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Normale Version: Kann die Wissenschaft moralische Werte festlegen?
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Der amerikanische Philosoph Sam Harris hat dazu aufgerufen, dieser seiner These argumentativ zu begegnen:

*http://www.samharris.org/blog/item/the-moral-landscape-challenge1

Aus meiner Sicht scheitert die Wissenschaft als moralische Instanz bereits an Humes Gesetz.
Solcherlei Philosophie wird m.E. ganz schnell faschistoid.

Harpya

(15-09-2013, 01:48)Mustafa schrieb: [ -> ]Der amerikanische Philosoph Sam Harris hat dazu aufgerufen, dieser seiner These argumentativ zu begegnen:

*http://www.samharris.org/blog/item/the-moral-landscape-challenge1

Aus meiner Sicht scheitert die Wissenschaft als moralische Instanz bereits an Humes Gesetz.
Solcherlei Philosophie wird m.E. ganz schnell faschistoid.

Da meinst du wohl:
"If we are willing to drop bombs [...] we should be willing to torture a certain clan of criminal suspects and military prisoners."

(The End of Faith. Religion, Terror, and the Future of Reason. London 2006, S. 197.)

Was hat aber Wissenschaft mit Moral zu tun ?
Beansprucht sie auch garnicht als irgendein Schiedsrichter
für jede noch so verquere Denkweise zu sein.
Was ist denn Moral, wichtiger als Fressen ?

Also stellt sich die Frage so nicht, weil Moral kein wissenschaftliches Kriterium ist.
nein

kategorienfehler
(15-09-2013, 01:48)Mustafa schrieb: [ -> ]Aus meiner Sicht scheitert die Wissenschaft als moralische Instanz bereits an Humes Gesetz.
Solcherlei Philosophie wird m.E. ganz schnell faschistoid.

Gebe ich dir in soweit recht, als ich schon die Notwendigkeit "einer" moralischen Instanz anzweifle. Ob das jetzt die Wissenschaft sein soll, Gott, die sieben Zwerge oder, oder, oder...

Auf moralische Fragen gibt's ja meistens mehr als eine Antwort und jede Menge Grauzonen.

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse können aber eventuell dabei hilfreich sein eine vernünftige Lösung zu finden, müssen aber nicht. Ein Jurist würde sagen, es kommt halt immer darauf an.
(16-09-2013, 12:58)Glaurung40 schrieb: [ -> ]Auf moralische Fragen gibt's ja meistens mehr als eine Antwort und jede Menge Grauzonen.

Die These von Harris lautet, dass man mittels Wissenschaft eben durchaus zu einer eindeutig richtigen-weil wissenschaftlich am besten belegten- Antwort kommen kann.
So, wie ich das durch Querlesen des Preisausschreibens verstanden habe, stellt nicht die Wissenschaft die moralische Instanz dar, sondern Fragen nach dem Leiden an gewissen (politischen?) Entscheidungen können mit Hilfe der Wissenschaften als besser oder schlechter entschieden werden.

Damit ist die Moral durch die Hintertür im System, nämlich gemessen am Leiden. Ebenso gut könnte man nach anderen Kriterien vorgehen. Die Moral hängt an diesen Kriterien.

Natürlich, hat man diese, dann kann man per wissenschaftlicher Methoden, heraus bekommen, wie man das Kriterium (oder deren mehrere) am besten erfüllen kann.
Sam Harris fordert meiner Meinung nach nichts Anderes, als eine art "Religiöse", instrumentalisierte Ausübung der Wissenschaft, zugeschnitten auf seine eigene Rumphilosophiererei und seiner Form des "Absolutheitsanspruch". Also könnte schon in gewisser Form ein Narzismus hinter stecken, denn er nimmt der Wissenschaft seine Selbständigkeit, durch seine philosophische Definition im Sinne von einem Oberrahmen das darüber gelegt werden soll, im Sinne von "moralischer Instanz" aus der Wissenschaft heraus. Jedoch ist die Wissenschaft frei und hat unterschiedliche Wege sich mit einem Thema zu beschäftigen.

Ebenso kann ich diesen Ritus dieser Form von Philosophen mit dem Begriff Wissenschaft rum zu jonglieren wie es denen beliebt, weil die nichts Anderes ritualisieren können, aber wollen, daher sie die Wissenschaft für ihr Ritus wollen, nicht wirklich viel abgewinnen. Galileo war da z.B wesentlich Konkreter und gleichzeitig Offener. Er lebte damit die Wissenschaft einfach Wissenschaft sein zu lassen, ohne wirklich die Philosophie oder Religion als verbindliche Definitionsinstanz zu fordern, sondern diese davon zu lösen!

