Der gesellschaftliche Konsens lautet nämlich, suizidgefährdet ist gleich depressiv ist gleich nicht voll entscheidungsfähig ist gleich Zwangseinweisung/-behandlung und damit in letzter Konsquenz verbunden vorsorglicher Freiheitsentzug. Für einen Lebensmüden durchaus eine Anmaßung sondergleichen.

Insofern ist auch ein dem mehr oder minder dem Konsens entsprungener und von vornherein normativer Text dessen Wirkungs- und Geltungsbereich exakt definiert wurde und der nach Ansicht des Einzelfalles jeweils angepasst wird nicht so weit weg von dem Anspruch den viele orthodoxere Gruppierungen an ihre religiösen Schriften richten. Der wirkliche Unterschied liegt hier meiner Ansicht nach in der an rationaleren, Argumenten zugänglicheren Methodik nach der die einzelnen Passagen eines Gesetzbuches der Lebenswirklichkeit und dem sich im Wandel befindlichen Konsens angleichen lassen. Dem klar der eigenen Gesellschaft verorteten Ursprung des Textes mag es zu verdanken sein daß, bedingt durch die klare Zweckgebundenheit des Textes, hier viel eher und viel rationaler versucht wird ihn den Gegebenheiten anzupassen, während viele heiligen Schriften duch ihren angeblich göttlichen Ursprung zum Versuch anstiften die Realität ihnen anzupassen solange das nur irgendwie geht und selbst wenn Anpassungen in die andere Richtung vorgenommen werden dabei oft lediglich um eine oder mehrere Annahmen und Prämissen herumgearbeitet wird, da sie unantastbar sind.

Nichtsdestotrotz ist dieser Unterschied einem Psychiatrieinsassen oder eben einem Angehörigen einer von der Vorgabe abweichenden Interpretation erstmal egal, er wird eingeschränkt.
(25-06-2010, 20:02)Hikikomori schrieb: [ -> ]Aber ich glaube daß viele Menschen durchaus dazu neigen sich eher einem Führer unterzuordnen als selbst Verantwortung zu übernehmen und alle Entscheidungen selbst zu treffen

ja, das ist so. und kann man dem einzelnen auch nicht wirklich immer vorwerfen. wir alle kennen situationen, wo wir selber zu keiner entscheidung fähig sind und gerne rat annehmen. das mag bei manchen - aus welchen gründen auch immer - öfter oder gar überwiegend der fall sein. was zum einen die frage nach den gründen aufwirft (ist diese "unmündigkeit" persönlich bedingt oder anerzogen), zum anderen natürlich den ratgebern/"führeren" besondere verantwortung auferlegt

Zitat:Aber Du hast natürlich auch recht, wir legen diesen Drang mit zunehmendem Maße ab, ganz loswerden werden wir ihn aber vermutlich nie, von der Notwendigkeit die hierarchische Strukturen für die menschliche Gesellschaft haben ganz zu schweigen

dennoch sprichst du hier einen wichtigen aspekt an. ohne eine gewisse "unterordnung" des individuums (ganz wertfrei gesagt, ungeachtet der kautelen) dem "system" gegenüber kann gesellschaft nicht funktionieren. das ist die andere seite

Zitat:Schließlich und endlich ist der pluralistische Ansatz nichts grundsätzlich antiauthoritäres, im Gegenteil, es ist nur eine Weise die größten Gefahren die in hierarchischen Strukturen lauern zu minimieren. Die Gemeinsamkeiten zwischen der Diktatur einzelner und der "Dikatur" des Konsens ist immer dann direkt erfahrbar wenn man sich als Mensch ausserhalb der üblichen Kreise bewegt, nämlich beispielsweise in der Psychiatrie

das ist richtig. die gesellschaft kann nur ein gewisses maß an individueller "abweichung" dulden, um nicht daran zu zerbrechen. auch wenn dieses maß gerne sehr tief ansetzt wird, um den populistischen instinkt der "nichtabweichler" zu befriedigen (gehe es nun um andere kulturen oder psychische auffälligkeit). bei gegebener selbstgefährdung eröffnet sich zusätzlich die ethische frage, wie weit eben individualrechte eingeschränkt werden zugunsten einer präsumtiven pflicht der gesellschaft, menschliches leben zu erhalten. auch das ist eine frage der abwägung, wie nicht zuletzt das heutige bgh-urteil beweist

indymaya

(25-06-2010, 20:02)Hikikomori schrieb: [ -> ]Ich selbst stehe hier auf zwei Seiten, einerseits halte ich von Führerfiguren wenig, selbst wenn es sich nicht um Persönlichkeiten sondern um Konzepte handelt, eine Mitgliedschaft in einer Partei ist für mich beispielsweise undenkbar, und ich nehme keine Befehle entgegen, höchstens Bitten. Mir etwas zu befehlen ist der einfachste Weg mich zum Nachdenken zu bringen und die Gefahr daß ich im Zweifel erst einmal auf stur schalte ist recht hoch, weshalb eine Karriere beim Militär für mich ebenso undenkbar ist.