Sam Harris nach meiner Meinung geht wieder ins Mittelalter zurück, er beginnt wieder die Philosophie als eine Instanz für die Wissenschaft zu setzen.


Ein Physiker oder Chemiker, oder von mir aus ein Psychologe wird sich einer Sache nähern wenn er es für Notwendig hält, dafür braucht der keine vordefinierte philosophische Oberwarheitsinstanz. Wenn Ergebnisse kommen, dann kommen diese - oder er arbeitet folgend dran.
(16-09-2013, 22:43)Mustafa schrieb: [ -> ]Die These von Harris lautet, dass man mittels Wissenschaft eben durchaus zu einer eindeutig richtigen-weil wissenschaftlich am besten belegten- Antwort kommen kann.

Na ja, könnte ja für einige Fälle durchaus gelten, aber halt nicht generell. Persönlich bin ich auch der Meinung, dass man hiermit in die Gefahr gerät, Absolutheitsansprüche zu postulieren. Die grundlegende Vermeidung von Leiden finde ich aber durchaus eine vernünftige Grundlage für moralische Entscheidungen. Jedenfalls ist besser als irgendein "heiliges Buch" oder "Transzendenzen".
(17-09-2013, 13:29)Glaurung40 schrieb: [ -> ]Die grundlegende Vermeidung von Leiden finde ich aber durchaus eine vernünftige Grundlage für moralische Entscheidungen.

Ja, keine schlechte Sache... ABER..
der Begriff Leid kann leider ebenso relativiert und gedehnt werden.
Diese Frage finde ich sehr interessant. Mit Wissenschaft ist dann Naturwissenschaft gemeint. Oder? Ich denke moralische Werte können besser festgelegt werden, wenn die Ursache klar ist. Wenn ich mir im klaren bin, dass jemand durch einen Pistolen-Schuss getötet wird und danach nicht einfach ohne Verletzungen davon kommt, dann kann ich bessere Entscheidungen treffen. Wie wir also miteinander umgehen sollen, dabei hilft uns die Ursache, denn kenne ich die Ursache und die Wirkung, dann kann ich Entscheidungen treffen. Genau dafür haben wir ja die Naturwissenschaft. 

Es können zwar nicht allein durch Naturwissenschaft moralische Werte festgelegt werden, aber auch nicht ohne, meiner Meinung nach. Setzte ich moralische Werte fest ohne das zu tun von Naturwissenschaft, dann komme ich auf fragliche Werte.
Zunächst einmal ist richtig erkannt, dass aus einem SEIN kein SOLLEN folgt (tiefer begründet durch David Hume). Was für eine Gesellschaft gelten soll wird durch gesellschaftsbedingte Vereinbarungen festgelegt. Auch das hat Tradition, und man wird gegebenenfalls in diese "Werte" hinein geboren. Klar, man kann sinnvollere Entscheidungen treffen, wenn man die Wirkung von Maßnahmen kennt (Wissenschaft). Aber dahinter i. S. von "besser" stecken wiederum Konventionen.
Ich muss David Hume Widersprechen. Wenn wir von objektiven Fakten sprechen z.B ob die Sonne sich die Erde sich um die Sonne bewegt, dann referieren wir dies zu der wissenschaftlichen Definition von objektiv, also Sachverhalte die empirisch nachgewiesen sind, etwa durch eine Messung oder anderes. Nehmen wir nun eine philosophische Definition von Objektivität, dann müsste die Antwort, dass die Erde sich um die Sonne bewegt, objektiv verneint werden, denn philosophisch gesehen gelten unsere objektiven Fakten nur unter den Rahmenbindungen unter denen wir unsere Objektivität wissenschaftlich beschrieben haben, also unter unseren sogenannten Axiomen oder auch Vor-Annahmen.

Die Annahmen bei denen ich Ekkard und Mustafa nicht zustimmen kann sind die, dass Moral zwar im Philosophischen Sinne subjektiver Natur ist, aber im wissenschaftlichen Sinn durchaus objektiv sein kann. Wie mein Beispiel illustrieren sollte gehen wir bei wissenschaftlichen Fakten auch von einer Objektivität aus, denn diese entsteht eben aus den Rahmenbedingungen die wir uns in der Naturwissenschaft gegeben haben, etwa das Messungen, empirische Daten und weiteres einen objektiven Zusammenhang bilden. Wir machen bei den Naturwissenschaften, und das ist mein großer Kritikpunkt, auch keine philosophische Ausnahme, denn unsere heutige Gesellschaft ist in diesen Fragen Anwendungs-bzw. Praxisorientiert und die Rahmenbedingungen etwa das wir Fakten objektiver Natur erzeugen können, sind genau darauf Zielgerichtet. 

David Hume hier als Argument zu verwenden halte ich also für höchst intellektuell unehrlich, denn ich sehe nicht wieso die Ausnahme genau hier Anwendung findet? Mein Argument ist nicht, dass man im philosophischen Sinne normative Aussagen aus deskriptiven Aussagen ziehen kann, sondern dass es fraglich ist überhaupt Hume hier als Argument zu verwenden. Mein Argument ist auch nicht, dass es in irgendeiner Form ein moralisches Naturgesetz oder etwas transzendentes gibt aus dem man seine Moral herleiten kann, sondern was ich sagen will ist dass, sich Moral sehr wohl aus objektiven Fakten herleiten lässt, wenn man die Naturwissenschaftliche objektive Definition verwendet. Es ist ein verifizierbarer Fakt, so wie jeder andere Fakt, den wir in der Naturwissenschaft als Fakt bezeichnen und hat nichts mit Meinung oder persönlichen Präferenzen zu tun wie jeder andere Fakt auch. 

Moral sollte und könnte sich meiner Meinung, also auch ganz durch ein System von Axiomen faktisch begründen lassen. Als Beispiel und das wird jetzt mit mehreren Themen in diesem Forum zusammenhängen, ist das im Thema Naturalismus - Die Grenzen. Erfahrungsgemäß könnte wie bei den Naturwissenschaften ein Axiom darüber aufgestellt werden das Zielgerichtet ist für eine faktische Moraltheorie. Nun könnte man kritisieren, dass genau eben diese Ziele subjektiver Natur bzw. Gesellschaftsvertraglich geregelt werden, aber hier muss ich genauer erklären, dass für mich die Begriffe: Moral nicht Moral, gut und böse immer Zielgerichteter Natur sind, also sie müssen einen referenziellen Rahmen haben, genauer heißt das, dass etwas gut ist in einem bestimmten Rahmen, in dem man ihn definiert etwa ob es gut ist heute das Auto zur Arbeit zu nehmen, kann verschieden beantwortet werden, denn ist es gut für die Umwelt? Nein? Dann ist es unmoralisch, aber ist das Ziel schnell zur Arbeit zu fahren, dann ist es gut, das Problem liegt nun an der Wertetheorie, ist es wichtiger schnell zur Arbeit zu kommen oder wichtiger die Umwelt zu schützen? Nun kommt der wichtige Punkt, dass wir Erfahrungsgemäß darauf Antworten können und dies ist auch der richtige Ansatzpunkt wir können faktisch feststellen, dass wir z.B den Willen zum überleben haben und somit könnten wir Erfahrungsgemäße bzw. Axiomatische "Ziele" festlegen für die es objektive faktische Lösungen gibt. Als Beispiel würde mir spontan einfallen, dass Person X ist Heterosexuell faktisch und Biologisch gesichert, es wäre nun falsch oder unmoralisch für ihn Homosexualität zu praktizieren, er sollte sich nach einem Weiblichen Partner umsehen. Person X hat ein Ziel und es gibt richtig und falsche Wege dieses Ziel zu erreichen, also moralisch und unmoralische Wege die Person X nehmen kann. 

Ich will nicht damit sagen das Moral als eine Art Naturgesetz gesehen werden kann, sondern das Moral gleichzeitig objektiv und relativ sein kann, damit meine ich das Moral, unter bestimmten Bedingungen, objektiver faktischer Natur sein kann. Das klingt jetzt Widersprüchlich aber das muss man in Bezug zu Sam Harris sehen, von dem ich auch viele Überlegungen mit einbezogen habe. Sam Harris nimmt hier als Beispiel die Medizin die Wissenschaft der Gesundheit. Während Medizin als objektive Wissenschaft gilt, ist sie gleichzeitig auch eine relativistische Wissenschaft, denn Fakten über die Gesundheit sind relativ zu verschiedenen Lebewesen. Auch wenn wir alle persönliche Präferenzen und Vorlieben bzw. Ziele haben ist es so das die meisten Menschen nicht leiden wollen, also leid reduzieren wollen, deswegen könnte man hier auch aufbauen, hier stimme ich Sam Harris zu. Warum sollte man hier zustimmen? Weil es erfahrungsgemäß, also Axiomatisch oder anders ausgedrückt eine gute Rahmenbedingung darstellt. Natürlich gibt es auch Menschen die etwas anderes für Erfahrungsgemäße richtig halten oder sich die Rahmenbedingungen anders vorstellen, aber diese werden sich wie in den Wissenschaften von allein einstellen. 