Meine Zeit beim Wehrdienst, den ich absolvieren mußte weil der Zivildienst zu lange gedauert hätte und das finanziell schwierig geworden wäre, habe ich gehasst, Aber beobachten kann man es auch heute noch, die Neigung sich Führerpersönlichkeiten unterzuordnen und dann einfach mitzuschwimmen ist mit den Nazis nicht untergegangen, die gibt es meiner Ansicht auch heute noch.

Das hätte ich gerne gesehen, wenn der Kompaniechef brüllt:"Stillgestanden!" und Du dann sagst :"Erst bitte bitte sagen!"
Aus finanziellen Gründen werden viele zum potenziellen Mörder und viele zum Mörder. So verstehe ich auch, das Du das "du sollst nicht töten" nich für den relevantesten Teil des Gebotes der Nächstenliebe hälst.
Dieses Gebot war "monchalant", als man im 3. Reich aus Nächstenliebe den Wehrdienst verweigerte und dafür hingerichtet wurde.
Aber das ordnest Du ja "salopp" anders ein.
Aus dieser Gesinnung heraus, kommt auch sicher der Vergleich Jesu mit einem kommunistischen Spion.
(26-06-2010, 22:18)indymaya schrieb: [ -> ]
(25-06-2010, 20:02)Hikikomori schrieb: [ -> ]Ich selbst stehe hier auf zwei Seiten, einerseits halte ich von Führerfiguren wenig, selbst wenn es sich nicht um Persönlichkeiten sondern um Konzepte handelt, eine Mitgliedschaft in einer Partei ist für mich beispielsweise undenkbar, und ich nehme keine Befehle entgegen, höchstens Bitten. Mir etwas zu befehlen ist der einfachste Weg mich zum Nachdenken zu bringen und die Gefahr daß ich im Zweifel erst einmal auf stur schalte ist recht hoch, weshalb eine Karriere beim Militär für mich ebenso undenkbar ist.

Meine Zeit beim Wehrdienst, den ich absolvieren mußte weil der Zivildienst zu lange gedauert hätte und das finanziell schwierig geworden wäre, habe ich gehasst, Aber beobachten kann man es auch heute noch, die Neigung sich Führerpersönlichkeiten unterzuordnen und dann einfach mitzuschwimmen ist mit den Nazis nicht untergegangen, die gibt es meiner Ansicht auch heute noch.

Das hätte ich gerne gesehen, wenn der Kompaniechef brüllt:"Stillgestanden!" und Du dann sagst :"Erst bitte bitte sagen!"
Aus finanziellen Gründen werden viele zum potenziellen Mörder und viele zum Mörder. So verstehe ich auch, das Du das "du sollst nicht töten" nich für den relevantesten Teil des Gebotes der Nächstenliebe hälst.
Dieses Gebot war "monchalant", als man im 3. Reich aus Nächstenliebe den Wehrdienst verweigerte und dafür hingerichtet wurde.
Aber das ordnest Du ja "salopp" anders ein.
Aus dieser Gesinnung heraus, kommt auch sicher der Vergleich Jesu mit einem kommunistischen Spion.

Interessant, ich lehne Deine Argumentation ab, und Du wirst persönlich und stellst mich kurzerhand in eine (moralische) Reihe mit (den allesamt doch moralisch zutiefst verachtenswerten) Mitläufern im 3ten Reich und stilisierst Dich selbst oder zumindest die amorphe Gruppe der "Gläubigen" als moralisch gleichwertig mit (allesamt tapferen und aufrechten) Menschen die ihr Leben gaben als sie sich Hitlers Willen widersetzten, natürlich allein um der Nächstenliebe willen.
Das läßt tief blicken, und da sieht es bei den wenigsten Menschen besonders blütenweiß aus, da bilde ich keine Ausnahme und Du auch nicht wie es scheint. Zumindest bin ich mir aber dessen bewußt.