Es gibt auch Menschen die ,die Rahmenbedingungen der Naturwissenschaften anzweifeln bzw. etwa meinen, dass unsere Rahmenbedingungen falsch gewählt sind, aber meistens sind das Leute die sich an Verschwörungstheorien bedienen, die Mondladung anzweifeln oder an der Evolutionslehre zweifeln, deswegen halte ich die Kritik von Sam Harris und die von mir eingeworfenen Sachen für durchaus Diskussionswürdig.
(05-01-2019, 03:37)Holmes schrieb: [ -> ]Nun kommt der wichtige Punkt, dass wir Erfahrungsgemäß darauf Antworten können und dies ist auch der richtige Ansatzpunkt wir können faktisch feststellen, dass wir z.B den Willen zum überleben haben und somit könnten wir Erfahrungsgemäße bzw. Axiomatische "Ziele" festlegen für die es objektive faktische Lösungen gibt. Als Beispiel würde mir spontan einfallen, dass Person X ist Heterosexuell faktisch und Biologisch gesichert, es wäre nun falsch oder unmoralisch für ihn Homosexualität zu praktizieren, er sollte sich nach einem Weiblichen Partner umsehen. Person X hat ein Ziel und es gibt richtig und falsche Wege dieses Ziel zu erreichen, also moralisch und unmoralische Wege die Person X nehmen kann.

Ich sehe hier eigentlich eher eine Bestaetigung fuer Humes Gesetz. Ich kann naemlich nicht erkennen, wie Du hier von A nach B gekommen bist; oder Du benutzt eine mir unbekannte Definition von "Moral".
Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe, denke aber, das läuft in Richtung, dass wir Wissenschaft bei der Umsetzung moralischer Werte nutzen können.
Dagegen hat wohl kaum jemand etwas, es ist aber etwas anderes, als die Aussage, dass Wissenschaft moralische Werte festlegen kann.

Ich versuche mal darzulegen, wie ich es verstanden habe:
Es ist empirisch nachweisbar, dass Menschen nicht leiden wollen, daraus bilden wir ein 'moralisches' Axiom, und erörtern mit wissenschaftlicher Methodik, wie Leid reduziert werden kann.
Hätte in so einem Fall Wissenschaft moralische Werte festgelegt?

Und wie sähe das in der Anwendung auf 'klassische' moralische Fragen aus, wie etwa: 'darf man wenige Menschen töten, um anderen (vielen) das Leben zu retten?'
Ich bin mir nicht sicher, ob sich eine wissenschaftliche Methodik mit dem Ziel 'Reduktion von Leid' mit unseren humanistischen Werten vereinbaren lässt.
(05-01-2019, 22:52)Mustafa schrieb: [ -> ]Ich bin mir nicht sicher, ob sich eine wissenschaftliche Methodik mit dem Ziel 'Reduktion von Leid' mit unseren humanistischen Werten vereinbaren lässt.
Da wird sich auch sonst nicht finden, mit dem man dieses Problem grundlegend beseitigen könnte.

Moralische Werte sind konventionelle/gesellschaftliche Vereinbarungen und von denen man hofft dass sich jeder daran hält.

Unter Berücksichtigung:
der aller-menschlichsten Natur, die nicht weniger opportunistisch ist, als die der meisten anderen Säugetiere auch, kann man gut und gerne behaupten, dass die Moral in erster Linie immer eine Verpflichtung des anderen ist.

Und wen man aus dieser Perspektive die Thread-Frage mal umdreht.. ob denn Weltanschauungen/ Religionen auch unmoralische Wertvorstellungen vermitteln können, dann finden wir diesbezüglich über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg deutlichst mehr Belege die dafür sprechen, als anders herum. Fängt ja schon beim Abrahm an - welcher diesbezüglich zwar nur eine mythologische Nebenrolle spielt - aber wenn man da mal genauer hinschaut.. und dass da jemand auch heute noch dafür verehrt wird, seinem Gottglauben zuliebe die eigenen Kinder auf einem Brandopferaltar...

dann stellt sich schon wirklich mal die Frage, was denn nun wer, wem und was an Moral vermittelt.


Die Naturwissenschaft ist nicht bestechlich. Aber bei den Göttern bin ich mir ziemlich sicher dass es da kaum einen  Unbestechlichen  gibt.

Was sich der Mensch vermitteln lässt, hängt also allein vom ihm selbst ab. Und dabei spielen unter anderem auch unbewusste Veranlagungen und andere Neurosen die eine alles entscheidende Hauptrolle.
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