Nun, sehen wir uns Deine Ansichten, oder besser Deine Postulate und Beleidigungsversuche mal aus der Nähe an, in Farbe und nicht in Schwarz-Weiß.

Zuerst zum halbseidenen Vorwurf, ich wäre durch meine Entscheidung zum Wehrdienst moralisch minderwertig, vor allem durch die finanzielle Motivation zum potenziellen Mörder geworden.
Zuvörderst, man kann nicht zum potenziellen Mörder werden, entweder man ist ein Mörder oder man ist ein potenzieller Mörder.
Richtig, auch Du bist streng betrachtet ein potenzieller Mörder, jeder Mensch ist das. Das bedeutet das Wort "potenziell" in diesem Kontext, im Bereich des Möglichen liegend, aber noch nicht geschehen.
Die wenigsten werden je zum wirklichen Straftäter, sei es weil die Motivation fehlt, ihr Charakter stark genug ist um trotz einem starken Motiv, zum Beispiel der Verlust eines nahen Angehörigen durch ein absichtliche oder grob fahrlässige Tat eines Dritten oder eine unmittelbare Lebensgefahr für sich oder einem nahestehende Personen, nicht zu töten. Ich würde zwar jemanden der aus Notwehr oder Nothilfe heraus jemanden tötet nicht als Mörder bezeichnen, aber ich kann mir vorstellen daß man das durchaus auch anders sehen kann, vor allem wenn man gerne einfachen Regeln folgt anstatt selbst zu denken und zu akzeptieren daß es nicht nur richtig und falsch, gut und böse gibt.

Insofern halte ich Deinen implizierten Vorwurf, jeder Mensch der, zumal aus finanziellen Motiven, den Wehrdienst ableistet sei schon ein halber Mörder und damit verachtenswert für leichtfertig abwertend gegenüber vielen Menschen, anmaßend und zudem sogar schlicht falsch.
Ich hätte in der Tat jeden Befehl auf einen Menschen zu schießen, ohne unmittelbare Gefahr für mein eigenes Leben oder das anderer, verweigert.

Und damit wäre ich wohl nicht ganz alleine gewesen wenn ich mir in Erinnerung rufe wievielen extrem unwohl dabei war eine gelade Waffe zu tragen. Ich habe mit meinen Kameraden viele Gespräche geführt, zumal als wir an der Grenze eingesetzt waren und mit voll geladenem Magazin illegale Einwanderer aufgreifen sollten. Viele hielten die Waffe für unnötig, eher gefährlich für uns als für sonst jemandem, weil kaum einer es fertig gebracht hätte zu schießen, selbst wenn ein unbewaffneter Einwanderer wahnsinnig genug gewesen wäre uns gegenüber ernsthaft handgreiflich zu werden.
Es ist zwar noch schwerer zu sagen was andere tun und nicht tun würden wenn dies und das geschieht als das bei einem selbst schon der Fall ist, aber ich wage einfach mal zu behaupten daß nahezu jeder Wehrdienstleistende einen unzulässigen Schießbefehl ohne Not verweigert hätte. Auch wenn manches Gehorsamkeitsexperiment einem da zu denken gibt.

Es ist einfach von Anfang an klar daß der Militärdienst hierzulande nichts weiter bedeutet als eine tierisch nervtötende und idiotische Sportwoche mit jeder Menge Waffenspazierentragen im Freien, die zudem noch ein paar Wochen zuviel dauert. Mehr ist es im Prinzip nicht, und aus der Entscheidung für oder wider diesen Ringelpietz im Freien mit Brüllaffenkulisse moralische Implikationen zu ziehen finde ich äußerst gewagt. Zudem sind einen Befehl zu geben und einen zu erhalten zwei paar Schuhe. Ein gegebener Befehl muß vom Empfänger erst einmal als absolut zwingend und unabdingbar zu befolgen verstanden werden, ansonsten ist es ähnlich wie einem Hund nachdem er sich gesetzt hat "Sitz" zu befehlen. Wie stark die Befehlsgewalt über jemanden ist zeigt sich aber erst dann wenn etwas befohlen wird bei dem der Empfänger des Befehls einen sehr hohen Grad an Widerwillen empfindet. Und dazu braucht man schon einen echten Krieg, dann erst würde die Werte jedes einzelnen und die Befehlsgewalt die ein geringeschätzter Kommandant wirklich über seine fast allesamt 18jährigen Grundwehrdiener hat zeigen, zumal dann auch die potentiellen Strafen die auf direkte oder indirekte Verweigerung von Befehlen ausgesprochen werden können ernstzunehmende Dimensionen annehmen. Vorher lehnt sich ein unzumutbar empfunderer Befehl beim Wehrdienst genauso leicht ab wie ein ebensolcher bei der Arbeit. Wenn der Chef da etwas absurdes und als verachtenswert empfundenes verlangt oder sonst etwas was man absolut nicht tun will verweigert man sich auch und akzeptiert die Konsequenzen als das kleinere Übel.

Ich war weiterhin schon 23 oder 24 als ich meinen Wehrdienst ableistete und habe Grundkenntnisse in Psychologie, und war damit wenig beeinflußbar oder beeindruckbar durch die Vorgehensweise mit der man von Seiten von Vorgesetzten konfrontiert wird. Gruppenstrafen, der plötzliche Wechsel in der Tonart(anfangs sind sie noch sehr freundlich, nach ca. 2 Wochen machen sie einen Tag aus ab dem plötzlich rumgebrüllt wird), Exerzierübungen, undundund.
All das und mehr sind lächerlich durchsichtige Versuche, selbst für die meisten 18jährigen ohne Interesse in der psychologischen Seite des Militärs. Ich kann Dir versichern, die meisten haben die Vorgesetzten belächelt und bei jeder Demonstration ihrer oft frappierenden Unzulänglichkeiten geringer und geringer geschätzt. Von Kadavergehorsam wie im 3ten Reich sind heutige Wehrdienstleistende zumindest hierzulande Lichtjahre entfernt, was Du wissen würdest wenn Du durch eigene Erfahrung Ahnung davon hättest wovon Du sprichst anstatt persönliche Ressentiments zu pflegen.

Was das achso eigennützige Motiv Mammon angeht, ich hatte damals und habe noch eine psychisch kranke Mutter die ich versorgen muß(daher auch mein Interesse an Psychologie und Psychiatrie). Ich selbst habe kein Interesse an Geld, mein PC stellt so ziemlich das Teuerste dar das ich besitze, ich habe weder ein Auto noch besitze ich eine eigene Wohnung oder gar Haus. Ich brauche sehr wenig, ich lese gern, darüber hinaus bin ich ein sehr genügsamer Mensch ohne den Ehrgeiz oder das Bedürfniss nach besonderem Luxus. Etwas das meiner Erfahrung nach viel mehr Menschen zu eigen ist als man glauben möchte wenn man sich unsere konsumorientierte Gesellschaft aus der Ferne ansieht. Insofern ringt mir Dein, nennen wir es höflicherweise "unterschwelliger" Vorwurf der moralischen Käuflichkeit und Minderwertigkeit gerade mal ein müdes Grinsen ab.

Man sollte vorsichtig damit sein Menschen aus der Ferne zu beurteilen, zumal in einem Internetforum in dem man sich ohne Schwierigkeiten so geben kann wie man gerne gesehen werden möchte(warum auch immer das erstrebenswert sein soll).
Es ist ausserdem nicht wirklich klug jemandem moralische Abgründe vorzuwerfen während man ihn mit Dreck bewirft, das hat ein bißchen den Ruch von Heuchelei. Es werden immer beide dreckig, vor allem dann wenn man glaubt auf dem hohen Ross erwischen einen die Spritzer nicht.


Und zuletzt, ja, den Wehrdienst im 3ten Reich zu verweigern ist selbst ohne Ansicht der Person und der grundlegenden Motivation zuallererst einmal etwas äusserst bewundernswertes. Allerdings wäre ich vorsichtig jeden Wehrdienstverweigerer gleich in den Rang eines (kleinen) Heiligen der Nächstenliebe zu erheben, oder jeden der damals in der Wehrmacht Dienst tat zum Verbrecher und moralisch Entarteten.
Einerseits bin ich überheblich genug um so bescheiden zu sein und mir kein generelles, und oft nicht einmal ein spezielles Urteil anzumaßen. Ich wage nicht mich hinzustellen und mir sicher zu sein wie ich damals, sei es hypothetisch so wie ich jetzt bin zurückversetzt in diese Zeit oder gar aufgewachsen in der damaligen Zeit reagiert hätte. Es ist allzu leicht sich die Sicherheit die unsere heutige Zeit, zumindest in weiten Teilen Europas, bietet zum Anlaß zu nehmen und sich moralisch überlegen zu fühlen, sich sicher zu sein wie man sich verhalten und wer man wohl gewesen oder geworden wäre unter dem Einfluß dieser Zeit.

Aber eines ist sicher, die implizierte Behauptung Deinerseits, jeder der damals den Dienst an der Waffe verweigerte und dafür Gefahr für sein Leben in Kauf nahm hätte dies aus Nächstenliebe getan ist genauso absurd wie die Vorstellung jeder Deutsche wäre im 2ten Weltkrieg zum Monster mutiert. Es gab sicher Menschen für die im Vordergrund stand daß sie niemandem ein Leid antun wollten, zumal Hitlers Wehrmacht ja seit 1939 einen Angriffskrieg nach dem anderen führte und nicht nur eine Verteidigungsstreitmacht im eigenen Land war wie viele heutige Armeen in Europa. Aber in der Tat dürften nicht wenige Menschen die damals den Wehrdienst verweigerten, vor allem Zeugen Jehovas und ähnliche fanatische Gläubige, dies nicht zuletzt auch aus eigennützigen Motiven getan haben. Schließlich stand nach ihrem Glauben ihr Seelenheil und ihr Platz im Jenseits auf dem Spiel, für jemanden der das Leben "danach" als ungleich wichtiger weil ewig einschätzt ein nicht zu unterschätzendes und sehr egoistisches Motiv. Das macht die Entscheidung zwar nicht wertlos, schon allein da kein Mensch und fast keine menschliche Entscheidung aus reinem Altruismus getroffen wird, aber mindert den moralischen Heiligenschein den Du diesen Menschen einfach generell zugestehst doch erheblich in meinen Augen.

Wieviele Menschen haben nicht aus finanziellen Motiven gemordet sondern aus Selbstgerechtigkeit heraus, dem Glauben an die eigene moralische, geistige, ethnische oder religiöse Überlegenheit die einem das Recht dazu gäbe. Und wie oft sie als Katalysator und Deckmäntelchen für niedere Motive wie Habsucht diente.




Wie ich das sehe ist Dein, hauptsächlich herabwürdigend persönlicher Beitrag nicht dazu geeignet Deinen Standpunkt nicht zu töten wäre das wichtigste am Konzept der Nächstenliebe zu untermauern. Es unterstreicht eher auf welches der beiden Worte Du selbst die Emphasis bei Nächstenliebe zu legen scheinst, nämlich auf das erste. Aber keine Sorge, das ist nur allzu menschlich und liegt die ganze Jahreszeit über im Trend.

Wenn Du es noch einmal versuchen und mir ohne persönliches Blendfeuer erklären möchtest wieso nicht zu töten das allerwichtigste an Nächstenliebe ist anstatt das absolute Minimum, bitte. Ich würde gerne eine vernünftige und stringentere Argumentation lesen die mir verdeutlicht wieso Deine Ansicht richtig sein soll und meine falsch.
Oder wir fahren mit der Schlammschlacht von hohen Rössern fort und Du legst Dir meine von Deiner Ansicht abweichende Meinung als Resultat meiner moralischen Minderwertigkeit zurecht anstatt sie auf mangelnde Argumentation zurückzuführen oder gar einen möglichen Irrtum Deinerseits in Betracht zu ziehen. Ganz davon zu schweigen sie einfach als gleichberechtigte aber eben fremde Meinung zu akzeptieren.

Wie Du möchtest.

indymaya

(27-06-2010, 05:44)Hikikomori schrieb: [ -> ]Interessant, ich lehne Deine Argumentation ab,

Siehe Thema!
Das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" ist Wille Gottes und daher wichtig.
Wer sich nicht daran hält, kann seine "Nächstenliebe" in die Tonne klopfen.
Im 3. Reich gab es die "Bedrängnis" zu entscheiden, töten oder getötet werden ohne zu töten.
In der Entscheidung gegen das Mörderregiem taten pazifistische Andersgläubige, pazifistische "Ungläubige" und echte Christen unbewusst oder bewusst den Willen Gottes, bestimmt auch noch viele Soldaten im entscheidenden Augenblick.
Wie ich mich in einer "Bedrängnis" entscheide, weiss ich erst wenn sie da ist und hoffe, daß Gott mir hilft.
Aber es ist falsch "Mitläufer" zu werden bevor sie da ist, sei es nun aktiv oder als Schreibtischtäter.
(27-06-2010, 11:04)indymaya schrieb: [ -> ]Wie ich mich in einer "Bedrängnis" entscheide, weiss ich erst wenn sie da ist

was dich aber nicht davon abhält, anderen jetzt schon übelstes zu unterstellen

ich nenne so was scheinheilig
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